Philosophie Lexikon der Argumente

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Literatur: Literatur umfasst schriftliche Werke, die Sprache und Form verwenden, um eine künstlerische Erfahrung zu schaffen. Sie wird von anderen Arten des Schreibens wie wissenschaftlichen Texten unterschieden. Siehe auch Schrift, Texte.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

Hans-Georg Gadamer über Literatur – Lexikon der Argumente

I 138
Literatur/Fiktion/Gadamer: Für den Dichter ist die freie Erfindung immer nur die eine Seite eines durch vorgegebene Geltung gebundenen Mittlertums. Er erfindet seine Fabel nicht frei, auch wenn er sich das noch so sehr einbildet. Vielmehr bleibt bis zum heutigen Tage etwas von dem alten
Fundament der Mimesis-Theorie bestehen. Die freie Erfindung des Dichters ist Darstellung einer gemeinsamen Wahrheit, die auch den Dichter bindet. Nicht anders steht es mit den anderen, insbesondere den bildenden Künsten.
>Fiktion/Gadamer
, >Mimesis.
Der ästhetische Mythos der freischaffenden Phantasie, die das Erlebnis in die Dichtung verwandelt, und der Kult des Genies, der ihm zugehört, bezeugt nur, dass im 19. Jahrhundert das mythisch-geschichtliche Traditionsgut kein selbstverständlicher Besitz mehr ist.
Aber selbst dann noch stellt der ästhetische Mythos der Phantasie und der genialen Erfindung eine
Übertreibung dar, die vor dem, was wirklich ist, nicht standhält. Immer noch entspringt die Stoffwahl und die Ausgestaltung des gewählten Stoffes keinem freien Belieben des Künstlers und ist nicht bloßer Ausdruck seiner Innerlichkeit. Vielmehr spricht der Künstler vorbereitete Gemüter an und wählt dafür, was ihm Wirkung verspricht. Er selbst steht dabei in den gleichen Traditionen wie das Publikum, das er meint und sich sammelt. In diesem Sinne ist es wahr, dass er nicht als Einzelner, als denkendes Bewusstsein, das ausdrücklich zu wissen braucht, was er tut und was sein Werk sagt. Es ist eben niemals nur eine fremde Welt des Zaubers, des Rausches, des Traumes, zu der der Spieler, Bildner oder Beschauer hingerissen ist, sondern es ist immer noch die eigene Welt, der er eigentlicher übereignet wird, indem er sich tiefer in ihr erkennt. Es bleibt eine Sinnkontinuität, die das Kunstwerk mit der Daseinswelt zusammenschließt und von der sich selbst das entfremdete Bewusstsein einer Bildungsgesellschaft nie gänzlich löst.
I 165
Literatur/Gadamer: Die spezifische Präsenz des Kunstwerks ist ein Zur-Darstellung-Kommen des Seins.
>Kunstwerk/Gadamer.
[In der Literatur] gibt es anscheinend überhaupt keine Darstellung mehr, die eine eigene Seinsvalenz beanspruchen könnte.
Verstehen: (…) alles verstehende Lesen scheint immer schon eine Art von Reproduktion und
Interpretation. Betonung, rhythmische Gliederung und dergleichen gehören auch
I 166
dem stillsten Lesen an. Das Bedeutungshafte und sein Verständnis ist offenbar mit dem Sprachlich-Leibhaften so eng verbunden, dass Verstehen immer ein inneres Sprechen enthält. Gewiss zeigt die Literatur und ihre Aufnahme in der Lektüre ein Höchstmaß an Entbundenheit und Beweglichkeit(1).
Das bezeugt schon die Tatsache, dass man ein Buch nicht in einem Zuge zu lesen braucht, so dass das Daranbleiben eine eigene Aufgabe des Wiederaufnehmens ist, die im Anhören oder Anschauen kein Analogon hat .Eben daran wird aber deutlich, dass „die Lektüre“ der Einheit des Textes entspricht.
Rezeption: Der Begriff der Literatur ist gar nicht ohne Bezug zum dem Aufnehmenden. Literatur ist vielmehr eine Funktion geistiger Bewahrung und Überlieferung und bringt daher in jede Gegenwart ihre verborgene Geschichte ein.
I 167
Geschichte: Erst die Entfaltung des historischen Bewusstseins verwandelt diese lebendige Einheit der Weltliteratur aus der Unmittelbarkeit ihres normativen Einheitsanspruches in die historische Fragestellung der Literaturgeschichte.
>Geschichte, >Geschichtsschreibung.
Überlieferung: (…) der Begriff der Literatur [ist] sehr viel weiter als der Begriff des literarischen Kunstwerks. An der Seinsweise der Literatur hat alle sprachliche Überlieferung teil, nicht nur die religiösen, rechtlichen, wirtschaftlichen, öffentlichen und privaten Texte aller Art, sondern auch die Schriften, in denen solche überlieferte Texte wissenschaftlich bearbeitet und gedeutet werden, mithin das Ganze der Geisteswissenschaften. Ja, die Form der Literatur kommt aller wissenschaftlichen Forschung überhaupt zu, sofern sie mit Sprachlichkeit wesentlich verbunden ist.
I 168
Literarisches Kunstwerk: Der wesentliche Unterschied [zwischen literarischer und z. B. wissenschaftlicher Sprache] liegt in der Verschiedenheit des Wahrheitsanspruchs.
>Lesen.

1.Treffliche Analysen der sprachlichen Schichtung des literarischen Kunstwerks und
der Beweglichkeit anschaulicher Erfüllung, die dem literarischen Wort zukommt, hat R.
Ingarden, Das literarische Kunstwerk, 1931, gegeben.

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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.

Gadamer I
Hans-Georg Gadamer
Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik 7. durchgesehene Auflage Tübingen 1960/2010

Gadamer II
H. G. Gadamer
Die Aktualität des Schönen: Kunst als Spiel, Symbol und Fest Stuttgart 1977

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