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Gerechtigkeit: Gerechtigkeit kann als die faire und unparteiische Behandlung aller Menschen verstanden werden. Sie wird oft mit dem Gesetz in Verbindung gebracht. Einige Schlüsselelemente sind Fairness, Gleichheit, Verhältnismäßigkeit und Verantwortlichkeit. Siehe auch Recht, Rechte, Gleichheit, Unparteilichkeit.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

Platon über Gerechtigkeit - Lexikon der Argumente

Höffe I 28
Gerechtigkeit/Platon/Höffe: Wegen der behaupteten Harmonie, einem politischen Eudaimonismus, zählt Platon die Gerechtigkeit (dikaiosynê) zu jener höchsten Klasse von Gütern (megista agatha)(1), die sowohl um ihrer selbst willen als auch wegen ihrer für den Handelnden nützlichen Folgen erstrebt wird.(2)
Höffe I 29
Begründung: Nur Rechtschaffene leben in wechselseitigem Vertrauen miteinander(3) und finden, weil sie Unrecht lieber erleiden als verüben, sowohl Selbstachtung als auch die Achtung derer, an denen ihnen liegt.
Der Ungerechte dagegen lebt sowohl in Zwietracht mit seinen Mitmenschen als auch, da in seinem Inneren sich widersprüchliche Begierden bekriegen, in Zwietracht mit sich selbst. Platon argumentiert hier nicht moralisierend, sondern entlarvt «egoistische» Glückserwartungen als Selbsttäuschung, als Illusion.
Tyrannei: Der Extremgestalt des Ungerechten, dem Tyrannen, ergehe es allein in einer Hinsicht, der Lust, drei hoch zwei hoch drei, also 729-mal schlechter als dem Gerechten und noch «unendlich viel mehr hinsichtlich moralischer Lebensführung, Schönheit und Tugend».(4)
>Gesetze/Platon
, >Verfassung/Platon.
Problem: Die Gerechtigkeit allein reicht für das Wohlergehen nicht aus. Wegen ausufernder Begehrlichkeit braucht es zusätzlich Besonnenheit (sôphrosynê), angesichts von Gefahren Tapferkeit (andreia) und zum Zweck der Wohlberatenheit Weisheit (sophia).
Höffe I 30
(...)Platon [erkennt] das gewöhnliche Verständnis «jedem das Seine», später bekannt als «suum
cuique», durchaus an, nämlich Gutes zu belohnen, Schlechtes zu bestrafen, Lasten und Vorteile fair zu verteilen.
Idiopragie/Platon: [Platon] versteht die Formel aber in einem speziellen Sinn: Jeder soll das ihm Eigentümliche, das Seine (idion) tun (prattein), nämlich das, was seiner Naturanlage entspricht. Dank dieser sogenannten Idiopragieformel verhilft die Gerechtigkeit beim Einzelnen zu einer Harmonie der Antriebskräfte, also zur personalen Gerechtigkeit, und beim Gemeinwesen zur Harmonie der Berufsgruppen bzw. Stände: politische Gerechtigkeit.
Isomorphie: Zwischen beiden herrscht eine Gleichförmigkeit, Isomorphie, weshalb die Ethik und die Politische Philosophie miteinander verzahnt werden.
Höffe I 43
Im Dialog Phaidon (...) versucht Platon mit vier Argumenten («Beweisen»), die Unsterblichkeit der Seele glaubhaft zu machen. Der Jenseitsglaube ist Platon also vertraut.
HöffeVsPlaton: Trotzdem lässt sich nicht leicht entscheiden, ob der Schlussmythos vom Totengericht für den eudaimonistischen Wert der Gerechtigkeit unverzichtbar ist oder ob er nur für das Jenseits bekräftigt, was schon für das Diesseits zutrifft:
a) Ist es ein für die eudaimonistische Einschätzung des Diesseits entscheidendes Argument oder
b) nur jene wichtige Ergänzung zum Diesseitsblick, die da zeigt, wie viel schlechter es dem superlativistisch Ungerechten, dem Tyrannen, als dem Gerechten ergeht?
>Tyrannei/Platon.

