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Spiel: In der Psychologie wird Spiel als jede Aktivität definiert, die Spaß macht, freiwillig ist und intrinsisch motiviert ist. Es zeichnet sich oft durch Spontaneität, Kreativität und das Fehlen von zweckgerichteten Zielen aus. Spielen ist für die gesunde Entwicklung von Kindern unerlässlich. Siehe auch Entwicklungsstadien.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

Hans-Georg Gadamer über Spiel – Lexikon der Argumente

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Spiel/Ästhetik/Kunst/Gadamer: [für den Zusammenhang der Ästhetik] kommt es uns darauf an, diesen Begriff von der subjektiven Bedeutung abzulösen, die er bei Kant und Schiller hat und die gesamte neuere Ästhetik und Anthropologie beherrscht. Wenn wir im Zusammenhang der Erfahrung der Kunst von Spiel sprechen, so meint Spiel nicht das Verhältnis oder gar die Gemütsverfassung des Schaffenden oder Genießenden und überhaupt nicht die Freiheit einer Subjektivität, die sich im Spiel betätigt, sondern die Seinsweise des Kunstwerkes selbst.
Gewiss lässt sich von dem Spiel selbst das Verhalten des Spielenden unterscheiden, das als solches mit anderen Verhaltensweisen der Subjektivität zusammengehört. So lässt sich etwa sagen, dass für den Spielenden das Spiel nicht Ernstfall ist, und gerade deswegen gespielt wird.
Ernst/Zweck/Spiel: Das Spielen hat einen eigenen Wesensbezug zum Ernsten. Nicht nur, dass es darin seinen “Zweck“ hat.
Spiel/Aristoteles: Es geschieht „um der Erholung willen“ wie Aristoteles sagt(1).
Gadamer: Wichtiger ist, dass im Spielen selbst ein eigener, ja, ein heiliger Ernst gelegen ist. Und doch sind im spielenden Verhalten alle Zweckbezüge, die das tätige und sorgende Dasein bestimmen, nicht einfach verschwunden, sondern kommen auf eigentümliche Weise zum Verschweben. Der Spielende weiß selber, dass das Spiel nur Spiel ist und in einer Welt steht, die durch den Ernst der Zwecke bestimmt wird. Aber er weiß das nicht in der Weise, dass er als Spielender diesen Bezug auf den Ernst selber noch meinte. Nur dann erfüllt ja Spielen den Zweck, den es hat, wenn der
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Spielende im Spielen aufgeht.
Ernst/Zweck/Spiel/Gadamer: Nicht der aus dem Spiel herausweisende Bezug auf den Ernst, sondern nur der Ernst beim Spiel lässt das Spiel ganz Spiel sein. Wer das Spiel nicht ernst nimmt, ist ein Spielverderber. Die Seinsweise des Spieles lässt nicht zu, dass sich der Spielende zu dem Spiel wie zu einem Gegenstande verhält. Der Spielende weiß wohl, was Spiel ist, und dass, was er tut, „nur ein Spiel ist“, aber er weiß nicht, was er da „weiß“. Vgl. >Spiel/Huizinga
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Ästhetisches Spiel/Kunsterfahrung/Gadamer: solcher. Wir hatten [im Zusammenhang mit der Frage nach der >Wahrheit der Kunst] gesehen, dass nicht das >ästhetische Bewusstsein, sondern die >Erfahrung der Kunst und damit die Frage nach der Seinsweise des Kunstwerks der Gegenstand unserer Besinnung sein muss. Eben das aber war die Erfahrung der Kunst, die wir gegen die Nivellierung des ästhetischen Bewusstseins festzuhalten haben, dass das Kunstwerk kein Gegenstand ist, der dem für sich seienden Subjekt gegenübersteht. Das Kunstwerk hat vielmehr sein eigentliches Sein darin, dass es zur Erfahrung wird, die den Erfahrenden verwandelt. Das „Subjekt“ der Erfahrung der Kunst, das was bleibt und beharrt, ist nicht die Subjektivität dessen, der sie erfährt, sondern das Kunstwerk selbst.
Eben das ist der Punkt, an dem die Seinsweise des Spieles bedeutsam wird. Denn das Spiel hat ein eigenes Wesen, unabhängig von dem Bewusstsein derer, die spielen. Spiel ist auch dort, ja eigentlich dort, wo kein Fürsichsein der Subjektivität den thematischen Horizont begrenzt und wo es keine Subjekte gibt, die sich spielend verhalten.
