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Fotografie: Fotografie ist die Kunst und Wissenschaft des Einfangens von Licht, um Bilder zu erzeugen, in der Regel mit einer Kamera. Dazu gehört die Komposition von Szenen, die Steuerung des Lichts und das Einfangen von Momenten auf lichtempfindlichen Oberflächen oder digitalen Sensoren. Siehe auch Bilder, Kunst, Kunstwerke, Ästhetik.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

V. Flusser über Fotografie – Lexikon der Argumente

I 102
Fotografie/Flusser: Fotos sind nicht der Versuch des Fotografen, sich ein Bild der Welt zu machen, sondern Versuche, sich ein Bild von den Begriffen zu machen, die sich der Fotograf hinsichtlich eines Bildes gemacht hat.
Vgl. >Technobilder/Flusser
, >Terminologie/Flusser, >Verstehen, >Bilder.
Voralphabetische Bilder: Sollen die Welt bedeuten und Technobilder sollen Texte bedeuten, welche Bilder bedeuten, welche die Welt bedeuten.
>Code/Flusser.
Def Technobild/Flusser: Sollen Texte bedeuten, welche Bilder bedeuten, welche die Welt bedeuten.
Der Fotograf steht hinter dem Schriftsteller, der hinter dem Zeichner steht, der hinter der Welt steht. Um zu zeichnen, muss man von der Welt Abstand nehmen, usw.
I 181 ff
Fotografie/Flusser: Historisch sind Fotografien die ältesten Technobilder. Die Gesten des Operators sind vor allem von der Suche nach einem geeigneten Standort bestimmt.
Es ist eine vierdimensionale Raum-Zeit. Es geht um den Glanz der Zähne der Frau, aber auch um objektive Faktoren, wie die Qualität des Films. Das hat nichts mit Unterscheidung zwischen "subjektiv" und "objektiv" zu tun.
>Subjektivität, >Objektivität.
Der Fotograf sucht nicht nur in Funktion der abzubildenden Szene und des abbildenden Apparats, sondern auch in Funktion des zukünftigen Empfängers.
I 184
Im Unterschied zur Videokamera erlaubt der Apparat kein "flüssiges" Suchen. Die Suche ist gequantelt, die Struktur der fotografischen Welt ist gequantelt.
>Kontinuum, >Fluss.
I 185
Fotografie/Flusser: Bei Fotos funktioniert die Technoimagination arithmetisch.
Es ist sinnlos, zwischen dem Operator und dem Apparat unterscheiden zu wollen, beide befinden sich in einer komplexen Bewegung. Die dabei getroffenen Entscheidungen sind weder "menschlich" noch "mechanisch".
Freiheit bedeutet für den Fotografen in Funktion des Apparats zu entscheiden.
Ein Apparat ist kein Werkzeug, denn er bewegt sich nicht, um die Welt zu verändern, und in diesem Sinn leistet er keine Arbeit. Gegen Apparate sind Revolutionen sinnlos, weil sie keine Produktionsmittel sind.
Der Fotograf steht solchen Betrachtungen verständnislos, ungeschichtlich gegenüber. Für ihn ist die Freiheit eine Frage des Funktionierens. Im Unterschied zum Schmied ist er kein Arbeiter sondern ein Funktionär.
I 186
Das bedeutet aber nicht, dass der Fotograf die Welt nicht etwa verändern würde. Nur kann man das nicht Arbeit nennen.
>Arbeit.
Er handelt: Er fordert seine Frau auf, den Arm zu heben, zu lächeln. Diese Handlungen sind anders motiviert als Arbeit:
Def Arbeit/Flusser: Arbeit heißt die Welt verändern, weil sie nicht so ist, wie sie sein soll.
Der Fotograf interessiert sich nicht dafür, wie die Welt, sondern wie die Fotografie sein soll.
Er verändert die Welt in Funktion des Symbols, das er herstellt. Der Fotograf verändert die Welt, um sie zu fotografieren, also zu "erklären".
>Erklärung, >Interpretation.
Falls man "Wahrheit" als Zusammentreffen von Beobachtetem und Beobachtung definieren will, so ist die Fotografie "wahr", nicht wenn sie eine unveränderte Welt abbildet, sondern wenn sie die Veränderungen abbildet, die der Fotograf in der Welt und im Apparat durchgeführt hat.
>Wahrheit.
I 187
Das Motiv des Fotografen ist weder "ethisch" noch "epistemologisch". Was tut der Fotograf bei seiner Suche?
>Ethik, >Epistemisch/ontologisch.
I 188
Er sucht nach einem Standpunkt, von dem aus ein anderer die Welt so sehen kann, wie er selbst sie sieht. Der Fotograf will nicht "schöne Bilder machen" (wie der Maler) er wünscht sich, jemand da zu haben, der mit seinen Augen sieht.
>Perspektive, >Aspekte.
Der Apparat ist mit einem Spiegel versehen. In diesem Spiegel sieht der Fotograf, wie das Bild aussehen würde, wenn er in einem gegebenen Augenblick auf den Auslöser drückte. Diese Spiegelbilder sind Projekte, Zukunftsentwürfe und zugleich Visionen der Vergangenheit. Die Summe ist alles mögliche Fotografierbare.
>Gegenwart, >Vergangenheit, >Zukunft. >Utopie, >Fiktion.
Vor allem aber sind solche Spiegelbilder eben nicht Bilder von Szenen sondern von Standpunkten. Man kann sie Bilder von Begriffen von Bildern nennen. Aufgrund solcher von Apparat gelieferter Technobilder entschließt sich der Fotograf, auf den Auslöser zu drücken. Das ist es was Fotografien "schön" macht: dass sie reflexiv und spekulativ sind, und dass es sich bei ihnen um außerordentlich "abstrakte" nämlich Begriffe vorstellende Symbole handelt.
>Begriffe, >Abstraktheit, >Abstraktion.

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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.

Fl I
V. Flusser
Kommunikologie Mannheim 1996

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