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Institutionelle Driften: Institutionelle Driften bezieht sich auf die allmählichen, ungeplanten oder unbeabsichtigten Veränderungen in der Funktionsweise, den Normen oder Praktiken von Institutionen im Laufe der Zeit. Dieser Wandel kann durch äußere Einflüsse, gesellschaftliche Veränderungen oder schrittweise Anpassungen innerhalb der Institution selbst entstehen und zu Abweichungen von ihrem ursprünglichen Zweck oder ihrer ursprünglichen Gestaltung führen, ohne dass explizite Entscheidungen oder formale Änderungen getroffen werden. Siehe auch Gesellschaft, Wirtschaft, Veränderung, Institutionen, Fortschritt, Entscheidungsprozesse.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

Daron Acemoglu über Institutionelle Drift – Lexikon der Argumente

Acemoglu I 108
Institutionelle Drift/Acemoglu/Robinson: (...) selbst Gesellschaften, die weit weniger komplex sind als unsere moderne Gesellschaft, schaffen politische und wirtschaftliche Institutionen, die starke Auswirkungen auf das Leben ihrer Mitglieder haben.
>Institutionen.
Keine zwei Gesellschaften schaffen die gleichen Institutionen; sie werden unterschiedliche Bräuche, unterschiedliche Systeme von Eigentumsrechten haben (...). Einige werden z.B. die Autorität der Ältesten anerkennen, andere nicht; einige werden schon früh einen gewissen Grad an politischer Zentralisierung erreichen, andere jedoch nicht. Gesellschaften sind ständig wirtschaftlichen und politischen Konflikten ausgesetzt, die aufgrund spezifischer historischer Unterschiede, der Rolle von Einzelpersonen oder einfach zufälliger Faktoren auf unterschiedliche Weise gelöst werden. Diese Unterschiede sind anfangs oft gering, aber sie kumulieren sich und führen zu einem Prozess der institutionellen Drift. So wie zwei isolierte Populationen von Organismen in einem Prozess des genetischen Driftens langsam auseinander driften werden, weil sich zufällige genetische Mutationen kumulieren, so werden zwei ansonsten ähnliche Gesellschaften auch institutionell langsam auseinander driften.
Acemoglu I 114
Beispielsweise hatte Westeuropa, das viele der gleichen historischen Prozesse durchlebte, ähnliche Institutionen wie England zur Zeit der industriellen Revolution. Es gab kleine, aber folgenschwere Unterschiede zwischen England und dem Rest, weshalb die Industrielle Revolution in England und nicht in Frankreich stattfand. Diese Revolution schuf dann eine völlig neue Situation und erheblich andere Herausforderungen für die europäischen Regime, was wiederum eine neue Reihe von Konflikten hervorbrachte, die in der Französischen Revolution gipfelten. Die Französische Revolution war ein weiterer kritischer Zeitpunkt, der dazu führte, dass sich die Institutionen Westeuropas denen Englands annäherten, während sich Osteuropa weiter auseinanderentwickelte.
Acemoglu I 208
(...) die Glorreiche Revolution brachte z.B. die Entstehung eines neuen Regimes mit sich, das auf verfassungsmäßiger Herrschaft und Pluralismus basiert. Dieses Ergebnis war eine Folge des Abdriftens der englischen Institutionen und der Art und Weise, wie sie in kritischen Verzweigungspunkten interagierten. Der Feudalismus verbreitete sich in den meisten Teilen Europas, im Westen und im Osten. Jedoch (...) begannen West- und Osteuropa nach dem Schwarzen Tod radikal auseinander zu driften. Kleine Unterschiede in den politischen und wirtschaftlichen Institutionen bedeuteten, dass im Westen die Machtbalance zu einer institutionellen Verbesserung führte;
Acemoglu I 209
im Osten hingegen zum institutionellen Verfall. Aber dies war kein Weg, der notwendigerweise und unaufhaltsam zu integrativen Institutionen führen würde. Auf dem Weg dorthin hätten noch viele weitere entscheidende Weichen gestellt werden müssen. Obwohl die Magna Carta versucht hatte, einige grundlegende institutionelle Grundlagen für eine verfassungsmäßige Herrschaft zu schaffen, gab es in vielen anderen Teilen Europas, sogar in Osteuropa, ähnliche Kämpfe mit ähnlichen Dokumenten. Doch nach dem Schwarzen Tod entfernte sich Westeuropa deutlich vom Osten. Dokumente wie die Magna Carta begannen, im Westen mehr Biss zu bekommen. Im Osten dagegen erlangten sie kaum an Bedeutung.
Handel: Dieses Abdriften der Institutionen steht nun in Wechselwirkung mit einem weiteren kritischen Verzweigungspunkt, der durch die massive Ausweitung des Handels in den Atlantik verursacht wurde. (...) eine entscheidende Art und Weise, in der dies die künftige institutionelle Dynamik beeinflusste, hing davon ab, ob die Krone in der Lage war, diesen Handel zu monopolisieren oder nicht.
[Die Kaufleute] wollten und forderten verschiedene Wirtschaftsinstitutionen, und je reicher sie durch den Handel wurden, desto mächtiger wurden sie. Die gleichen Kräfte waren in Frankreich, Spanien und Portugal am Werk.


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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.

Acemoglu II
James A. Acemoglu
James A. Robinson
Economic origins of dictatorship and democracy Cambridge 2006

Acemoglu I
James A. Acemoglu
James A. Robinson
Why nations fail. The origins of power, prosperity, and poverty New York 2012

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