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Rechtsgeschichte: Die Rechtsgeschichte untersucht die Frage, wie sich das Recht entwickelt hat und warum es sich verändert hat. Sie ist eng mit der Entwicklung von Zivilisationen verbunden und steht im weiteren Kontext der Sozialgeschichte. Siehe auch Recht, Gesetze, Geschichte, Historiographie, Zivilisation, Gesellschaft.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
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Mikroökonomie über Rechtsgeschichte - Lexikon der Argumente

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Rechtsgeschichte/Mikroökonomie/Wangenheim: Die beiden bahnbrechenden Aufsätze von Rubin (1977)(1) und Priest (1977)(2) bilden die Wurzel einer langen Geschichte mikroökonomischer Veröffentlichungen über die Entwicklung des Common Law (dt. Gewohnheitsrecht), d.h. des vom Richter geschaffenen Rechts.
Rubin: Rubins zentrales Argument war, dass rechtliche Regeln nur dann vor Gericht angefochten werden, wenn sie ineffizient sind. Wenn Regeln effizient sind,
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werden alle Fälle beigelegt, um Prozesskosten zu vermeiden. Die Möglichkeit, eine ineffiziente Regel durch eine effiziente zu ersetzen, erlaubt jedoch genügend gemeinsame erwartete zukünftige Gewinne aus einer besseren Regel, um die Prozesskosten zu überwiegen. Infolgedessen, so Rubins Argument, entwickelt sich das Gewohnheitsrecht in Richtung Effizienz.
Priest: Priest (1977)(2) formalisiert das Argument als einen einfachen Markov-Prozess des Anteils der Regeln, die effizient sind, wobei jede Regel entweder effizient oder ineffizient sein kann.
>Rechtsgeschichte/Priest.
Weiterentwicklung der Theorie von Priest: Cooter und Kornhauser (1980)(3) sowie Miceli (2010)(4) gehen auf die stochastische Natur des Modells ein und betonen, dass sich das Recht im Modell nicht zu einem bestimmten Zustand hin entwickelt, sondern zu einer stationären Verteilung, so dass das Recht zwischen allen möglichen Zuständen, effizienten und ineffizienten, hin und her wechselt. Goodman (1978)(5), Landes und Posner ( 1979)(6), und Wangenheim ( 1993)(7) endogenisieren die Prozessausgaben der Parteien und deren Auswirkung auf die gerichtlichen Entscheidungen.
Asymmetrie: Priest und Klein (1984)(8) sowie Fon und Parisi (2003)(9) und Fon et al. (2005)(10) stellen fest, dass die Bedingungen, unter denen die Parteien einen Rechtsstreit beginnen, eine Asymmetrie zwischen Klägern und Beklagten implizieren. Viele dieser Variationen schwächen das Ergebnis, dass sich das Richterrecht in Richtung Effizienz entwickelt.
Vs: Dass es dies mehr tut als gesetzliches Recht, wird von Hirshleifer (1982)(11), Wangenheim ( 1993)(7), Rubin und Bailey (1994)(12), Georgakopoulos (1997)(13) und wiederum Rubin (1982(14), 2005(15)) mit der Begründung in Frage gestellt, dass alle Argumente, die für die Effizienzbehauptung in Bezug auf das Gewohnheitsrecht erforderlich sind, auch für das Gesetzesrecht gelten.
Trotz all dieser Kritikpunkte diente der Ansatz als theoretische Grundlage für empirische Studien über den Einfluss der rechtlichen Herkunft von Ländern auf ihren wirtschaftlichen Erfolg und die Qualität ihres geltenden Rechts (z.B. La Porta et al. 1997(16); siehe auch La Porta et al., 2017(17)).
Vs: Hatzis (2002)(18), Garoupa und Morriss (2012)(19), sowie Garoupa und Ligüerre (2011)(20) kritisieren diesen Ansatz und andere einfache Dichotomien des Gewohnheitsrechts und
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des Gesetzesrechts, da sie empirischen Erkenntnissen zu mehreren Rechtsgebieten widersprechen und es ihnen an einem tiefgreifenden Verständnis der Funktionsweise von Gewohnheitsrecht und Grundrechte mangelt.
Hadfield (2011)(21) identifiziert alternative Parameter von Rechtssystemen, die für die Vorhersage der Anpassungsfähigkeit von Rechtssystemen wichtiger sind als die Dichotomie zwischen Gewohnheitsrecht und Gesetzesrecht.
Exogene Variationen: Ponzetto und Fernandez (2008)(22) schlagen ein Modell vor, in dem sie Gesetzesänderungen in ein Modell der Entwicklung des Gewohnheitsrechts integrieren. Wie Georgakopoulos (1997)(13) lassen sie exogene Variationen des effizienten Zustands des Rechts zu und argumentieren, dass unter vielen Bedingungen eine Kombination aus Gewohnheits- und Gesetzesrecht optimal ist.
Rubin: Rubin et al. (2001)(23) und Osborne (2002)(24) nehmen den Grad, in dem ein Rechtssystem von Gewohnheits- oder Gesetzesrecht bestimmt wird, nicht als gegeben hin, sondern lassen zu, dass Rent-Seeker das relative Gewicht der beiden Rechtsquellen beeinflussen, indem sie ihre Tätigkeit zwischen dem Gesetzgeber und den Gerichten aufteilen. Die bisher genannten Publikationen konzentrieren sich bis auf wenige Ausnahmen auf die prozessierenden Parteien (die "Nachfrageseite") (...).
"Angebotsseite"/Richter: Ehrlich und Posner (1974)(25) untersuchen, wie der Wunsch der Richter nach Reputation, nicht im Widerspruch zu Präzedenzfällen zu stehen, ihre privaten Präferenzen für gutes Recht einschränken kann. Miceli und Cosgel (1994)(26) erweitern diese Idee, indem sie argumentieren, dass die Entscheidung, gegen einen Präzedenzfall zu entscheiden, nicht notwendigerweise ein Preis für die Richter ist, sondern eher ein Vorteil sein kann, wenn ihre Entscheidungen die Grundlage für einen neuen Präzedenzfall werden.
Gennaioli und Shleifer (2007)(27) zeigen, dass von Richtern, die Fehlentscheidungen nicht mögen und individuell, aber nicht im Durchschnitt, in Bezug auf Effizienz voreingenommen sind, erwartet werden kann, dass sie die Effizienz des allgemeinen Rechts verbessern, wenn Präzedenzfälle in dem Sinne strikt sind, dass Richter die Rechtsregel nur durch weitere Differenzierung der Regeln ändern können, nicht aber durch deren Aufhebung.

