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Demokratie: Die Demokratie ist ein Regierungssystem, in dem das Volk die Macht hat, seine Führer zu wählen und Entscheidungen darüber zu treffen, wie es regiert wird. Sie beruht auf den Grundsätzen der Gleichheit, Freiheit und Beteiligung._____________Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente. | |||
Autor | Begriff | Zusammenfassung/Zitate | Quellen |
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Joseph A. Schumpeter über Demokratie – Lexikon der Argumente
Brocker I 260 Demokratie/Schumpeter: Das Definitionsmerkmal der Demokratie für Schumpeter besteht darin, einen »Konkurrenzkampf um die politische Führung« (1) ins Zentrum der Betrachtung zu rücken. Die Kernidee lautet: Ähnlich wie die Unternehmen in einem Wettbewerb um die Gunst der Konsumenten Brocker I 261 stehen, stehen Politiker und Parteien in einem Wettbewerb um die Gunst der Wähler (2) – mit dem wichtigen Unterschied, dass die Menschen in wirtschaftlichen Dingen zumeist gut informiert, in politischen Dingen hingegen zumeist rational ignorant sind.(3) Gemeinsamkeit: Entscheidend sei in beiden Systemen das Streben nach dem eigenen, individuellen Vorteil. These: Die moderne Demokratie sei ein Produkt des kapitalistischen Prozesses (4); Allerdings sind zwei wichtige Voraussetzungen für das Funktionieren der Demokratie im zeitgenössischen Kapitalismus nicht mehr erfüllt: a) das Ideal des sparsamen Staates(5) b) der gesellschaftliche Grundkonsens.(6) Und zwar wegen der Erwartung bedeutender Teile der Wählerschaft, auf Kosten des Staates zu leben. (7) >Trittbrettfahrer, >Staat, >Wirtschaft, >Gesellschaft. 1. Joseph A. Schumpeter, Capitalism, Socialism and Democracy, New York 1942. Dt.: Joseph A. Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, Tübingen/Basel 2005 (zuerst: Bern 1946). S. 427. 2. Ebenda S. 427-433 3. Ebenda S. 407 – 420. 4. Ebenda S. 471. 5. Ebenda S. 471f. 6. Ebenda S. 473. 7. Ebenda S. 472. Ingo Pies, „Joseph A. Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie (1942)“ in: Manfred Brocker (Hg.) Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert. Frankfurt/M. 2018. - - - Gaus I 148 Demokratie/Schumpeter/Dryzek: Das Demokratiemodell, das unter den vergleichenden Politikwissenschaftlern am beliebtesten ist, vor allem im aufstrebenden Bereich des demokratischen Übergangs und der Konsolidierung, erwartet weit weniger von der Demokratie als die deliberativen Demokraten. >Deliberative Demokratie. Dieses Modell ist im Wesentlichen dasjenige, das vor langer Zeit von Schumpeter (1942)(1) vorgeschlagen wurde: Demokratie ist nichts anderes als ein Wettbewerb der Eliten um die Zustimmung des Volkes, der das Recht auf Herrschaft verleiht. In den 1950er Jahren wurde diese Idee zur Grundlage für "empirische" Demokratietheorien, die mit der allgemein apathischen Rolle der ignoranten und potenziell autoritären Massen zufrieden waren (Berelson, 1952(2); Sartori, 1962(3)). Wettbewerbsmodelle der Demokratie: Solche konkurrierenden elitären Modelle Gaus I 149 waren lange Zeit unter demokratischen Theoretikern diskreditiert - nicht zuletzt unter solchen wie Dahl (1989)(4), die früher daran geglaubt hatten, dass sie sowohl genaue Beschreibungen der Politik der Vereinigten Staaten als auch wünschenswerte Zustände darstellten. Dennoch leben sie unter Transitologen und Konsolidierern weiter, die das Markenzeichen einer konsolidierten Demokratie in einer Reihe wohlerzogener Parteien sehen, die materielle Interessen vertreten und sich im verfassungsrechtlich geregelten Wahlkampf engagieren (siehe z.B. Di Palma, 1990(5); Huntington, 1991(6); Mueller, 1996(7); Schedler, 1998(8)). Die Sorge des deliberativen Demokraten um Authentizität ist nirgends zu erkennen. Aktive Bürger spielen bei solchen Modellen keine Rolle. 