Begriff/ Autor/Ismus |
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Allgemeininteresse | Rousseau | Habermas IV 124 Allgemeininteresse/common interests/Rousseau/Durkheim/Habermas: Durkheim folgt der berühmten Unterscheidung Rousseaus(1): These: Das Gemeinwohl ist keineswegs die Summe aus, oder ein Kompromiss zwischen vielen Einzelinteressen; eine moralisch verpflichtende Kraft sieht das Allgemeininteresse vielmehr aus seinem unpersönlichen und unparteiischen Charakter: Durkheim: Die Roelle des Staates ist tatsächlich nicht die, das unreflektierte Denken der Masse auszudrücken und zusammenzufassen, sondern diesem (…) Habermas IV 125 ein überlegteres Denken hinzuzufügen, das folglich nicht anders als verschieden sein kann.(2) >Staat, >Interesse, >Gemeinschaft, vgl. >Öffentliches Gut, >Volonté Generale. 1. E.Durkheim, Montesquieu et Rousseau, précurseurs de la sociologie, Ed. A. Cuvillier, Paris, 1953; engl. Ann Arbor 1960. 2. E. Durkheim, Lecons de sociologie, Physique des moeurs et du droit. Paris 1969, S. 125; (engl. London 1957). |
Rousseau I J. J. Rousseau The Confessions 1953 Ha I J. Habermas Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988 Ha III Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I Frankfurt/M. 1981 Ha IV Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. II Frankfurt/M. 1981 |
Besteuerung | Minimalstaat | Gaus I 121 Besteuerung/Minimalstaat/Gaus/Mack: Der Marktanarchist und der Minimalstaatler teilen eine entscheidende Prämisse, nämlich die, dass der Wert des Erhalts von Schutzleistungen für den Einzelnen fast jeden motivieren wird, für diese Leistungen zu bezahlen. >Marktanarchismus/Liberalismus, >Minimalstaat/Gaus, >Gesellschaft/Minimalstaat, >Soziale Güter/Minimalstaat, >Märkte/Minimalstaat. Gaus I 122 Regierung/Liberalismus: Liberale Traditionsthese: die Regierung wird weitgehend mit Marktversagen gerechtfertigt: Obwohl der Markt im Allgemeinen sowohl eine freie als auch eine wohlhabende Gesellschaft ermöglicht, ist er nicht perfekt (Buchanan, 1975(1): Kap. 3). So beharrten die klassischen liberalen politischen Ökonomen des 19. Jahrhunderts (...) darauf, dass der Markt von einem politischen Rahmen abhängig sei, den er nicht selbst bereitstellen könne; der Markt könne nicht selbst einen öffentlichen Zwangsapparat für die Durchsetzung von Eigentumsrechten und Verträgen bereitstellen (Robbins, 1961(2); Gaus, 1983(3)). MinimalstaatVsLiberalismus/MarktanarchismusVsLiberalismus: Marktanarchisten und Minimalstaatler können diese weit verbreiteten Ansichten in Frage stellen. Sie können wie folgt argumentieren: 1) Erstens neigt diese zwangsweise staatliche Bereitstellung öffentlicher Güter zu einer Überversorgung mit diesen, so dass sie ihre eigenen ausgleichenden Ineffizienzen hat (Buchanan und Tullock, 1965(4)). Und, 2) sie können darauf bestehen, dass man sich Markt- und Vertragsvereinbarungen vorstellen kann, die eine nicht wesentlich suboptimale Finanzierung für öffentliche Güter - insbesondere rechtsschützende öffentliche Güter - ermöglichen (Buchanan, 1975(1); Narveson, 1988(5): 238). >Soziale Güter/Minimalstaat. MinimalstaatVsMarktanarchismus/Gaus: Befürworter des Minimalstaates, die ihn als natürliches Monopol darstellen, scheinen besser in der Lage zu sein, dieses Argument vorzubringen als Marktanarchisten. Ein solcher Minimalstaat wird in erheblichem Maße in der Lage sein, den Kauf nicht-öffentlicher Aspekte des Rechtsschutzes durch seine Klienten daran zu binden, dass diese auch für öffentliche Aspekte des Rechtsschutzes bezahlen. >Gesellschaft/Minimalstaat, >Individuen/Minimalstaat, >Minimalstaat/Gaus. MinimalstaatstheorieVsLiberalismus: Wenn entscheidende öffentliche Güter erheblich unterproduziert würden, ohne dass von Individuen Beiträge zu ihrer Finanzierung verlangt würden (und das Verlangen solcher Beiträge ein zufriedenstellendes Niveau der Produktion dieser öffentlichen Güter ergeben würde), stehen die Mitglieder der Freiheitstradition vor einer schweren Wahl. Einerseits können sie sich auf Kosten des Ausschlusses der mit diesen öffentlichen Gütern verbundenen gegenseitigen Vorteile an nicht rekonstruierten Versionen der Grundnormen dieser Tradition festhalten (während sie zweifellos darauf bestehen, dass die Gemeinwohleigenschaften der Strafverfolgung in der Regel überschätzt werden und dass das meiste, was der Staat tun sollte, darin besteht, im Wesentlichen privat verbrauchte Schutzdienste bereitzustellen). Andererseits können sie aber auch die Zwangseinnahmen legitimieren, die, so die Hypothese, zur Finanzierung dieser wertvollen Güter auf Kosten einer Schwächung zumindest einiger dieser zentralen Normen erforderlich sind. Soziale Güter: Wie hoch werden die doktrinären Kosten [einer] Schwächung der Normen der Freiheitstraditionen sein? (>Soziale Güter/Minimalstaat). Wir können drei Ansätze zur Rechtfertigung identifizieren: (1) dass die zwangsweise Bereitstellung öffentlicher Güter voll und ganz mit den grundlegenden Verpflichtungen der Freiheitstradition vereinbar ist; (2) dass die auf dem Spiel stehenden Güter vorrangige Freiheit rechtfertigen; und (3) dass es sich bei einer solchen Bereitstellung um gutartige Bevormundung handelt. Gaus I 123 Kleinstaat: Wenn die Argumente, die für den Besteuerungsminimalstaat sprechen, erweitert werden, um Zwangseinnahmen für die Produktion anderer Arten von öffentlichen Gütern zu legitimieren (zum Beispiel das öffentliche Gut der Mückenbekämpfung) oder um andere Arten von Marktversagen zu korrigieren (zum Beispiel die Regulierung natürlicher Monopole), dann sind wir über den Minimalstaat hinaus zum Kleinstaat übergegangen. Je mehr Arten von Gütern und Dienstleistungen als signifikant öffentlich und damit als gerechtfertigt durch Steuern finanziert akzeptiert werden, desto größer wird der Kleinstaat. 1. Buchanan, James M. (1975) The Limits of Liberty: Between Anarchy and Leviathan. Chicago: University of Chicago Press. 2. Robbins, Lord (1961) The Theory of Economic Policy in Classical English Political Economy. London: Macmillan. 3. Gaus, Gerald F. (1983) ‘Public and private interests in liberal political economy, old and new’. In S. I. Benn and G. F. Gaus, eds, Public and Private in Social Life. New York: St Martins, 183–222. 4. Buchanan, James M. and Gordon Tullock (1965) The Calculus of Consent: Logical Foundations of Constitutional Democracy. Ann Arbor, MI: University of Michigan Press. 5. Narveson, Jan (1988) The Libertarian Idea. Philadelphia: Temple University Press. Mack, Eric and Gaus, Gerald F. 2004. „Classical Liberalism and Libertarianism: The Liberty Tradition.“ In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications. >Steuerehrlichkeit, >Steuerflucht, >Steuerinzidenz, >Steueroasen, >Steuerschlupflöcher, >Steuersystem, >Steuervermeidung, >Steuerwettbewerb, >Optimale Besteuerung. |
Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Bourgeois/Citoyen | Rousseau | Mause I 46 Citioyen/citizen/Rousseau: Nur in einem republikanischen Gemeinwesen kommt der Einzelne in den Genuss der „bürgerlichen Freiheit“ (1), weil nur die Gesetzeskraft des Gemeinwillens das Eigentumsrecht normativ wirksam begründet und er sich als citoyen zugleich als Urheber aller Gesetze verstehen kann, der damit, indem er der volonté générale gehorcht, letztlich nur sich selbst gehorcht, also autonom ist – eine Einsicht, die wiederum seine „moralische Freiheit“ (2) ausmacht und bei deren Ausbleiben es Rousseau zufolge angebracht ist, dass „man ihn dazu zwingt, frei zu sein“. (3) Im Falle eines Konfliktes zwischen den privaten Interessen des bourgeois und der im gemeinwohlorientierten citoyen verkörperten volonté générale ist also letztere ausschlaggebend, und darin verdichtet sich in paradigmatischer Weise das republikanische Primat der Politik bei Rousseau im Hinblick auf das Verhältnis zur Wirtschaft. >Republik, >Gesellschaft, >Eigentum, >Allgemeininteresse, >Freiheit, >Ökonomie, >Volonté Generale. 1. J.-J. Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag oder Prinzipien des Staatsrechts. In Politische Schriften, Hrsg. Ludwig Schmidts, Bd.1, Paderborn 1977, S. 79 2. Ebenda 3. Ebenda S. 77 |
Rousseau I J. J. Rousseau The Confessions 1953 Mause I Karsten Mause Christian Müller Klaus Schubert, Politik und Wirtschaft: Ein integratives Kompendium Wiesbaden 2018 |
Bürger | Böckenförde | Brocker I 784 Bürger/citizens/Demorkatie/Böckenförde: „Die Bürger sollten ((s) sich) in Grundsatzfragen Brocker I 785 politischer Ordnung ’gleich‘ und einig“ und ihre Mitbürger „nicht als existentiell anders oder fremd“ erfahren. Auf dieser Grundlage sollten sie „zu Kompromissen und loyaler Hinnahme der Mehrheitsentscheidungen bereit“ sein. (1) Siehe Demokratie/Böckenförde. Diese Einigkeit unterliegt einem Entwicklungsprozess. Sie selbst kann nicht demokratisch hergestellt werden. (2) Sie ist Voraussetzung der Demokratie, nicht ihr Ergebnis. Ethos: 1. Die Bürger sollten nach Böckenförde von einem demokratischen Ethos getragen sein, d.h. einer Haltung der Anerkennung auch des politischen Gegners und ganz grundsätzlich der Spielregeln der Demokratie, insbesondere dass die einmal erreichte eigene Mehrheit nicht auf Dauer gestellt wird und die Minderheit ihre Chance behält, selbst zur Mehrheit zu werden. (3) 2.Der Horizont der politischen Entscheidungsbildung sollte normativ auf das allgemeine Interesse hin ausgerichtet sein (4) >Verfassung/Böckenförde, Staat/Böckenförde: dies gehört zu den Voraussetzungen, von denen die Demokratie leibt und auf die sie zu ihrer Existenz angewiesen ist. Diese Voraussetzungen kann der demokratische Verfassungsstaat nicht garantieren. Lösung/Böckenförde: Der Staat kann die Bedingungen unterstützen, die zu Gemeinsinn und Gemeinwohlorientierung beitragen, etwa durch Schulen, als Lernstätten für kritische Urteilsbildung. Der Staat darf aber nicht inhaltlich auf die individuellen Gewissen der Bürger einwirken. 1. Ernst-Wolfgang Böckenförde, Staat – Verfassung – Demokratie. Studien zur Verfassungstheorie und zum Verfassungsrecht, Frankfurt/M. 1992 (zuerst 1991), S. 332f. 2. Ebenda S. 350 3. Ebenda S. 359f. 4. Ebenda S. 362ff. Tine Stein, „Ernst-Wolfgang Böckenförde, Staat – Verfassung- Demokratie“, in: Manfred Brocker (Hg.) Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert. Frankfurt/M. 2018 |
Böckenf I Ernst-Wolfgang Böckenförde Staat, Gesellschaft, Freiheit. Studien zur Staatstheorie und zum Verfassungsrecht Frankfurt 1976 Brocker I Manfred Brocker Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert Frankfurt/M. 2018 |
Demokratie | Aristoteles | Höffe I 67 Demokratie/Aristoteles/Höffe: Je nach dem Kreis der zur Herrschaft zugelassenen Bürger und der Höffe I 68 Reichweite ihrer Herrschaftskompetenz unterscheidet Aristoteles fünf Formen von Demokratie. Auf diese Weise führt er stillschweigend einen komparativen Begriff, einen Begriff von Mehr-oder-weniger an Demokratie, ein(1). Die ersten drei Formen binden sich noch an das Gesetz. In der vierten, extremen Form sind zwar alle Bürger, was wir heute als positiv einschätzen, herrschaftsfähig. Sie dürfen aber, so die negative Seite, sich von allen Gesetzesvorgaben freistellen, sogar eklatante Rechtsbrüche vornehmen. Radikale Demokratie: Weil sie dabei nicht auf das Gemeinwohl, sondern auf das eigene Wohl zielen, erscheint die radikale Demokratie, was Mill wiederholen wird, als eine Tyrannis der Mehrheit.(2) Verfassung: «wo nicht die Gesetze herrschen, da ist auch keine Verfassung (politeia). Gesetze: (...) das Gesetz muss über das Ganze gebieten, die Regierenden dagegen über die einzelnen Fälle». (3) Rechtsstaat: Aristoteles plädiert hier für ein Kernelement des modernen Demokratieverständnisses, für einen Rechtsstaat. Da [Aristoteles] (...) eine Mischverfassung favorisiert, die oligarchische mit demokratischen Elementen verbindet, sie aufs Gemeinwohl verpflichtet und die wichtigen Entscheidungen von der Volksversammlung treffen lässt, kann Aristoteles im heutigen Sinn als weitgehend demokratisch gelten. ((s) Aber vgl. >Ungleichheit/Aristoteles). >Verfassung/Aristoteles, >Zwang/Aristoteles. 1. Arist. Politika IV 4 2. IV 4, 1292a15 ff.). 3. 1292a32–34 - - - Gaus I 314 Demokratie/Aristoteles/Keyt/Miller: Aristoteles ist für die Demokratie vorteilhafter als Platon, und in seinem berühmten "Schlussplädoyer", das den von ihm favorisierten Maßstab für die Verteilung politischer Macht auf kollektiv und individuell genommene Männer anwendet (Pol. Abb. I l), bietet er sogar eine "aristokratische" Rechtfertigung an (vgl. dazu Keyt, 1991a(1): 270-2; Waldron, 1995(2)). >Herrschaft/Aristoteles, >Konstitution/Aristoteles, >Tyrannei/Aristoteles, >Nomos/Aristoteles, >Politik/Aristoteles; vgl. >Familie/Aristoteles, >Gleichberechtigung/Aristoteles. Pol: Aristoteles Politik 1. Keyt, David (1991a) 'Aristotle's theory of distributive justice'. In David Keyt and Fred D. Miller, eds, A Companion to Aristotle's Politics. Oxford: Blackwell. 2. Waldron, Jeremy (1995) 'The wisdom of the multitude: some reflections on Book 3, Chapter Il of Aristotle's Politics'. Political Theory, 23: 563-84. Keyt, David and Miller, Fred D. jr. 2004. „Ancient Greek Political Thought“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications |
Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Demokratie | Dryzek | Gaus I 143 Demokratie/Dryzek: kontradiktorisch, aggregierend, assoziativ, kapitalistisch, christlich, klassisch, kommunikativ, kommunitaristisch, einvernehmlich, konkordanzdemokratisch, konstitutionell, wetteifernd, korporatistisch, kosmopolitisch, delegativ, deliberativ, entwicklungspolitisch, unterschiedlich, direkt, diskursiv, ökologisch, ökonomisch, wahlpolitisch, elitär, epistemisch, feministisch, global, basisdemokratisch, grün, juristisch, industriell, legal, liberal, lokal, mehrheitlich, minimalistisch, parlamentarisch, partizipatorisch, volksnah, pluralistisch, populistisch, präsidentiell, prozedural, eigentumsbesitzend, schützend, auf Knopfdruck (engl. push-button), radikal, reflektierend, repräsentativ, sozial, stark, dünn, transnational und einheitlich sind alles Adjektive, die der Demokratie zugeordnet werden können und wurden. Dryzek: Die durch die Adjektive dargestellten Kategorien schließen sich nicht gegenseitig aus. Es gibt zwar einige offensichtliche binäre Oppositionen (...), aber viele Kombinationen sind plausibel und haben ihre Befürworter und Kritiker. Die Kategorien, die durch diese Adjektive repräsentiert werden, sind in ihrer Gesamtheit nicht erschöpfend. Das Gespräch über die demokratische Entwicklung zeigt keine Anzeichen eines Abschlusses. Grenzen: Obwohl die Demokratietheorie ein großes Gebiet abdeckt, ist sie nicht gänzlich grenzenlos. Alle Beiträge befassen sich mit Fragen, die die kollektive Konstruktion, Verteilung, Anwendung und Begrenzung politischer Autorität betreffen. >Demokratietheorie/Dryzek. Gaus I 144 (...) Ein Teil dessen, was die Demokratie sowohl in der Theorie als auch in der Praxis interessant macht, ist die Auseinandersetzung mit ihrem Wesen. (...) jede Suche nach der wesentlichen Bedeutung der Demokratie wird von Begriffshistorikern untergraben, die auf die unvermeidliche historische Kontingenz politischer Schlüsselbegriffe wie Demokratie (Hanson, 1989)(1) hinweisen und darauf, wie die Bedeutung der Demokratie selbst konstitutiv für die Politik zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Stellen ist. >Deliberative Demokratie/Dryzek. Gaus I 148 Probleme mit Deliberation und Demokratie: Wenn Demokratie eine Aggregation beinhaltet (wie sehr sie auch immer von deliberativen Demokraten heruntergespielt wird), kann dies urteils- und nicht nur präferenzübergreifend sein, wie in der Theorie der sozialen Wahl betont wird. Solche Urteile können zu Meinungsverschiedenheiten darüber führen, (sagen wir) was dem Gemeinwohl dient. Diese erkenntnistheoretische Denkweise über Demokratie wird mit Rousseau in Verbindung gebracht, nach dem der allgemeine Wille durch Abstimmung festgestellt werden kann. Bernard Grofman und Scott Feld (1988)(2) argumentieren, dass, wenn es tatsächlich so etwas wie das Gemeinwohl gibt, auch wenn die Menschen unterschiedlich darüber urteilen, welche Option ihm am besten dient, das Condorcet'sche Jury-Theorem gilt. Jury-Theorem/Condorcet/Dryzek: Dieses Theorem zeigt, dass, wenn jeder Bürger mehr als nur eine Chance hat, sein Urteil richtig zu fällen, die Wahrscheinlichkeit, dass die Mehrheit die richtige Option wählt, umso größer ist, je größer die Zahl der Wähler ist. Das Jury-Theorem rechtfertigt daher die Rationalität der Mehrheitsdemokratie, zumindest in einem republikanischen Kontext der Suche nach dem Gemeinwohl, allerdings nur dann, wenn jeder Bürger ein unabhängiges Urteil erreicht und ausübt. Es sollte also keine Fraktionen (die die effektive Zahl der Wähler reduzieren) und, wie es scheinen mag, keine Kommunikation geben. Dies waren zumindest Rousseaus eigene Ansichten: Beratung sollte nur eine Sache der internen Reflexion sein, nicht der Kommunikation. Wie Robert Goodin (2002(3): 125) und andere betonen, ist eine Diskussion jedoch in Ordnung, solange die Menschen anschließend bei der Abstimmung ihr eigenes unabhängiges Urteil fällen. 1. Hanson, Russell L. (1989) 'Democracy'. In Terence Ball, James Farr and Russell L. Hanson, (Hrsg.), Political Innovation and Conceptual Change. Cambridge: Cambridge University Press. 2. Grofman, Bernard and Scott Feld (1988) 'Rousseau's general will: a Condorcetian perspective'. American Political Science Review, 82: 567-76. 3. Goodin, Robert E. (2002) Reflective Democracy. Oxford: Oxford University Press. Dryzek, John S. 2004. „Democratic Political Theory“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications |
Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Eigentum | Locke | Mause I 36 Eigentum/Locke: Staatszweck ist für Locke der Eigentumsschutz. Die legitime staatliche Gewalt findet ihre Grenze an den Eigentumsrechten der Bürger, wobei Locke „Eigentum“ (property) im umfassenden Sinne als „Leben“ (life), „Freiheit“ (liberty) und „Besitz“ (estate) versteht. (1) 1.J. Locke, Zwei Abhandlungen über die Regierung, Hrsg. Walter Euchner, Frankfurt 1977 S. 253. Höffe I 249 Eigentum/Locke/Höffe: Weil die Definition der politischen Gewalt(1) das Eigentum als das einzige Grundgut anführt, scheint Locke, wie von manchen Kritikern behauptet, ausschließlich einen Wirtschaftsliberalismus zu vertreten. Unter dem Eigentum versteht er aber, wie damals in England nicht unüblich, weit mehr als einen materiellen, für die Wirtschaft wesentlichen Besitz. Für ihn zählen auch das Leben und die Freiheit und rangmäßig erst danach der Besitz. Außerdem darf die politische Macht einzig zugunsten des Gemeinwohls eingesetzt werden. >Herrschaft/Locke, >Staat/Locke, >Naturzustand/Locke. Höffe I 252 Eigentum ist (...) eine notwendige Voraussetzung für das menschliche Leben; in der Bearbeitung der Natur beschafft sich der Mensch die materiellen Voraussetzungen seines Überlebens.(2) Vorgeschichte/Locke: [Es gibt einen] ursprünglich[en] Gemeinbesitz, den Besitz aller an der Erde und ihren Früchten. I Höffe I 253 Privatbesitz: Das persönliche Eigentum, der Privatbesitz, entsteht durch Absprachen und Verträge, ist also schon an ein Rechts- und Staatswesen gebunden. Naturzustand: Dagegen behauptet Locke(3), schon im Naturzustand erwerbe man Eigentum. Gott habe zwar die Erde und alle niederen Lebewesen allen Menschen gemeinsam gegeben. Im Naturzustand gebe es aber auch ein nichtkollektives Eigentum, als quasi göttliches Lehen das Eigentum an der eigenen Person. Eigentumserwerb: Auf der Grundlage dieses noch vorökonomischen Eigentums kann der Mensch durch seine Tätigkeit Eigentum im üblichen, ökonomischen Verständnis erwerben. Der entscheidende, eigentumsschaffende Faktor liegt also in der Arbeit, die sowohl von Gott geboten als auch durch die Bedürfnisse der Menschen erzwungen sei. >Arbeit/Locke. (...) auch die Fleißigen [dürfen] nicht beliebig viel Eigentum erwerben, denn sie unterliegen einer naturgesetzlichen Grenze, die sich freilich nicht so offensichtlich aus dem Schädigungsverbot (>Gesetze/Locke) rechtfertigen lässt: Man darf sich nur so viel zu Eigentum machen, wie man «zu irgendwelchem Vorteil für sein Leben nutzen kann, bevor es verdirbt“.(4) Höffe I 254 HöffeVsLocke: zwei Rückfragen: 1) Warum braucht es, wenn das pragmatische Argument «nutzlos» schon greift, noch das moralische Kriterium der Unredlichkeit? 2) Und wie verhält es sich mit den weder Fleißigen noch Verständigen: Sollen sie verhungern? >Arbeit/Locke, >Geld/Locke. 1. Locke, Second treatise of Government, 1689/90 2. Ebenda, Kap V. 3. Ebenda, §§ 27ff. 4. Ebenda § 31 |
Loc III J. Locke An Essay Concerning Human Understanding Mause I Karsten Mause Christian Müller Klaus Schubert, Politik und Wirtschaft: Ein integratives Kompendium Wiesbaden 2018 |
Ethik | Bostrom | I 257 Ethik/Moral/Superintelligenz//Bostrom: Keine ethische Theorie erlangt eine mehrheitliche Unterstützung unter den Philosophen, so dass die meisten Philosophen sich irren müssen. ((s)VsBostrom: Es ist keine Frage des Applauses, welche Theorie richtig ist). I 369 Mehrheiten in Ethik/Bostrom: Eine kürzlich durchgeführte Befragung von Berufsphilosophen ergab den Prozentsatz der Befragten, die verschiedene Positionen "akzeptieren oder sich ihnen zuneigen". Zur normativen Ethik waren die Ergebnisse Deontologie 25,9%; - Konsequentialismus 23,6%; - Tugendethik 18,2%. Zur Metaethik waren die Ergebnisse moralischer Realismus 56,4%; - moralischer Anti-Realismus 27,7%. Zum moralischen Urteilsvermögen: Kognitivismus 65,7%; - Nicht-Kognitivismus 17,0% (Bourget und Chalmers 2009(1)) >Normen/Normativität/Superintelligenz/Bostrom, >Ethik/Superintelligenz/Yudkowsky. Morality models: I 259 Def CEV/Yudkowsky: Unser "kohärentes extrapoliertes Wollen" ist der Wunsch den wir hätten, wenn wir mehr wüssten, schneller dächten, mehr die Menschen wären, die wir gerne wären, wenn wir weiter zusammenwachsen würden; wo die Extrapolation konvergiert statt divergiert, wo unsere Wünsche kohärent sind statt sich zu stören; wenn sie extrapoliert würden, wie wir es wünschen, dass extrapoliert wird und interpretiert würden, wie wir es wünschen. I 266 VsCEV/Bostrom: stattdessen: Moralische Richtigkeit / MR/Bostrom: (...) bauen wir eine KI mit dem Ziel auf, das moralisch Richtige zu tun, wobei die KI sich auf ihre überlegenen kognitiven Fähigkeiten stützt, um herauszufinden, welche Handlungen genau auf diese Beschreibung passen. Wir können diesen Vorschlag "moralische Richtigkeit" (MR) nennen. Die Idee ist, dass wir Menschen ein unvollkommenes Verständnis davon haben, was richtig und was falsch ist (...) ((s)VsBostrom: Damit wird menschliche Verantwortung delegiert und letztlich davon ausgegangen, dass menschliche Entscheidungen nur vorläufig sind, bis nicht-menschliche Entscheidungen getroffen werden). I 267 BostromVsYudkowsky: MR würde verschiedene freie Parameter in der CEV abschaffen, wie z.B. den Grad der Kohärenz zwischen den extrapolierten Willensäußerungen, der erforderlich ist, damit die KI auf das Ergebnis reagieren kann, die Leichtigkeit, mit der eine Mehrheit abweichende Minderheiten überstimmen kann, und die Art des sozialen Umfelds, innerhalb dessen unser extrapoliertes Selbst "weiter zusammenwachsen" soll. BostromVsMR: Problem: 1. die MR scheint auch einige Nachteile zu haben. Sie stützt sich auf den Begriff "moralisch richtig", einen notorisch schwierigen Begriff (...). I 268 2. (...) [MR] gibt uns vielleicht nicht das, was wir wollen oder was wir wählen würden, wenn wir klüger und besser informiert wären. Lösung/Bostrom: Ziel für KI: MP: Unter den Handlungen, die für die KI moralisch zulässig sind, nehme die KI eine, die der CEV der Menschheit vorziehen würde. Wenn jedoch ein Teil dieser Anweisung keine genau spezifizierte Bedeutung hat, oder wenn wir über ihre Bedeutung radikal uneins sind, oder wenn der moralische Realismus falsch ist, oder wenn wir bei der Schaffung einer KI mit diesem Ziel moralisch unzulässig gehandelt haben, dann unterziehe die KI sich einer kontrollierten Abschaltung.(*) Die KI folge der beabsichtigten Bedeutung dieser Anweisung. I 373 (Anmerkung) *Def Moralische Zulässigkeit/Bostrom: Wenn die KI die moralische Zulässigkeit unserer Handlung zur Schaffung der KI bewertet, sollte sie die Zulässigkeit in ihrem objektiven Sinne interpretieren. In einem gewöhnlichen Sinne von "moralisch zulässig" handelt eine Ärztin oder ein Arzt moralisch zulässig, wenn sie oder er ein Medikament verschreibt, von dem sie oder er glaubt, dass es ihre oder seine Patientin heilen wird - selbst wenn die Patientin oder der Patient, ohne dass die Ärztin oder der Arzt es weiß, allergisch gegen das Medikament ist und infolgedessen stirbt. Die Konzentration auf die objektive moralische Zulässigkeit macht sich die vermutlich überlegene erkenntnistheoretische Position der KI zunutze.. ((s)VsBostrom: Der letzte Satz (Salvatorische Klausel: "Die KI folge der beabsichtigten Bedeutung dieser Anweisung") ist zirkulär, insbesondere wenn es keine Personen mehr in Entscheidungspositionen gibt, die dagegen Einspruch erheben könnten. >Ziele/Superintelligenz/Bostrom I 312 Def Gemeinwohlprinzip/Bostrom: Superintelligenz sollte nur zum Wohle der gesamten Menschheit und im Dienste weit verbreiteter ethischer Ideale entwickelt werden. I 380 Diese Formulierung soll so gelesen werden, dass sie eine Vorschrift einschließt, dass das Wohlergehen von nichtmenschlichen Tieren und anderen fühlenden Wesen (einschließlich des digitalen Verstandes), die existieren oder entstehen könnten, gebührend berücksichtigt wird. Sie soll nicht als Lizenz für einen KI-Entwickler gelesen werden, seine oder ihre eigenen moralischen Intuitionen durch die der breiteren moralischen Gemeinschaft zu ersetzen. 1. Bourget, David, and Chalmers, David. 2009. “The PhilPapers Surveys.” November. Available at http://philpapers.org/surveys/ |
Bostrom I Nick Bostrom Superintelligence. Paths, Dangers, Strategies Oxford: Oxford University Press 2017 |
Ethik | Thomas v. Aquin | Höffe I 146 Ethik/Thomas/Höffe: In seiner Ethik sucht Thomas verschiedenartige Lehrstücke des Aristoteles in die bei seinem Vorbild fehlende, auch bewusst vermiedene Einheit zu bringen. Nikomachische ethik: [Thomas] entnimmt Aristoteles' (...) Hauptschrift, der Nikomachischen Ethik, sowohl die Theorie des Handelns - menschliches Handeln strebt nach einem Ziel - als auch den dazugehörenden Gedanken eines schlechthin höchsten und zugleich umfassenden Ziels, des Glücks (beatitudo). >Ethik/Aristoteles. Streben nach Glück: In Verbindung mit der Teleologie der Physik vertritt er den Gedanken eines natürlichen Strebens (desiderium naturale) nach Glück. Seine Ethik bleibt also, in griechischen Ausdrücken, eudaimonistisch, was auf das politische Denken durchschlägt. Dessen Leitbegriff heißt nämlich Gemeinwohl (bonum commune). >Glück/Thomas. |
Aquin I Thomas von Aquin Über die Herrschaft des Fürsten Stuttgart 1971 |
Eudämonie | Thomas v. Aquin | Höffe I 146 Eudämonismus/Thomas/Höffe: In Verbindung mit der Teleologie der Physik vertritt [Thomas] den Gedanken eines natürlichen Strebens (desiderium naturale) nach Glück. Seine Ethik bleibt also, in griechischen Ausdrücken, eudaimonistisch, was auf das politische Denken durchschlägt. Dessen Leitbegriff heißt nämlich Gemeinwohl (bonum commune). >Glück/Thomas. |
Aquin I Thomas von Aquin Über die Herrschaft des Fürsten Stuttgart 1971 |
Gemeinschaft | Pettit | Brocker I 853 Gemeinschaft/Community/Republikanismus/Pettit: Pettit beruft sich in seiner „neo-römischen“ Variante des Republikanismus (siehe Republikanismus/Pettit) sogar historisch auf den theoriegeschichtlichen Ursprung im „klassischen“ Rom. Die aristotelische Variante, die deutlicher als die römische von einer im kollektiven Leben zum Ausdruck kommenden Geselligkeit des Menschen ausgeht, aus der sich sowohl Potentiale einer gelungenen Selbstentfaltung wie auch Erträge für ein gemeinwohlorientiertes Zusammenleben gewinnen lassen, nimmt er gar nicht als eigenständiges Modell zur Kenntnis. Er distanziert sich stattdessen explizit von »zivilrepublikanischen« Modellen, die sich der politischen Sphäre unter der Perspektive der Interaktion und Gemeinschaftsbildung widmen. >Republik, >Herrschaft/Aristoteles, >Gemeinschaft/Aristoteles. Emanuel Richter, „Philip Pettit, Republicanism“, in: Manfred Brocker (Hg.) Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert. Frankfurt/M. 2018 |
Pett I Ph. Pettit Just Freedom: A Moral Compass for a Complex World New York 2014 Brocker I Manfred Brocker Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert Frankfurt/M. 2018 |
Gemeinschaft | Thomas v. Aquin | Höffe I 152 Gemeinschaft/Thomas/Höffe: Da kein Mensch für sich allein seinem Zweck gemäß leben kann, ist es ihm von Natur gegeben, «mit vielen gesellig zu leben»(1). Dieses Zusammenleben - hier zeigt sich Thomas als ein Republikaner - soll eine Höffe I 153 «Gesellschaft von Freien» sein. >Republik. Herrschaft: Nach einem weiteren Teilargument, dem Auseinanderklaffen von Eigen- und Gemeinwohl, braucht es eine die Menschen leitende Instanz. Erst aus diesem Grund, weil das Wohl des Einzelnen dem Wohl der Gemeinschaft zuwiderlaufen kann, bedarf es einer Herrschaft. Denn lediglich mit ihrer Hilfe wird aus der Vielheit von Individuen die Einheit eines Gemeinwesens. Monarchie: Die sachliche Anschlussfrage, ob nun eine oder mehrere Personen herrschen sollen, also die Frage nach der besten Verfassung, beantwortet Thomas, obwohl im genannten Sinn ein Republikaner, zugunsten der Alleinherrschaft, der Monarchie. Allerdings stellt er an sie eine Bedingung: Sie muss gerecht ausgeübt werden, was bei Thomas, wie bei Aristoteles, der Stoa und Cicero üblich, den Dienst am Gemeinwohl meint: Gerechte Herrschaft: Gerecht ist eine Herrschaft, die nicht dem Herrscher, sondern dem Gemeinwesen dient. Dessen Kern sieht Thomas im inneren Frieden, was sich nicht nur damals, unter der historischen Situation, nahelegt, als das Sizilien-Reich von Friedrich Il. zerfiel und im Römisch-Deutschen Reich nach dem Stauferende ein Interregnum («Zwischenherrschaft») herrschte. Gemeinwesen: Erstaunlicherweise spielt die im lex-Traktat der Summe der Theologie wichtige Bestimmung des Gemeinwesens als einer Rechtsordnung in der Schrift Über die Herrschaft von Fürsten keine Rolle. ThomasVsAristoteles: [Thomas geht hier über Aristoteles hinaus]: Nach seinem Muster von Gemeinwesen, den damaligen Königreichen, nicht wie bei Aristoteles den griechischen Stadtrepubliken, lässt er auf das Haus und das Dorf (qua Sippe) nicht nur drittens die civitas, die Bürgerschaft und Stadtgemeinschaft, folgen. Zusätzlich führt er das mehrere Städte und Landschaften übergreifende Gemeinwesen, die provincia bzw. das regnum, ein. Erst diese größere Einheit erlaube - gemäß mittelalterlichen Erfahrungen -, alles Lebensnotwendige annähernd autark zu gewährleisten. >Gemeinschaft/Aristoteles, >Aristoteles. 1. Thomas De regno ad regem Cypri I, 1 |
Aquin I Thomas von Aquin Über die Herrschaft des Fürsten Stuttgart 1971 |
Gesellschaft | Arendt | Brocker I 366 Gesellschaft/Handeln/Arbeit/Arendt: These: es gibt keine Alternative zu einer Gesellschaft, in der die Arbeit und das Herstellen die höchste Wertigkeit innehaben. >Handeln/Arendt, Arbeit/Arendt, Welt/Arendt. GrunenbergVsWellmer siehe Moderne/Wellmer. Arendt geht von einem anderen Ansatz aus. Sie stellt den Bruch in der westlichen Tradition, infolge Brocker I 367 dessen das Gemeinwohl unter das Diktat der Arbeit und des Herstellens gestellt worden ist, ins Zentrum. Antonia Grunenberg, „Hannah Arendt, Vita Activa oder Vom tätigen Leben“ in: Manfred Brocker (Hg.) Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert. Frankfurt/M. 2018 |
Arendt I H. Arendt Crises of the Republic: Lying in Politics. Civil Disobedience. On Violence. Thoughts on Politics and Revolution Boston 1972 Brocker I Manfred Brocker Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert Frankfurt/M. 2018 |
Gesetze | Thomas v. Aquin | Höffe I 148 Gesetze/Thomas/Höffe: Ebenso wenig wie einen Rechtsmoralismus vertritt Thomas einen Rechtspositivismus weltlichen oder theologischen Charakters. Ursprung der Gesetze: Nach [Thomas] gründen Gesetz und Recht nicht in Macht, weder in menschlicher noch in göttlicher Willkür. Vernunftrecht: Mag ihr Ursprung auch in Gott liegen, so bestehen Recht und Gesetz doch in Vernunftprinzipien, durch die das Naturrecht zu einem Vernunftrecht wird. Naturrecht: Die Befugnis des Gesetzgebers im Rahmen seiner Leitaufgabe, dem Dienst am Gemeinwohl, situationsgerechte Gesetze zu erlassen, kann man als ein gemäßigtes Naturrechtsdenken und zugleich als gemäßigten Rechtspositivismus ansehen. |
Aquin I Thomas von Aquin Über die Herrschaft des Fürsten Stuttgart 1971 |
Gleichberechtigung | Mill | Höffe I 358 Gleichberechtigung/Mill/Höffe: Mit besonderem Nachdruck verlangt Mill, in seinem dritten unmittelbar politischen Werk, Die Unterdrückung der Frauen(1), die fast despotische Macht der Männer über die Frauen zu brechen. Statt die Frauen in der Ehe einer strengen Überwachung zu unterwerfen, seien ihnen dieselben Rechte und derselbe Rechtsschutz zu gewähren. Fortschritt: Vom Ergebnis, der schließlichen Gleichstellung der Frau in Familie und Gesellschaft, erwartet er sogar einen Fortschritt an moralischer Gesinnung, der nicht weniger als eine «moralische Regeneration der Menschheit» mit sich führe. Utilitarismus: Dieses Motiv, der Fortschritt an moralischer Gesinnung, ist für Mill kein sekundärer Gedanke. Im Gegenteil verbindet es die Schrift zur Frauenfrage mit der Freiheitsschrift, ihrer Verpflichtung der Bürger auf das Gemeinwohl, darüber hinaus mit dem utilitaristischen Grundsatz der allgemeinen Nützlichkeit. >Utilitarismus/Mill. VsGleichberechtigung: (...) Mill setzt sich (...) mit zwei der damals verbreiteten Gegenargumente auseinander, mit der angeblichen natürlichen Unterlegenheit der Frauen und mit der vermeintlichen Freiwilligkeit ihrer Unterwerfung. MillVsVs: a) Das erste Gegenargument entlarvt Mill als Produkt gesellschaftlicher Umstände - die angebliche Natur der Frauen ist künstlich erzeugt, das Resultat erzwungener Herabsetzung -; b) und dem zweiten Gegenargument hält er die schon ältere liberale These entgegen, sich seiner Freiheit entäußern zu dürfen, gehöre nicht zur Freiheit. 1. J.St. Mill The Subjection of Women, 1869 (dt. Die Hörigkeit der Frau) |
Mill I John St. Mill Von Namen, aus: A System of Logic, London 1843 In Eigennamen, Ursula Wolf Frankfurt/M. 1993 Mill II J. St. Mill Utilitarianism: 1st (First) Edition Oxford 1998 |
Handlungen | Arendt | Brocker I 361 Handeln/Handlung/Arendt: Im öffentlichen Raum begegnen sich die Mitglieder des Gemeinwesens; in diesem Raum »ereignet sich« das Handeln. Nur in diesem Raum werden seine (unvorhersehbaren) Folgen sichtbar, die womöglich so gar nicht den Erwartungen und Hoffnungen derer entsprechen, die die Handlungen begonnen haben. Denn Handeln ist per se nicht zweckorientiert wie Herstellen. Es ist mehr auf die Anderen, Mitbeteiligten gerichtet als auf ein fixiertes Ziel. Somit ist Handeln auch nicht identisch mit Machen und Herstellen, eine Vorstellung, die sich in der Moderne durchgesetzt hat, in der politisches Handeln als zweckrationales Tun definiert wird, mit dem man bestimmte Ziele erreicht. Der einzige Zweck des Handelns ist die gemeinsame Verständigung über das Gemeinwohl, das über die Summe der jeweiligen Interessen hinausreicht. >Rationalität, >Zweckrationalität, >Kommunikation, >Verständigung, >Gemeinschaft, >Kollektives Handeln, >Zwecke, >Ziele. Antonia Grunenberg, „Hannah Arendt, Vita Activa oder Vom tätigen Leben“ in: Manfred Brocker (Hg.) Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert. Frankfurt/M. 2018 |
Arendt I H. Arendt Crises of the Republic: Lying in Politics. Civil Disobedience. On Violence. Thoughts on Politics and Revolution Boston 1972 Brocker I Manfred Brocker Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert Frankfurt/M. 2018 |