1. Rubin, P. H. (1977). "Why Is the Common Law Efficient?" Journal of Legal studies 6: 51-63.
2. Priest, G. L. (1977). "The Common Law Process and the Selection of Efficient Rules." Journal of Legal Studies 6:65-82.
3. Cooter, R. D. and L. Kornhauser (1980). "Can Litigation Improve the Law without the Help of Judges?" Journal of Legal Studies 9: 139-163.
4. Miceli, T. J. (2010). "Legal Change and the Social Value of Lawsuits." International Review of
Law and Economics 30:203-208.
5. Goodman, J. C. (1978). "An Economic Theory of the Evolution of Common Law." Journal of
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6. Landes, W. and R. Posner (1979). "Legal Change, Judicial Behavior, and the Diversity Jurisdiction." Journal of Legal Studies 9:367-386.
7. Wangenheim, G. v. (1993). "The Evolution of Judge-Made Law." International Review of Law
and Economics 13: 381-411.
8. Priest, G. L. and B. Klein (1984). "The Selection of Disputes for Litigation." Journal of Legal
Studies 13: 1-55.
9. Fon, V. and F. Parisi (2003). "Litigation and the Evolution of Legal Remedies: A Dynamic
Model." Public Choice 116:419-433.
10. Fon, V., F. Parisi, and B. Depoorter (2005). "Litigation, Judicial Path-Dependence, and Legal
Change." European Journal of Law and Economics 20:43—56.
11. Hirshleifer, J. (1982). "Evolutionary Models in Economics and Law." Research in Law and
Economics 4: 1-60.
12. Rubin, P. H. and M. J. Bailey (1994). "The Role of Lawyers in Changing the Law." Journal of
Legal studies 23:807-831.
13. Georgakopoulos, N. L. (1997). "Predictability and Legal Evolution." International Review of
Law and Economics 17:475-489.
14. Rubin, P. H. (1982). "Common Law and Statute Law!' Journal of Legal studies 1 1:205-223.
15. Rubin, P. H. (2005). "Why Was the Common Law Efficient?," in F. Parisi and C. K. Rowley,
eds., The Origins of Law and Economics: Essays by the Founding Fathers, 383-395. Cheltenham and Northampton, MA: Edward Elgar.
16. La Porta, R., F. Lopez-de-Silanes, A. Shleifer, and R. Vishny (1997). "Legal Determinants of
External Finance." Journal of Finance 52: 1131-1150.
17. La Porta, R., F. Lopez-de-Silanes, A. Shleifer, and R. Vishny (2017). "Legal Origins and Economic Performance: Theory and Evidence," in F. Parisi, ed., oxford Handbook of Law and Economics, vol. 3. Oxford: Oxford University Press.
18. Hatzis, A. (2002). "Having the Cake and Eating It Too: Efficient Penalty Clauses in Common
and Civil Contract Law." International Review of Law and Economics 22:381-406.
19. Garoupa, N. and A. Morriss (2012). "The Fable of the Codes: The Effciency of the Common
Law, Legal Origins, and Codification Movements." University of Illinois Law Review 2012:
1443-1497.
20. Garoupa, N. and C. G. Ligüerre (2011). "The Syndrome of the Efficiency of the Common
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21. Hadfield, G. K. (2011). "The Quality of Law: Judicial Incentives, Legal Human Capital and the Evolution of Law." Journal of Economic Behavior and Organization 79:80-94.
22. Ponzetto, G. A. M. and P. A. Fernandez (2008). "Case Law versus Statute Law: An Evolution Comparison." Journal of Legal Studies 3 7: 379-430.
23. Rubin, P. H., C. Curran, and J. F. Curran (2001). "Litigation Versus Legislation: Forum Shopping by Rent Seekers." Public Choice 107: 295-310.
24. Osborne, E. (2002). "What's Yours Is Mine: Rent-Seeking and the Common Law." Public Choice 111:399-415.
25. Ehrlich, I. and R. Posner (1974). "An Economic Analysis of Legal Rule Making." Journal of
Legal studies 3:257-286.
26. Miceli, T. J. and M. M. Cosgel (1994). "Reputation and Judicial Decision-Making." Journal of
Economic Behavior and Organization 23: 31-51.
27. Gennaioli, N. and A. Shleifer (2007). "The Evolution of Common Law." Journal of Political
Economy 115:43-68.

Wangenheim, Georg von. „Evolutionary Law and Economics.” In: Parisi, Francesco (Hrsg.) (2017). The Oxford Handbook of Law and Economics. Bd. 1: Methodology and Concepts. NY: Oxford University Press


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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.
Mikroökonomie

Parisi I
Francesco Parisi (Ed)
The Oxford Handbook of Law and Economics: Volume 1: Methodology and Concepts New York 2017

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