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Metapher: Die Übertragung eines sprachlichen Ausdrucks in einen anderen Zusammenhang als den, in dem er erwartet wurde. Die Erwartung ergibt sich aus der Häufigkeit von bisherigen Verwendungen in bestimmten Kontexten. Durch die Übertragung wird ein Ausdruck, der eigentlich an der Stelle in der Rede erwartet wurde, ersetzt. Bedingung für die Ersetzung ist eine gewisse Ähnlichkeit zwischen den Merkmalen von altem und neuem Ausdruck, die für das Verständnis erforderlich ist. Die Unwahrscheinlichkeit des Auftretens des neuen Ausdrucks ist eine Bedingung für die rhetorische Wirkung der Metapher.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

Paul Ricoeur über Metaphern – Lexikon der Argumente

II 46
Metapher/Ricoeur: (...) die Beziehung zwischen der wörtlichen Bedeutung und der bildlichen Bedeutung in einer Metapher ist wie eine gekürzte Version innerhalb eines einzigen Satzes des komplexen Wechselspiels der Bedeutungen, die das literarische Werk als Ganzes charakterisieren. >Konnotation/Ricoeur
.
II 47
Die Metapherntheorie stammt von den alten Rhetorikern, aber diese Theorie wird ohne eine wichtige Revision nicht die Rolle erfüllen, die wir von ihr erwarten. Diese Revision (...) verschiebt das Problem der Metapher von der Semantik des Wortes zur Semantik des Satzes. >Rhetorik/Ricoeur.
II 49
Metapher/Tradition:

(1) Die Metapher ist ein Trope, eine Diskursfigur, die die Benennung betrifft.
(2) Sie stellt die Erweiterung der Bedeutung eines Namens durch Abweichung von der wörtlichen Bedeutung von Wörtern dar.
(3) Der Grund für diese Abweichung ist Ähnlichkeit.
(4) Die Funktion der Ähnlichkeit besteht darin, die Ersetzung der bildlichen Bedeutung eines Wortes an Stelle der wörtlichen Bedeutung zu begründen, die an der gleichen Stelle hätte verwendet werden können.
(5) Daher stellt die substituierte Bedeutung keine semantische Veränderung dar. Wir können eine Metapher übersetzen, d.h. die wörtliche Bedeutung ersetzen, für die das Bildwort ein Ersatz ist. Tatsächlich ist Substitution plus Restitution gleich Null.
(6) Da sie keine semantische Neuschöpfung darstellt, liefert eine Metapher keine neuen Informationen über die Wirklichkeit. Deshalb kann sie zu den emotionalen Funktionen des Diskurses gezählt werden.