1. Politeia, II 366e
2. II 357b–358c
3. I 351d; ausführlicher IX 575c–576a
4. IX 587e–588a

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Gaus I 310
Gerechtigkeit/Platon/Keyt/Miller: Die Herausforderung von Gyges' Ring besteht darin, zu zeigen, dass Gerechtigkeit sich auszahlt, dass sie kein notwendiges Übel, sondern ein intrinsisches Gut ist.
>Gyges/Antike Philosophie.
Soziale Gerechtigkeit: Die Antwort erfordert eine Definition von Gerechtigkeit in der Seele, oder psyché. Anstatt sie jedoch direkt zu definieren, definiert Sokrates zunächst soziale Gerechtigkeit und konstruiert dann, ausgehend von der Analogie von Polis und Psyche, eine entsprechende Definition von psychischer Gerechtigkeit. Die Definition der sozialen Gerechtigkeit ist, wie Sokrates selbst bemerkt (Rep. IV.433a), einfach das Prinzip der natürlichen Arbeitsteilung, das eingeführt wurde, um den Ursprung der Polis zu erklären. (Nach Sokrates ist es das gegenseitige Bedürfnis, das die Polis entstehen lässt, und nicht, wie Glaukon vermutete, die Angst vor Schaden).
Keyt/Miller: Dies ist nicht das von Adam Smith und modernen Ökonomen verfochtene wirtschaftliche Prinzip, sondern eine implizit antidemokratische Affirmation der menschlichen Ungleichheit und Unformbarkeit.
Polis: Die gerechte Polis ist diejenige, in der jeder Mensch die eine Arbeit verrichtet, für die er von Natur aus geeignet ist, und keine andere: Herrscher herrschen, Krieger verteidigen und Arbeiter stellen die Polis bereit (Rep. IV .432b-434c).
Psyche: Sokrates schlussfolgert durch ein unabhängiges Argument, dass die Psyche drei Teile hat, analog zu den drei Teilen der gerechten Polis, und definiert dann, einem Prinzip der Isomorphie folgend, eine gerechte Psyche als eine Psyche mit der gleichen Struktur wie eine gerechte Polis. So bleibt in einer gerechten Psyche jedes der psychischen Elemente bei seiner eigenen Arbeit: Die Vernunft beherrscht die Psyche, der Geist oder Thymos verteidigt sie vor Beleidigung, und die Begierden sorgen für ihre körperliche Unterstützung (Rep. IV.441d-442b). Psychische Gerechtigkeit erweist sich als so etwas wie psychische Gesundheit, ein immanentes Gut, auf das niemand verzichten möchte, so dass die Herausforderung von Thrasymachus und Glaukon beantwortet wird (Rep. IV .444c-445b).
Probleme: Es gibt jedoch eine anhaltende Kontroverse über die Stichhaltigkeit der Antwort von Sokrates.
Denn es ist unklar, dass der platonisch "gerechte" Mensch gerecht im Sinne des Problems des Gyges'schen Rings ist.
>Gyges/Antike Philosophie.
Was hindert den platonisch "gerechten Menschen" daran, anderen zu schaden? (Die durch Sachs, 1963(1), angefachte Kontroverse hat eine enorme Literatur hervorgebracht. Dahl 1991(2) ist ein guter Vertreter des gegenwärtigen Stands der Debatte).

1. Sachs, David (1963) 'A fallacy in Plato's Republic'. Philosophical Review, 72: 141-58.
2. Dahl, Norman O. (1991) 'Plato's defense of justice'. Philosophy and Phenomenological Research,
51: 809-34.

Keyt, David and Miller, Fred D. jr. 2004. „Ancient Greek Political Thought“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications

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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.

Höffe I
Otfried Höffe
Geschichte des politischen Denkens München 2016

Gaus I
Gerald F. Gaus
Chandran Kukathas
Handbook of Political Theory London 2004

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