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Vorurteil: Ein Vorurteil ist eine vorgeformte Meinung oder Einstellung, die nicht auf Vernunft oder Beweisen beruht. Vorurteile können durch persönliche Erfahrung, kulturelle Einflüsse oder mangelndes Verständnis verursacht werden. Siehe auch Handlungen, Rationalität, Vernunft, Beweise, Verstehen, Kulturelle Überlieferung.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

Hans-Georg Gadamer über Vorurteile – Lexikon der Argumente

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Vorurteil/Verstehen/Hermeneutik/Gadamer: Es ist ja nicht so, dass man, wenn man jemanden anhört, oder an eine Lektüre geht, alle Vormeinungen über den Inhalt und alle eigenen Meinungen vergessen müsste. Daher muss ein hermeneutisch geschultes Bewusstsein für die Andersheit des Textes von vornherein empfänglich seine Solche Empfänglichkeit setzt aber
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weder sachliche noch gar Selbstauslöschung voraus, sondern schließt die abhebende Aneignung der eigenen Vormeinungen und Vorurteile ein. Es gilt, der eigenen Voreingenommenheit inne zu sein, damit sich der Test selbst in seiner Andersheit darstellt und damit in die Möglichkeit kommt, seine sachliche wahrheit gegen die eigenen Vormeinung auszuspielen.
>Verstehen/Gadamer
, >Hermeneutischer Zirkel/Heidegger.
Erst [die] Anerkennung der wesenhaften Vorurteilshaftigkeit alles Verstehens schärft das hermeneutische Problem zu seiner wirklichen Spitze zu.
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GadamerVsHistorismus: An dieser Einsicht gemessen zeigt es sich, dass der Historismus, aller Kritik am Rationalismus und am Naturrechtsdenken zum Trotz, selber auf dem Boden der modernen Aufklärung steht und ihre Vorurteile undurchschaut teilt. Es gibt nämlich sehr wohl auch ein Vorurteil der Aufklärung, das ihr Wesen trägt und bestimmt: Dies grundlegende Vorurteil der Aufklärung ist das Vorurteil gegen die Vorurteile überhaupt und damit die Entmachtung der Überlieferung. Eine begriffsgeschichtliche Analyse zeigt, dass erst durch die Aufklärung der Begriff des Vorurteils die uns gewohnte negative Akzentuierung findet.
>Historismus, >Aufklärung.
An sich heißt Vorurteil ein Urteil, das vor der endgültigen Prüfung aller sachlich bestimmenden Momente gefällt wird. Im Verfahren der Rechtssprechung hieß ein Vorurteil eine rechtliche Vorentscheidung vor der Fällung des eigentlichen Endurteils. Für den im Rechtsstreit Stehenden bedeutete das Ergehen eines solchen Vorurteils gegen ihn freilich eine Beeinträchtigung
seiner Chancen. So heißt préjudice wie praeiudicium auch einfach Beeinträchtigung, Nachteil, Schaden.
Doch ist diese Negativität nur eine konsekutive. Es ist gerade die positive Gültigkeit, der präjudizielle Wert der Vorentscheidung - ebenso wie der eines jeden Präzedenzfalles - auf dem die negative Konsequenz beruht.
Unbegründetheit: Das deutsche Wort scheint durch die Aufklärung und ihre Religionskritik auf die Bedeutung „unbegründetes Urteil“ beschränkt worden zu sein.(1)
Aufklärung: Das Fehlen der Begründung lässt in den Augen der Aufklärung nicht anderen Weisen der Gültigkeit Raum, sondern bedeutet, dass das Urteil keinen in der Sache liegenden Grund hat, „ungegründet“ ist.
GadamerVsAufklärung: Das ist ein echter Schluss im Geist des Rationalismus. Auf ihm beruht die Diskreditierung der Vorurteile überhaupt und der Anspruch der wissenschaftlichen Erkenntnis, sie völlig auszuschalten.
>Rationalismus.


1. Vgl. Leo Strauss, Die Religionskritik Spinozas, S. 163

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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.

Gadamer I
Hans-Georg Gadamer
Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik 7. durchgesehene Auflage Tübingen 1960/2010

Gadamer II
H. G. Gadamer
Die Aktualität des Schönen: Kunst als Spiel, Symbol und Fest Stuttgart 1977

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