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Traumdeutung: Unter Traumdeutung versteht man den Prozess der Bedeutungszuweisung von Träumen. Verschiedene Ansätze gehen davon aus, dass Träume Einblicke in unser Unterbewusstsein und unser Gefühlsleben geben können. Siehe auch Psychoanalyse, Interpretation, Träume.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

Paul Ricoeur über Traumdeutung – Lexikon der Argumente

I 17
Traumdeutung/Freud/Ricoeur: (...) nicht nur aufgrund ihrer Kulturinterpretation steht die Psychoanalyse innerhalb der großen zeitgenössischen Auseinandersetzung über die
Sprache. Dadurch, daß Freud den Traum nicht nur zum Hauptgegenstand seiner Forschungen macht, sondern zu einem Modell in einem Sinn, (...) aller versteckten, substituierten und fiktiven Äußerungen des menschlichen Wunsches, fordert er uns dazu auf, im Traum selber die Verschränkung von Wunsch und Sprache zu suchen, und zwar auf vielfache Weise: zunächst einmal kann nicht der geträumte Traum interpretiert werden, sondern nur der Text der Traumerzählung; diesen Text will die Analyse durch einen anderen Text ersetzen, der gleichsam
I 18
die ursprüngliche Sprache des Wunsches wäre; so bewegt sich die Analyse von einem Sinn zu einem anderen Sinn. Nicht der Wunsch als solcher steht im Mittelpunkt der Analyse, sondern seine Sprache. >Sinn/Freud/Ricoeur
, >Traum/Ricoeur.
I 27
Der Analytiker... ersetzt [die Erzählung des Wachens] durch einen anderen Text, der in seinen Augen der Gedanke des Wunsches ist, das, was der Wunsch in einer Prosopoe ohne Zwang sagen würde; man muss anerkennen, (...) dass der Traum an sich selbst der Sprache nahe steht, da er sich erzählen, analysieren, interpretieren lässt.

I 103
Traumdeutung/Freud/Ricoeur: Die Traum-»Gedanken« wiederfinden heißt in der Tat, einen gewissen rückläufigen Weg nehmen, der - jenseits der aktualen Körpereindrücke und Erregungen, jenseits der wachen Erinnerung oder der Tagesreste, jenseits des aktualen Wunsches nach Schlaf - das Unbewusste entdeckt, das heißt die ältesten Wünsche. Unsere Kindheit ist es, die an die
Oberfläche gelangt, mit all ihren vergessenen, unterdrückten, verdrängten Triebregungen, und mit unserer Kindheit diejenige der Menschheit, die sich in der des Individuums gewissermaßen abgekürzt wiederholt. Der Traum schafft Zugang zu einem grundlegenden Phänomen, (...) : [dem] Phänomen der Regression, deren Aspekte, nicht nur die zeitlichen, sondern auch die topischen und dynamischen [sind]. >Regression/Ricoeur.
I 104
Die Deutung, die noch nicht mit der der Traumarbeit entsprechenden Entzifferungsarbeit identifiziert und mehr an den psychischen Inhalt als an den Mechanismus geknüpft wird, erhält nichtsdestoweniger allmählich ihre eigene Struktur; und diese Struktur ist eine gemischte Struktur. A) Einerseits ist die Deutung, im Rahmen der Bedeutung, eine Bewegung vom Manifesten zum Latenten; deuten heißt, den Ursprung des Sinns auf einen anderen Ort verschieben.
Doch schon auf dieser ersten Ebene ist es nicht mehr möglich, die Deutung für eine einfache Relation zwischen chiffrierter und dechiffrierter Rede zu halten; man kann sich nicht mehr mit dem Satz begnügen, dass das Unbewusste eine andere Rede sei, eine unverständliche Rede. Die Verstellung, welche die Deutung vom manifesten Inhalt zum latenten Inhalt verfolgt, enthüllt eine andere Verstellung, die nämlich des Wunsches in Bilder, der Freud das IV. Kapitel widmet. Um
einen Ausdruck der metapsychologischen Aufsätze zu verwenden: Der Traum ist bereits ein »Triebschicksal«.
B) Traumarbeit: Diese zweite Aufgabe erheischt, noch deutlicher als die erste, das Zusammensetzen
zweier Welten der Rede, der Rede des Sinns und der Rede der Kraft. Zu sagen, der Traum sei die Erfüllung eines verdrängten Wunsches, heißt zwei Begriffe zusammenbringen, die zwei verschiedenen Bereichen angehören:
1. die Erfüllung, die zur Rede des Sinns gehört (wie es die Verwandtschaft mit Husserl bezeugt), und 2. die Verdrängung, die zur Rede der Kraft gehört; der Begriff der Verstellung, der beides vereint, drückt die Verschmelzung der beiden Begriffe aus, da die Verkleidung eine Art von Offenbarung und gleichzeitig die Verstellung ist, die diese Offenbarung verfälscht, die dem Sinn angetane Gewalt. Die in der Verkleidung gegebene Beziehung vom Verborgenen zum Gezeigten erheischt also eine Deformation, die
I 105
nur als ein Kräftekompromiss formuliert werden kann. Zu dieser gemischten Rede gehört auch der Begriff der »Zensur«, der dem der Verstellung entspricht: Verstellung ist die Wirkung, Zensur die Ursache. >Zensur/Freud/Ricoeur, >Symbol/Freud.

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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.

Ricoeur I
Paul Ricoeur
Die Interpretation. Ein Versuch über Freud Frankfurt/M. 1999

Ricoeur II
Paul Ricoeur
Interpretation theory: discourse and the surplus of meaning Fort Worth 1976

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