1. Schumpeter, Joseph A. (1942) Capitalism, Socialism, and Democracy. New York: Harper. 2. Berelson, Bernard (1952) 'Democratic theory and public opinion'. Public Opinion Quarterly, 16: 313—30. 3. Sartori, Giovanni (1962) Democratic Theory. Detroit: Wayne State Umversity Press. 4. Dahl, Robert A. (1989) Democracy and its Critics. New Haven, CT: Yale University Press. 5. Di Palma, Giuseppe (1990) To Craft Democracies. Berkeley, CA: University of California Press. 6. Huntington, Samuel (1991) The Third Wave. Norman, OK: University of Oklahoma Press. 7. Mueller, John (1996) 'Democracy, capitalism and the end of transition'. In Michael Mandelbaum, ed. Postcommunism: Four Perspectives. New York: Council on Foreign Relations. 8. Schedler, A. (1998) 'What is democratic consolidation?' Journal of Democracy, 9: 91-107. Dryzek, John S. 2004. „Democratic Political Theory“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications - - - Sobel I 28 Demokratie/Schumpeter/Sobel/Clemens: „Nichts ist leichter, als eine eindrucksvolle Liste von Versäumnissen der demokratischen Methode zusammenzustellen, besonders wenn wir nicht nur die Fälle einbeziehen, in denen es zu einem tatsächlichen Zusammenbruch oder einer nationalen Unzufriedenheit kam, sondern auch jene, in denen die Nation zwar ein gesundes und wohlhabendes Leben führte, die Leistungen im politischen Bereich aber im Vergleich zu den Leistungen in anderen Bereichen deutlich unterdurchschnittlich waren.“ Joseph A. Schumpeter (1942), Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie(1): 289. Sobel/Clemens: Joseph Schumpeter ist vor allem für seine bahnbrechenden Beiträge zu unserem Verständnis der Rolle von Unternehmern, Innovation und schöpferischer Zerstörung bei Wirtschaftswachstum und Entwicklung bekannt. >Konjunkturzyklus/Schumpeter, >Innovation/Schumpeter, >Wettbewerb/Schumpeter, >Schöpferische Zerstörung/Schumpeter, >Unternehmertum/Schumpeter. Schumpeters wirtschaftliche Erkenntnisse gehen jedoch weit über sein bekanntestes Werk über Innovation hinaus. Ein weiterer Bereich, in dem Schumpeter den Wirtschaftswissenschaftlern weit voraus war und echte Erkenntnisse lieferte, ist das Wesen der Politik und des demokratischen Prozesses der kollektiven Entscheidungsfindung. Die ökonomische Analyse des politischen Prozesses und der kollektiven Entscheidungsfindung steht im Mittelpunkt eines modernen Bereichs der Wirtschaftswissenschaften, der als Public Choice bekannt ist. Obwohl Schumpeter vor den formalen Ursprüngen dieses Bereichs der Wirtschaftswissenschaften schrieb, haben frühe Wissenschaftler wie Anthony Downs einige seiner Ideen auf Schumpeters Schriften in Capitalism, Socialism, and Democracy (CSD)(1) zitiert und zurückgeführt. >Regierungspolitik/Schumpeter. Demokratie: Schumpeter verstand die Demokratie lediglich als einen alternativen Prozess zur Erzielung sozialer und wirtschaftlicher Ergebnisse, und „daraus folgt nicht notwendigerweise, dass die politischen Entscheidungen, die durch diesen Prozess aus dem Rohmaterial dieser individuellen Willensäußerungen hervorgebracht