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Gehorsam: Gehorsam bedeutet, den Anweisungen oder Befehlen einer Autoritätsperson zu folgen. Er wird oft mit Autonomie kontrastiert. Siehe auch Autonomie, Handlungen, Subjekt, Gesellschaft, Gemeinschaft.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

Psychologische Theorien über Gehorsam - Lexikon der Argumente

Haslam I 120
Gehorsam/Milgram Experiment/Psychologische Theorien: (...) drei neue Ansätze für die experimentelle Untersuchung des Gehorsams wurden entwickelt, die es uns ermöglichen, echte Schäden anzugehen, ohne die Teilnehmer am Prozess zu schädigen.
Vgl. >Milgram Experiment/Psychologische Theorien
, >Vs Milgram.
Haslam I 121
A. Die erste verwendet Virtual-Reality-Simulationen des Milgram-Paradigmas. In diesen wurde gezeigt, dass das Verhalten in diesen Simulationen dem entspricht, was im ursprünglichen Paradigma beobachtet wird (Slater et al., 2006)(1).
B. Die zweite besteht darin, eine Technik namens Immersive Digital Realism zu verwenden, um Akteure zu trainieren, die Rolle normaler Teilnehmer am Milgram-Paradigma zu spielen (Haslam, Reicher und Millard, 2015)(2).
C. Die dritte basiert auf der Beobachtung, dass das, was Menschen bei 150 Volt tun, ein sehr genauer Indikator dafür ist, ob sie bis zu 450 Volt gehorchen werden. Warum also nicht die Studien an der 150-Volt-Marke stoppen, wo man sehen kann, ob die Menschen gehorchen, ohne sie dazu zu bringen, tatsächlich etwas Schädliches zu tun? Dies war die Strategie, die Jerry Burger (2009a)(3) in seiner Replikation des Milgram-Paradigmas anwandte.
Haslam I 121
1. Mehrere Autoren weisen auf die Notwendigkeit hin, die Bedeutung von Ungehorsam und Gehorsam zu berücksichtigen (Bocchario und Zimbardo, 2010(4); Dimow, 2004(5); Jetten und Mols, 2014(6); Passini und Morselli, 2009(7); Rochat und Modigliani, 1995(8)).
2. Eine Reihe von Analysen zeigen auf Merkmale der verschiedenen Beziehungen im Gehorsamkwitsparadigma, die helfen könnten, zu erklären, ob Menschen gehorchen oder nicht gehorchen. Wim Meeus und Quinten Raaijmakers (1995)(9) argumentieren zum Beispiel, dass Gehorsam nicht aus einer Unfähigkeit, wissenschaftlichen Autoritäten zu widerstehen, resultiert, sondern aus einer kulturellen Tendenz, sich mit dem Sozialsystem zu identifizieren, kombiniert mit einer Tendenz, sich nicht mit unseren Mitbürgern zu identifizieren, sondern sie in Form von spezifischen Rollenpositionen zu sehen - eine Analyse, die darauf hindeutet, dass sich die Teilnehmer in den Milgram-Studien auf den Lernenden beziehen, und zwar in Bezug auf die verschiedenen Rollen, die die beiden von ihnen einnehmen, und nicht in Bezug auf ihre gemeinsame Staatsbürgerschaft.
3. Rochat und Modigliani (1995)(8): beobachteten, dass die Dorfbewohner von Chambon Nachkommen der verfolgten protestantischen Minderheit in Frankreich (die Hugenotten) waren, was bedeutete, dass sie die kollaborative Vichy-Regierung mit ihren eigenen Verfolgern verglichen und die Gemeinsamkeiten zwischen ihnen und den Verfolgten gesehen haben. Ihre Analyse kommt zu dem Schluss, dass, sobald die Verfolger zu "ihnen" und die Verfolgten zu "uns" wurden, die Wahl, mit wem man sich zusammenschließt - ob man gehorchen oder sich der Autorität entziehen will - einfach wurde. Siehe auch Goldhagen (1996)(10).
Haslam I 123
Reicher/Haslam: These: Wir schaden anderen insofern, als wir auf die Appelle böswilliger Behörden hören, die über denen ihrer Opfer liegen. Gleichzeitig gibt es nun konvergierende Hinweise darauf, dass dies etwas mit dem Ausmaß zu tun hat, in dem wir uns miteinander identifizieren (Haslam et al., 2014(11), 2015(2); Reicher und Haslam, 2011a(12); Reicher et al., 2012(13)).
Es gibt insbesondere drei Bereiche, die in Zukunft behandelt werden müssen
1) Wir müssen untersuchen, wie sich unterschiedliche situative Regelungen auf die Gruppenbildung und Identifikation zwischen dem Teilnehmer und den verschiedenen Parteien innerhalb des Gehorsamkeitsparadigmas auswirken (Reicher und Haslam, 2011a(12), 2011b(14)).
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2) Wir müssen verstehen, welche Art von Appellen die Menschen auf die Seite des Experimentators und nicht des Lernenden stellen, sowie die Auswirkungen, die der eigene Diskurs der Teilnehmer auf ihre Fähigkeit hat, sich von diesen Parteien zu lösen.
3) Der Aspekt der Sprache: Nur eine der Ermahnungen, Bemerkungen ("prods") und Anweisungen, die der Experimentator in den Studien verwendet, ist ein direkter Befehl. In ihrer Replikationsstudie stellten Burger und Kollegen fest, dass sich die Teilnehmer jedes Mal, wenn der Experimentator diese endgültige Bemerkung von sich gab, weigerten, fortzufahren (Burger, Girgis und Manning, 2011(15)), und in kontrollierten eigenen Studien beobachten wir, dass die Bemerkung 4 ("Sie haben keine andere Wahl, sie müssen weitermachen.") eindeutig ineffektiv ist, um die Einhaltung der Vorschriften zu gewährleisten (Haslam et al., 2014(11), 2015(16)). Dies ist ein starker Beweis gegen die Vorstellung, dass die Teilnehmer an Milgrams Studien einfach nur Befehle befolgten.

