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Zusammenhang: Zusammenhang oder Wechselbeziehung ist die gegenseitige Beziehung oder Verbindung zwischen Dingen. Es handelt sich um eine Beziehung, bei der jedes Element die anderen beeinflusst und von ihnen beeinflusst wird. Siehe auch Abhängigkeit, Kausale Abhängigkeit, Kontrafaktische Abhängigkeit.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

Wilhelm Dilthey über Zusammenhang – Lexikon der Argumente

Gadamer I 228
Zusammenhang/Dilthey/Gadamer: Der entscheidende Schritt, den Diltheys erkenntnistheoretische Grundlegung der Geisteswissenschaften zu tun hat, ist (...) der, dass von dem Aufbau des Zusammenhangs in der Lebenserfahrung des einzelnen der Übergang zu dem geschichtlichen Zusammenhang gefunden wird, der von keinem einzelnen mehr erlebt und erfahren wird. Hier wird es - trotz aller Kritik an der Spekulation - nötig, an die Stelle wirklicher Subjekte „logische
Subjekte“ zu setzen. >Subjekt/Dilthey
, >Erfahrung/Dilthey.
Dilthey ist sich über diese Misslichkeit klar. Aber er sagt sich, dass das an sich nicht unstatthaft sein kann, sofern die Zusammengehörigkeit der Individuen - etwa in der Einheit einer Generation oder einer Nation - eine seelische Wirklichkeit darstelle, die man als solche anerkennen müsse, gerade weil man nicht erklärend hinter sie zurückgehen könne. Gewiss handele es sich hier nicht um reale Subjekte. Das lehre ja schon das Fließende ihrer Grenzen; auch seien die Einzelindividuen nur je mit einem Teil ihres Wesens dabei. Dennoch aber ist es nach Dilthey keine Frage, dass sich über solche Subjekte Aussagen machen lassen. Der Historiker tut das ja ständig, wenn er von den Taten und Geschicken der Völker spricht(1). Die Frage ist nun, wie solche Aussagen erkenntnistheoretisch zu rechtfertigen sind. >Erkenntnistheorie/Dilthey.
(...) nicht, wie überhaupt Zusammenhang erlebbar und erkennbar wird, ist das Problem der Geschichte, sondern wie auch solche Zusammenhänge erkennbar sein sollen, die niemand als solche erlebt hat. Immerhin kann kein Zweifel sein, wie sich Dilthey die Aufklärung dieses Problems vom Phänomen des Verstehens aus dachte. Verstehen ist Verstehen von Ausdruck.
Gadamer I 229
Es bezeichnet die neue methodische Klarheit, die [Dilthey] aus der Anlehnung an Husserl gewann, dass er den Begriff der Bedeutung, die sich aus dem Wirkungszusammenhang erhebt, am Ende mit Husserls "Logischen Untersuchungen" integrierte. Diltheys Begriff der Strukturiertheit des Seelenlebens entsprach insofern der Lehre von der Intentionalität des Bewusstseins, als auch diese nicht nur einen psychologischen Tatbestand, sondern eine Wesensbestimmung des Bewusstseins phänomenologisch beschreibt. Jedes Bewusstsein ist Bewusstsein von etwas, jedes Verhalten ist Verhalten zu etwas. >Bedeutung/Dilthey, >Lebensphilosophie/Dilthey.
Gadamer I 235
Dass ein Strukturzusammenhang sich aus seiner eigenen Mitte heraus verstehen lässt, entsprach (...) dem alten Grundsatz der Hermeneutik und der Forderung des historischen Denkens, dass man eine Zeit aus ihr selber verstehen müsse und nicht mit Maßen einer ihr fremden Gegenwart messen dürfe. Nach diesem Schema - so meinte Dilthey - ließe sich die Erkenntnis immer weiterer geschichtlicher Zusammenhänge denken und bis zur universalgeschichtlichen Erkenntnis ausweiten, genau wie sich ein Wort nur vom ganzen Satz aus, der Satz nur im Zusammenhang des ganzen Textes, ja der gesamten überlieferten Literatur voll verstehen lässt.
GadamerVsDilthey: Die Anwendung dieses Schemas setzt freilich voraus, dass man die Standort-Gebundenheit des historischen Betrachters überwinden könne. Genau das aber ist der Anspruch des >historischen Bewusstseins, zu allem einen wahrhaft historischen Standpunkt zu haben.
So hat sich Dilthey als der wahre Vollender der historischen Weltansicht gefühlt, weil er die Erhebung
Gadamer I 236
des Bewusstseins zum historischen Bewusstsein zu legitimieren suchte. Was seine erkenntnistheoretische Reflexion rechtfertigen wollte, war im Grunde nichts anderes als die großartige epische Selbstvergessenheit eines Ranke.
Nur trat an die Stelle der ästhetischen Selbstvergessenheit die Souveränität eines allseitigen und unendlichen Verstehens. Die Grundlegung der Historik in einer Psychologie des Verstehens, wie sie Dilthey vorschwebte, versetzt den Historiker in eben jene ideelle Gleichzeitigkeit mit seinem Gegenstand, die wir ästhetisch nennen und an Ranke bewundern.


1. Dilthey, Ges. Schriften V Il, 282ff. Das gleiche Problem sucht Georg Simmel durch die Dialektik von Erlebnissubjektivität und Sachzusammenhang - also am Ende psychologisch - zu lösen. Vgl. Brücke und Tür, S. 82f.
2. Ges. Schriften V Il, 291 »Wie die Buchstaben eines Wortes haben Leben und Ge-
schichte einen Sinn. «

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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.

Dilth I
W. Dilthey
Gesammelte Schriften, Bd.1, Einleitung in die Geisteswissenschaften Göttingen 1990

Gadamer I
Hans-Georg Gadamer
Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik 7. durchgesehene Auflage Tübingen 1960/2010

Gadamer II
H. G. Gadamer
Die Aktualität des Schönen: Kunst als Spiel, Symbol und Fest Stuttgart 1977

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