Das Subjekt des Spieles sind nicht die Spieler, sondern das Spiel kommt durch die Spielenden lediglich zur Darstellung. Vgl. Buytendijk(2).
I 109
Die Seinsweise des Spieles ist (...) nicht von der Art, dass ein Subjekt da sein muss, das sich spielend verhält, so dass das Spiel gespielt wird. [Vgl. „Spiel der Wellen“ usw.]. Vielmehr ist der ursprünglichste Sinn von Spielen der mediale Sinn.
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Spiel/Natur/Kunst/Gadamer: Vor allem aber kommt erst von diesem medialen Sinn von Spiel aus der Bezug zum Sein des Kunstwerkes heraus. Die Natur, sofern sie ohne Zweck und Absicht, ohne Anstrengung ein stets sich erneuerndes Spiel ist, kann geradezu als Vorbild der Kunst erscheinen. Friedrich Schlegel: »Alle heiligen Spiele der Kunst Sind nur ferne Nachbildungen von dem unendlichen Spiele der Welt, dem ewig sich selbst bildenden Kunstwerk.«(3)
Subjektivität/Freiheit/Spiel/Gadamer: Der Primat des Spieles vor den es ausführenden Spielern wird nun, wo es sich um menschliche Subjektivität handelt, die sich spielend verhält, auch von den Spielenden selbst in besonderer Weise erfahren. [Der Spielende] ist noch nicht auf solche Möglichkeiten als auf ernsthafte Ziele festgelegt. Er hat noch die Freiheit, sich so oder so, für die eine oder andere Möglichkeit zu entscheiden. Auf der anderen Seite ist diese Freiheit nicht ungefährdet. Vielmehr ist das Spiel selbst ein Risiko für den Spieler. Nur mit ernstlichen Möglichkeiten kann man spielen.
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Alles Spielen ist ein Gespieltwerden. Der Reiz des Spieles, die Faszination, die es ausübt, besteht eben darin, dass das Spiel über den Spielenden Herr wird.
I 113
Aufgabe des Spiels/Zweck: Offenbar beruht die eigentümliche Leichtigkeit und Erleichterung, die
das spielende Verhalten bedeutet, auf dem besonderen Aufgabencharakter, der der Spielaufgabe zukommt, und entspringt dem Gelingen ihrer Lösung. Man kann sagen: das Gelingen einer Aufgabe „stellt sie dar.“ Das Spiel ist wirklich darauf beschränkt, sich darzustellen. Seine Seinsweise ist also
Selbstdarstellung.
Sinn des Spiels: Die Selbstdarstellung des menschlichen Spieles beruht zwar, (...) auf einem an die Scheinzwecke des Spieles gebundenen Verhalten, aber dessen „Sinn“ besteht nicht wirklich in der Erreichung dieser Zwecke. Vielmehr ist das Sichausgeben an die Spielaufgabe in Wahrheit ein Sichaus-
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spielen. Die Selbstdarstellung des Spieles bewirkt so, dass der Spielende gleichsam zu seiner eigenen Selbstdarstellung gelangt, indem er etwas spielt, d. h. darstellt. Nur weil Spielen immer schon ein Darstellen ist, kann das menschliche Spiel im Darstellen selbst die Aufgabe des Spieles finden.
Vgl. >Darstellung/Kunst/Gadamer.


1. Aristot. Pol. Vlll 3, 1337 b 39 u. ö. vgl. Eth. Nic. X 6, 1176 b 33.
2. F. J. J. Buytendijk, Wesen und Sinn des Spiels, 1933.
3. Friedrich Schlegel, Gespräch über die Poesie (Friedrich Schlegels Jugendschriften,
hrsg. v. J. Minor, 1982, Il, S. 364). IVgl. auch die Neuausgabe von Hans Eichner in der
kritischen Schlegel-Ausgabe von E. Behler 1. Abt., 2 Bd., S. 284—351, dort S. 324.

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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.

Gadamer I
Hans-Georg Gadamer
Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik 7. durchgesehene Auflage Tübingen 1960/2010

Gadamer II
H. G. Gadamer
Die Aktualität des Schönen: Kunst als Spiel, Symbol und Fest Stuttgart 1977

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