Herrschaft | Machiavelli | Höffe I 194 Herrschaft/Machiavelli/Höffe: [Rechtfertigung der Herrschaft]: 1.Ein der Realität verpflichteter Herrscher muss sich für die Situation wappnen, dass entweder seine Konkurrenten, seine Beamten oder seine Untertanen oder sie allesamt sich als undankbar, wankelmütig und heuchlerisch erweisen. Um von dieser Situation nicht überrascht zu werden und dann politischen Schaden zu erleiden, ist es besser, sowohl mit ihr zu rechnen als auch vorbeugend zu agieren, also lieber selbst unmoralisch zu handeln, als zur Beute fremder Unmoral zu werden. 2. Der Fürst nimmt seinen durchgehend machtfunktionalen Blick unter den damaligen politischen Verhältnissen ein, dem offensichtlichen Fehlen von Rechtssicherheit. Notwendigkeit: Indirekt kommt damit ein weiterer Grundbegriff ins Spiel, die necessita, die Notwendigkeit: Sowohl um der eigenen Macht als auch um des Gemeinwohls willen sieht sich der Herrscher gezwungen, der personalen Moral jedes Eigenrecht zu verweigern und sich auf zwei andere Dinge zu stützen: (...) die eigene Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit, die virtü, und auf deren Konkurrenz-, aber auch Komplementärbegriff, die nichtverfügbare und trotzdem beeinflussbare fortuna. >Macht, >Notwendigkeit. Machiavelli (...) vertritt stillschweigend die fraglos wirklichkeitsfremde Ansicht, das Herrscherwohl falle stets mit dem Gemeinwohl, am Ende sogar mit dem Wohl eines jeden Bürgers zusammen. >Gemeinwohl. |
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Herrschaft | Pettit | Brocker I 855 Herrschaft/Government/Pettit: Pettit will das Bild eines öffentlichen Lebens entwerfen, das Freiheit ohne Beherrschung bietet. Seine idealtypische Konzeptualisierung der politischen Sphäre soll pluralistisch, anpassungsfähig und auf Nachhaltigkeit gerichtet sein. >Pluralismus. Sie soll nicht nur unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse in egalitaristischer Stoßrichtung untereinander austarieren, sondern auch die öffentliche Sensibilität für ökologische Fragen, für die Frauenemanzipation, für Minderheiten-Probleme und für ein multikulturelles Miteinander pflegen. >Egalitarismus, >Minderheiten, >Emanzipation, >Ökologie, >Multikulturalismus. Insbesondere geht es Pettit um damit zusammenhängende Probleme des Verfassungsrechts. Brocker I 856 Verfassung/Pettit: Pettits Auseinandersetzung mit verfassungsrechtlichen Fragen wird von einigen Autoren als zu grobschlächtig angesehen. >Verfassung. VsPettit: (2)(3) Pettits Replik: PettitVsVs: (4)(5) Brocker I 860 VsPettit: Pettit landet bei einer erstaunlich konventionellen Vorstellung vom Regieren. McMahonVsPettit: Pettit ignoriere die widrigen Realisierungsbedingungen republikanischer Freiheitsgarantien im Dickicht der realen politischen Handlungszusammenhänge.(6) VsPettit: Pettit lande letztlich bei dem von ihm kritisierten Liberalismus bzw. einem liberalen Leitbild des Gemeinwohls, das den Respekt für die Freiheit des Individuums an die erste Stelle rückt. >Liberalismus, >Individuum/Pettit. Problem: Pettit habe keine bündige Neuinterpretation der kollektiven Interaktion von Individuen und ihrer politischen Funktionsbestimmung.(9) Philip Pettit, Republicanism. A Theory of Freedom and Government, Oxford 1997, S. 129 2. John A. Bruegger »Republican Freedom: Three Problems«, in: The Journal Jurisprudence 11, 2011, S. 582 3. McMahon, Christopher, »The Indeterminacy of Republican Policy«, in: Philosophy and Public Affairs 33/1, 2005, 67-93. 4. Philip Pettit, »The Determinacy of Republican Policy: A Reply to McMahon«, in: Philosophy and Public Affairs 34/3, 2005, 275-283. 5. Philipp Schink,»Freedom, Control and the State«, in: Andreas Niederberger/Philipp Schink (Hg.), Republican Democracy. Liberty, Law, and Politics, Edinburgh 2013, S. 224 6. McMahon ebenda 7.Laborde, Cécile/Maynor, John, »The Republican Contribution to Contemporary Political Theory«, in: dies. (Hg.), Republicanism and Political Theory, Malden, Mass./Oxford/Carlton 2008, s. 1 - 28 8. John P. McCormick, »Republicanism and Democracy«, in: Andreas Niederberger/Philipp Schink (Hg.), Republican Democracy. Liberty, Law, and Politics, Edinburgh 2013 9. Laborde, Cécile/Maynor, John, »The Republican Contribution to Contemporary Political Theory«, in: dies. (Hg.), Republicanism and Political Theory, Malden, Mass./Oxford/Carlton 2008, S. 9. Emanuel Richter, „Philip Pettit, Republicanism“, in: Manfred Brocker (Hg.) Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert. Frankfurt/M. 2018 |
Pett I Ph. Pettit Just Freedom: A Moral Compass for a Complex World New York 2014 Brocker I Manfred Brocker Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert Frankfurt/M. 2018 |
Herrschaft | Thomas v. Aquin | Höffe I 148 Herrschaft/Gemeinwesen/Thomas/Höffe: Die Obrigkeit darf (...) nicht willkürlich agieren. Nicht befugt, beliebige Gesetze zu erlassen, hat sie das hochgenerelle Naturgesetz auf die geschichtliche Situation hin zu konkretisieren, wo nötig auch fortzuentwickeln. Gesetz: Es soll dem Wohl des Gemeinwesens dienen und mittels Verboten etwa von Mord und Diebstahl vom Volk Schaden abwenden. Ausnahmen: Wegen des Situationsbezuges können die näheren Bestimmungen unter- schiedlich ausfallen, auch wieder geändert werden. >Billigkeit. Höffe I 151 Über die Herrschaft von Fürsten/Thomas: (De regno): Trotz des fragmentarischen Charakters wird Thomas‘ Intention deutlich (...): Aristoteles Politische Philosophie soll (...) als eigenständiges Denken lebendig, zusätzlich unter den Bedingungen der damaligen Verhältnisse konkretisiert werden. Das Vorwort weist auf Gott als den «König aller Könige und Herrn aller Herrscher» hin. Es bestimmt als Gegenstand «den Ursprung königlicher Herrschaft (regni origo) und alles, was mit dem Beruf eines Königs verbunden ist». Realistische Auffassung: Thomas bleibt (...) seiner intellektuellen Grundhaltung treu, dass der Mensch mittels seiner autonomen und erfahrungsangereicherten Vernunft die für ihn wesentlichen Dinge auch ohne Offenbarung zu erkennen vermag. Höffe I 152 De regno: Der Text lässt sich vereinfacht in vier Teile gliedern: (1) die Rechtfertigung von Herrschaft, in die ein Plädoyer für die Monarchie und gegen die Tyrannis eingeht (Buch I, Kap. 1—6: ratio regiminis), (...) (2) ein indirekter Fürstenspiegel, nämlich eine Überlegung zu den Motiven eines gerechten Herrschers (1 7—11: ratio regentis). (...) (3) die entsprechen- den Regierungsaufgaben an (1 12—15: ratio gubernationis),(...) (4) das unvollendete Buch II [erörtert] die wichtigste Herrschaftsaufgabe, die Gründung eines Gemeinwesens, einer Stadt Oder eines Reiches (...) (II 1—4). Monarchie: hält Thomas nicht für selbstverständlich legitim. Mensch/Bürger/Anthropologie: Aristoteles' Bestimmung des Menschen als seiner Natur nach politisches Lebewesen wird zum Begriff des animal sociale et politicum, des sozialen und politischen Lebewesens, weiterentwickelt. (...) [Thomas‘] Ansicht nach muss der Mensch, sowohl ein Mängel-, als auch ein Vernunftwesen, mit seiner Hände Arbeit selbst für sein Leben sorgen. Höffe I 155 Gemeinwohl: Bei der Verpflichtung des Herrschers auf das Gemeinwohl erweist [Thomas] sich wieder als erfahrungsoffener Realist. Denn er bindet diese Verpflichtung nicht an ein altruistisches Verantwortungsgefühl. ThomasVsCicero: Gegen Cicero besteht der angemessene Lohn nicht in Ehre oder Ruhm, die von den Guten nämlich gering geachtet wer- Höffe I 156 den, überdies so gefährliche Übel wie verderbliche kriegerische Verwicklungen und Heuchelei zur Folge haben. Korruption: Noch weniger darf es, was an Platon erinnert, auf Geld ankommen(2). Es zählt vielmehr allein der von Gott zu erwartende Lohn, der höchste Grad an himmlischer Seligkeit(3). Überdies erfahre schon im Diesseits der gerechte König einen angemessenen Lohn. Diese Annahme erinnert nicht an Aristoteles' Politik, sondern an eine Behauptung Platons in der Politeia, dass einem gerechten Herrscher weit mehr als einem Tyrannen die Güter der Erde wie Reichtum, Macht, Ehre und ein guter Ruf zuteilwerden. Heilserwartung: Sowohl die Erwartung des diesseitigen Wohls als auch die des jenseitigen Heils motivieren den König zur guten Herrschaft, statt ein Tyrann zu werden(4). 1. Thomas De regno ad regem Cypri 2. Ebenda I, 7 3. Ebenda I, 9 4. Ebenda I, 10f |
Aquin I Thomas von Aquin Über die Herrschaft des Fürsten Stuttgart 1971 |
Institutionen | Menger | Parisi I 268 Institutionen/Geld/Menger: Carl Menger, der Begründer der österreichischen Schule, stellte fest, dass die Sozialwissenschaftler erklären müssen, "wie es sein kann, dass Institutionen, die dem Gemeinwohl dienen und für seine Entwicklung äußerst bedeutsam sind, ohne einen auf ihre Errichtung gerichteten gemeinsamen Willen entstehen" (Menger, 1963/1883(1), p146). Parisi I 269 Mengers Frage stellt eine Verbindung zwischen dem österreichischen Ansatz und den Gelehrten der schottischen Aufklärung her, die die spontanen Ordnungen als "das Ergebnis menschlichen Handelns, aber nicht die Ausführung eines menschlichen Plans" erklärten.(Ferguson, 1782/1767(2), p. III, S.2). Menger vertrat die Auffassung, dass die Entstehung des Geldes ein solches Beispiel für die spontane Entwicklung von Institutionen ist. Um das Problem des doppelten Zusammentreffens von Bedürfnissen zu lösen, finden Individuen höherwertige Güter, die sie tauschen können, und fügen daher dem Gebrauchswert dieser Güter einen Tauschwert hinzu, wodurch die Nachfrage steigt. Je mehr Individuen sich an einem solchen Tausch beteiligen, desto mehr nähern sie sich einem oder zwei allgemein akzeptierten Tauschmitteln an, die wir Geld nennen (Menger, 1892)(3). >Carl Menger. 1. Menger, C. (1963/1883). Problems of Economics and Sociology. Urbana, IL: University of Illinois Press. 2. Ferguson, A. (1782/1767). An Essay on the History of Civil Society. 5th edition. London: T. Cadell. 3. Menger, C. (1892). “On the origin of money.” The Economic Journal 2(6): 239–255. Rajagopalan, Shruti and Mario J. Rizzo “Austrian Perspectives on Law and Economics.” In: Parisi, Francesco (ed) (2017). The Oxford Handbook of Law and Economics. Vol 1: Methodology and Concepts. NY: Oxford University. |
Meng I K. Menger Selected Papers in Logic and Foundations, Didactics, Economics (Vienna Circle Collection) 1979 Parisi I Francesco Parisi (Ed) The Oxford Handbook of Law and Economics: Volume 1: Methodology and Concepts New York 2017 |
Institutionen | Morozov | I 117 Institutionen/Morozov: Die meisten öffentlichen Institutionen sollten nicht mit den Maßstäben ihrer privaten Gegenstücke gemessen werden, einfach deshalb, weil es ihre Aufgabe ist, Güter und Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen, die Märkte nicht zur Verfügung stellen können, oder es nicht sollten. Die Einstellung von Bürgern die dem Staat als Konsumenten gegenüberstehen, wird von Catherine Needham charakterisiert: Needham: "Die grundlegende Gefahr besteht darin, dass der Konsumismus privatisierte und verärgerte Bürger, deren Erwartungen an die Regierung niemals erfüllt werden können, fördert und die Sorge um das Gemeinwohl, das die Grundlage für demokratisches Engagement und die Unterstützung öffentlicher Dienstleistungen sein muss, nicht entwickeln kann.“(1) >Öffentliche Güter, >Öffentlichkeit, >Gesellschaft, >Gemeinschaft, >Staat. 1. Catherine Needham, Citizen Consumers, 2003, quoted in Matthew Flinders, Defending Politics (Oxford: Oxford University Press, 2012), 83. |
Morozov I Evgeny Morozov To Save Everything, Click Here: The Folly of Technological Solutionism New York 2014 |
Interesse | Surowiecki | I 341 Interesse/Politik/Surowiecki: Bei gegenläufigen politischen Entscheidungen, bei denen jeder Handelnde behauptet, im Interesse des Gemeinwohls zu handeln, ist es unmöglich zu beweisen, dass einer von beiden oder beide gegen das Gemeinwohl gehandelt haben. >Methode, >Beweise, >Beweisbarkeit. I 342 Problem: Politische Entscheidungen in einer Demokratie stellen keine Kognitionsprobleme dar, so dass wir auch nicht erwarten dürfen, dass sie der Weisheit der Menge zugänglich sind. Vgl. >Kollektive Intelligenz, >Demokratie. Dennoch stellen Antworten auf Kooperations- und Koordinationsaufgaben echte Lösungen in dem Sinne dar, dass sie alles in allem funktionieren. Sie werden nicht von oben diktiert, sondern kommen von unten. >Kooperation. |
Surowi I James Surowiecki Die Weisheit der Vielen: Warum Gruppen klüger sind als Einzelne und wie wir das kollektive Wissen für unser wirtschaftliches, soziales und politisches Handeln nutzen können München 2005 |
Jury-Theorem | Condorcet | Gaus I 148 Jury-Theorem/Condorcet/Dryzek: Dieses Theorem zeigt, dass, wenn jeder Bürger mehr als nur eine Chance hat, sein Urteil richtig zu fällen, die Wahrscheinlichkeit, dass die Mehrheit die richtige Option wählt, umso größer ist, je größer die Zahl der Wähler ist. Das Jury-Theorem rechtfertigt daher die Rationalität der Mehrheitsdemokratie, zumindest in einem republikanischen Kontext der Suche nach dem Gemeinwohl, allerdings nur dann, wenn jeder Bürger ein unabhängiges Urteil erreicht und ausübt. Es sollte also keine Fraktionen (die die effektive Zahl der Wähler reduzieren) und, wie es scheinen mag, keine Kommunikation geben. Dies waren zumindest Rousseaus eigene Ansichten: Deliberation sollte nur eine Sache der internen Reflexion sein, nicht der Kommunikation. Wie Robert Goodin (2002(1): 125) und andere betonen, ist eine Diskussion jedoch in Ordnung, solange die Menschen anschließend bei der Abstimmung ihr eigenes unabhängiges Urteil fällen. >Demokratie/Dryzek, >Deliberative Demokratie/Dryzek. Probleme mit Deliberation und Demokratie: Wenn Demokratie eine Aggregation beinhaltet (wie sehr sie auch immer von deliberativen Demokraten heruntergespielt wird), kann dies urteils- und nicht nur präferenzübergreifend sein, wie in der Theorie der sozialen Wahl betont wird. Solche Urteile können zu Meinungsverschiedenheiten darüber führen, was (zum Beispiel) dem Gemeinwohl dient. Diese erkenntnistheoretische Denkweise über Demokratie wird mit Rousseau in Verbindung gebracht, nach dem der allgemeine Wille durch Abstimmung festgestellt werden kann. Bernard Grofman und Scott Feld (1988)(2) argumentieren, dass, wenn es tatsächlich so etwas wie das Gemeinwohl gibt, auch wenn die Menschen unterschiedlich darüber urteilen, welche Option ihm am besten dient, das Condorcet'sche Jury-Theorem gilt. 1 Goodin, Robert E. (2002) Reflective Democracy. Oxford: Oxford University Press. 2. Grofman, Bernard and Scott Feld (1988) 'Rousseau's general will: a Condorcetian perspective'. American Political Science Review, 82: 567-76. Dryzek, John S. 2004. „Democratic Political Theory“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications Parisi I 494 Jury-Theorem/Condorcet/Nitzan/Paroush: Der Marquis de Condorcet (1743-1794) gilt als einer der Pioniere der Sozialwissenschaften. In der englischsprachigen Literatur gehörten Baker (1976)(1) und Black (1958)(2) zu den ersten, die die Aufmerksamkeit der wissenschaftlichen Gemeinschaft auf die Bedeutung von Condorcets Schriften lenkten (siehe Young, 1995)(3). Im Jahr 1785 gab es in Frankreich keine Geschworenen. Condorcet wandte die Wahrscheinlichkeitstheorie auf juristische Fragen an und argumentierte, dass die englische Forderung nach Einstimmigkeit unter den Geschworenen unangemessen sei. Er schlug stattdessen eine zwölfköpfige Jury vor, die mit einer Mehrheit von mindestens zehn Mitgliedern verurteilen kann. >Condorcet-Jury-Theorem, >Entscheidungsprozesse. 1. Baker, M. K., ed. (1976). Condorcet: selected writings. Indianapolis, IN: Bobbs-Merrill. 2. Black, D. (1958). The Theory of Committees and Elections. Cambridge: Cambridge University Press. 3. Young, P. (1995). “Optimal Voting Rules.” Journal of Economic Perspectives 9(1): 51–64. Shmuel Nitzan and Jacob Paroush. “Collective Decision-making and the Jury Theorems”. In: Parisi, Francesco (ed) (2017). The Oxford Handbook of Law and Economics. Vol 1: Methodology and Concepts. NY: Oxford University. |
Condo I N. de Condorcet Tableau historique des progrès de l’ esprit humain Paris 2004 Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 Parisi I Francesco Parisi (Ed) The Oxford Handbook of Law and Economics: Volume 1: Methodology and Concepts New York 2017 |
Kommunikative Praxis | Pettit | Brocker I 857 Kommunikative Praxis/Gemeinschaft/PettitVsHabermas/Pettit: Nichts deutet darauf hin, dass Pettit einer öffentlichen Debattenkultur wirklich konstruktive Beiträge zur Generierung und Pflege von Gemeinwohl-Orientierungen zuspricht. Im späteren Werk schweben Pettit als legitime Hüter des Gemeinwohls eher Räte, Expertengruppen oder Untersuchungsausschüsse vor, die sich gewissermaßen exklusiv der Pflege des Gemeinwohls widmen. >Demokratie, >Deliberativ Demokratie, >Gemeinwohl. Sie haben nach seiner Überzeugung den Vorzug, dem öffentlichen Meinungskampf entzogen zu sein, und werden von ihm selbst, provokant und missverständlich, als Elemente einer Brocker I 858 »Depolitisierung« begriffen.(1) >Politik/Pettit. 1. Philip Pettit, »Depoliticizing Democracy«, in: Ratio Juris 17/1, 2004 S. 53 Emanuel Richter, „Philip Pettit, Republicanism“, in: Manfred Brocker (Hg.) Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert. Frankfurt/M. 2018 |
Pett I Ph. Pettit Just Freedom: A Moral Compass for a Complex World New York 2014 Brocker I Manfred Brocker Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert Frankfurt/M. 2018 |
