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Deliberative Demokratie: Deliberative Demokratie ist eine Form der Demokratie, die die Bedeutung öffentlicher Beratungen bei der Entscheidungsfindung hervorhebt. Sie basiert auf der Idee, dass die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben sollten, Fragen zu diskutieren und zu erörtern, bevor Entscheidungen getroffen werden, und dass diese Diskussionen durch Vernunft und Beweise gestützt werden sollten.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

John S. Dryzek über Deliberative Demokratie – Lexikon der Argumente

Gaus I 144
Deliberative Demokratie/Dryzek: Obwohl es viele Varianten der Demokratie gibt, ist die vorherrschende Strömung in der Demokratietheorie heute eine deliberative. Tatsächlich ist es richtig zu sagen, dass die Theorie der Demokratie um 1990 eine deliberative Wende nahm. Daher können verschiedene Darstellungen der Demokratie hinsichtlich des Inhalts, der Stärke und der Bedeutung ihrer Beziehung zur deliberativen Wende beurteilt werden - sei es in Bezug auf Unterstützung, Opposition, Gefangennahme oder Qualifikation.
Mit der deliberativen Wende wurde der Kern der demokratischen Legitimität stattdessen das Recht oder die Fähigkeit diejenigen, die einer öffentlichen Entscheidung unterliegen, an einer echten Beratung teilnehmen zu lassen (siehe Manin, 1987(1); Cohen, 1989(2); der Begriff "deliberative Demokratie" wurde erstmals von Bessette, 1980(3) verwendet).
Gaus I 145
Die deliberative Wende in der Demokratietheorie fand Anfang der 1990er Jahre statt. Sie hat jedoch Vorläufer, die bis zu Aristoteles und der athenischen Polis zurückreichen und Konservative wie Edmund Burke (für den Deliberation reife Reflexion im Gegensatz zu voreiligem Handeln bedeutete) sowie Liberale wie John Stuart Mill und John Dewey (für eine gute Geschichte siehe die Einleitung zu Bohman und Rehg, 1997(4)). Es gibt auch Kontinuitäten in der Betonung mit partizipatorischen Demokraten wie Carole Pateman (1970)(5), die unzufrieden mit dem Mangel an Möglichkeiten für tiefe demokratische Erfahrungen in den heutigen liberalen Demokratien waren. >Partizipation/Pateman
, >Demokratietheorie/Pateman.
Benjamin Barbers (1984)(6) "starke Demokratie" kann im Rückblick als eine Brücke zwischen partizipatorischer und deliberativer Demokratie betrachtet werden, da er den Schwerpunkt auf "starke demokratische Reden" legte. >Partizipation/Barber, >Demokratietheorie/Barber.
Authentizität: Der reflexive Aspekt bedeutet, dass Präferenzen, Urteile und Ansichten, die in aggregierenden Modellen als fixiert angesehen werden, in der Deliberation als veränderbar behandelt werden. Authentizität ist daher ein zentrales Anliegen: Die demokratische Kontrolle sollte idealerweise substanziell und nicht symbolisch sein und ungezwungene Kommunikation zwischen kompetenten Teilnehmern beinhalten (...). Die Bedeutung der deliberativen Wende wurde in den 1990er Jahren durch die Ankündigungen des wichtigsten liberalen Theoretikers John Rawls und des kritischen Theoretikers Jürgen Habermas bestätigt, dass sie deliberative Demokraten seien (Rawls, 1993(7); 1997(8): 771-2; Habermas, 1996(9)).
Angesichts der schieren Zahl demokratischer Theoretiker, die heute unter der Flagge des deliberativen Denkens fahren, sowie der historisch unterschiedlichen Denkschulen, denen sie entstammen (Konservatismus, Liberalismus und kritischen Theorie), sollte es unter den deliberativen Demokraten wirklich eine beträchtliche Vielfalt geben. Aber was jetzt auffällt, ist weniger die Vielfalt als vielmehr die Einheitlichkeit. Die Assimilierung geschah auf drei Arten (siehe Dryzek, 2000(10): 10-17). Erstens kann ein Bekenntnis zu deliberativen Prinzipien dazu benutzt werden, einige (aber nicht alle) der von den Liberalen seit langem geschätzten Rechte zu rechtfertigen.
Andere Theoretiker betonen eher die Beratung in Gerichten als in der Legislative (zum Beispiel Rawls, 1993(7): 231).
Gaus I 146
Liberalismus/Demokratie: [z.B. im späteren Habermas] wird die Notwendigkeit einer Demokratisierung der Wirtschaft, des Verwaltungsstaates oder des Rechtssystems, die alle leicht zu legitimieren sind, nicht anerkannt. >Deliberative Demokratie/Habermas.
Dryzek: Wie belebend diese Assimilation der deliberativen Demokratie für den Liberalismus auch sein mag, so kann sie doch eine schlechte Nachricht für die Demokratie sein. Einige deliberative Liberale sind nicht besonders demokratisch. Vor allem will Rawls die Deliberation letztlich Experten der öffentlichen Vernunft wie den Richtern des Obersten Gerichtshofs anvertrauen, die nur im persönlichen und nicht im interaktiven Sinne des Wortes beraten müssen (siehe Goodin, 2000(11), für eine ausdrückliche Verteidigung der persönlichen und nicht der interaktiven Deliberation).
>Deliberative Demokratie/Rawls.
VsDeliberative Demokratie - >Demokratie/Schumpeter.

1. Manin, Bernard (1987) 'On legitimacy and political deliberation'. Political Theory, 15: 338—68.
2. Cohen, Joshua (1989) 'Deliberation and democratic legitimacy'. In Alan Hamlin and Philip Pettit, eds, The Good Polity: Normative Analysis of the State. Oxford: Blackwell.
3. Bessette, Joseph M. (1980) 'Deliberative democracy: the majoritarian principle in republican government'. In Robert A. Goldwin and William A. Shambra, (Hrsg.), How Democratic is the Constitution? Washington, DC: American Enterprise Institute.
4. Bohman, James and William Rehg (1997) Deliberative Democracy: Essays on Reason and Politics. Cambridge, MA: MIT Press.
5. Pateman, Carole (1970) Participation and Democratic Theory. Cambridge: Cambridge University Press.
6. Barber, Benjamin (1984) Strong Democracy: Participatory Politics for a New Age. Berkeley, CA: University of California Press.
7. Rawls, John (1993) Political Liberalism. New York: Columbia University Press.
8. Rawls, John (1997) 'The idea of public reason revisited'. University ofChicago Law Review, 94: 765-807.
9. Habermas, Jürgen (1996) Between Facts and Norms: Contributions to a Discourse Theory of Law and Democracy. Cambridge, MA: MIT Press.
10. Dryzek, John S. (2000) Deliberative Democracy and Beyond: Liberals, Critics, Contestations. Oxford: Oxford University Press.
11. Goodin, Robert E. (2000) 'Democratic deliberation within'. Philosophy and Public Affairs, 29: 81—109.

Dryzek, John S. 2004. „Democratic Political Theory“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications

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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.
Dryzek, John S.

Gaus I
Gerald F. Gaus
Chandran Kukathas
Handbook of Political Theory London 2004

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