werden, irgendetwas darstellen, das in irgendeinem überzeugenden Sinne als der Wille des Volkes bezeichnet werden könnte“ (CSD(1): 254). In Bezug auf die Idee, dass die Regierung ein Gemeinwohl verfolgt, argumentiert Schumpeter: „Erstens gibt es so etwas wie ein eindeutig bestimmtes Gemeinwohl nicht, auf das sich alle Menschen einigen oder durch die Kraft rationaler Argumente zu einer Einigung gebracht werden könnten. Das liegt nicht in erster Linie daran, dass manche Menschen etwas anderes wollen als das Gemeinwohl, sondern an der viel grundlegenderen Tatsache, dass das Gemeinwohl für verschiedene Individuen und Gruppen zwangsläufig unterschiedliche Dinge bedeutet ... als Folge davon ... löst sich der besondere Begriff des Volkswillens ... in Luft auf.“ (CSD(1): 251-252) Sobel/Clemens: Schumpeter erkannte, dass man, um demokratische Ergebnisse zu verstehen, die Motivationen und unterschiedlichen Wünsche der am Prozess beteiligten Personen, seien es die Wähler, die gewählten Politiker oder die Verwalter und Bürokraten in den Regierungsbehörden, verstehen muss. Das heißt, um demokratische Ergebnisse zu verstehen, muss man die Rolle dessen verstehen, was er als „menschliche Natur in der Politik“ bezeichnete. Damit teilte Schumpeter eine Einsicht mit den Begründern der Public-Choice-Forschung wie dem Nobelpreisträger James Buchanan, der erkannte, dass der Einzelne, nur weil er in die öffentliche Sphäre eintritt, nicht plötzlich anfängt, für das Gemeinwohl zu handeln - stattdessen bleibt er ein eigennütziger Akteur, der seine eigenen Ziele und Wünsche verfolgt. >James M. Buchanan. Demokratie/Schumpeter: Nach Schumpeter ist Demokratie am besten wie folgt zu verstehen: „Die demokratische Methode ist diejenige institutionelle Anordnung zur Herbeiführung politischer Entscheidungen, bei der die Individuen die Entscheidungsbefugnis durch einen Konkurrenzkampf um die Stimme des Volkes erwerben.“ (CSD(1): 269). Nach Schumpeter können wir, soweit es echte gruppenweise Willensäußerungen gibt, ... sie genau in die Rolle einfügen, die sie tatsächlich spielen, ... die von einem politischen Führer ins Leben gerufen wird, der sie zu politischen Faktoren macht, ... indem er sie aufarbeitet und schließlich geeignete Elemente in sein Konkurrenzangebot aufnimmt ... Der unaufhörliche Konkurrenzkampf, um ins Amt zu kommen oder darin zu bleiben, verleiht jeder Betrachtung von Politiken und Maßnahmen die Voreingenommenheit, die in dem Satz über den „Handel mit Stimmen“ so bewundernswert zum Ausdruck kommt. (CSD(1): 270, 287). * In The Economic Theory of Democracy schreibt Downs: „Schumpeters tiefgründige Analyse der Demokratie bildet die Inspiration und die Grundlage für unsere gesamte These, und unsere Schuld und Dankbarkeit ihm gegenüber sind in der Tat groß“ (1957(2):29). 1. Schumpeter, Joseph A. (1942). Capitalism, Socialism, and Democracy [CSD]. Harper & Brothers. 2. Downs, Anthony (1957). The Economic Theory of Democracy. Harper & Row._____________ Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der ArgumenteDer Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente. |
EconSchum I Joseph A. Schumpeter Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung Leipzig 1912 Brocker I Manfred Brocker Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert Frankfurt/M. 2018 Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 Sobel I Russell S. Sobel Jason Clemens The Essential Joseph Schumpeter Vancouver 2020 |