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Autismus: Autismus, eine neurologische Entwicklungsstörung, äußert sich in sozialen und kommunikativen Problemen. Der Schweregrad variiert, und die genaue Ursache von Autismus bleibt unklar. Siehe auch Sozialverhalten, Lernen, Aufmerksamkeit.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

Psychologische Theorien über Autismus - Lexikon der Argumente

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Autismus/Psychologische Theorien: Autismus Spectrum Disorders (ASDs) zeichnen sich durch einen Dreiklang von Symptomen aus: beeinträchtigte soziale Entwicklung, beeinträchtigte Kommunikationsfähigkeiten und ein enges Repertoire an Interessen und Aktivitäten. In den letzten drei Jahrzehnten wurden eine Reihe von Theorien aufgestellt, um diese besondere Kombination von Beeinträchtigungen zu erklären.
Kanner: Die Krankheit wurde erstmals 1943 vom Kinderpsychiater Leo Kanner beschrieben, der über den Fall von 11 Kindern berichtete, die eine Kombination von Symptomen aufwiesen, die eigenartig genug war, um es ein eigenständiges Syndrom zu nennen: Die Grundstörung, erklärte er, "ist die Unfähigkeit der Kinder, sich auf gewöhnliche Weise mit Menschen und Situationen vom Beginn des Lebens an zu identifizieren" (Kanner, 1943)(1).
Asperger: Hans Asperger berichtete von einem ähnlichen Zustand in einer Gruppe von vier Kindern, die er in seiner Wiener Praxis beobachtete, und kam zu einem ähnlichen Schluss wie Kanner: "die grundlegende Störung autistischer Individuen", argumentierte er, "ist die Einschränkung ihrer sozialen Beziehungen" (Asperger, 1944)(2).
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Autismus/Psychologische Theorien: Die Hypothese, von einem Mangel an Theory of Mind (ToM: "Wie zeigt man, dass ein Individuum die Fähigkeit hat, mentale Zustände zu begreifen?") im Autismus hatte einen signifikanten Einfluss darauf, wie Kognitionsforscher die Architektur des Geistes betrachten
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und es wurde als starke Unterstützung für die Idee angesehen, dass das menschliche Gehirn mit einem ToM (Theory of Mind)-Modul ausgestattet ist.
>Theorie des Geistes/Premack/Woodruff
, >Theorie des Geistes/Dennett.
Tatsächlich wurde Autismus nach den Erkenntnissen von Baron-Cohen et al. (1985)(3) bald zu einem Testfall für viele Theorien der typischen Entwicklung, bei denen das ToM-Modul eine zentrale Rolle spielt (siehe z.B. Frith & Happé, 1995(4); Happé, 1993(5)).
>False-Belief Test/Happé.
Die Hypothese der "Gedankenblindheit" (mindblindness) führte zu einem enormen Forschungsaufwand, um den Umfang der Theorie zu beurteilen und daraus weitere Vorhersagen abzuleiten.
Happé/Frith: (Happé und Frith 1995)(4) Das von Baron-Cohen et al. (1985)(1) vorgeschlagene Modell ist für die Untersuchung der kindlichen Entwicklung (...) nützlich, da es einen systematischen Ansatz für das beeinträchtigte und ungestörte soziale und kommunikative Verhalten von Menschen mit Autismus ermöglicht.
>VsBaron-Cohen.

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Zwei wichtige kognitive Darstellungen für nicht-soziale Defizite in ASDs wurden vorgelegt. Diese wurden als hauptsächlich mit dem ToM-Bericht kompatibel ausgelegt, bieten aber zusätzliche Erklärungskraft. Diese sind:
1) die Hypothese der exekutiven Dysfunktion, die sich auf eine Schwierigkeit bei der Planung, wie man ein Ziel erreicht, bezieht, und eine Tendenz, sich auf eine Aktivität oder ein Objekt zu fixieren. Dies erklärt insbesondere die Stereotypen (einschließlich wiederholter und stereotyper motorischer Aktivitäten), Planungsschwierigkeiten und Impulsivität (Ozonoff, Pennington, & Rogers, 1991(6)), die häufig in diesem Zustand vorkommen; und
2) Schwache zentrale Kohärenz, (eine Schwierigkeit, mehrere Informationen zu einem Gesamtverständnis eines Themas zu kombinieren), die einen interessanten Überblick über die Höhepunkte der Fähigkeiten bietet, die bei Aufgaben beobachtet werden, die eine detailliertere und nicht ganzheitliche Verarbeitung erfordern (Frith & Happé, 1995(4); Happé, 1999(7)).
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Es wurde argumentiert, dass Autismus durch einen Ansatz mit mehreren Defiziten bekämpft werden sollte und dass "es an der Zeit ist, auf eine einzige Erklärung für Autismus zu verzichten" (Happé, Ronald & Plomin, 2006(8); siehe auch Pennington, 2006(9)). In diesem mehrfachen Defizitrahmen konstruiert, fehlt die Tatsache, dass ToM-Defizite unter anderen Bedingungen gefunden werden können sowie die Tatsache, dass ToM-Defizite das dritte Element der Triade nicht erklären.

1) Der ToM-Bericht bietet keine vollständige Darstellung von Autismus.
2) ToM-Defizite sind nicht spezifisch für Autismus,
3) ToM-Defizite sind im Autismus nicht universell;

Viele andere Merkmale des Autismus wie motorische Ungeschicklichkeit, sensorische Empfindlichkeiten, und so weiter sind relevant, um die Gültigkeit der Darstellung zu beurteilen.

1. Kanner, L. (1943). Autistic disturbances of affective contact. Nervous Child, 2, 217—2 50.
2. Asperger, H. (1944). Die “Autistischen Psychopathen” im Kindesalter. European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience, 117,76—136.
3. Baron-Cohen, S., Leslie, A., & Frith, U. (1985). Does the autistic child have a “theory of mind.” Cognition, 21, 13—125.
4. Frith, U., & Happé, F. (1995). Autism: Beyond ‘theory of mind.” In: J. Mehler& S. Franck (Eds), Cognition on cognition (pp. 13—30). Cambridge, Massachusetts: MIT Press.
5. Happé, F. (1993). Communicative competence and theory of mind in autism: A test of relevance theory. Cognition, 48, 101—119.
6. Ozonoff, S., Pennington, B. F., & Rogers, S. J. (1991). Executive function deficits in high-functioning autistic individuals: Relationship to theory of mind. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 32, 1081—1105.
7. Happé, F. (1999). Autism: cognitive deficit or cognitive style? Trends in Cognitive Sciences, 3, 216— 222.
8. Happé, F., Ronald, A., & Plomin, R. (2006). Time to give up on a single explanation for autism. Nature Neuroscience, 9, 1218—1220.
9. Pennington, B. F. (2006). From single to multiple deficit models of developmental disorders. Cognition, 101,385—413.

Coralie Chevallier, “Theory of Mind and Autism. Beyond Baron-Cohen et al’s. Sally-Anne Study”, in: Alan M. Slater and Paul C. Quinn (eds.) 2012. Developmental Psychology. Revisiting the Classic Studies. London: Sage Publications

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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.
Psychologische Theorien

Slater I
Alan M. Slater
Paul C. Quinn
Developmental Psychology. Revisiting the Classic Studies London 2012

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