Kommunitarismus | Sandel | Gaus I 173 Kommunitarismus/Sandel/Dagger: Ob "philosophisch" oder "politisch", Kommunitarismus ist zu vage, um hilfreich zu sein, und zu entgegenkommend, um akzeptabel zu sein. Gemeinschaften nehmen sehr viele Formen an, darunter einige - wie faschistische oder Nazi-Kommunen -, die die Kommunitaristen selbst als ungenießbar oder unerträglich empfinden müssen. >Gesellschaft, >Gemeinschaft, >Staaten. Sandel erkennt den Punkt an, wenn er in seiner Rezension von Rawls' Politischem Liberalismus sagt, dass der "Begriff 'Kommunitarismus' insofern irreführend ist, als er impliziert, dass Rechte auf den Werten oder Präferenzen beruhen sollten, die in einer bestimmten Gemeinschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt vorherrschen" (1994(1): 1767). >Präferenzen. Republikanismus/Sandel: Dementsprechend hat er diesen irreführenden Begriff zugunsten von "Republikanismus" aufgegeben. >Republikanismus. Er hält zwar an seiner Kritik am Liberalismus fest, glaubt aber anscheinend, dass er als Republikaner, der "einer prägenden Politik" (1996(2): 6) verpflichtet ist, "die in den Bürgern die Eigenschaften des Charakters kultiviert, die die Selbstverwaltung erfordert", besser zu kritisieren ist als ein Kommunitarist, der den vorherrschenden Werten und Präferenzen in einer bestimmten Gemeinschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt verpflichtet ist. Staatsbürgerschaft: Was für den Republikaner zählt, ist nicht die Gemeinschaft an sich, sondern die Gemeinschaft selbstverwalteter, gemeinwohlorientierter Bürger. >Staatsbürgerschaft. 1. Sandel, Michael (1994) 'Political Liberalism'. Harvard Law Review, 107 (May): 1765-94. 2. Sandel, Michael (1996) Democracy’s Discontent. America in Search of a Public Philosophy, London/Cambridge 1996 Dagger, Richard 2004. „Communitarianism and Republicanism“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications |
Sand I Michael Sandel The Procedural Republic and the Unencumbered Self 1984 Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Liberalismus | Kommunitarismus | Gaus I 172 Liberalismus/Kommunitarismus/Dagger: Diejenigen, die sich für die kommunitaristische Seite der Debatte [zwischen Liberalen und Kommunitaristen] gemeldet haben, haben vier Haupteinwände gegen ihre "liberalen" oder "individualistischen" Gegner erhoben. 1) Der erste ist der bereits bei Walzer angemerkte Vorwurf, dass die abstrakte Vernunft nicht das Gewicht tragen wird, das die Philosophen ihr bei ihren Versuchen, Gerechtigkeit und Moral zu begründen, beigemessen haben. Dieses "Aufklärungsprojekt" (MacIntyre, 1981(1)) ist dem Untergang geweiht, weil es nicht erkennt, dass die Argumentation in diesen Fragen nicht losgelöst von gemeinsamen Traditionen und Praktiken erfolgen kann, von denen jede ihre eigenen Rollen, Verantwortlichkeiten und Tugenden hat. >M. Walzer, >A. MacIntyre. 2) Zweitens geht die liberale Betonung der individuellen Rechte und der Gerechtigkeit auf Kosten der Bürgerpflicht und des Gemeinwohls. In Sandels Worten: "Gerechtigkeit findet ihre Grenzen in jenen Formen der Gemeinschaft, die sowohl die Identität als auch die Interessen der Beteiligten betreffen. Einigen schulde ich mehr, als die Gerechtigkeit erfordert oder sogar erlaubt, aufgrund dieser mehr oder weniger dauerhaften Bindungen und Verpflichtungen, die zusammengenommen die Person, die ich bin, teilweise definieren" (1982(2): 179, 182). >M. Sandel, >Liberalismus als Autor. 3) Gegenwärtige Liberale sind laut dem dritten Vorwurf blind für diese dauerhaften Bindungen und Verpflichtungen, weil sie sich zu oft auf ein atomistisches Selbstverständnis - ein "unbelastetes Selbst" im Sinne Sandels - verlassen, das angeblich vor seinen Zielen und Bindungen liegt. Eine solche Auffassung ist sowohl falsch als auch schädlich, denn das individuelle Selbst wird weitgehend von den Gemeinschaften gebildet, die es nähren und erhalten. Wenn Rawls und andere "deontologische Liberale" Individuen lehren, sich selbst als irgendwie vor und getrennt von diesen Gemeinschaften zu sehen, dann sind sie im wahrsten Sinne des Wortes in einem sich selbst zerstörenden Unternehmen engagiert. >J. Rawls, >Deontologie. 4) Der vierte Einwand ist also, dass diese abstrakten und universalistischen Theorien von Gerechtigkeit und Rechten zum Rückzug ins Privatleben und zum unnachgiebigen Beharren auf den eigenen Rechten gegenüber anderen beigetragen haben, die moderne Gesellschaften bedrohen. Es gibt wenig Sinn für ein gemeinsames Gut oder gar eine gemeinsame Basis, auf der sich die Bürgerinnen und Bürger treffen können. In MacIntyres Worten hat der Konflikt zwischen den Verfechtern inkommensurabler moralischer Positionen die modernen Gesellschaften so zerrissen, dass Politik heute "Bürgerkrieg ist, der mit anderen Mitteln geführt wird" (1981(1): 253). Für einen wertvollen, ausführlichen Überblick über diese Debatte siehe Mulhall und Swift, 1996(3). >Öffentliche Güter. 1. MacIntyre, Alasdair (1981 ) After Virtue: A Study in Moral Theory. Notre Dame, IN: University of Notre Dame Press. 2. Sandel, Michael (1982) Liberalism and the Limits of Justice. Cambridge: Cambridge University Press. 3. Mulhall, Stephen and Adam Swift (1996) Liberals and Communitarians, 2nd Ed. Oxford: Blackwell. Dagger, Richard 2004. „Communitarianism and Republicanism“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications |
Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Liberalismus | Locke | Höffe I 254 Liberalismus/LockeVsAbsolutismus/Locke/Höffe: Noch wichtiger als die Gefahrenabwehr ist in Lockes politischem Liberalismus das kompromisslose Veto gegen den Absolutismus, denn eine über allen Gesetzen stehende Staatsgewalt widerspreche ihrem vertragstheoretischen Ursprung. >Absolutismus. Nichtübertragbarkeit: Weil das Gesetz der Natur niemandem eine absolute Macht zubilligt, kann sie auch nicht an den Staat übertragen werden, denn was man nicht besitzt, kann man nicht abtreten. Übertragung: Gemäß der beiden im Naturzustand drohenden Gefahren werden im staatsbegründenden Gesellschaftsvertrag zwei Rechte an die öffentlichen Gewalten übergeben: das Recht, das moralische Naturgesetz auszulegen, und das Recht, Verbrechen, die gegen das Naturgesetz begangen werden, zu bestrafen. Nichtübertragbares: (...) die drei Grundgüter Leben, Freiheit und Eigentum [werden] nicht übertragen. Weil man sich andernfalls in eine vom Naturgesetz verbotene Selbstversklavung Höffe I 255 begibt, darf die Staatsgewalt nur das Gemeinwohl fördern,das vor allem in der Sicherung der drei (...) Grundgüter [Leben, Freiheit und Eigentum] besteht. >Gesellschaftsvertrag, >Freiheit, >Gesellschaft. |
Loc III J. Locke An Essay Concerning Human Understanding |
Liberalismus | Politik Ungarns | Krastev I 65 Liberalismus/Politik Ungarns/Krastev: Um seine Anhänger zu versammeln, setzt Orbán zielstrebig auf die Standardliste der Sünden des Liberalismus, die, wie er behauptet, von den unterwürfigen Nachahmern der liberalen Demokratie begangen wurden, die Ungarn nach 1989 zwei Jahrzehnte lang schlecht regierten. Erstens kann das liberale Bild der Gesellschaft als ein geistig leeres Netzwerk von Produzenten und Konsumenten nicht die moralische Tiefe und emotionale Solidarität der ungarischen Nation erfassen. Die Geschichte und das Schicksal der Nation sind den Liberalen grundsätzlich gleichgültig. In Orbáns antiliberaler Rhetorik wird die Sprache des Liberalismus in Bezug auf Menschenrechte, Zivilgesellschaft und Rechtsverfahren als kalt, allgemein und ahistorisch beschrieben. Die Liberalen sind in Bezug auf Einwanderung so blasiert, weil sie die Staatsbürgerschaft von der ethnischen Abstammung trennen und die Ideale der materiellen Gerechtigkeit und des Gemeinwohls durch fade und abstrakte Vorstellungen von Verfahrensgerechtigkeit, Rechtsstaatlichkeit und individuellem Nutzen ersetzen. PopulismusVsKosmopolitismus: Aus populistischer Sicht gibt das kosmopolitische Misstrauen der Kosmopoliten gegenüber ethnischen Bindungen den Angehörigen der großen ethnischen Mehrheit in Ungarn das Gefühl, im eigenen Land als Ausländer zu leben. Auf diese Weise zerstört der Universalismus die Solidarität. Wenn jeder dein Bruder ist, dann bist du ein Einzelkind. Deshalb behaupten die reaktionären ungarischen Nativisten, kein prinzipientreuer Liberaler könne sich wirklich für das Schicksal der außerhalb des Landes lebenden Ungarn interessieren. Krastev: So reden alle Antiliberalen. Jedoch spiegeln sich in Orbáns Rezitation des antiliberalen Katechismus auch einige regionalspezifische Bedenken wider. |
Krastev I Ivan Krastev Stephen Holmes The Light that Failed: A Reckoning London 2019 |
Macht | Locke | öffe I 255 Macht/Locke/Höffe: Hobbes' Grundfrage lautete: «Wie schützt man den Einzelnen vor der Gewalt der Mitmenschen, dem potentiellen Bürgerkriegsfeind?» Locke stellt die Anschlussfrage zur Gefahr des Machtmissbrauchs: «Wie schützt man den Beschützten vor seinem Beschützer?» Darauf gibt er drei Antworten: 1) (...) Gewaltentrennung: Die oberste, aber nicht souveräne Gewalt, die Legislative, ist von der exekutiven, für den Gesetzesvollzug verantwortlichen Staatsgewalt zu trennen. 2) Hinzu kommt eine dritte Gewalt, die aber nicht wie heute üblich in der Judikative besteht, sondern der Exekutive zugeordnet wird. 3) Die dritte, «föderativ» genannte Gewalt entscheidet über Krieg und Frieden, über Bündnisse und alle anderen außenpolitischen Fragen. Weil sie für die Außenperspektive zuständig ist, ist sie zwar ihrem Wesen nach von der exekutiven Gewalt verschieden, kann jedoch, räumt Locke ein, von ihr personell schwerlich getrennt werden. Ad 2): Die zweite Antwort unterwirft die beiden nichtlegislativen Gewalten dem Recht (Prinzip der Legalität). Wird dagegen verstoßen, so handelt man tyrannisch. Ohne hier den «Erzphilosophen» (§74, FN)(1), also Aristoteles, zu erwähnen übernimmt Locke die auf ihn zurückgehende Unterscheidung einer entweder dem Gemeinwohl oder dem Herrscherwohl dienenden Macht. >Gewalt, >Herrschaft, >Gesetzgebung. 1. J. Locke, Second treatise of Government |
Loc III J. Locke An Essay Concerning Human Understanding |
Macht | Republikanismus | Gaus I 169 Macht/Republikanismus/Dagger: Das Gesetz gewährleistet die Freiheit des Bürgers (...) nur dann, (...) wenn es auf die Bürgerschaft eingeht und wenn die Republik selbst sicher und stabil genug ist, dass ihre Gesetze wirksam sind. Die Aufrechterhaltung der Freiheit unter der Herrschaft des Rechtsstaates erfordert daher nicht nur eine staatsbürgerliche Beteiligung an den öffentlichen Angelegenheiten und die Bereitschaft, die Lasten eines gemeinsamen Lebens zu tragen - die bürgerliche Tugend des republikanischen Bürgers - aber auch die richtige Regierungsform. Dies war in der Regel eine Version der gemischten oder ausgewogenen Regierung, die so genannt wird, weil sie die Elemente der Herrschaft eines Einzelnen, der wenigen und der vielen vermischt und ausgleicht. >Rechtsstaatlichkeit/Republikanismus, >Freiheit/Republikanismus. Republik/Pocock: Wie J. G. A. Pocock (1975)(1) und andere bemerkt haben, feierten Schriftsteller von Polybius und Cicero bis Machiavelli und die amerikanischen Gründer die gemischte Verfassung wegen ihrer Fähigkeit, Korruption und Tyrannei abzuwehren. Monarchie, Aristokratie und Demokratie, so diese Schriftsteller, neigen dazu, in Tyrannei, Oligarchie bzw. Mafia-Herrschaft auszuarten; aber eine Regierung, die die Macht unter den drei Elementen aufteilt, könnte entweder den einen, die wenigen oder die vielen daran hindern, ihre eigenen Interessen auf Kosten des Gemeinwohls zu verfolgen. Da jedes Element über genügend Macht verfügt, um die anderen zu kontrollieren, sollte das Ergebnis eine freie, stabile und langlebige Regierung sein. Republikanismus: Sicherlich haben Republikaner manchmal damit gekämpft, ihren Glauben an eine gemischte Regierung mit ihrem Misstrauen oder sogar Hass gegenüber der erblichen Monarchie und Aristokratie in Einklang zu bringen. Aber dieser Kampf hat, wie im Fall der amerikanischen Gründer, zu einer Neuinterpretation einer ausgewogenen Regierung als eine Regierung geführt, die sich auf die Kontrolle und das Gleichgewicht getrennter Gewalten oder Regierungsfunktionen verlässt. Ob im älteren Sinne gemischt oder im neueren Sinne ausgewogen, der Punkt ist jedoch Gaus I 170 der Korruption der Macht zu widerstehen, indem man ihre Konzentration verhindert. 1. Pocock, J. G. A. (1975) The Machiavellian Moment: Florentine Political Thought and the Atlantic Republican Tradition. Princeton, NJ: Princeton University Press. Dagger, Richard 2004. „Communitarianism and Republicanism“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications |
Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Marktregulierung | Politische Theorien | Mause I 378f Marktregulierung/Politische Theorie: Die ökonomisch orientierte Politikwissenschaft interessiert sich primär für Eingriffe, die nicht durch Dysfunktionalitäten begründet sind, sondern es geht um die Realisierung übergeordneter gesellschaftlicher, also gemeinwohlorientierter Ziele. >Gemeinwohl, >Märkte. Mause I 379 Regulierung/Marktregulierung/Politik/Politische Theorie: ausgehend von Theodore J. Lowis Unterscheidung von vier Politikbereichen a) verteilende, b) umverteilende, c) regulative, d) konstitutive Politiken (1) wird staatliche Regulierung von diesen Autoren diskutiert: Kartellrecht: (Windhoff-Héritier 1987, S. 40) (2), regulativer Staat: (Majone 1994) (3), regulative Governance: (Eckert 2011 (4); Levi-Faur 2007 (5) regulativer Kapitalismus: (Braithwaite 2008; Levi-Faur und Jordana 2005) (6). >Politik/Lowi. 1. Theodore J. Lowi, 1972. Four systems of policy, politics, and choice. Public Administration Review 32 (4): 298– 310. 2. Windhoff-Héritier, Adrienne, Policy Analyse – Eine Einführung. Frankfurt/ New York 1987 3. Majone, Giandomenico. 1994. The rise of the regulatory state in Europe. West European Politics 17( 3): 77– 101. 4. Eckert, Sandra. 2011. European regulatory governance. In Handbook on the politics of regulation, Hrsg. David Levi-Faur, 513– 524. Cheltenham: 5. Levi-Faur, David, Regulatory governance. In Europeanization. New research agendas, Hrsg. Paolo Graziano und Maarten P. Vink, 102– 114. Basingstoke 2007. 6. Braithwaite, John, Regulatory capitalism. How it works, ideas for making it work better. Cheltenham 2008. |
Mause I Karsten Mause Christian Müller Klaus Schubert, Politik und Wirtschaft: Ein integratives Kompendium Wiesbaden 2018 |
Menschenrechte | Rousseau | Höffe I 271 Menschenrechte/Rousseau/Höffe: Nach Rousseau (...) gibt es (...) kein natürliches Recht, kein Naturgesetz, das dem (staats-)bürgerlichen Zustand vorausgeht. Das Recht entstehe erst in der politischen Gesellschaft und mit ihr.(1) >Staat/Rousseau. >Naturzustand/Rousseau. Höffe I 275 Ursprung/Rechtfertigung: Weil der Staat seinen Ursprung in einem Freiheitsakt nimmt, verfügt er über Legitimität, die allerdings ausschließlich auf diesem Weg, einer freien Zustimmung, eben dem >Gesellschaftsvertrag, zustande kommt. Keine auch noch so überlegene Macht kann irgendein Recht erzeugen. Nur ein allseitiger Konsens, eine Vereinbarung, die von keinem der Betroffenen Widerspruch erfährt, ermächtigt zu einer rechtmäßigen Herrschaft(2). >Rechtfertigung/Rousseau, >Staat/Rousseau, >Gesellschaftsvertrag/Rousseau. Höffe I 278 Gemeinwohl: Da [der Gemeinwille] auf das Wohl des Ganzen ausgerichtet ist, sowohl auf die gemeinsame Erhaltung als auch auf das allgemeine Wohlergehen, kommt ihm gegenüber dem (partikularen) Willen der Einzelnen stets und ohne Einschränkung der normative Vorrang zu. Das Gemeinwohl geht auf den Willen der Betroffenen zurück. Höffe: Frage: Wie stellt man diesen Willen fest? Eine Auffassung des Gemeinwillens (volonté générale) als Gedankenexperiment könnte zu einem Kriterium der Zustimmungswürdigkeit führen: Die Antwort könnte (...) in Menschenrechten nach derem strengen Verständnis bestehen, also in Rechten, die dem Menschen, bloß weil er Mensch ist, zukommen. Rousseau/Höffe: Auch wenn man einige Hinweise in diesem Sinn interpretieren kann, verteidigt Rousseau im Gesellschaftsvertrag keine derartigen Rechte. Stattdessen votiert er für eine empirische Lesart des Gemeinwillens. >Volonté Génerale/Rousseau. 1. Rousseau, Discours sur l'inégalité parmi les hommes, 1755 2. Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag oder Grundsätze des Staatsrechts (Du contrat social ou Principes du droit politique, 1762 |
Rousseau I J. J. Rousseau The Confessions 1953 |
Neoliberalismus | Crouch | Mause I 73f Neoliberalismus/Crouch: Crouch gebaucht den Begriff „Neoliberalismus“ nicht im Sinne der Wirtschaftstheorie. Der Prozess der Postdemokratisierung (Siehe Postdemokratie/Crouch) wird auf den Einfluss des Neoliberalismus zurückgeführt. Crouch These: der Neoliberalismus räumt wirtschaftlichen Interessen Vorrang vor Sozialstaatlichkeit und einem egalitär orientierten Gemeinwohlverständnis ein und sieht im freien Markt das beste Mittel, um die Befriedigung individueller und gesellschaftlicher Bedürfnisse zu erreichen. CrouchVsNeoliberalismus: „Übergriffigkeit“: Marktwirtschaftliche Logik werde heute nicht länger nur in der Sphäre der Ökonomie genutzt, sondern auch in der politischen und sozialen Sphäre. (1) 1. C. Crouch, Das befremdliche Überleben des Neoliberalismus. Frankfurt a. M. 2011, S. 153f. |
PolCrouch I Colin Crouch Henry Farrell Breaking the path of institutional development? Alternatives to the new determinism 2004 PolCrouch II Colin Crouch Post-democracy London 2004 Mause I Karsten Mause Christian Müller Klaus Schubert, Politik und Wirtschaft: Ein integratives Kompendium Wiesbaden 2018 |
Neorepublikanismus | Sunstein | Gaus I 175 Neorepublikanismus/Sunstein/Dagger: Republikanische politische Institutionen, (...) müssen die politische Gleichheit der selbstverwalteten Bürger gewährleisten. Zu diesem Zweck fordern die Neorepublikaner eine stärker deliberativ ausgerichtete Form der Politik: "Republikaner werden versuchen, politische Institutionen zu entwerfen, die die Diskussion und Debatte unter den Bürgern fördern; sie werden Systemen feindlich gegenüberstehen, die die Gesetzgebung als "Deals" oder Schnäppchen zwischen eigennützigen privaten Gruppen fördern" (1988(1): 1549). Dagger: Das soll nicht heißen, dass die Republikaner glauben, die Bürger würden leicht oder schnell eine Einigung darüber erzielen, was das Gemeinwohl erfordert, wenn nur die Regierung aus dem Würgegriff der Interessengruppen befreit werden könnte. Der Punkt ist vielmehr, dass die Wiederbelebung der republikanischen Auffassung von Politik als öffentlichem Geschäft die Ablehnung des "Wirtschaftsmodells" der Politik bedeutet, nach dem Einzelpersonen und Gruppen ihre bereits festgelegten Präferenzen auf den politischen Marktplatz bringen, wo sie ihr politisches Kapital und ihre Verhandlungsmacht einsetzen, um die besten Geschäfte für sich selbst zu machen. Aus republikanischer Sicht ist eine solche Politik eine Form der Korruption, die den Bürger auf einen Verbraucher reduziert, der versucht, seine persönlichen Interessen zu fördern. Es müssen also Schritte unternommen werden, um die Macht privater Interessen zu begrenzen, die Menschen durch staatsbürgerliche Erziehung darauf vorzubereiten, die Rolle des staatsbürgerlichen Bürgers zu übernehmen, und ihnen Arenen oder Foren zur Verfügung zu stellen, in denen sie sich an Debatten und Beratungen über das öffentliche Geschäft beteiligen können. 1. Sunstein, Cass (1988) 'Beyond the republican revival'. Yale Law Journal, 97 (July): 1539-89. Dagger, Richard 2004. „Communitarianism and Republicanism“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications |
Sunstein I Cass R. Sunstein Infotopia: How Many Minds Produce Knowledge Oxford 2008 Sunstein II Cass R. Sunstein #Republic: Divided Democracy in the Age of Social Media Princeton 2017 Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Platon | Aristoteles | Höffe I 53 Platon/AristotelesVsPlaton/Höffe: [Aristoteles] verwirft Platons Ideenlehre und übt an dessen politischem Denken eine teils ausdrückliche, teils stillschweigende Kritik. >Idee/Platon, >Politik/Platon, >Philosophenherrschaft/Platon. Polis/AristotelesVsPlaton: [Aristoteles wendet sich gegen] jede nur funktionale Bestimmung der Polis. Philosophenherrschaft/AristotelesVsPlaton: Im Unterschied zu Platons Politeia bleiben die Dichter autonom, ferner die Wirtschaft, ohnehin die Politik. Gesellschaft: Schon Aristoteles vertritt also einen Gedanken, den die soziologische Systemtheorie erst für die Zeit nach Auflösung der sogenannten alteuropäischen Gesellschaft festzustellen glaubt: eine relative Selbständigkeit verschiedener Gesellschaftsbereiche. AristotelesVsGleichberechtigung: Auf der anderen Seite übernimmt Aristoteles nicht Platons emanzipatorisches Element, die Gleichstellung der Frauen. >Gleichberechtigung/Aristoteles. Gemeinsamkeiten mit Platon: Staat: Auch Aristoteles [verpflichtet] den Staat auf das Glück und bestimmt die gute Verfassung vom Gemeinwohl her; auch er vertritt also einen politischen Eudaimonismus. Aristokratie: Auch denkt [Aristoteles, wie Platon] selbstverständlich aristokratisch, denn die Bürger im engeren Sinn, jene, die über die Bürgertugend verfügen, werden von der Arbeit für den Lebensunterhalt entbunden. Idiopragie: Außerdem greift er Platons Idiopragieformel auf: dass jeder das ihm Eigentümliche, das Seine (idion), tun soll. Vgl. >Gerechtigkeit/Platon. |
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Platon | Höffe | I 42 Platon/Höffe: Einige Fragen drängen sich auf: I. Gerechtigkeit: Platon hingegen leitet aus seinem Gedanken der Spezialisierung, der Idiopragieformel, ein Gerechtigkeitsverständnis ab, nach dem jeder Teil, sei es der Seele, sei es des Gemeinwesens, die ihm eigentümliche Aufgabe zu erfüllen hat(1). Frage:Will Platon das übliche Verständnis von Gerechtigkeit über sich aufklären oder aber ein neues, «revisionäres» Verständnis einführen? a) Die Idiopragieformel spricht zwar für ein revisionäres Verständnis. b) Platon setzt aber bei einem traditionellen Grundsatz («jedem das Seine») an und nimmt bei ihm «nur» eine seines Erachtens sachgebotene Bedeutungserweiterung vor. Die dabei unausgesprochene Behauptung lautet: (...) [man] muss (...) eine Teilrevision vornehmen und die Gerechtigkeit als Harmonie, als eine Eintracht sowohl im Individuum als auch im Staat, begreifen. II. Kann eine Platonische Gerechtigkeit das eigene Wohlergehen zustande I 43 bringen, sogar garantieren, oder braucht sie nicht jene Ergänzung, die Platon im Ausblick der Politeia selbst einführt, den Blick ins (ausgleichende) Jenseits? >Gerechtigkeit/Platon. Herrschaft: Vor allem Platons Philosophen-Königssatz wirft Fragen auf: Dank ihres Wissens vom Ganzen und ihrer Bereitschaft, dem Gemeinwesen zu dienen, sollen die Philosophen für das Gemeinwohl maßgeblich und wegen ihrer Maßgeblichkeit auch zuständig sein. Diese Annahme enthält zwei fragwürdige Gleichsetzungen. a) Einerseits, lässt sich einwenden, verwechsle Platon das genuin philosophische Wissen vom Ganzen, ein bloßes Prinzipienwissen, mit einem substantielleren Wissen vom Ganzen, der Einsicht in elementare Bedingungen gerechten Zusammenlebens. b) Andererseits setze er das Wissen um Bedingungen mit der für die Politik erforderlichen Kompetenz gleich, ein Wissen in der jeweiligen Situation zu konkretisieren und anzuwenden. Ein Prinzipienwissen schließt zumindest die für die Politik erforderliche Urteilsfähigkeit, Erfahrung und Überzeugungskraft, nicht zuletzt ein Gefühl für Macht nicht notwendig ein. PlatonVsVs/Höffe: So leicht lässt sich Platon allerdings nicht kritisieren. In der Politeia verlangt er für den Herrscher weit mehr Kompetenzen. Sie setzen bei jenen Vorbedingungen an, die schon die Wächter erfüllen, also Tapferkeit, Scharfblick, gutes Gedächtnis, Wissbegier und Rechtschaffenheit.(2) Überdies müssen die Herrscher sich im Krieg als die Besten erwiesen haben(3). Außerdem werden sie im Rahmen von Vorübungen «musisch und gymnastisch» ausgebildet. Ferner ist von ihnen Erfahrung und eine Wohlberatenheit (euboulia), also (...) gemeinwohlbezogene[r] I 44 Sachverstand gefordert (...). 1. Politeia, IV 433a ff 2. II 375a ff.). 3. 543a |
Höffe I Otfried Höffe Geschichte des politischen Denkens München 2016 |
Platon | Popper | Höffe I 45 Platon/Popper/Höffe: 1. Nach [Poppers] Werk Die offene Gesellschaft und ihre Feinde (1957)(1) tritt Platon in der Politeia als Gegner einer offenen Gesellschaft und Anwalt eines kollektivistischen Utilitarismus auf. >Utilitarismus. Höffe: Wahr ist, dass Platons Hauptwerk zahlreiche höchst anstößige Elemente enthält. So unterwirft er den Wächterstand strengen Fortpflanzungsregeln; er erlaubt Zensur, sogar eine politische Lüge, das heißt einen Betrug, sofern er dem Gemeinwohl dient. Euthanasie/Platon: Weiterhin tritt er - in der Antike freilich nicht unüblich - für eine rigorose Euthanasie ein; er erlaubt Kindstötung und verweigert ärztliche Hilfe für Menschen, die der Seele nach bösartig und unheilbar sind. Gleichberechtigung/PlatonVsVs/Höffe: Es ist aber auch richtig, dass Platon sich der damals herrschenden Ungleichheit von Mann und Frau widersetzt und sich institutionelle Vorkehren gegen Korruption überlegt. >Gleichberechtigung, >Korruption. HöffeVsPopper: Dass der Philosoph die Offenheit und Dynamik moderner Gesellschaften nicht kennt, kann man ihm schwerlich vorwerfen, auch nur begrenzt, dass er das schon damals mögliche Maß nicht richtig einschätzt. Wichtiger ist, dass Platon sich mit einem Element befasst, das auch die Moderne der Offenheit und Dynamik entzieht, den Grund- und Rahmenbedingungen des Gemeinwesens. Idiopragie/Platon: Bei Platon gilt die Idiopragieformel als unveränderlich, in der Moderne ist es die Demokratie in Verbindung mit Grundrechten und Gewaltenteilung. Auf der anderen Seite erlaubt die Idiopragieformel Offenheit und Dynamik, und entsprechend Begabten steht der Aufstieg offen(2). 2. PopperVsPlaton: Poppers zweiter Vorwurf, Platon unterwerfe das Individuum dem Kollektivwohl, kann sich auf den Anfang von Buch IV berufen, wonach es nicht darauf ankomme, dass irgendeine Gruppe (ethnos: Stamm) besonders glücklich sei, sondern die ganze Polis(3). Polis/PlatonVsVs/Höffe: Eine Platonische Polis opfert aber nicht das Wohl von Einzelnen oder von Gruppen dem Allgemeinwohl. Vielmehr wird sie so eingerichtet, dass alle, Gruppen ebenso wie Individuen, glücklich werden können. Die genannte Stelle formuliert nur in provokativer Überspitzung Platons Grundintention, dass niemand seine Interessen in einer Ausschließlichkeit verfolgen darf, die den anderen das gleiche Recht, ihre Interessen zu verfolgen, raubt. >K. Popper, >VsPopper. 1. K. Popper 1945. Die offene Gesellschaft und ihre Feinde. London: Routledge 2. Politeia III 415 b–c 3. 420b |
Po I Karl Popper Grundprobleme der Erkenntnislogik. Zum Problem der Methodenlehre In Wahrheitstheorien, Gunnar Skirbekk Frankfurt/M. 1977 |
Politik | Pettit | Brocker I 858 Politik/Entpolitisierung/Pettit: Unter »depoliticization« (1) versteht Pettit die Distanzierung der politischen Entscheidungsfindung gegenüber einem emotionsgeladenen, moralisierenden und auf klischeehafte Vorurteile rekurrierenden Meinungskampf, in dem sich seiner Befürchtung nach nicht die gemeinwohlorientierten Überlegungen durchsetzen, sondern simple und polarisierende Plattitüden. Anstatt jedoch, in guter republikanischer Tradition, gerade dieses Abrücken von der Gemeinwohlorientierung in die strategische, effekthaschende Aufwiegelung als einen Prozess der »Entpolitisierung«, als einen bedenklichen Verlust an bürgerschaftlicher politischer Urteilskraft zu brandmarken, begreift Pettit die Entpolitisierung genau umgekehrt als eine Zähmung des geradezu gefürchteten Volkswillens durch eine von Experten ausgeübte Rationalitätsprüfung der Argumente, die im öffentlichen Meinungskampf kursieren und aufeinandertreffen.(2) ((s) PettitVsHabermas). ((s) “Expertenregierung“, "Technokratenregierung“, „Technische Kabinette“ Siehe auch Sartori). PettitVsRepublikanismus: Die republikanische Pointe, dass die »Politisierung« gerade das Maß für die Befähigung zur intuitiven wie bewussten Bezugnahme auf das Gemeinwohl angibt, teilt Pettit offenkundig nicht. John P. McCormickVsPettit: McCormick bescheinigt Pettit in dieser Hinsicht despektierlich einen demokratievergessenen, institutionenzentrierten »senatorial move« und die Tendenz, den Problemhorizont der Pflege und Schärfung von politischer Urteilskraft der Bürgerinnen und Bürger, ein genuines und zentrales Anliegen republikanischen Denkens, zu vernachlässigen.(3) RichterVsPettit: Es gelingt Pettit nicht, die Spannung zwischen Staatsvertrauen und Herrschaftskritik, zwischen bürgerschaftlicher Partizipation und Elitenvertrauen , die er aufbaut, aufzulösen. PettitVsRawls: siehe Gerechtigkeit/Pettit. 1. Philip Pettit, »Depoliticizing Democracy«, in: Ratio Juris 17/1, 2004 S. 53 2. Ebenda S. 63 3. John P. McCormick, »Republicanism and Democracy«, in: Andreas Niederberger/Philipp Schink (Hg.), Republican Democracy. Liberty, Law, and Politics, Edinburgh 2013, S. 108 Emanuel Richter, „Philip Pettit, Republicanism“, in: Manfred Brocker (Hg.) Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert. Frankfurt/M. 2018 |
Pett I Ph. Pettit Just Freedom: A Moral Compass for a Complex World New York 2014 Brocker I Manfred Brocker Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert Frankfurt/M. 2018 |
Politik | Platon | Höffe I 38 Politik/Platon/Höffe: Während wir (...) beim Politiker oder Staatsmann an einen Tätigkeitsbereich denken, legt Platon auf ein bestimmtes Wissen Wert. «Politiker» heißt bei ihm, wer im Unterschied zu den «Sophisten und Gauklern» über die êpistemê politikê, also über eine politische Wissenschaft, verfügt. êpistemê politikê/Wissen/Platon: Darunter ist weder eine empirische Politikwissenschaft noch eine politikbezogene Lebenserfahrung, weder die politische Klugheit noch das Wissen eines Historikers zu verstehen. Auf die (normativen) Grundlagen eines Gemeinwesens gerichtet, ist Platons politische Wissenschaft eine normative Staatstheorie, die, ähnlich wie in der Politeia, die Person, die sie beherrscht, zur konkreten Staatsführung befähigt. Sie besteht in einer Art Integrationswissen, das gemäß Platons Bild von der «königlichen Webkunst» alle gemeinwohlrelevanten Kenntnisse «zusammenzuweben» vermag.(1) >Gesetze/Platon, >Polis/Platon, >Herrschaft/Platon. 1. Politikos, 305e |
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Politische Repräsentation | Barber | Brocker I 682 Politische Repräsentation/Barber: Barber These: das Konzept der Repräsentation des Liberalismus zerstöre Partizipation und Bürgerschaft. (1) Das liege daran, dass der Liberalismus Demokratie als „Politik der Raubtierhaltung“ missverstehe. Siehe auch Demokratie/Barber. Brocker I 686 In den verschiedenen Formen der “autoritären”, “juridischen” und “pluralistischen” Demokratie sieht Barber prinzipielle Schwächen der Repräsentation. (Siehe Terminologie/Barber). Problem: die „Wiedereinführung unabhängiger Gründe“ (2): weder Eliten noch Philosophen oder Richter oder Verbandsführer können die Umstrittenheit politischer Leitideen aufheben. Gerade die Annahme, es gebe Akteure mit besonderem Zugang zu „guten Gründen“ oder auch ein freies Spiel der Kräfte, das das Gemeinwohl quasi automatisch hervorbringe, führt zu willkürlicher Herrschaft. BarberVsDirekte Demokratie: die direkte Demokratie nennt Barber „Einheitsdemokratie“: Brocker I 687 Diese lehne Repräsentation in Gänze ab und setze an deren Stelle den Konsens aller Bürger. Spätestens in größeren Verbänden nimmt sie nach Barber „bösartige“ Züge an. (3) Der Grund dafür sei, dass Gemeinschaft hier möglicherweise nicht mehr auf freiwilliger Identifikation und geteilten Normen, sondern nur auf Repression und Manipulation basiert. Lösung/Barber: „Starke Demokratie“ (siehe Demokratie/Barber): hier werden Konflikte einem „endlosen Prozess der Beratung, Entscheidung und des Handelns unterworfen“. (4) 1. Benjamin Barber, Strong Democary, Participatory Politics for a New Age, Berkeley CA, 1984, Dt. Benjamin Barber, Starke Demokratie. Über die Teilhabe am Politischen, Hamburg 1994, S. 13. 2. Ebenda S. 138 3. Ebenda S. 144 4. Ebenda S. 147. Michael Haus, „Benjamin Barber, Starke Demokratie“ in: Manfred Brocker (Hg.) Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert. Frankfurt/M. 2018 |
PolBarb I Benjamin Barber The Truth of Power. Intellectual Affairs in the Clinton White House New York 2001 Brocker I Manfred Brocker Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert Frankfurt/M. 2018 |
Postdemokratie | Crouch | Mause I 73f Postdemokratie/Crouch: Die Diskussion über die Postdemokratie resultiert aus der über den Neoliberalismus. >Neoliberalismus. Crouch These: Alle westlichen Demokratien befinden sich im Prozess der Postdemokratisierung. Merkmale der Postdemokratie sind: 1. Die grundlegenden demokratische Institutionen und Prozeduren verlieren an Einfluss.(1) 2. Parteipolitik wird zunehmend inhaltslos. An die Stelle von Inhalten treten personalisierte Wahlkampfstrategien. Die Mittlerfunktion der Parteien würde zunehmend an Meinungsforschungsinstitute übertragen. Das Verhalten der „politischen Klasse“ ähnelt dem von Firmen gegenüber ihren Kunden. 3. Politische Inhalte werden von diesen „Firmen“ bestimmt. Sie entstehen aus dem Zusammenwirken politischer und ökonomischer Akteure. Sie sind nicht mehr primär gemeinwohlorientiert, sondern profitorientiert. (2) 4. Die Bürger werden entmachtet, wenn auch nicht de jure, so doch de facto. Als Resultat dieser Entwicklung wird Politik hinter verschlossenen Türen gemacht. (3) 1. C. Crouch, 2008. Postdemokratie. Frankfurt a. M. 2008, S. 10ff 2. Ebenda S. 63-69 3. Ebenda S. 10. Brocker I 946 Postdemokratie/Crouch/Heidbrink: Crouch übernimmt den Begriff - ohne die Quellen zu nennen - unter anderem von Jacques Rancière (2002)(1), der von einem Verschwinden der Politik durch Verrechtlichung schrieb - und Sheldon S. Wolin (2001)(2) der den politischen Konsumismus und latenten Totalitarismus spätkapitalistischer Schein-Demokratien angeprangerte. Heidbrink: Der Postdemokratie knüpft auch an den Begriff der „Subpolitik“ (U. Beck, 1993) an; verwandte Begriffe sind Neodemokratie und reflexive Demokratie, in denen neue Akteure, Allianzen und Governance-Regime die Weltpolitik mitbestimmen. Crouch These: „paradoxe Situation“: Immer mehr Nationalstaaten beruhen auf demokratischen Institutionen und Verfahren, während gleichzeitig die Handlungsfähigkeit demokratischer Politik abnimmt und die Unzufriedenheit mit ihr wächst. (3) >Demokratie/Crouch. Brocker I 947 Def Postdemokratie/Crouch: bezeichnet ein Gemeinwesen, in dem zwar nach wie vor Wahlen abgehalten werden, Wahlen, die sogar dazu führen, dass Regierungen ihren Abschied nehmen müssen, in dem allerdings konkurrierende Teams professioneller PR-Experten die öffentliche Debatte während der Wahlkämpfe so stark kontrollieren, daß sie zu einem reinen Spektakel verkommt, bei dem man nur über eine Reihe von Problemen diskutiert, die die Experten zuvor ausgewählt haben. Die Mehrheit der Bürger spielt dabei eine passive, schweigende, ja sogar apathische Rolle, sie reagieren nur auf die Signale, die man ihnen gibt. Im Schatten dieser politischen Inszenierung wird die reale Politik hinter verschlossenen Türen gemacht: von gewählten Regierungen und Eliten, die vor allem die Interessen der Wirtschaft vertreten.(4) Problem: Dies für zu einem Niedergang einer egalitaristischen Politik und des wohlfahrtsstaatlichen Korporatismus. Brocker I 949 Ursachen des Phänomens/Crouch: u.a. der Zerfall der sozialen Klassen, insbesondere der Niedergang der Arbeiterklasse und die schwindende Bedeutung der Gewerkschaften. >Politische Parteien/Crouch. Weitere Ursache: Privatisierung staatlicher Aufgaben und Ökonomisieren politischer Prozesse. >Public Private Partnership/Crouch. VsCrouch: siehe StreckVsCrouch: >Regierungspolitik/Crouch. Brocker I 956 HeidbrinkVsCrouch: Crouch schießt weit über das Ziel einer adäquaten Gesellschaftstheorie hinaus. So blendet er die Herausbildung alternativer Politikstile und sozialer Bewegungen aus, in denen es nicht um einen Abbau, sondern um eine Transformation demokratischer Verfahren und Verhältnisse geht. Dies zeigt sich besonders bei der unklaren Rolle der Zivilgesellschaft, die durch mehr bürgerschaftliche Partizipation zu einer Revitalisierung der Demokratie beitragen soll, während ihr zugleich attestiert wird, eigeninteressiert und ohne politisches Ethos zu agieren. Crouch kann sich nicht vorstellen, dass Bürger als Konsumenten von Politikstilen in der Lage sind, eine reflexive Einstellung zu ihrer eigenen Lebenspraxis zu entwickeln und sich trotz materieller Interessen für eine nachhaltige Wirtschafts- und Umweltpolitik zu engagieren, so wie insgesamt der ökologische Wandel der Demokratie nicht weiter thematisiert wird. Brocker I 957 HeidbrinkVsCrouch: seinem Begriff der »Postdemokratie« fehlt ein plausibles normatives Fundament. Crouch denkt und argumentiert in Schablonen und Gegensätzen linker Gemeinwohlpolitik und rechter Marktpolitik, durch die der Blick auf neue Formen der Wohlfahrtsproduktion jenseits der Trias von Staat, Markt und Zivilgesellschaft verstellt wird. 1. Jacques Rancière, Das Unvernehmen. Politik und Philosophie, Frankfurt/M. 2002. 2. .Sheldon S. Wolin, Tocqueville between Two Worlds. The Making of a Political and Theoretical Life, Princeton/Oxford 2001. 3. Colin Crouch, Postdemocrazia, Rom/Bari 2003 (engl.: Oxford 2004). Dt.: Colin Crouch, Postdemokratie, Frankfurt/M. 2008, S. 7 4. Ebenda S. 10 Ludger Heidbrink, „Colin Crouch, Postdemokratie“, in: Manfred Brocker (Hg.) Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert. Frankfurt/M. 2018 |