1. Slater, M., Antley, A., Davison, A., Swapp, D., Guger, C., Barker, C., et al. (2006) ‘A virtual reprise of the Stanley Milgram obedience experiments’, PLoS ONE, 1: e39.
2 Haslam, S.A., Reicher, S.D. and Millard, K. (2015) Shock treatment: Using immersive digital realism to restage and re-examine Milgram’s ‘Obedience to Authority’ research. PLoS ONE, 1O(3):e109015.
3. Burger, J. (2009a) ‘In their own words: Explaining obedience through an examination of participants’ comments’. Paper presented at the Meeting of the Society of Experimental Social Psychology, Portland, ME, 15—17 October.
4. Bocchiaro, P. and Zimbardo, P.G. (2010) ‘Defying unjust authority: An exploratory study, Current Psychology, 29: 155—70.
5. Dimow, J. (2004) ‘Resisting authority: A personal account of the Milgram obedience experiments’, Jewish Currents, January.
6. Jetten,J. and Mols, F. (2014) 5O:5O hindsight: Appreciating anew the contributions of Mi1grams obedience experiments, Journal of Social Issues, 70: 587—602.
7. Passini, S. and Morselli, D. (2009) 1Authority relationships between obedience and disobedience &, New Ideas in Psychology, 27: 9 6—106.
8. Rochat, F. and Modigliani, A. (1995) 4The ordinary quality of resistance: From Milgram’s laboratory to the village of Le Chambon’, Journal of Social Issues, 51: 195—210.
9. Meeus, W.H.J. and Raaijmakers, Q.A. (1995) ‘Obedience in modem society: The Utrecht studies’, Journal of Social Issues, 5 1: 155—75.
10. Goidhagen, D. (1996) Hitler’s Willing Executioners: Ordinary Germans and the Holocaust. London: Little, Brown.
11. Haslam, S.A., Reicher, S.D. and Birney, M. (2014) ‘Nothing by mere authority: Evidence that in an experimental analogue of the Miigram paradigm participants are motivated not by orders but by appeals to science’, Journal of Social Issues, 70:473—88.
12. Reicher, S. and Haslam, S.A. (201 la) 4After shock? Towards a social identity explanation of the Milgram “obedience” studies’, British Journal of Social Psychology, 50: 163—9.
13. Reicher, S.D., Haslam, S.A. and Smith, J.R. (2012) 1Working towards the experimenter: Reconceptualizing obedience within the Milgram paradigm as identification-based followership’, Perspectives on Psychological Science, 7: 315—24.
14. Reicher, S.D. and Haslam, S.A. (201 lb) ‘Culture of shock: Milgram’s obedience studies fifty years on’, Scientific American Mind, 2 2(6): 3 0—5.
15. Burger, J.M., Girgis, Z.M., and Manning, C.C. (2011) ðln their own words: Explaining obedience to authority through an examination of participants’ comments’, Social Psychological and Personality Science, 2:460—6.
16. Haslam, S.A., Reicher, S.D. Millard, K. and McDonald, R. (2015) “Happy to have been of service”: The Yale archive as a window into the engaged followership of participants in Milgram’s “obedience” experiments’, British Journal of Social Psychology, 54: 55—83.


Stephen Reicher and S. Alexander Haslam, „Obedience. Revisiting Milgram’s shock experiments”, in: Joanne R. Smith and S. Alexander Haslam (eds.) 2017. Social Psychology. Revisiting the Classic Studies. London: Sage Publications

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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.
Psychologische Theorien

Haslam I
S. Alexander Haslam
Joanne R. Smith
Social Psychology. Revisiting the Classic Studies London 2017

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