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Minimale Gruppe: In der Psychologie bezieht sich eine "Minimalgruppe" auf ein Konzept, das in der Theorie der sozialen Identität verwendet wird. Dabei werden willkürliche und scheinbar unbedeutende Kriterien herangezogen, um Individuen in verschiedene Gruppen zu kategorisieren. Diese Kategorisierung kann, obwohl sie minimal ist, zur Bevorzugung der eigenen Gruppe und zur Diskriminierung anderer führen. Das Konzept zeigt, wie leicht sich soziale Identitäten und Gruppenvorurteile bilden können. Siehe auch Soziale Identität, Gruppenverhalten, Gruppendenken, Sozialverhalten, Sozialpsychologie, Theorie der sozialen Identität.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

Henri Tajfel über Minimale Gruppe – Lexikon der Argumente

Haslam I 164
Minimale Gruppe/Tajfel: In Fortführung der früheren Arbeit von Sherif (>Robbers Cave Experiment/Sherif
, >Gruppenverhalten/Sherif, >Soziale Gruppe/Sherif) wurden [Taifels] Minimalgruppenstudien entwickelt, um die Gruppe oder Kategorie auf ihre minimalsten Elemente zu reduzieren und dann festzustellen, an welchem Punkt Konflikt und Diskriminierung zwischen Gruppen auftauchen würde.
Wie sich herausstellte, entstand eine gruppenübergreifende Diskriminierung. Diese ergab sich aus dem durchaus erkennbaren Phänomen der Banden von Jungen, die um Territorium und Ressourcen kämpfen, auch, wenn alle offensichtlichen Merkmale, die einen solchen Konflikt hervorrufen könnten (z.B. eine Geschichte des Antagonismus, eine Knappheit an Ressourcen), beseitigt wurden.
Auf diese Weise lieferten die Studien eindrucksvolle Beweise dafür, dass Jungen (und später auch Erwachsene) zugunsten ihrer eigenen Gruppe diskriminieren würden, wenn es keine sichtbaren Anzeichen der Gruppen selbst gäbe - ein Phänomen, das typischerweise als minimale Verzerrung innerhalb der Gruppe bezeichnet wird.
Def Minimale Verzerrung in der Gruppe: Jungen (und später Erwachsene) würden zugunsten ihrer eigenen Gruppe diskriminieren, wenn es keine sichtbaren Anzeichen der Gruppen selbst gäbe.
>Soziale Identitätstheorie/Tajfel.
Vorgänger Sherifs Boys-Camp-Studien, Sherif und Sherif (1967(1) zeigten, dass Spannungen zwischen Gruppen entstehen, wenn sie um knappe Ressourcen konkurrieren müssen.
>Robbers Cave Experiment/Sherif.
TajfelVsSherif: Wie in dem einflussreichen Artikel von 1971 (Tajfel 1971)(2) dargelegt, in dem Tajfel und seine Kollegen die Ergebnisse der ersten Minimalgruppenstudien vorstellten, scheinen zwei verwandte Themen Tajfels Bestreben zu motivieren, über Sherifs Ideen hinauszugehen. Erstens betonte er die Bedeutung des sozialen Kontextes, in dem Verhalten eingebettet und Bedeutung erlangt wurde.
Haslam I 165
Vorurteil/Tajfel: Die Artikulation der sozialen Welt eines Individuums in Bezug auf seine/ihre Kategorisierung in Gruppen wird zum Leitfaden für sein [oder ihr] Verhalten in Situationen, in denen ein Kriterium der Intergruppenteilung sinnvoll angewendet werden kann. (Sinnvoll muss nicht "rational" sein.) Eine undifferenzierte Umgebung macht sehr wenig Sinn und bietet keine Handlungsanweisungen... . Wann immer.... eine Form der gruppenübergreifenden Kategorisierung verwendet werden kann, wird sie Ordnung und Kohärenz in der sozialen Situation schaffen.
>Gruppenverhalten/Tajfel.
Haslam I 167
Experiment 1 (siehe >Methode/Tajfel), wenn Allokation
Haslam I 168
zwei InGroup-Mitglieder oder zwei OutGroup-Mitglieder involviert, zeigten die Teilnehmer eine überwältigende Präferenz für eine Strategie der Fairness. Wenn es jedoch um Differenzmatrizen ging, bei denen es darum ging, ein InGroup- gegenüber einem OutGroup-Mitglied zu belohnen, waren sie nun diskriminierender zugunsten der InGroup (obwohl die modale Antwort immer noch auf Fairness ausgerichtet war). Mit anderen Worten, diese Matrizen lieferten Hinweise auf eine signifikante Verzerrung innerhalb der Gruppe. Darüber hinaus blieb die Unterstützung der Teilnehmer für diese Strategie unverändert, als das Kategorisierungsverfahren eine Wertkonnotation erhielt, die eine Diskriminierung rechtfertigen könnte (...).
Experiment 2: Experiment 2 wurde entwickelt, um weiter zwischen den verschiedenen Belohnungsstrategien zu unterscheiden, die die Teilnehmer verwendeten. Das klare Ergebnis war, dass [die Strategie "Maximale Differenz"] im Gegensatz zu den anderen Strategien einen signifikanten Einfluss ausübte.
Methode/Tajfel.
