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Normalität: Statistische Normalität bezieht sich auf Dinge, die üblich oder typisch sind. Normative Normalität bezieht sich auf Dinge, die gut, richtig oder wünschenswert sind. Siehe auch Normen, Das Gute, Stereotype, Prototypen.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

Ivan Krastev über Normalität – Lexikon der Argumente

Krastev I 24
Normalität/postkommunistische Ära/Krastev: [Václav Havel] beschrieb die wesentliche Bedingung des kommunistischen Osteuropas als das 'Fehlen eines normalen politischen Lebens'(1). Im Kommunismus war nichts seltener als 'Normalität'. Havel bezeichnete auch "Freiheit und Rechtsstaatlichkeit" westlicher Prägung als "die ersten Voraussetzungen für einen normal und gesund funktionierenden sozialen Organismus". Außerdem schilderte er den Fluchtkampf seines Landes
Krastev I 25
vor der kommunistischen Herrschaft als "einfachen Versuch, ihre eigene Abnormalität zu beseitigen, sich zu normalisieren"(2).
Krastev I 48
(...) wir müssen uns an die primäre Bedeutung des Wortes 'Normalisierung' (auf Tschechisch 'normalizace') in den zwei Jahrzehnten vor 1989 erinnern. Es bezog sich auf die politischen Säuberungen, Zensur, Polizeibrutalität und ideologische Konformität, die in Havels Heimatland nach der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 verhängt wurden. Dies war "Normalisierung" im Sinne einer Wiederherstellung des Status quo ante, einer Rückkehr zur Situation in der Tschechoslowakei vor den Reformen von Dubček. Es würde keine Versuche mehr geben, dem Kommunismus ein menschliches Gesicht zu geben.
Und die kommunistischen Behörden, die der perversen Logik ihrer auf den Kopf gestellten Gesellschaften folgten, behandelten Dissidenten nicht als Kriminelle
Krastev I 49
sondern als psychisch instabile Personen mit 'reformistischen Wahnvorstellungen' (...).
Nach 1989 gehörte dieser kommunistische Gegensatz zwischen zwei Bildern von Normalität, dem sowjetischen und dem westlichen, der Vergangenheit an. Aber der Krieg zwischen widerstreitenden Vorstellungen von Normalität wurde sofort in einer anderen Form neu entfacht. Und dieser zweite Konflikt dauert bis heute an. Er beinhaltet eine pathologische Diskrepanz zwischen dem, was im Westen als normal angesehen wird, und dem, was in der Region als normal angesehen wird. >Normalität/Canguilhem
.
Krastev I 50
Vokabular: Nachdem die kommunistische Autorität gestürzt worden war, war eine Vokabelstunde angebracht. Bestechung zum Beispiel muss fortan als "anormal" bezeichnet werden, so wie das Gesetz per Definition als "unparteiisch und gerecht" erklärt wurde. Aber die Tatsache, dass sich solche westlichen Annahmen auf Kommando leicht nachplappern ließen, machte sie nicht mehr deckungsgleich mit den östlichen Realitäten. Wenn wir die Kluft zwischen den westlichen Erwartungen und den östlichen Realitäten nach dem Kommunismus untersuchen, können wir eine wichtige Quelle für den psychischen Stress entdecken, der in Mittel- und Osteuropa durch eine Revolution entstand, die darauf abzielte, eine fremde Version der Normalität zu importieren oder zu imitieren.
>Imitation/Krastev.
Mittel- und osteuropäische Länder: Um ihr Verhalten mit dem ihrer unmittelbaren Nachbarn und Verwandten zu koordinieren, mussten sie den Erwartungen ihrer westlichen Mentoren und Kollegen trotzen. Und um effektiv zu sein, mussten die postkommunistischen Eliten also lokal Bestechung akzeptieren und gleichzeitig weltweit gegen Korruption vorgehen.
Revolution: (...) eine Revolution im Namen der Normalität erzeugte nicht nur psychologische Unruhe, sondern auch ihren Anteil an politischen Traumata. Die raschen Veränderungen, die das westliche Modell selbst betrafen, haben das nagende Gefühl des Selbstverrats unter seinen Möchtegern-Imitatoren aus dem Osten noch verschärft. Sollten wir überrascht sein, dass sich einige Mittel- und Osteuropäer "betrogen" fühlten, als sie herausfanden, dass die konservative Gesellschaft, die sie nachahmen wollten, verschwunden war, weggespült von den schnellen Strömungen der Modernisierung?

1. Václav Havel, The Power of the Powerless: Citizens Against the State in Central-Eastern Europe (M. E. Sharpe, 1985), S. 89.
2. Cited in Benjamin Herman, ‘The Debate That Won’t Die: Havel And Kundera on Whether Protest Is Worthwhile’, Radio Free Europe/Radio Liberty (11 January 2012).

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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.

Krastev I
Ivan Krastev
Stephen Holmes
The Light that Failed: A Reckoning London 2019

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