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Staatsbürgerschaft: Die Staatsbürgerschaft ist der rechtliche Status einer Person als anerkanntes Mitglied einer bestimmten Nation oder eines Landes. Sie verleiht bestimmte Rechte und Pflichten, wie das Wahlrecht, das Recht, ein öffentliches Amt zu bekleiden und öffentliche Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, und erlegt gleichzeitig Pflichten wie die Zahlung von Steuern und die Einhaltung von Gesetzen auf. Siehe auch Staat, Bürger, Bourgois/Citoyen, Recht, Rechte, politische Wahlen, Wahlsysteme, Besteuerung.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

Gendertheorie über Staatsbürgerschaft - Lexikon der Argumente

Gaus I 281
Staatsbürgerschaft/Geschlechtertheorie/Mottier: Ein Großteil der feministischen Theorie hat sich auf die Abwesenheit von Frauen in der politischen Theorie konzentriert. Dieses Thema wurde erstmals von Autorinnen wie Okin (1979)(1), Elshtain (1981)(2), Pateman (1983)(3) und Arlene Saxonhouse (1985)(4) behandelt; siehe auch Mottier, Sgier und Ballmer-Cao (2000)(5). Ihre bahnbrechenden Arbeiten zeigten, dass die moderne politische Theorie es vernachlässigt, sich mit der untergeordneten Stellung zu befassen, die den Frauen in den klassischen Demokratietheorien zugeschrieben wird. Mit dem Aufkommen der modernen liberalen Demokratie wurde ein universalistischer politischer Diskurs eingeführt, der behauptete, gegenüber geschlechtsspezifischen oder anderen Identitätsunterschieden gleichgültig zu sein.
Staatsbürgerschaft/Tradition: Die gängige politische Theorie betrachtet Staatsbürgerschaft konsequent als universellen Begriff. Demokratische Rechte der sozialen und politischen Partizipation gelten für jeden Bürger ohne Rücksicht auf Rasse, Religion oder Geschlecht.
FeminismusVsTradition: Feministische Autorinnen haben gezeigt, dass die zentralen Prämissen universalistischer Begriffe von Staatsbürgerschaft aufgrund der geschlechtsspezifischen Verzerrung fehlerhaft sind. Wie die Arbeiten von Vicky Randall (1998)(6), Ruth Lister (1997)(7) und Sylvia Walby (1994)(8) zeigen, wurden Frauen entweder ausgeschlossen oder auf unterschiedliche Weise in die Staatsbürgerschaft einbezogen.
WalbyVsTradition: Walbys historische Analyse zeigt zum Beispiel den geschlechtsspezifischen Charakter von Staatsbürgerschaft durch eine kritische Bewertung des Werkes von T. H. Marshall (1950)(9), das oft als Ausgangspunkt für moderne Debatten über diese Frage genommen wird (...).
>Staatsbürgerschaft/Marshall.
Staatsbürgerschaft/Marshall: Nach Marshall entwickelten sich nacheinander verschiedene Arten von Staatsbürgerschaft, wobei die Bürgerrechte im achtzehnten, die politischen Rechte im neunzehnten und die sozialen Rechte im zwanzigsten Jahrhundert entstanden.
WalbyVsMarshall: Walby analysiert die Geschichte der Staatsbürgerschaft im Vereinigten Königreich und in den USA und stellt Marshalls These in Frage. Bis in die 1920er Jahre beispielsweise hatten britische und amerikanische Frauen im Gegensatz zu Männern noch nicht die Mehrheit der bürgerlichen und politischen Rechte erworben. Zudem wurden die politischen Rechte von Frauen vor den Bürgerrechten erworben, was im Widerspruch zu Marhalls sequenziellem Modell steht. Mit anderen Worten, wie Walby zeigt, haben die drei von Marshall beschriebenen Arten von Bürgerrechten für verschiedene soziale Gruppen unterschiedliche historische Bahnen genommen.
Die Konzeption eines einzigartigen Modells von Staatsbürgerschaft offenbart daher eine geschlechtsspezifische Voreingenommenheit, die auch in den Arbeiten späterer Autoren, die auf Marshalls Werk aufbauten, wie Turner und Mann, vorhanden ist. Wie Walby betont, legen diese Autoren in ähnlicher Weise den Schwerpunkt auf die Bedeutung der sozialen Klasse in der Geschichte der Staatsbürgerschaft und der Bildung des Nationalstaats, vernachlässigen aber andere Faktoren wie Geschlecht oder Rasse.
Feminismus: Feministische Perspektiven auf Staatsbürgerschaft unterscheiden sich jedoch in der Art und Weise, wie sie Staatsbürgerschaft konzeptualisieren, in den theoretischen Grundlagen dieser Konzeptualisierungen und in den Schlussfolgerungen, die aus der Infragestellung der Universalität von Staatsbürgerschaft zu ziehen sind. Am wichtigsten ist vielleicht, dass sie in ihrem Verhältnis zu liberalistischem Denken divergieren. In den letzten zwei Jahrzehnten gab es innerhalb der feministischen Theorien zur Staatsbürgerschaft eine wichtige Bewegung, "um das liberale Projekt zurückzugewinnen" (Squires, 1994a(10): 62). Autorinnen wie Pateman (1989)(11), Susan James (1992)(12), Phillips (1993)(13) und Mouffe (1992)(14) untersuchen die Affinitäten zwischen liberalen und feministischen Vorstellungen von Staatsbürgerschaft. Feministische Theorien über politische Staatsbürgerschaft und die Demokratisierung der öffentlichen Sphäre wurden folglich von Debatten zwischen liberalen feministischen Theoretikerinnen und ihren Kritikern dominiert. Unter letzteren waren in den 1980er Jahren maternalistische und marxistische Perspektiven besonders prominent, doch in jüngerer Zeit verlagerte sich der Schwerpunkt der Debatte auf poststrukturalistische und postmoderne Kritiken liberaler Vorstellungen von Staatsbürgerschaft.

