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Jean Piaget: Jean Piaget (1896-1980), Schweizer Psychologe und Philosoph. Hauptwerke sind Die Sprache und das Denken des Kindes (1926), Die Konstruktion der Wirklichkeit beim Kinde (1937) und Studien zur genetischen Epistemologie (1967). Seine Forschungsgebiete waren die kindliche Entwicklung, die kognitive Psychologie und die Erkenntnistheorie.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

Gerhard Schurz über Piaget – Lexikon der Argumente

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Piaget/Entwicklungstheorie/Entwicklung/Wissenschaftstheorie/Schurz: Piaget These: Die Entwicklung der kindlichen Intelligenz ist stufenförmig. Sie beruht auf der stufenförmigen Ausbildung von allgemeinen logisch strukturellen Fähigkeiten. Sind diese erst einmal ausgebildet, können sie in kurzer Zeit überall angewendet werden. Vorher werden die entsprechenden kognitiven Aufgaben einfach nicht begriffen.
Piaget These:
Sensomotorische Stufe: mit 2 Jahren erreicht
Konkret operationelle Stufe:mit ca. 6-7 Jahren erreicht. .
Formal operationelle Stufe: mit 13 14 Jahren.

Konkret operationelle Stufe/Piaget: (6-7) Bsp 1. Fähigkeit zum Perspektivenwechsel, Unterscheidung der eigenen von der fremder Personen. Damit Übergang vom egozentrischen zum soziozentrischen Denken.
2. Fähigkeit zu erkennen, dass bestimmte Operationen, die das Aussehen von Gegenständen verändern, rückgängig gemacht werden können. (Reversibilität). Damit gleichzeitig: Invariantenerkennung. Zwei Bereiche:
a) Invarianz der Anzahl von Gegenständen
b) Invarianz der Menge einer Substanz.
Überprüfung/Piaget: durch Test, die Zuordnungsgesetze liefern:
Bsp Perspektivenwechsel: Gebirgslandschaft, um die die Kinder herumgehen konnten.
Invarianz der Zahl: Bsp Münzen
Invarianz der Substanzmenge: Bsp Tonkugel, die zu einer Wurst verformt wurde.
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Bsp Kern: Intelligenzentwicklung beruht primär auf Stufen Entwicklung logisch struktureller Fähigkeiten.
Bsp Peripherie: mit 6-7 Jahren erreichen fast alle Kinder die konkret operationelle Stufe.
Bsp Empirische Prognose: fast alle Kinder scheitern daran mit 6, alle können es mit 7 Jahren.

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Test/Adäquatheit/Selektivität/Schurz: Ein Test muss adäquat für das untersuchte Merkmal sein. d.h. er muss selektiv sein. D.h. sie müssen die Merkmale (Fähigkeiten) messen und nicht gleichzeitig noch andere.
Gleichzeitig müssen die Indikatoren auswechselbar sein. Bsp Es muss für den Perspektivenwechsel egal sein, ob er an einer Gebirgslandschaft oder an einer anderen Form untersucht wird.
Indikator/(s): Objekt innerhalb eines Versuchs.

VsPiaget/Schurz: Man zeigte, dass seine Hypothesen gegen die Forderung der Auswechselbarkeit der Indikatoren verstieß: Bsp Kinder, denen eine einfachere Form als eine Gebirgslandschaft vorgesetzt wurde (eine Schachtel mit vier verschiedenfarbigen Seiten) konnte die Aufgabe bereits mit 4 Jahren lösen (statt mit 6-7).
Schurz: Das bedeutete aber noch nicht, dass man den Kern der Theorie preisgab. (gemäß der Lakatos Devise). ((s) d.h. die Stufen verliefen anders, die Annahme der Wichtigkeit des Logisch strukturellen wurde beibehalten.
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VsPiaget: Man schloss, dass sein Test nicht wirklich selektiv war. Lösung: die Gebirgslandschaft involvierte versteckte Variablen (verborgene Schwierigkeiten). (BrainerdVsPiaget, Brainerd 1978(1)).
2. VsPiaget: Bsp Zahltest: Problem: die Kinder hatten die sprachliche Formulierung „mehr Münzen“ nicht verstanden.
Neu. Bsp Die Kinder sollten Bilder mit gleicher Anzahl von Münzen auswählen (ohne Sprache, non-verbal): dieser Zahltest wurde dann schon von 4-5 Jährigen beherrscht!
Kern/Peripherie/Schurz: Das alles richtete sich nur gegen die Peripherie!
Kern/VsPiaget: Bsp Aussagenlogik. Gemäß Piaget müssten Kinder mit 13-14 Jahren aussagenlogisch korrekte Schlüsse beherrschen.

Problem: modus ponens wird tatsächlich schon mit 3 Jahren beherrscht, modus tollens oft nicht einmal von Erwachsenen, also oft nie!
VsPiaget: Problem: Das lässt sich nicht mit Änderung eines Gesetzes für Indikatoren oder Spezialgesetze beheben. Es greift direkt den Kern der Theorie an.
Kern/VsPiaget: Bsp Erhaltung des Objekts:
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Kognitives Prinzip: (hier): Objekte die verdeckt werden, hören deshalb nicht auf zu existieren.
Piaget: Das wird bereits nach Vollendung der sensomotorischen Stufe mit 2 Jahren beherrscht.
Variante: Bsp Auflösung von Zucker in Wasser: wird noch nicht einmal mit 6 Jahren beherrscht: eine schwache Mehrheit antwortet falsch: der Zucker sei nicht mehr da.
Fazit:
VsPiaget: Der Kern muss aufgegeben werden.
Intelligenz/Entwicklung/alternative TheorieVsPiaget: Die Entwicklung der Intelligenz geht nicht über die Ausbildung allgemein abstrakter Strukturen, sondern beruht auf der Entwicklung inhaltsspezifischer und inhaltsgebundener Fähigkeiten. (Ausubel, 1978(2), Novak 1980(3), Schurz 1985(4)).
>J. Piaget, >VsPiaget.

1. Brainerd, C. (1978). Piaget's Theory of Intelligence. Englewood Cliffs: Prentice-Hall.
2. Ausubel D. et al. (1978). Educational Psychology: A Cognitive View. New York: Holt.
3. Novak, J. (1980) "Eine Alternative zu Piagets Psychologie". In: Jung W. (Hg., 1980) Piaget und die Physikdidaktik. Physica Didactica 7, 17-24.
4. Schurz, G. (1985). "Denken, Sprache und Erziehung: Die aktuelle Piaget-Kontroverse", Zeitschrift für Semiotik, 7, Heft 4 1985, 335-366.


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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.

Schu I
G. Schurz
Einführung in die Wissenschaftstheorie Darmstadt 2006

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