I.A. RichardsVsTradition/Ricoeur: Die erste zu verwerfende Voraussetzung [dass es sich nicht um neue Informationen handelt] ist, dass eine Metapher einfach ein Zufall der Benennung ist, eine Verschiebung in der Bedeutung der Wörter. Mit dieser Voraussetzung beschränkte sich die klassische Rhetorik auf die Beschreibung eines Bedeutungseffekts, der in Wirklichkeit das Ergebnis der Wirkung einer Bedeutungsproduktion auf das Wort ist, die auf der Ebene einer vollständigen Äußerung oder eines Satzes stattfindet.
II 50
Ricoeur: Die Metapher ist das Ergebnis der Spannung zwischen zwei Begriffen in einer metaphorischen Äußerung. (...) [diese] Spannung in einer metaphorischen Äußerung ist (..) nicht etwas, das zwischen zwei Begriffen in der Äußerung auftritt, sondern vielmehr zwischen zwei entgegengesetzten Interpretationen der Äußerung. Die metaphorische Deutung setzt eine wörtliche Interpretation voraus, die sich in einem signifikanten Widerspruch selbst auslöscht. Es ist dieser Prozess der Selbstzerstörung oder Transformation, der den Wörtern eine Art Wendung auferlegt, eine Bedeutungserweiterung, dank derer wir dort Sinn machen können, wo eine wörtliche Interpretation buchstäblich unsinnig wäre.
II 51
Ähnlichkeit/Tradition: Es ist nun möglich, zur dritten Voraussetzung der klassischen rhetorischen Metaphernkonzeption, der Rolle der Ähnlichkeit, zurückzukehren. Dies ist oft missverstanden worden. Oft wurde sie auf die Rolle der Bilder im poetischen Diskurs reduziert, so dass für viele Kritiker, insbesondere für die älteren, das Studium der Metaphern eines Autors eine Diskussion über die Nomenklatur der Bilder bedeutete, die zur Illustration seiner Ideen verwendet wurden.
RicoeurVsTradition: Aber wenn die Metapher nicht darin besteht, eine Idee in ein Bild zu kleiden, wenn sie stattdessen darin besteht, den Schock zu verringern, der durch zwei unvereinbare Ideen hervorgerufen wird, dann spielt die Ähnlichkeit eine Rolle bei der Verringerung dieser Kluft oder Differenz. Bei einer metaphorischen Äußerung geht es mit anderen Worten um den Anschein einer Verwandtschaft, bei der das gewöhnliche Sehen keine Verwandtschaft wahrnimmt.
Trope/Tradition: Für die klassische Rhetorik (...) war ein Trope die einfache Ersetzung eines Wortes durch ein anderes. Aber Substitution ist eine sterile Operation, während in einer lebendigen Metapher die Spannung zwischen den Wörtern (...) besteht.
II 52
RicoeurVsTradition: Innerhalb einer Spannungstheorie der Metapher, wie wir sie hier einer Substitutionstheorie entgegensetzen, entsteht jedoch eine neue Bedeutung, die den ganzen Satz umfasst. In diesem Sinne ist eine Metapher eine augenblickliche Schöpfung, eine semantische Innovation, die in der bereits etablierten Sprache keinen Status hat und die nur aufgrund der Zuschreibung eines ungewöhnlichen oder unerwarteten Prädikats existiert.
Die Metapher gleicht daher eher der Auflösung eines Rätsels als einer einfachen Assoziation, die auf Ähnlichkeit beruht; sie wird durch die Auflösung einer semantischen Dissonanz gebildet.
Zwei Schlussfolgerungen: 1. Echte Metaphern sind nicht übersetzbar. 2. Eine Metapher ist kein Ornament des Diskurses. Sie hat mehr als einen emotionalen Wert, denn
II 53
sie bietet neue Informationen. >Symbol/Ricoeur.
II 66
Metapher/Modell/Max Black/Ricoeur: Die Metapherntheorie kann (...) auf eine dritte Art und Weise in Richtung der spezifischsten Merkmale von Symbolen erweitert werden. Zahlreiche Autoren haben auf die Verwandtschaft zwischen Metaphern und Modellen hingewiesen. Diese Verwandtschaft spielt z.B. im Werk von Max Black, das sogar den Titel Modelle und Metaphern trägt, eine entscheidende Rolle.(1)
Und von seiner Seite aus hat der englische Theologe Ian Ramsey versucht, die Funktion der religiösen Sprache zu erhellen, indem er Max Blacks Theorie in geeigneter Weise revidiert hat.(2)
Referenz/Metapher/Ricoeur: Eine solche Annäherung zwischen Modellen und Metaphern erlaubt es uns, die Metapherntheorie in eine Richtung (...) der referentiellen Dimension zu entwickeln.
II 67
Ricoeur: Wenden wir diesen Begriff des Modells auf die Metapher an. Die Leitlinie ist hier die Beziehung zwischen den beiden Begriffen einer heuristischen Fiktion und der Neubeschreibung, die durch die Übertragung dieser Fiktion auf die Realität erfolgt. Es ist diese doppelte Bewegung, die wir auch in der Metapher finden, denn eine einprägsame Metapher hat die Macht, zwei getrennte Bereiche in kognitive und emotionale Beziehung zu bringen, indem sie die für den einen direkt geeignete Sprache als Linse benutzt, um den anderen zu sehen.
Dank dieses Umweges durch die heuristische Fiktion nehmen wir unter anderem neue Zusammenhänge wahr. Grundlage dieses Übergangs ist die vermutete Isomorphie zwischen dem Modell und seinem Anwendungsgebiet. Es ist diese Isomorphie, die den "analogen Transfer eines Vokabulars" legitimiert und erlaubt, dass eine Metapher wie ein Modell funktioniert und "neue Beziehungen offenbart".(3)
II 68
Im Falle der Metapher wird [die] Neubeschreibung von dem Wechselspiel zwischen Unterschieden und Ähnlichkeiten geleitet, das die Spannung auf der Ebene der Äußerung hervorruft. Gerade aus dieser intensiven Situation entspringt eine neue Vision der Wirklichkeit, der sich die gewöhnliche Vision widersetzt, weil sie an der gewöhnlichen Verwendung von Worten festhält. Die Ausblendung der objektiven, manipulierbaren Welt weicht damit der Offenbarung einer neuen Dimension von Realität und Wahrheit.
Kopula/Metapher/Ricoeur: [in der Metapher] "ist" bedeutet "ist" beides, ist und ist nicht. Das buchstäbliche "Ist" wird durch die Absurdität umgestürzt und von einem metaphorischen "Ist"-Äquivalent überwunden. Die poetische Sprache sagt also nicht, wie die Dinge buchstäblich sind, sondern wem sie ähnlich sind. ((s) DavidsonVsRicoeur: vgl. Metapher/Davidson).
Symbol/Metapher/Ricoeur: (...) wir müssen zwei gegensätzliche Aussagen über die Beziehung zwischen Metaphern und Symbolen annehmen. Auf der einen Seite steckt mehr in der Metapher als
in dem Symbol; auf der anderen Seite steckt mehr in dem Symbol als in der Metapher. >Symbol/Ricoeur.

1. Max Black, Models and Metaphors: Studies in Language and Philosophy, 1962. Cornell University Press.
2. lan Ramsey, Models and Mystery (New York: Oxford University Press, 1964); Models for Divine Activity (London: S.C.M. Press, 1973); Religious Language (London: S.C.M. Press, 1957).
3. Max Black op. cit. P. 238.

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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.

Ricoeur I
Paul Ricoeur
Die Interpretation. Ein Versuch über Freud Frankfurt/M. 1999

Ricoeur II
Paul Ricoeur
Interpretation theory: discourse and the surplus of meaning Fort Worth 1976

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