1. Okin, Susan Moller (1979) Women in Western Political Thought. Princeton, NJ: Princeton University Press.
2. Elshtain, Jean Bethke (1981) Public Man, Private Women: Women in Social and Political Thought. Princeton, NJ: Princeton University Press.
3. Pateman, Carole (1983) 'Feminist critiques of the public/private dichotomy'. In S. I. Benn and G. F. Gaus, Hrsg., Public and Private in Social Life. London: Croom Helm, 281-303.
4. Saxonhouse, Arlene (1985) Women in the History of Political Thought. New York: Praeger.
5. Mottier, Véronique, Lea Sgier and Than-Huyen Ballmer-Cao (2000) 'Les rapports entre le genre et la politique'. In Thanh-Huyen Ballmer-Cao, Véronique Mottier and Lea Sgier, eds, Genre et politique: Débats et perspectives. Paris: Gallimard.
6. Randall, Vicky (1998) 'Gender and power: women engage the state'. In Vicky Randall and Georgina Waylen, Hrsg., Gende'; Politics and the State. London: Routledge, 185-205.
7. Lister, Ruth (1997) Citizenship: Feminist Perspectives. Basingstoke: Macmillan.
8. Walby, Sylvia (1994) 'Is citizenship gendered?' Sociology, 28 (2): 379-95.
9. Marshall, T. H. (1950) Class, Citizenship and Social Development. Chicago: University of Chicago Press.
10. Squires, Judith (1994a) 'Citizenship: androgynous or engendered participation'. Annuai,æ Suisse de Science Politique, 34: 51-62.
11. Pateman, Carole (1989) The Disorder of Women: Democracy, Feminism and Political Theory.
Cambridge: Polity.
12. James, Susan (1992) 'The good-enough citizen: female citizenship and independence'. In G. Bock and S. James, Hrsg., Beyond Equality and Difference. London: Routledge. 48-65.
13. Phillips, Anne (1993) Democracy and Difference. Cambridge: Polity.
14. Mouffe, Chantal (1992) 'Feminism, citizenship and radical democratic politics'. In Judith Butler and Joan Scott, Hrsg., Feminists Theorise the Political. New York: Routledge, 22-40.

Véronique Mottier 2004. „Feminism and Gender Theory: The Return of the State“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications


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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.
Gendertheorie

Gaus I
Gerald F. Gaus
Chandran Kukathas
Handbook of Political Theory London 2004

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