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Paul Valéry über Kunstwerke – Lexikon der Argumente

Gadamer I 100
Kunstwerk/Valéry/Gadamer: Wie soll man sich aber den Maßstab für die Vollendung eines Kunstwerks denken? Mag man die künstlerische noch so rational und nüchtern ansehen - vieles, das wir ein Kunstwerk nennen, ist doch gar nicht für den Gebrauch bestimmt, und überhaupt keines empfängt das Maß für sein Fertigsein von einem solchen Zweck. Stellt sich dann das Sein des Werkes nur dar wie der Abbruch eines virtuell über es hinausweisenden Gestaltungsvorganges? Ist es in sich selbst überhaupt nicht vollendbar?
Valéry: Paul Valéry hat die Dinge in der Tat so gesehen. Er hat auch nicht die Konsequenz gescheut, die sich für den daraus ergibt, der einem Kunstwerk gegenüber tritt und es zu verstehen sucht. Wenn es nämlich gelten soll, dass ein Kunstwerk nicht in sich selbst vollendbar ist, woran soll sich dann die Angemessenheit des Aufnehmens und Verstehens messen? Der zufällige und beliebige Abbruch eines Gestaltungsvorganges kann doch nichts Verbindliches enthalten(1).
Rezeption/Verstehen: Daraus folgt also, dass es dem Aufnehmenden überlassen bleiben muss, was er seinerseits aus dem macht, was vorliegt. Die eine Art, ein Gebilde zu verstehen, ist dann nicht weniger legitim als die andere. Es gibt keinen Maßstab der Angemessenheit. Nicht nur, dass der Dichter selbst einen solchen nicht besitzt - darin würde auch die Genieästhetik zustimmen.
>Genie/Gadamer
.
Vielmehr hat jede Begegnung mit dem Werk den Rang und das Recht einer neuen Produktion.
GadamerVsValéry: Das scheint mir ein unhaltbarer hermeneutischer Nihilismus. Wenn Valéry für sein Werk gelegentlich solche Konsequenzen gezogen hat(2) um dem Mythos der unbewussten Produktion des Genies zu entgehen, hat er sich in Wahrheit, wie mir scheint, in ihm erst recht verfangen. Denn nun überträgt er dem Leser und Ausleger die Vollmacht des absoluten Schaffens, die er selber nicht ausüben will.
Ästhetisches Erlebnis/Gadamer: Die gleiche Aporie ergibt sich, wenn man statt von dem Begriff des Genies von dem Begriff des ästhetischen Erlebnisses ausgeht. >Ästhetische Erfahrung/Erlebniskunst/Lukacs.

1. Gadamer: Es war das Interesse an dieser Frage, das mich in meinen Goethe-Studien leitete. Vgl. »Vom geistigen Lauf des Menschen«, 1949; auch meinen Vortrag »Zur Fragwürdigkeit des ästhetischen Bewusstseins«, in Venedig 1958 (Rivista di Estetica, Ill-Alll 374-383). Vgl. den Neudruck in „Theorien der Kunst“ hrsg. von D. Henrich und W. Iser, Frankfurt 1982, dort S. 59—691.
2. Valéry, Variété Ill, Commentaires de Charmes: »Mes vers ont le sens qu'on leur prete«.

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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.

Valéry I
P. Valéry
Cahiers Vol. I Frankfurt/M. 1987

Gadamer I
Hans-Georg Gadamer
Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik 7. durchgesehene Auflage Tübingen 1960/2010

Gadamer II
H. G. Gadamer
Die Aktualität des Schönen: Kunst als Spiel, Symbol und Fest Stuttgart 1977

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