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Emigration: Emigration oder Auswanderung ist der Akt des Verlassens des Heimatlandes oder der Heimatregion, um sich dauerhaft in einem anderen Land niederzulassen. Es handelt sich um die freiwillige Ausreise von Einzelpersonen oder Gruppen aus ihrem Heimatland. Siehe auch Flüchtlinge.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

Albert O. Hirschman über Emigration – Lexikon der Argumente

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Emigration/Hirschman/Krastev: In seinem berühmtesten Werk "Exit, Voice, and Loyalty", das 1970 veröffentlicht wurde, stellte Hirschman zwei Strategien gegenüber, die Menschen anwenden, wenn sie mit einem unerträglichen Status quo konfrontiert werden. Menschen können "aussteigen", d.h. sie können mit den Füßen abstimmen und ihrem Unmut Ausdruck verleihen, indem sie ihre Geschäfte woanders erledigen. Oder sie können sich dafür entscheiden, ihre Bedenken zu "äußern", indem sie stehen bleiben, ihre Stimme erheben und sich dafür entscheiden, für Reformen von innen heraus zu kämpfen.
Krastev: Für Ökonomen ist der Ausstieg die bevorzugte Methode zur Verbesserung der Leistung von Produzenten und Dienstleistungsanbietern. Es ist die Strategie, die der Durchschnittsverbraucher anwendet. Kunden, die drohen, den Lieferanten zu wechseln, können eine "wunderbare Konzentration des Geistes" in den Managern eines Unternehmens hervorrufen, ähnlich dem, was Samuel Johnson der Aussicht, gehängt zu werden, zuschreibt, da sie lähmende Einnahmeverluste bei schlecht laufenden Geschäften verursachen können.
Auf diese Weise kann der Ausstieg (und die Androhung des Ausstiegs) dazu beitragen, die Leistungsfähigkeit von Unternehmen zu verbessern.
Aber Hirschman, der die politische Tyrannei im Europa der 1930er Jahre hautnah miterlebt hat, wusste ebenso wie Michnik, dass repressive Regierungen den innenpolitischen Druck für Veränderungen verringern können, indem sie den lautesten und prominentesten Aktivisten eine Ausstiegsmöglichkeit einräumen(1).
>Emigration/Michnik.
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1990 verbrachte Hirschman ein Jahr im postkommunistischen Berlin und beschloss, seine Theorie des Ausstiegs, der Stimme und der Loyalität zu überdenken. Er versuchte dadurch, den Untergang der Deutschen Demokratischen Republik zu verstehen(2). Zunächst konzentrierte er sich auf die einzigartige Möglichkeit des Übertritts, die nur Ostdeutschen unter allen Mitgliedern des Warschauer Paktes offen stand. Ostdeutsche, denen der Ausstieg oder die Flucht gelang, würden im Gegensatz zu Polen, die das Gleiche taten, weder zu sprachlich isolierten Emigranten werden noch als Verräter der Nation gebrandmarkt werden. In der DDR gab es nach Hirschmans Ansicht weder 1956, 1968 noch 1980, weil die meisten Unzufriedenen mit dem Regime davon träumten, privat zu fliehen, anstatt sich zu organisieren und ihre Beschwerden kollektiv vorzutragen.
1989: (...) Entgegen der Erwartung, dass das 'Sicherheitsventil' der Emigration dem bürgerschaftlichen Engagement die Energie entziehen würde, nahm der Druck auf das Regime nicht ab, sondern das Ausmaß der Auswanderung zu. Tatsächlich trieb es die enttäuschten Millionen Zurückgebliebenen dazu, auf die Straße zu gehen und Veränderungen zu fordern, in der Hoffnung, ihre Mitbürger zum Bleiben zu bewegen. Der Untergang der DDR war ein Fall, in dem die Massenflucht und die Angst, dass sie
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fortdauern könnte, der einen gesellschaftsweiten Ausbruch von Stimmen und Forderungen nach politischen Reformen im eigenen Land auslöste.
Statt dass einige Ostdeutsche weggingen und andere blieben, zog das ganze Land in den Westen.
Osteuropa/Krastev: Im übrigen Osteuropa verlief die Geschichte ganz anders. Es gibt heute keine Anzeichen dafür, dass sich Ost- und Westeuropäer - von Bratislava und Bukarest bis Lissabon und Dublin - als ein Volk verstehen, als ein Volk mit einer gemeinsamen Identität, auch wenn sie vermutlich alle nach einer europäischen Normalität streben.

1. A. Michnik. „Why You Are Not Emigrating … A Letter from Białołęka 1982’ in Adam Michnik, Letters from Prison and Other Essays (University of California Press, 1987).
2. Albert O. Hirschman, ‘Exit, Voice, and the Fate of the German Democratic Republic: An Essay in Conceptual History’, World Politics 45:2 (January 1993), S. 173–202.


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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.

PolHirschm I
Albert O. Hirschman
The Strategy of Economic Development New Haven 1958

Krastev I
Ivan Krastev
Stephen Holmes
The Light that Failed: A Reckoning London 2019

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