Die Differenzierungsmatrizen liefern konsistente Beweise für InGroup-Präferentialismus und maximale Differenzstrategien.
>Methode/Tajfel.
Interpretation der Ergebnisse: Zunächst interpretierten Tajfel und seine Kollegen [die Unterstützung für die Maximale-Differenz-Strategie (größter positiver Unterschied zwischen InGroup- und Outgroup-Punkten zugunsten der Ingroup) als Unterstützung einer generischen sozialen Norm zur Diskriminierung.
Haslam I 169
VsTajfel: Viele nachfolgende Berichte interpretierten dies als Beispiel für eine Beeinträchtigung für die OutGroup (weil es die OutGroup auf Kosten der eigenen Gruppe schadet).
Problem/Spears/Otten: In der MD-Strategie sind positive Differenzierung und Ausnahmeregelungen verwirrt, und dieses Problem wurde nie angemessen angegangen (und wird selten, wenn überhaupt, diskutiert)
Alternative Interpretationen/Tajfel: (Tajfel et al. 1971)(2):
(a) Nachfragemerkmale (die Idee, dass die Teilnehmer auf Hinweise reagierten, die die Hypothese des Experimentators vermittelten),
(b) Erwartungen an die Gegenseitigkeit und
(c) Vorwegnahme zukünftiger Interaktionen.
Ad (a): Lindsay St. Claire und John Turner (1982)(3) fanden heraus, dass, wenn Leute gebeten wurden, als Mitglieder der Gruppen Rollenspiele zu spielen (anstatt selbst kategorisiert zu werden) und dann die Matrizen entsprechend zu vervollständigen, sie nicht den gleichen Grad an InGroup-Verzerrung (MD und MIP) zeigten, sondern dazu neigten, Fairness vorherzusagen.
Ad (b): Tajfel und Kollegen gaben zu, dass sie keine Daten zu diesem Thema hatten, und daher konnte diese Erklärung nicht leicht ausgeschlossen werden.
Ad (c): Tajfel schlug vor, dass die rationalste Strategie - da sie nicht wussten, wer zu "ihrer" Gruppe gehörte - darin bestand, sich für eine MJP-Strategie (Maximum Joint Points) zu entscheiden. Allerdings (...) war diese Strategie wenig attraktiv.
Haslam I 170
Allgemeine Normerklärung: Diese Erklärung fiel aufgrund der möglichen Zirkularität einer normativen Darstellung schnell in den Hintergrund: Wenn es eine Wettbewerbsnorm gibt (z.B. unter Teilnehmern aus westlichen Ländern), woher kommt sie und was erklärt das?
Für eine Lösung siehe >Soziale Identitätstheorie/Tajfel.
Haslam I 171
1. Problem: In der Literatur werden Tajfels Minimalgruppenstudien oft verwendet, um den Schluss zu rechtfertigen, dass Diskriminierung allgegenwärtig und unvermeidlich ist ((s), was von Tajfel und Turner nicht ausdrücklich behauptet wird).
2. Problem: Es ist die Frage, ob die Darstellung der Studien von Tajfel und Turner immer korrekt ist:
A.
Theorie der sozialen Dominanz: Hier werden Beweise für die Begünstigung der InGroup verwendet, um zu argumentieren, dass die Diskriminierung zwischen den Gruppen ein allgemeines Merkmal vieler Beziehungen zwischen den Gruppen ist (Sidanius und Pratto, 1999)(4).
B.
Systemausrichtungstheorie: (Jost und Banaji, 1994)(5): hier werden Hinweise auf gruppeninterne Begünstigungen
Haslam I 172
verwendet, um vorzuschlagen, dass Gruppen (insbesondere solche mit hohem Status) oft versuchen, ihre Position durch Vorurteile gegenüber anderen zu rechtfertigen.
>Minimale Gruppe/Psychologische Theorien.

1. Sherif, M. (1967) Group Conflict and Co-operation: Their Social Psychology. London: Routledge and Kegan Paul.
2. Tajfel, H., Flament, C., Billig, M.G. and Bundy, R.F. (1971) ‘Social categorization and intergroup behaviour’, European Journal of Social Psychology, 1: 149–77.
3. St Claire, L. and Turner, J.C. (1982) ‘The role of demand characteristics in the social categorization paradigm’, European Journal of Social Psychology, 12: 307–14.
4. Sidanius, J. and Pratto, F. (1999) Social Dominance: An Intergroup Theory of Social Hierarchy and Oppression. New York: Cambridge University Press.
5. Jost, J.T. and Banaji, M.R. (1994) ‘The role of stereotyping in system-justification and the production of false consciousness’, British Journal of Social Psychology, 33: 1–27.


Russell Spears and Sabine Otten,“Discrimination. Revisiting Tajfel’s minimal group studies“, in: Joanne R. Smith and S. Alexander Haslam (eds.) 2017. Social Psychology. Revisiting the Classic studies. London: Sage Publications

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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.
Tajfel, Henri

Haslam I
S. Alexander Haslam
Joanne R. Smith
Social Psychology. Revisiting the Classic Studies London 2017

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