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Forschung: Forschung ist der systematische Prozess des Sammelns, Analysierens und Interpretierens von Informationen, um eine Frage zu beantworten oder ein Problem zu lösen. Sie wird in der Wissenschaft, Technik, Medizin, Wirtschaft und den Geisteswissenschaften angewandt. Siehe auch Wissenschaft, Methode, Rechtfertigung, Bestätigung, Gewissheit, Reflexion, Diskurs.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

Johann Gustav Droysen über Forschung – Lexikon der Argumente

Gadamer I 220
Forschung/Historik/Droysen/Gadamer: Am Ende des Kollegs von 1882(1) findet sich die Wendung, »daß wir nicht wie die Naturwissenschaften das Mittel des Experimentes haben, dass wir „nur forschen und nichts als forschen können«.
Gadamer: Es muss noch ein anderes Moment für Droysen im Begriff des Forschens wichtig sein, und nicht nur die Unendlichkeit der Aufgabe, die als das Merkmal eines unendlichen Fortschritts die Geschichtsforschung mit der Naturforschung gemeinsam hätte und das gegenüber der „Wissenschaft“ des achtzehnten Jahrhunderts und der „Doctrina“ früherer Jahrhunderte dem Begriff der im neunzehnten Jahrhundert zu seinem Aufstieg verholfen hat.
Begriffsgeschichte: Dieser Begriff von „Forschung“ umfasst, wohl im Ausgang von dem Begriff des Forschungsreisenden, der in unbekannte Gebiete vorstößt, in gleicher Weise Erkenntnis der Natur wie der geschichtlichen Welt. Je mehr der theologische und philosophische Hintergrund der Welterkenntnis verblasst, desto mehr wird Wissenschaft als Vorstoß ins Unbekannte gedacht und deshalb Forschung genannt.
Gadamer: Diese Überlegung genügt aber nicht, um zu erklären, wie Droysen die historische Methode in der zitierten Art gegen die Methode des Experiments in den Naturwissenschaften abheben kann, indem er von der Historie sagt, sie sei „forschen, nichts als forschen“. Es muss eine andere Unendlichkeit sein als die der unbekannten Welt, die in Droysens Augen die historische Erkenntnis als Forschung auszeichnet. Sein Gedanke scheint folgender:
Droysen: Der Forschung eignet eine andersartige, gleichsam qualitative Unendlichkeit, wenn das Erforschte nie selber ansichtig werden kann. Das gilt tatsächlich von der geschichtlichen Vergangenheit — im Gegensatz zu der Selbstgegebenheit, die das Experiment in der Naturforschung darstellt.
Experiment: Die historische Forschung befragt, um zu erkennen, immer nur andere, die Überlieferung, immer neue und immer aufs neue. Ihre Antwort hat niemals wie das Experiment die Eindeutigkeit des Selbstgesehenen. >Wissenschaft/Droysen
, >Geschichte/Droysen, >Erkennen/Droysen.
Gadamer: Fragt man sich nun, welchen Ursprungs dies Bedeutungsmoment im Begriff der Forschung ist, dem Droysen in der überraschenden Entgegenstellung von Experiment und Forschung folgt, so wird man, wie mir scheint, auf den Begriff der Gewissensforschung geführt. Die Welt der Geschichte beruht auf der Freiheit, und diese bleibt ein letztlich unerforschliches Geheimnis der Person(2). Nur die Selbsterforschung des Gewissens kann
Gadamer I 221
ihm nahen, und nur Gott kann hier wissen. Aus diesem Grunde wird die historische Forschung nicht Erkenntnis von Gesetzen wollen und kann jedenfalls nicht den Entscheid des Experimentes anrufen. Denn der Historiker ist durch die unendliche Vermittlung der Überlieferung von seinem
Gegenstand getrennt. >Verstehen/Droysen, >Sinn/Droysen.


1. Johann Gustav Droysen, Historik, hrsg. von R. Hübner (1935), S. 316, nach einer
Nachschrift von Friedrich Meinecke.
2. Der theologische Einschlag im Begriff der Forschung liegt aber nicht nur in der
Beziehung auf die unerforschliche Person und ihre Freiheit, sondern auch auf dem „verborgenen Sinn“ der Geschichte, dem in der Providenz Gottes „Gemeinten“, den wir nie ganz entschlüsseln können. Insofern ist Historik hier doch nicht ganz von der Hermeneutik überfremdet, wie es sich für den Entdecker des „Hellenismus“ gebührt. Vgl. Bd. 2 der Ges. Werke, S. 123f. und „Heideggers Wege“, Die Marburger Theologie, S. 35ff.; Bd. 3 der Ges. Werke.

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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.

Droys I
J. G. Droysen
Grundriss der Historik Paderborn 2011

Gadamer I
Hans-Georg Gadamer
Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik 7. durchgesehene Auflage Tübingen 1960/2010

Gadamer II
H. G. Gadamer
Die Aktualität des Schönen: Kunst als Spiel, Symbol und Fest Stuttgart 1977

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