PolCrouch I Colin Crouch Henry Farrell Breaking the path of institutional development? Alternatives to the new determinism 2004 PolCrouch II Colin Crouch Post-democracy London 2004 Mause I Karsten Mause Christian Müller Klaus Schubert, Politik und Wirtschaft: Ein integratives Kompendium Wiesbaden 2018 Brocker I Manfred Brocker Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert Frankfurt/M. 2018 |
Recht | Hayek | Parisi I 282 Recht/Hayek/Menger: Der Prozess der Regelentwicklung oder -generierung in einem Common Law System basiert auf Versuch und Irrtum (Hayek, 2011/1960(1), S. 122-125). Daher werden zu einem bestimmten Zeitpunkt einige Regeln oder die Anwendung von Regeln einfach falsch sein. Mit anderen Worten: Sie sind reif für eine Revision im weiteren Verlauf des Prozesses. Für Hayek liegt das Hauptaugenmerk auf dem Gesamtsystem. Das System ist oder sollte das primäre Objekt der normativen Bewertung sein. Seine Fehler sind in gewissem Sinne einfach Teil des Prozesses. Menger: Es ist anzumerken, dass Menger die Annahme Hayeks, das Gewohnheitsrecht sei dem Gemeinwohl förderlicher als das gesetzliche Recht, nicht teilte. Er argumentierte: "Denn auch das Gewohnheitsrecht hat sich oft genug als schädlich für das Gemeinwohl erwiesen, und im Gegenteil, die Gesetzgebung hat das Gewohnheitsrecht ebenso oft in einer Weise verändert, die dem Gemeinwohl zugute kam" (1985(2), S. 233). Menger war der Ansicht, dass das Gewohnheitsrecht dem Gemeinwohl dienen kann, ohne dass ein einzelner Geist seine Entwicklung lenkt, was aber nicht der Fall sein muss. 1. Hayek, F. A. (2011/1960). Constitution of Liberty: The Definitive Edition. Chicago: University of Chicago Press. 2. Menger, C. (1985). Investigations Into the Method of the Social Sciences. New York: New York University Press. Rajagopalan, Shruti and Mario J. Rizzo “Austrian Perspectives on Law and Economics.” In: Parisi, Francesco (ed) (2017). The Oxford Handbook of Law and Economics. Vol 1: Methodology and Concepts. NY: Oxford University. |
Hayek I Friedrich A. Hayek The Road to Serfdom: Text and Documents--The Definitive Edition (The Collected Works of F. A. Hayek, Volume 2) Chicago 2007 Parisi I Francesco Parisi (Ed) The Oxford Handbook of Law and Economics: Volume 1: Methodology and Concepts New York 2017 |
Recht | Thomas v. Aquin | Höffe I 147 Recht/Thomas/Höffe: (...) Thomas [unterscheidet] vier rangmäßig angeord- nete Arten. 1. (...) das ewige Gesetz (lex aeterna(1)), der Höffe I 148 Inbegriff aller Vernunftprinzipien, nach denen Gott über die Welt herrscht. 2.(...) der aus der Schöpfungsordnung mittels Vernunft erkennbare Weltplan, das natürliche Gesetz (lex naturali(2)). Gemäß dem Apostel Paulus(3) von Gott dem Menschen «ins Herz geschrieben», bedeutet es eine Teilhabe (participatio) des Gesetzes in uns(4). Zu diesem rangmäßig zweiten, natürlichen Gesetz, das mit dem Anspruch auf überpositive Verbindlichkeit auftritt, gehören die Selbsterhaltung, die Arterhaltung und ein Leben gemäß der Vernunftnatur(5), des Näheren die Verbote von Raub und Beleidigung. 3. (...)das göttliche Gesetz (lex divina(6)) der Offenbarung, das im Alten und im Neuen Testament zu finden ist und von der Kirche ausgelegt wird. 4. (...) das menschliche Gesetz (lex humana(7)), das mit Zwangsmacht auftritt und von der für das Gemeinwesen verantwortlichen Instanz erlassen wird. Die Obrigkeit darf aber nicht willkürlich agieren. Gesetz/Thomas: Es soll dem Wohl des Gemeinwesens dienen und mittels Verboten etwa von Mord und Diebstahl vom Volk Schaden abwenden. Ausnahmen: Wegen des Situationsbezuges können die näheren Bestimmungen unter- schiedlich ausfallen, auch wieder geändert werden. >Billigkeit. Naturrecht: Die Befugnis des Gesetzgebers im Rahmen seiner Leitaufgabe, dem Dienst am Gemeinwohl, situationsgerechte Gesetze zu erlassen, kann man als ein gemäßigtes Naturrechtsdenken und zugleich als gemäßigten Rechtspositivismus ansehen. >Naturrecht. 1. Thomas Summa lIa Ilae, qu. 93 2. Ebenda qu.94 3. Römer 2, 15 4. Summa Iia Iiae qu.96,2 5. Ebenda qu.94,2 6. Ebenda, qu. 91, 5 7. Ebenda, qu. 95. |
Aquin I Thomas von Aquin Über die Herrschaft des Fürsten Stuttgart 1971 |
Regierungspolitik | Mbembe | Brocker I 919 Regierungspolitik/Staat/Afrika/Postkolonialismus/Mbembe/Herb: »Indirekte private Regierung« (2016(1), 126-169): ein weiteres Narrativ in der Krisengeschichte des postkolonialen Afrika. MbembeVsTradition/MbembeVsPolitikwissenschaft: Die politikwissenschaftliche Rede vom failing state verkenne die Dynamik der afrikanischen Verhältnisse. (...) die für westliche Demokratien so fundamentale Trennung von öffentlicher und privater Sphäre in der Postkolonie [wird] gleich mehrfach unterlaufen. »Gouvernement privé indirect«: damit werde die gute Regierung und das Gemeinwohl gleichermaßen ruiniert. Für diese Entwicklung macht Mbembe vor allem die prekäre Lage der afrikanischen Staaten im Welthandel verantwortlich: der Ausschluss Afrikas aus den regulären Weltmärkten zum einen, die Integration in die Kreisläufe der internationalen Parallelwirtschaft zum anderen. Solche Formen von Gehorsam und Herrschaft, die nicht allein auf Willkür und roher Gewalt gründen, benennt Mbembe im Anschluss an Jean-François Bayart als »Politik des Bauches«. Eine solche Politik, die Kontrolle über Menschen Menschen durch die Zuweisung von Gütern und Profiten ausübt, wird mit der Finanzkrise der afrikanischen Staaten obsolet (...). Die zunehmende Privatisierung der öffentlichen Gewalt und ihr Missbrauch für private Zwecke, wie sie für das »gouvernement privé indirect« charakteristisch ist, führen in Staat und Zivilgesellschaft zu ruinösen Konsequenzen: zu einer Schattenwirtschaft, in der staatliche Institutionen wie Polizei, Armee, Zoll und Fiskus um informellen Einfluss ringen, sowie zur Demontage postkolonialer Staatsbürgerschaft. >Bürger/Mbembe. 1. Achille Mbembe, De la postcolonie. Essai sur l’imagination politique dans l’Afrique contemporaine, Paris 2000. Dt.: Achille Mbembe, Postkolonie. Zur politischen Vorstellungskraft im Afrika der Gegenwart, Wien/Berlin 2016 Karlfriedrich Herb, „Achille Mbembe, Postkolonie (2000)“. In: Manfred Brocker (Hg.) Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert. Frankfurt/M. 2018 |
Brocker I Manfred Brocker Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert Frankfurt/M. 2018 |
Republik | Montesquieu | Gaus I 170 Staat/Republikanismus/Dagger: Eine umsichtige Republik wird (...) eine kleine Republik sein. Das jedenfalls war die Schlussfolgerung - oder Vermutung - vieler Republikaner im Laufe der Jahrhunderte. Montesquieu: In einer großen Republik", erklärte Montesquieu in "Der Geist der Gesetze", "wird das Gemeinwohl tausend Überlegungen geopfert; es ist den Ausnahmen untergeordnet; es hängt von Zufällen ab. In einer kleinen Republik ist das Gemeinwohl besser empfunden, besser bekannt, liegt näher bei jedem Bürger; Missbräuche sind weniger umfangreich und folglich weniger geschützt" (1989(1): 124 [Book VII], Kap. 161). Vereinigte Staaten/Dagger: Im späten achtzehnten Jahrhundert war diese Ansicht so weit verbreitet, dass die amerikanischen Autoren des Föderalismus es für notwendig hielten, darauf hinzuweisen, dass Montesquieu auch die Möglichkeit einer "föderalen" oder "konföderalen" (föderalistischen 9) Republik zugelassen hatte. Schon damals drehte sich die Debatte über die vorgeschlagene Verfassung oft um die Frage, ob die Vereinigten Staaten eine "föderale" oder eine "zusammengesetzte" Republik werden würden - d.h. eine Republik, die 13 oder mehr kleinere Republiken umfasst - oder ob sie eine "konsolidierte" Republik werden würden, die ihren republikanischen Charakter nicht lange bewahren konnte. >Staat, >Verfassung/Montesquieu. 1. Montesquieu, C. (1989 Il 7481) The Spirit of the Laws, (hrsg. u. übersetzt v.) A. Cohler, B. Miller and H. Stone. Cambridge: Cambridge University Press. 2. Federalist 9 Dagger, Richard 2004. „Communitarianism and Republicanism“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications |
Monte I Charles-Louis de Secondat, Baron de Montesquieu Vom Geist der Gesetze Stuttgart 2011 Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Republikanismus | Sandel | Gaus I 173 Republikanismus/Sandel/Dagger: Ob "philosophisch" oder "politisch", der Kommunitarismus ist zu vage, um hilfreich zu sein, und zu entgegenkommend, um akzeptabel zu sein. Gemeinschaften nehmen sehr viele Formen an, darunter einige - wie faschistische oder Nazi-Kommunen -, die die Kommunitaristen selbst als ungenießbar oder unerträglich empfinden müssen. Sandel erkennt den Punkt an, wenn er in seiner Rezension von Rawls' Politischem Liberalismus sagt, dass der "Begriff "Kommunitarismus" insofern irreführend ist, als er impliziert, dass Rechte auf den Werten oder Präferenzen beruhen sollten, die in einer bestimmten Gemeinschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt vorherrschen" (1994(1): 1767). Republikanismus/Sandel: Dementsprechend hat er diesen irreführenden Begriff zugunsten von "Republikanismus" aufgegeben. Er hält zwar an seiner Kritik am Liberalismus fest, glaubt aber offenbar, dass er als Republikaner, der sich "einer prägenden Politik verpflichtet fühlt, die in den Bürgern die Qualitäten des Charakters kultiviert, die die Selbstverwaltung erfordert" (1996: 6), besser kritisieren kann als der Kommunitarist, der den vorherrschenden Werten und Präferenzen in einer bestimmten Gemeinschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt verpflichtet ist. Staatsbürgerschaft: Was für den Republikaner zählt, ist nicht die Gemeinschaft an sich, sondern die Gemeinschaft selbstverwalteter, gemeinwohlorientierter Bürger. Vgl. >Republikanismus/Pocock, >Arendt/Dagger, >Politische Philosophie/Wolin. Gaus I 174 Republikanismus/Sandel: (...) die republikanischen Begriffe und Idiome früherer Epochen sprechen immer noch für die aktuellen Anliegen. So versucht Sandel in "Democracy's Discontent"(2) eine "öffentliche Philosophie" für die Vereinigten Staaten zu entwickeln, indem er den Republikanismus der amerikanischen Gründung und die "politische Ökonomie der Staatsbürgerschaft", die das amerikanische Denken über wirtschaftliche Beziehungen bis ins späte neunzehnte Jahrhundert hinein beherrschte, zurückfordert. >Neorepublikanismus/Dagger. 1. Sandel, Michael (1994) 'Political Liberalism'. Harvard Law Review, 107 (May): 1765-94. 2. Sandel, Michael ( 1996) Democracy 's Discontent: America in Search of a Public Philosophy. Dagger, Richard 2004. „Communitarianism and Republicanism“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications |
Sand I Michael Sandel The Procedural Republic and the Unencumbered Self 1984 Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Selbstverwirklichung | Hobhouse | Gaus I 415 Selbstverwirklichung/Hobhouse/Weinstein: Neue Liberale schlossen sich Bosanquet an, indem sie eine moralisierte Theorie von Freiheit und starken Rechten mit einer kommunitaristischen Sozialontologie verbanden. >Freiheit/Bosanquet. Für Green, Ritchie, Hobhouse und Hobson war die moralische Selbstverwirklichung bedingungslos gut. Sich selbst moralisch zu verwirklichen bedeutete, völlig frei zu sein, indem man sowohl 'außerhalb des Bezirks' als auch 'innerhalb des Bezirks' frei war (Green, 1986(1): 234-5). Es bedeutete, die befähigende "positive Kraft oder Fähigkeit zu haben, etwas zu tun ... etwas, das es wert ist, getan zu werden" und tatsächlich "etwas zu tun, ... das es wert ist, getan zu werden" (1986(1): 199). Selbstverwirklichung/Hobhouse: Wie Hobhouse es formulierte, besteht Selbstverwirklichung sowohl in 'sozialer' als auch in 'moralischer' Freiheit. Während die erstere die äußere Harmonie zwischen den Bürgern oder die "Freiheit des Menschen in der Gesellschaft" betrifft, ist die letztere "proportional zur [Selbst-]Harmonie" (Hobhouse, 1949(2): 51, 57).* Selbstverwirklichung/Liberalismus: Auch für die neuen Liberalen förderten die Rechte indirekt die Selbstverwirklichung aller, indem sie es jedem ermöglichten, sich zu entfalten. Und in dem Maße, wie jeder moralisch aufblühte, förderte jeder seinerseits das Gemeinwohl, indem er die Rechte der anderen respektierte. So war für Hobhouse das Gemeinwohl "die Grundlage aller persönlichen Rechte" (1968(3): 198). In den Worten von Green realisieren Rechte unsere moralische Fähigkeit negativ, indem sie "die Behandlung eines Menschen durch einen anderen als ebenso frei mit sich selbst sichern, aber sie realisieren sie nicht positiv, weil ihr Besitz nicht impliziert, dass der Einzelne ein gemeinsames Gut zu seinem eigenen macht" (1986(1): 26). Neuer Liberalismus: Die neuen Liberalen befürworteten jedoch eine robustere Schwelle der Chancengleichheit. Obwohl sie mit Bosanquet darin übereinstimmten, dass der Besitz von Eigentum ein mächtiges Mittel zur "Selbstdarstellung" und damit entscheidend für die erfolgreiche Externalisierung und Verwirklichung unserer selbst sei, legten sie auch fest, dass Privateigentum nur insoweit legitim sei, wenn es nicht Gaus I 416 die Chancengleichheit untergräbt. Hobson: In Hobsons Worten: "Ein Mensch, der nicht ausreichend versorgt ist, ist nicht wirklich frei für Zwecke der Selbstentfaltung", mit gleichberechtigtem und einfachem Zugang zu Land, einem Heim, Kapital und Krediten. Hobson kommt zu dem Schluss, dass, obwohl der Liberalismus kein Staatssozialismus ist, er dennoch in erheblichem Maße "mehr öffentliches Eigentum und Kontrolle über die Industrie" impliziert (1974(4): xii). Neue Liberale haben also den englischen Liberalismus verändert, indem sie die soziale Wohlfahrt und die Rolle des Staates bei ihrer Förderung in den Mittelpunkt rückten. Sie machten aus dem Wohlfahrtsliberalismus eine ausgeklügelte theoretische Alternative.** * Siehe auch Ritchie (1895(5): 430). In Ritchies neuem Liberalismus vermischen sich auf eklektische Weise Utilitarismus, Neo-Hegelianismus und Darwinismus. >Individualismus/Ritchie. ** Idealisten wie Jones und >Collingwood befürworteten in ähnlicher Weise eine energische Ausweitung der Chancengleichheit durch die Regierung. 1. Green, T. H. (1986 [1895]) Lectures on the Principles of Political Obligation and Other Essays, Hrsg. Paul Harris and John Morrow. Cambridge: Cambridge University Press, 194-212. 2. Hobhouse, L. T. (1949 [1922]) The Elements of Social Justice. London: Allen and Unwin. 3. Hobhouse, L. T. (1968 [1911]) Social Evolution and Political Thought. Port Washington: Kennikat. 4. Hobson, J. A. (1974 [1909]) The Crisis of Liberalism. Brighton: Barnes and Noble. 5. Ritchie, D. G. (1895) 'Free-will and responsibility'. International Journal of Ethics, 5: 409-31. Weinstein, David 2004. „English Political Theory in the Nineteenth and Twentieth Century“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications |
Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Souveränität | Internationale Politische Theorie | Gaus I 292 Souveränität/Internationale Politische Theorie/Brown: (...) die mit dem sogenannten Westfälischen System verbundenen 'Souveränitäts'-Normen, (...) unterstützen Begriffe wie nationale Selbstbestimmung und Nichteinmischung und konzentrieren sich auf die Rechte von Staaten und/oder politischen Gemeinschaften (...). Richard Tuck (1999)(1) hat die Art und Weise nachgezeichnet, in der humanistische, römische und republikanische Vorstellungen von Politik mit dem mittelalterlichen, scholastischen Universalismus im 16. und 17. wetteiferten. Wie Friedrich Kratochwil (1995)(2) argumentiert hat, lässt sich der Ursprung des westfälischen Souveränitätsbegriffs am besten im Sinne der erfolgreichen Durchsetzung des römischen Herrschaftsbegriffs durch die Herrscher des siebzehnten Jahrhunderts in Bezug auf ihre Territorien verstehen. Ursprünglich waren Souveräne - mit ein oder zwei geringfügigen Ausnahmen - tatsächliche Individuen, aber mit dem Aufkommen des Nationalismus im 19. Jahrhundert passte sich das System an die Idee der Volkssouveränität an, mit den gleichen Rechten und Privilegien, die dem souveränen Volk zugewiesen wurden, wie sie von Königen und Fürsten beansprucht wurden. Selbstbestimmung/Nichteinmischung: Mehr noch, die Doktrin der Volkssouveränität wurde mit dem Recht auf nationale Selbstbestimmung verbunden, was zwar anfänglich multinationalen Reichen gegenüber subversiv war, letztlich aber die Norm der Nichteinmischung stärkte, indem der nationalen Autonomie ein moralischer Status zugewiesen wurde. Damit wurden die westfälischen Normen festgelegt, die durch die Entwicklung eines Menschenrechtsregimes nach 1945 in Frage gestellt wurden (...). Westfälische Ordnung/Brown: Warum sollten Staaten im Gegensatz zu Individuen als normativer Schwerpunkt des Systems angenommen werden? Theoretiker der 'internationalen Gesellschaft' bieten zwei gegensätzliche Begründungen an: a) dass westfälische Normen Pluralismus, die Koexistenz konkurrierender Vorstellungen vom Guten, zulassen; und, b) Umgekehrt und aus solidarischer Sicht sind Staaten in der Formulierung von Hedley Bull "lokale Agenten des Gemeinwohls" (1984(3): 14; Wheeler, 1992(4)). Ad a) Die erste dieser Ideen wird heute am besten durch Terry Nardins (1983)(5) und Oakeshotts Darstellung der internationalen Gesellschaft als "praktische Vereinigung" - das internationale Äquivalent zu Oakeshotts (1975)(6) "Bürgervereinigung" - repräsentiert. Staaten sind den Praktiken des konventionellen Völkerrechts und der Diplomatie verpflichtet, weil sie keine gemeinsamen Projekte haben; sie wollen einfach unter Bedingungen des Friedens und der (Verfahrens-)Gerechtigkeit koexistieren. Nichteinmischung: Die Norm der Nichteinmischung schützt die Fähigkeit von Staaten, anders zu sein, ihren eigenen Sinn für das Gute zu entwickeln. Diese Position ist streng genommen nicht antiuniversalistisch, weil sie für alle Staaten gilt, aber sie steht in klarem Gegensatz zum substantiellen Universalismus des internationalen Menschenrechtsregimes. Zum Teil aus diesem Grund hat sich Nardin (1989)(7) in letzter Zeit etwas von seinen früheren Arbeiten distanziert, aber letztere gelten nach wie vor als die beste Verteidigung der derzeit verfügbaren konventionellen westfälischen Normen. >Internationale Politische Theorie/Brown. Utilitarismus: Die Vorstellung, dass Staaten lokale Akteure des Gemeinwohls sind, lässt sich in einfachen, utilitaristischen Begriffen ausdrücken: Ein Gemeinwohl kann zwar identifiziert werden, aber die Welt ist einfach zu groß und komplex, um eine globale Regierung zu ermöglichen, und die Interessen aller werden von einer Vielzahl von Regierungen wahrgenommen. Vs: Eine solche Position verlangt jedoch nicht, dass Staaten souverän sind, im Gegensatz z.B. zur Mitgliedschaft in einer globalen Föderation. Souveränität/Hegel: Eine bessere Verteidigung der staatlichen Souveränität in dieser Hinsicht könnte hegelianisch sein: Die Rechte des Einzelnen werden tatsächlich vom Staat festgelegt, und daher steht die Souveränität des letzteren nicht im Widerspruch zu den Rechten des ersteren. Mervyn Frost (1996)(8) liefert eine moderne Version dieses Arguments. >Souveränität/Walzer, >Völkerrecht/Internationale Politische Theorie. 1. Tuck, R. (1999) The Rights ofWar and Peace. Cambridge: Cambridge University Press. 2. Kratochwil, F. (1995) 'Sovereignty as dominion: is there a right of humanitarian intervention?' In G. Lyons and M. Mastanduno, Hrsg., Beyond Westphalia? Baltimore: Johns Hopkins University Press, 21-42. 3. Bull, H. (1984) Justice in International Relations: The Hagey Lectures. Waterloo, ON: University of Waterloo. 4. Wheeler, N. J. (1992) 'Pluralist and solidarist conceptions of international society: Bull and Vincent on humanltarian intervention'. Millennium: Journal of International Studies, 21: 463-87. 5. Nardin, T. (1983) Law, Morality and the Relations of States. Princeton, NJ: Princeton University Press. 6. Oakeshott, M. (1975) On Human Conduct. Oxford: Clarendon. 7. Nardin, T. (1989) 'The problem of relativism in international ethics'. Millennium: Journal of International Studies, 18: 140-61. 8. Frost, M. (1996) Ethics in International Relations. Cambridge: Cambridge University Press. Brown, Chris 2004. „Political Theory and International Relations“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications |
Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Staat | Hegel | Mause I 47 Staat/Gesellschaft/Hegel: Hegel rekonstruiert das Verhältnis der sozialen Ordnung des Marktes zur politischen Ordnung des konstitutionell-monarchischen Staates im Rahmen einer Theorie moderner „Sittlichkeit“(1), die er anhand der drei institutionalisierten Sozialisations- und Handlungssphären der „Familie“, der „bürgerlichen Gesellschaft“ und des „Staates“ beschreibt.(2) I 48 Bürgerliche Gesellschaft/Hegel: diese bezeichnet Hegel als „Not- und Verstandesstaat“ (3), den er vom „Staat“ als „Wirklichkeit der sittlichen Idee“ (4), also vom ‚Staat‘ des dritten Sittlichkeits-Abschnitts, unterscheidet.(5) HegelVsRousseau: Hegel rekonstruiert den monarchisch-konstitutionellen Staat als überindividuellen sittlichen Kommunikations- und Sinnzusammenhang zu rekonstruieren und damit das republikanische Primat der Politik über die Wirtschaft. MarxVsHegel, Staat/Marx. Brocker I 794 Staat/Hegel/HonnethVsHegel/Honneth: Anstatt die sittliche Sphäre des Staates als ein intersubjektives Verhältnis reziproker Anerkennungsakte zu begreifen (siehe Intersubjektivität/Hegel), behandelt Hegel in seinen späteren Schriften den Staat so, als sei dieser eine vor aller Interaktion immer schon bestehende Entität. Konsequenterweise seien es nur mehr die vertikal gedachten Beziehungen, die die Individuen „zur übergeordneten Instanz des Staates“ als „der Verkörperung des Geistes“ unterhalten, „die in seinem Ansatz unversehens die Rolle übernehmen, die in einem anerkennungstheoretischen Konzept der Sittlichkeit doch eigentlich bestimmte, höchst anspruchsvolle Formen der wechselseitigen Anerkennung hätten spielen müssen“. (6) Lösung/HonnethVsHegel: daraus ergibt sich die Aufgabe, Hegels spekulative Kategorien durch erfahrungswissenschaftliche Konzepte zu ersetzen und damit Brocker I 795 „empirisch kontrollierbar“ zu machen. (7) Hans-Jörg Sigwart, „Axel Honneth, Kampf um Anerkennung“, in: Manfred Brocker (Hg.) Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert. Frankfurt/M. 2018 1. G. W. F. Hegel Grundlinien der Philosophie des Rechts oder Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse. Werke 7, Hrsg. Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel, Frankfurt a. M. 1989, S. 292. 2. Ebenda S. 307. 3. Ebenda S. 340 4. Ebenda S. 389 5. Vgl. K. Löwith, Von Hegel zu Nietzsche. Der revolutionäre Bruch im Denken des neunzehnten Jahrhunderts, Hamburg 1986, S 261-264. 6. Axel Honneth, Kampf um Anerkennung. Zur moralischen Grammatik sozialer Konflikte, mit einem neuen Nachwort, Frankfurt/M. 2014 (zuerst 1992) S. 98 7. Ebenda S. 150 - - - Höffe I 331 Staat/Hegel/Höffe: Hegel entwickelt sein System des politischen Denkens, die Rechts- und Staatsphilosophie, vor dem Hintergrund seines mittlerweile ausgebauten philosophischen Systems.(1) HegelVsKant: Gegen die - angeblich bei Kant drohende - Gefahr einer rein gedachten Höffe I 332 Konstruktion normativer Ansprüche wird der Gegenstandsbereich der Rechts- und Staatsphilosophie erheblich erweitert. Statt sich mit einer normativen Theorie, einer apriorischen Rechts- und Gerechtigkeitstheorie zu begnügen, kommt es Hegel auch auf die motivationalen, gesellschaftlichen und vor allem institutionellen Faktoren an (...). Philosophische Rechtsphilosophie/Hegel: „(...) hat die Idee des Rechts, (...) den Begriff des Rechts und dessen Verwirklichung zum Gegenstande“.(2) Staat: (...) [ist das] „sittliche Universum“, [das es] als etwas Vernünftiges zu begreifen gilt. Freiheit: Das rechts- und staatstheoretische Leitprinzip bildet der freie Wille. Von ihm will Hegel zeigen, wie er unter der Bedingung der Moderne, einer Epoche der Entfremdung, nach und nach seine volle, die Entfremdung aufhebende Wirklichkeit erreicht. >Freiheit/Hegel, >Sittlichkeit/Hegel. Höffe I 336 Den Höhepunkt der Sittlichkeit, ihre Synthese, zugleich den Gipfel von Hegels gesamter Rechtsphilosophie, bildet als «vermitteltes Bei-sich» der Staat, der jetzt weit mehr als lediglich ein Not- und Verstandesstaat ist. Als ein Gemeinwesen im wörtlichen Sinn ist er die für das Gemeinwohl zuständige öffentliche Institution, die «Wirklichkeit der sittlichen Idee». Weil in ihr die Freiheit ihre vollendete Gestalt erlangt, ist es für den Menschen nicht «etwas Beliebiges», sondern «höchste Pflicht», also erneut ein kategorischer Imperativ, Mitglied eines Staates zu sein. [Dies ist eine] moderne, nämlich nicht mehr eudaimonie-, sondern freiheitsbasierte Weise (...). Erst im Zusammenleben von Freien und Gleichen kann [der Mensch] nämlich beide, sowohl seine Vernunftnatur als auch seine auf Recht und Gerechtigkeit hin angelegte Natur, vollenden. >Gesellschaft/Hegel. Höffe I 337 Vom abstrakten Recht über die Moralität entwickelt sich die «ldee des an und für sich freien Willens» schließlich zur Einheit und Wahrheit beider Momente. In ihr, der Sittlichkeit, wiederum schreitet Hegel vom natürlichen Geist, der «Familie», über das Stadium der Entzweiung, die «bürgerliche Gesellschaft», zur objektiven Freiheit, dem „Staat“ voran. Innerhalb des Abschnitts «Der Staat» jedoch kommt es überraschenderweise statt zu einer weiteren Stufung jetzt zu einem Rückschritt. Denn der Gegensatz zum freien Willen, die vollen Rechtsverhältnisse und das sittliche Ganze, wird schon auf der ersten Stufe, dem «inneren Staatsrecht», erreicht. Auf der zweiten Stufe dagegen, dem «äußeren Staatsrecht», wird das sittliche Ganze der Zufälligkeit ausgesetzt. Und der letzte Abschnitt wird hinsichtlich des freien Willens ambivalent bestimmt. 1. G.W.F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts oder Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundriss, 1820 2. Ebenda § 1 |
Mause I Karsten Mause Christian Müller Klaus Schubert, Politik und Wirtschaft: Ein integratives Kompendium Wiesbaden 2018 Brocker I Manfred Brocker Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert Frankfurt/M. 2018 |
Staat | Machiavelli | Höffe I 198 Staat/Machiavelli/Höffe: [Machiavelli geht es um die] Grundfrage, wie man in einer feindlichen Umwelt die politische Macht erwerben, bewahren und zu Größe steigern kann. Der „Fürst“(1) behandelt sie im Blick auf einen Alleinherrscher, die Erörterungen(2) im Blick auf eine Republik, - für Machiavelli selbstverständlich die seiner Heimatstadt Florenz. Als Vorbild dient ihm die frühe (Adels-)Republik Rom, wie sie Titus Livius (59 v. Chr.—17 n. Chr.) in den ersten zehn Büchern, der ersten Dekade, seiner Geschichte Roms beschreibt. Machiavelli empfiehlt drei Mittel: die Ausübung der Religion, die Wahrung der Bürgertugend und die periodische Erneuerung der Republik durch Rückführung auf ihre Anfänge. Zwecke: [Machiavelli] verpflichtet (...) das Gemeinwesen auf drei Zwecke: auf Freiheit (libertå) der Bürger, auf Größe (grandezza) und auf das Gemeinwohl (bene commune). >Gemeinwohl, >Freiheit, >Herrschaft/Machiavelli, >Macht/Machivelli. Republik/Fürstenherrschaft/Machiavelli/Höffe: [Machiavelli arbeitete an beiden Schriften zur gleichen Zeit. Eine Präferenz für eine der beiden Staatsformen kann man daher nicht erkennen.] >Republik. Höffe I 199 Höffe: These: Um sich unter beiden Randbedingungen, einer fürstlichen und einer republikanischen Herrschaft, die Rückkehr in ein politisches Amt offenzuhalten, setzt Machiavelli beiden Verfassungen ein politisches Denkmal. In seinem Innersten dürfte der humanistisch gebildete Machiavelli jedoch die Republik bevorzugt haben. Republik: [Machiavelli] sieht etwa in der Uneinigkeit zwischen dem römischen Volk und dem Senat einen Beitrag zur Freiheit und zur Macht der Republik(3). Er hält es für nötig, gegen Bürger, die die Freiheit gefährden, Anklage erheben zu können(4). Religion: Machiavelli betont das Gewicht der Religion, die jedoch - hier im Gegensatz zu dem nirgendwo erwähnten Augustinus - durch die Schuld der römischen Kirche verloren ging, mit der Folge, dass das Land zerfiel(5). Kriege: Sowohl Fürsten als auch Republikaner, die keine eigene Kriegsmacht haben, sind zu tadeln. Strafrecht: Wohlgeordnete Republiken setzen Belohnungen und Strafen fest, erlauben aber nie, dass ein Bürger, nur weil er sich große Verdienste erworben hat, für ein Verbrechen nicht bestraft werde(6). >Strafen. Demokratie: Auch schwache Republiken treffen ihre Entschlüsse mehr aus Not als aus eigener Wahl(7). Ferner gilt die Menge als weiser und beständiger denn ein Fürst(8). >Demokratie. 1. Machiavelli, Il Principe 2. Machiavelli, Discorsi sopra la prima deca di Tito Livio 3. Discorsi, I, Kap. 4 4. Ebenda I , Kap 3 5. Ebenda I , Kap 12 6. Ebenda I , Kap 24 7. Ebenda I , Kap 38 8. Ebenda I , Kap 58 |
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Staat | Morus | Höffe I 204 Staat/Morus/Höffe: Geld/Privateigentum/Morus: Weil die «Utopier» die Gerechtigkeit als strenge Gleichheit verstehen, haben sie kein Privateigentum und brauchen kein Geld. Genau deshalb, erwartet Morus, leben sie in Eintracht, sorgen sich ernsthaft um das Gemeinwohl und gibt es weder Arme noch Bettler. Auf Utopia betreibt man Landwirtschaft und übt Handwerke aus. >Geld, >Eigentum, >Gerechtigkeit. Wissenschaft/Erziehung/Morus: Man bietet in öffentlichen Vorträgen jedem Bewohner Bildung an. Und ohne eine Kenntnis von der antiken Wissenschaft zu haben, ist man in Musik, Dialektik und Mathematik zu den etwa gleichen Einsichten gelangt. >Wissenschaft, >Erziehung. Universalismus: Darin tritt ein der Aufklärung vorgreifendes, universalistisches Verständnis von Wissenschaft zutage: (...) Wissenschaftliche Gehalte sind kulturen- und epochenübergreifend dieselben. >Universalismus. Religion: Auch in der Religion verlässt man sich auf die allgemeine Menschenvernunft und pflegt (...) religiöse Toleranz. >Toleranz, >Kultur, >Kulturelle Überlieferung, >Religion. Recht/Gesetze: Die Familien sind zwar patriarchalisch strukturiert, die Behörden werden aber streng demokratisch gewählt. Überdies weist Morus sein eigenes Metier, die Jurisprudenz, in enge Schranken, denn auf Utopia gibt es nur wenige, zudem leicht auszulegende Gesetze. >Familie, >Utopien, vgl. >Utopismus. |
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Staat | Neue Politische Ökonomie | Mause I 412f Staat/Neue Politische Ökonomie/Public Choice: Folgt man der Neuen Politischen Ökonomie (Frey und Kirchgässner 2002 (1); Mueller 2003 (2); bezogen auf die Umweltpolitik Kollmann und Schneider 2010 (3)), handelt es sich bei dem Staat um keine übergeordnete politische Instanz, die allein auf die Verfolgung von Gemeinwohlinteressen ausgelegt ist. Vielmehr wird davon ausgegangen, dass der Staat in einem „Gestrüpp von Interessengegensätzen“ (4) verfangen ist. Dabei wird grundsätzlich ein eigennütziges Verhalten der Politiker unterstellt, wobei die jeweiligen (kurzfristigen) Wiederwahlchancen eine zentrale Handlungsrestriktion darstellen. Zugleich wird von sich myopisch verhaltenden Wählern ausgegangen, d. h. diese sind über politische Maßnahmen nur unvollständig informiert und orientieren sich in erster Linie an den für sie unmittelbar erkennbaren kurzfristigen Wirkungen. >Umweltpolitik/Neue Politische Ökonomie. 1. Frey, Bruno S., und Gebhard Kirchgässner. 2002. Demokratische Wirtschaftspolitik, 3. Aufl. München 2002. 2. Mueller, Dennis C.,Public choice III: A revised edition of public choice. Cambridge 2003 3. Kollmann, Andrea, und Friedrich Schneider. 2010. Why does environmental policy in representative democracies tend to be inadequate? A preliminary public choice analysis. CESifo working paper series, Bd. 3223. München: CESifo. 4. Alfred Endress, Umweltökonomie, Stuttgart 2000. |
Mause I Karsten Mause Christian Müller Klaus Schubert, Politik und Wirtschaft: Ein integratives Kompendium Wiesbaden 2018 |
Staat | Republikanismus | Gaus I 170 Staat/Republikanismus/Dagger: Eine umsichtige Republik wird (...) eine kleine Republik sein. Das jedenfalls war die Schlussfolgerung - oder Vermutung - vieler Republikaner im Laufe der Jahrhunderte. Montesquieu: In einer großen Republik", erklärte Montesquieu in "Der Geist der Gesetze", "wird das Gemeinwohl tausend Überlegungen geopfert; es ist den Ausnahmen untergeordnet; es hängt von Zufällen ab. In einer kleinen Republik ist das Gemeinwohl besser empfunden, besser bekannt, liegt näher bei jedem Bürger; Missbräuche sind weniger umfangreich und folglich weniger geschützt" (1989(1): 124 Book VIII, Kap. 161). Vereinigte Staaten/Dagger: Im späten achtzehnten Jahrhundert war diese Ansicht so weit verbreitet, dass die amerikanischen Autoren des Föderalismus es für notwendig hielten, darauf hinzuweisen, dass Montesquieu auch die Möglichkeit einer "föderalen" oder "konföderalen" Republik (Federalist 9)(2) zugelassen hatte. Schon damals drehte sich die Debatte über die vorgeschlagene Verfassung oft um die Frage, ob die Vereinigten Staaten eine "föderale" oder eine "zusammengesetzte" Republik werden würden - d.h. eine Republik, die 13 oder mehr kleinere Republiken umfasst - oder ob sie eine "konsolidierte" Republik werden würden, die ihren republikanischen Charakter nicht lange bewahren konnte. Vs: Einige Gelehrte haben Meinungsverschiedenheiten über die richtige Größe einer Republik als einen Weg aufgefasst, auf dem die modernen Republikaner vom Weg des klassischen Republikanismus abgewichen sind. Nach dieser Ansicht (Pangle, 1988(3); Rahe, 1992(4); Zuckert, 1994(5)) sahen die wirklich klassischen Republikaner des alten Griechenlands bürgerliche Tugend als wünschenswert an, weil sie die Polis, in der die höchsten Tugenden kultiviert werden konnten, schützte und bewahrte (....). VsVs: Im Gegensatz dazu sind moderne Republikaner, die von Machiavelli abstammen, bereit, eine repräsentative Regierung und große Gemeinwesen zu akzeptieren, weil sie eine Tugendvorstellung haben, die Handel und Erwerbsstreben zulässt, und weil ihnen die natürlichen Rechte am Herzen liegen. >Republik/Politische Theorien. 1. Montesquieu, C. (1989 Il 7481) The Spirit of the Laws, (hrsg. und übersetzt v.). A. Cohler, B. Miller and H. Stone. Cambridge: Cambridge University Press. 2. Federalist 9 3. Pangle, Thomas (1988) The Spirit of Modern Republicanism: The Moral Vision of the American Founders and the Philosophy of Locke. Chicago: University of Chicago Press. 4. Rahe, Paul (1992) Republics Ancient and Modern: Classical Republicanism and the American Revolution. Chapel Hill, NC: University of North Carolina Press. 5. Zuckert, Michael (1994) Natural Rights and the New Republicanism. Princeton, NJ: Princeton University Press. Dagger, Richard 2004. „Communitarianism and Republicanism“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications |
Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Terminologien | Bostrom | I 259 CEV/Terminologie/Bostrom: Ethik/Moral/Superintelligenz/Yudkowsky: Yudkowsky hat vorgeschlagen, einer Ausgangs-KI das Endziel zu geben, den "kohärenten extrapolierten Willen" (CEV) der Menschheit zu verwirklichen, den er wie folgt definiert: CEV/Yudkowsky: Unser "kohärentes extrapoliertes Wollen" ist unser Wunsch, wenn wir mehr wüssten, schneller dächten, mehr die Menschen wären, die wir gerne wären, wenn wir enger zusammen aufgewachsen wären; wo die Extrapolation unserer Wünsche konvergiert statt zu divergieren, wo unsere Wünsche kohärent sind statt sich zu stören; wenn sie extrapoliert werden, wie wir es wünschen, dass sie extrapoliert werden, dass sie interpretiert werden, wie wir es wünschen, dass sie interpretiert werden. I 266 Moralische Richtigkeit/MR/Bostrom: (...) eine KI mit dem Ziel aufzubauen, das moralisch Richtige zu tun, wobei man sich auf die überlegenen kognitiven Fähigkeiten der KI stützt, um herauszufinden, welche Handlungen genau auf diese Beschreibung passen. I 268 MP: Nehmen Sie unter den Handlungen, die für die KI moralisch zulässig sind, eine, die der CEV der Menschheit vorziehen würde. Wenn jedoch ein Teil dieser Anweisung keine genau spezifizierte Bedeutung hat, oder wenn wir über ihre Bedeutung radikal im Unklaren sind, oder wenn der moralische Realismus falsch ist, oder wenn wir bei der Schaffung einer KI mit diesem Ziel moralisch unzulässig gehandelt haben, dann sollten wir eine kontrollierte Abschaltung vornehmen. I 312 Def Gemeinwohlprinzip/Bostrom: Superintelligenz sollte nur zum Wohle der gesamten Menschheit und im Dienste weit verbreiteter ethischer Ideale entwickelt werden. >Normen/Superintelligenz/Bostrom, >Ethik/Superintelligenz/Bostrom. |
Bostrom I Nick Bostrom Superintelligence. Paths, Dangers, Strategies Oxford: Oxford University Press 2017 |
Umweltpolitik | Neue Politische Ökonomie | Mause I 413 Umweltpolitik/Neue Politische Ökonomie/Public Choice: da die Neue Politische Ökonomie annimmt, dass für das Handeln von Politikern die jeweiligen (kurzfristigen) Wiederwahlchancen eine zentrale Handlungsrestriktion darstellen, können in der Umweltpolitik gut informierte und einflussreiche politische Akteure oder Gruppen – abweichend vom Gemeinwohl – die Wahl umweltpolitischer Strategien gemäß ihren spezifischen Präferenzen (mit) gestalten oder auch blockieren (Döring und Pahl 2003, S. 94) (1), wie dies bereits von Olson (1965) (2) in seinen Überlegungen zur „Logik des kollektiven Handelns“ grundlegend ausgeführt wurde. Partikularinteressen relativ kleiner und finanziell gut ausgestatteter Interessengruppen werden daher höhere Durchsetzungschancen haben. Problem: heterogene Gruppen wie z.B. Steuerzahler, Konsumenten und Umweltaktivisten unterliegen damit einer Asymmetrie in Bezug auf Einfluss. Siehe auch Staat/Neue Politische Ökonomie. Vgl. > href="https://www.philosophie-wissenschaft-kontroversen.de/gesamtliste_wirtschaft_politik.php?thema=Emissionsrechte">Emissionsrechte, >Emissionsminderung, >Emissionsziele, >Emissionen, >Emissionsrechtehandel, >Klimawandel, >Klimaschäden, >Energiepolitik, >Klimadaten, >Klimageschichte, >Klimagerechtigkeit, >Klimaperioden, >Klimaschutz, >Klimaziele, >Klimafolgenforschung, >CO2-Preis, >CO2-Preis-Koordinierung, >CO2-Preis-Strategien, >CO2-Steuer, >CO2-Steuer-Strategien. 1. Thomas Döring & Thilo Pahl. Kooperative Lösungen in der Umweltpolitik – eine ökonomische Sicht. In Kooperative Umweltpolitik, Hrsg. Bernd Hansjürgens, Wolfgang Köck und Georg Kneer, 89– 112. Baden-Baden 2003. 2. Mancur Olson, The logic of collective action: Public goods and the theory of groups. Cambridge 1965. |
Mause I Karsten Mause Christian Müller Klaus Schubert, Politik und Wirtschaft: Ein integratives Kompendium Wiesbaden 2018 |
Utilitarismus | Mill | Höffe I 348 Utilitarismus/Mill/Höffe: Def Utilitarismus/Mill(1): (...) die Ansicht, die Grundlage der Moral bilde das größte Glück, wobei das Glück im Begriff von Lust bzw. Freude (pleasure) und dem Freisein von Unlust bzw. Leid zu verstehen ist. Weil «Lust» im Griechischen hédoné heißt, handelt es sich um einen Hedonismus. >Hedonismus. MillVsBentham: Im Vergleich zu Mills Vorbild, Bentham, fällt auf, dass der zweite Teil dessen utilitaristischen Prinzips «die größte Zahl», für die das «größte Glück» zu suchen ist, hier fehlt. >Utilitarismus/Bentham, >J. Bentham. Freiheit/MillVsBentham: Für Mill als leidenschaftlichen Anwalt individueller Freiheit ist dieses Defizit kaum ein Zufall. >Freiheit. Im Text taucht zwar später die Formel «Glück aller Betroffenen» doch auf, allerdings ohne Benthams zweifache Maximierung: «größtes» Glück der «größten» Zahl. Wegen dieses Defizits setzt sich Mill nicht mit Benthams Vorschlag und dessen erheblichen Schwierigkeiten auseinander, das gesuchte Kollektivwohl mit einem einfachen Verfahren, einem «hedonischen Kalkül» (hedonic calculus), zu berechnen. MillVsBentham: 1) Die erste und bedeutsamste Veränderung, der qualitative Hedonismus, tritt dem gegen Bentham erhobenen Vorwurf entgegen, der Utilitarismus sei eine Ethik für Genussmenschen. Der britische Schriftsteller und Historiker Thomas Carlyle hatte ihn zum Einwand zugespitzt, der Utilitarismus sei eine Philosophie für Schweine (pig philosophy). Bentham: Nach Benthams provokativem Aphorismus, bei gleicher Qualität der Lust sei ein anspruchsloses Kinderspiel so gut wie Poesie, zählen die qualitativen Unterschiede zwischen den verschiedenen Anlässen und Arten von Freude ausdrücklich nicht. Höffe I 349 Mill: Gegen diesen vulgarisierten Hedonismus vertritt Mill die pointierte Gegenthese, es sei besser, ein unzufriedener Sokrates als ein zufriedenes Schwein zu sein. Er betont den unterschiedlichen Rang der Freuden, die man genießen kann, und zugleich den Vorrang wissenschaftlicher, künstlerischer und humanitärer Tätigkeiten. 2) (...) beim Versuch, das utilitaristische Prinzip zu beweisen, lehnt Mill zu Recht die Möglichkeit eines direkten Beweises ab. Denn wahrhafte Prinzipien sind schlechthin erste Sätze, die sich genau deshalb nicht beweisen lassen. >Theorie/Mill. Lösung/Mill: a) Den Kern bildet der Ausdruck «wünschens- und begehrenswert» (desirable), der zwei Bedeutungen hat. In einem empirisch-psychologischen Sinn bezeichnet er das, was die Menschen tatsächlich für wünschens- und begehrenswert halten, in einem normativ-ethischen Sinn, was sie so einschätzen sollen. Naturalistischer Fehlschluss/HöffeVsMIll: Interpretiert man Mills sogenannten Beweis als logische Ableitung der ethischen Bedeutung von desirable aus der empirischen Bedeutung, so liegt offensichtlich ein Sein-Sollen-Fehlschluss vor. VsVs: Da aber Mill in seinem Höffe I 350 System der Logik, dessen letztem Kapitel, deutlich zwischen Sein und Sollen unterscheidet, kann man den sogenannten Beweis wohlwollend auch so interpretieren: Eine erfahrungsoffene Ethik versteht das Wünschenswerte im Sinne von jenen aufgeklärten Menschen, die die unterschiedlichen Freuden kennen und die in humaner Sicht höherrangigen vorziehen. Vgl. >Präferenzutilitarismus. 3) Ist Gerechtigkeit mit dem Utilitarismus vereinbar? Mill erkennt hier die Existenz eines natürlichen Gerechtigkeitsgefühls an, hält dieses aber nicht für ein ursprüngliches, sondern abgeleitetes Gefühl. Um diese These zu verteidigen, unterscheidet er verschiedene Ansichten von Gerechtigkeit, beispielsweise das Gebot, gesetzlich verbürgte Rechte einer Person zu achten, jedem das, was er verdient, zu geben, ferner die Gedanken der Unparteilichkeit und der Gleichheit. Er erkennt dann die traditionelle Unterscheidung von vollkommenen (Gerechtigkeits-) und unvollkommenen (Wohltätigkeits-)Pflichten an. Schließlich behauptet er, ein Recht zu haben bedeute, etwas zu haben, das die Gesellschaft aus keinem anderen Grund als der allgemeinen Nützlichkeit (general utility) schützen sollte. Gemeinwohl/Mill/Höffe: In diesem Argument steckt entweder die These, zwischen dem Kollektivwohl, der allgemeinen Nützlichkeit, und den Rechten einer Person könne es keine Konflikte geben, Oder die Behauptung, im Konfliktfall habe das Kollektivwohl Vorrang vor subjektiven Rechten wie den Grund- und Menschenrechten. HöffeVsMill: Auch wenn es dem Kollektivwohl dient, darf man das Recht eines Unschuldigen, nicht bestraft zu werden, Oder das Recht eines Verdächtigen, nicht gefoltert zu werden, auf keinen Fall verletzen. >Gemeinwohl. 1. J.St. Mill, Utilitarianism 1861 |
Mill I John St. Mill Von Namen, aus: A System of Logic, London 1843 In Eigennamen, Ursula Wolf Frankfurt/M. 1993 Mill II J. St. Mill Utilitarianism: 1st (First) Edition Oxford 1998 |
Utopie | Morus | Höffe I 203 Utopie/Morus/Höffe: (...)Morus [beginnt] mit einer Kritik an Englands sozialen Höffe I 204 und politischen Missständen. Das erste Buch handelt über die vielen Kriege, über das mitleidlos harte Strafrecht, die wachsende Steuerlast, die Verelendung des (Klein-)Bürger- und Bauernstandes und die zum Teil darauf zurückgehende Zunahme der Kriminalität. >Krieg. Staatswesen/Morus: (...) [Morus‘] Entwurf eines vorbildlichen, nicht nur wohlgeordneten, sondern auch wohlhabenden Gemeinwesens entlehnt zwar einige Gedanken von Aristoteles, Epikur und besonders Platon. Als ein Ganzes ist der Entwurf aber neu. Beispielsweise überträgt Morus eine Regelung, die Platon nur für die politische Führungselite vorschlägt, auf die gesamte Bürgerschaft: Geld/Privateigentum/Morus: Weil die «Utopier» die Gerechtigkeit als strenge Gleichheit verstehen, haben sie kein Privateigentum und brauchen kein Geld. Genau deshalb, erwartet Morus, leben sie in Eintracht, sorgen sich ernsthaft um das Gemeinwohl und gibt es weder Arme noch Bettler. >Geld, >Eigentum, >Gerechtigkeit. Erziehung/Bildung: Auf Utopia betreibt man Landwirtschaft und übt Handwerke aus. Man bietet in öffentlichen Vorträgen jedem Bewohner Bildung an. Und ohne eine Kenntnis von der antiken Wissenschaft zu haben, ist man in Musik, Dialektik und Mathematik zu den etwa gleichen Einsichten gelangt. >Bildung, >Bildungspolitik. Wissenschaft/Wissen/Universalismus: Darin tritt ein der Aufklärung vorgreifendes, universalistisches Verständnis von Wissenschaft zutage: (...) Wissenschaftliche Gehalte sind kulturen- und epochenübergreifend dieselben. >Wissenschaft, >Universalismus, vgl. >Utopismus. |
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Verfassung | Aristoteles | Höffe I 63 Verfassung/Aristoteles/Höffe: Die Verfassung griechischer Gemeinwesen war in hohem Maß instabil, weshalb Aristoteles über die Gründe für Stabilität und Instabilität nachdenkt. Das dafür einschlägige Buch V(1), die erste systematische Behandlung dieses Themenfeldes, enthält einen hohen Anteil an historischer Analyse. Höffe: Das dargebotene geschichtliche Material dient freilich primär der Illustration von kausalen Gesetzmäßigkeiten, weshalb gewisse Einseitigkeiten unvermeidlich sind. Sie schränken den historischen Quellenwert der Untersuchung aber nicht wesentlich ein, nicht unbedenklich ist jedoch Aristoteles’ Neigung zu antithetischen Schemata. Gemischte Verfassung: Buch VI erörtert die Etablierung von Demokratien und Oligarchien. Gegen die Tendenz, ihre jeweils radikalste Gestalt einzurichten, empfiehlt Aristoteles ein Korrektiv, das als «gemischte Verfassung» einflussreich werden wird: eine den jeweiligen Verhältnissen angepasste Kombination von institutionellen Elementen verschiedener oligarchischer und demokratischer Verfassungen. Gemeinwohl: (...) der Begriff bleibt eigentümlich blass. Erst aus dem Bild, das Aristoteles am Schluss, in den Büchern VII bis VIII, von einer idealen Höffe I 64 Polis, einer «Polis nach Wunsch», zeichnet, gewinnt der Begriff an Kontur. An erster Stelle steht die Landesverteidigung bzw. die militärische Sicherheit. >Politik/Aristoteles, >Gemeinschaft/Aristoteles, >Ordnung/Aristoteles. Handel/Wirtschaft: Als Nächstes sind Handelsbeziehungen wichtig, danach die Aufteilung des Ackerlandes. >Wirtschaft/Aristoteles. Eigentum: Aristoteles schlägt eine «gemischte Eigentumsordnung» vor, mit der er sowohl eine vollständige Verstaatlichung von Grund und Boden als auch einen rein privaten Grundbesitz ablehnt. Für die öffentlichen Aufgaben, die heute über die Steuern finanziert werden, damals für die Kulthandlungen und die gemeinsamen Mahlzeiten, soll es einen Gemeinbesitz (Staatsland) geben, der «Rest» soll Privatbesitz werden. Dabei erhält jeder Bürger sowohl aus Gründen der Gerechtigkeit als auch, um Einmütigkeit gegen feindliche Nachbarn zu erzielen, zwei Parzellen, eine zur Landesgrenze hin und eine im Landesinneren. Höffe I 67 Aristoteles’ Lehre von drei guten und drei entarteten Staatsformen (...) findet (...) sich schon in Platons Politikos(2) (...), [sie] wird zu einem Grundmuster politischen Denkens aufsteigen: Als geglückt und gut gilt eine Verfassung, die dem Gemeinwohl dient, als schlecht oder entartet jene, die die Interessen der Herrschenden verfolgt(3). Je nachdem, ob einer, ob wenige oder ob alle regieren, stehen auf der positiven Seite die Monarchie bzw. das Königtum, die Aristokratie und die Politie, der Verfassungsstaat als Bürgerstaat von Freien und Gleichen. A. Je nach der Art der Bürgerschaft kann eine monarchische, aristokratische oder Politie-Verfassung naturgemäß sein. B. Die schlechten bzw. entarteten hingegen sind «wider die Natur»(4): die Tyrannis, die den Interessen des Alleinherrschers dient, die Oligarchie, die sich um die Interessen der Wenigen (oligoi) und Wohlhabenden sorgt, daher auch Plutokratie, Herrschaft der Reichen, heißt, und die Demokratie, die sich auf die Interessen des Demos, der sich an keine Gesetze bindenden Menge der Armen, konzentriert. Aristokratie: schließt Bauern, Lohnarbeiter, Handwerker und Kaufleute mit dem Argument aus dem Kreis der Bürger aus, dass sie ein unedles Leben führen, statt sich jener Muße (scholê) zu widmen, ohne die man keine Tugend ausbilden und politisch handeln könne.(5) Im Hintergrund steht die Unterscheidung zwischen einer dem Lebensnotwendigen unterworfenen Lebensform und einem den Notwendigkeiten enthobenen, insofern freien Leben. >Demokratie/Aristoteles. Höffe I 68 Gottesstaat/Aristoteles: Nicht zuletzt lehnt Aristoteles drei Verfassungsformen ab, gegen die sich auch die heutige Demokratie als Alternative versteht: Herrschaften von Gottes Gnaden, von einer überlegenen Macht oder von überlegener Geburt. Da er überdies eine Mischverfassung favorisiert, die oligarchische mit demokratischen Elementen verbindet, sie aufs Gemeinwohl verpflichtet und die wichtigen Entscheidungen von der Volksversammlung treffen lässt, kann Aristoteles im heutigen Sinn als weitgehend demokratisch gelten. ((s) Aber vgl. >Ungleichheit/Aristoteles.) 1. Arist., Politika 2. Platon, Politikos 291c ff 3. Arist., Politika III 7 4. III 17, 1287b37 ff. 5. VII 9, 1328b38 ff. |
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Verfassung | Cicero | Höffe I 81 Verfassung/Staat/Cicero/Höffe: [Cicero] folgt der von den Griechen bekannten Gliederung in drei gelungene, weil dem Gemeinwohl dienende, und drei entartete, weil aufs Herrscherwohl fixierte Formen(1). In der Monarchie (regnum), heißt es später, kommt es auf die Fürsorge (caritas) für die Untertanen, in der Aristokratie (civitas optimatium) auf die Einsicht und den Rat der Besten, in der Demokratie (civitas popularis) auf die Freiheit des Volkes an. Probleme: Die Monarchie schließt nämlich alle Untertanen von der Beratung aus, die Aristokratie räumt der großen Menge zu wenig Freiheit ein, und die Demokratie lässt wegen ihrer Gleichberechtigung keine Abstufung nach Maßgabe der Würde zu. Überdies sind die drei geglückten Staatsformen zu wenig gegen Instabilität gerüstet, weshalb sie leicht in die drei entarteten Formen umschlagen: die Monarchie in Tyrannis, die Aristokratie in Oligarchie und die Demokratie in die Herrschaft einer zügellosen Menge. Diese drei Entartungen verdienen mangels einer Rechtsgemeinschaft Rechtsgemeinschaft nicht den Titel eines Gemeinwesens, sie können überhaupt nicht als res publica gelten. Höffe I 86 Die drei in der klassischen Verfassungstheorie als illegitim geltenden Staatsformen – die Tyrannis, die Oligarchie und die Demokratie qua Willkürherrschaft der Menge – gelten nicht als Verfallsformen von Staatlichkeit. Sie sind keine schlechten Staaten, sondern Un-staaten, sie sind «überhaupt kein Staat»(2). Ein wahrhaftes Gemeinwesen hat vier Bedingungen zu erfüllen, von denen die ersten zwei Gerechtigkeitscharakter haben und die letzten zwei sich auf eine (staats-)bürgerliche Freundschaft belaufen: (1) Das Volk darf nicht unterdrückt werden; es müssen bestehen: (2) eine Rechtsgemeinschaft, (3) ein Einverständnis im Volk und (4) eine Verbundenheit der Gemeinschaft. >Staat, >Demokratie, >Republik, >Gemeinschaft, >Gesellschaft. >Recht. 1. De re publica I 42–45 2. III 45 |
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Verfassung | Thomas v. Aquin | Höffe I 150 Verfassung/Thomas/Höffe: Gemeinschaft: im Verhältnis zur Familie und Gemeinde gilt die größere Einheit, der Staat, als die vollkommene Gemeinschaft, als communitas perfecta (2). In ihr ist die Gesetzgebung samt Verfassung Sache des Volkes oder der Person, die für das politische Leitziel, das Gemeinwohl, zu sorgen hat. Alttestamentatrische Verfassung: Auf die Frage, ob «das Alte Testament in richtiger Weise über die Herrschaft im alten Israel bestimmt hat», gibt Thomas die zu erwartende Antwort, Gott habe den Israeliten die «allerbeste Verfassung» (optima ordinatio) vorgegeben (la Ilae qu. 105). Mischverfassung: Sie besteht in der von Aristoteles, aber nicht nur von ihm schon bekannten Mischverfassung. Hier ist sie gemischt aus dem Königtum, bei dem die oberste Leitung liegt, aus einer Aristokratie, den gemäß ihrer Tugend ausgewählten 72 Ältesten, und aus der Demokratie, da die Führungspersonen aus dem Volk (ex popularibus) und vom Volk gewählt werden. Durch diese Mischung sollen die Rechte des königlichen Herrschers beschnitten, insbesondere soll durch den Rat der Ältesten die Herrschaft vor dem Abgleiten in eine Tyrannis geschützt werden. >Tyrannei. 1. Summa la Ilae qu. 90, 3 2. Ebenda qu. 105 |
Aquin I Thomas von Aquin Über die Herrschaft des Fürsten Stuttgart 1971 |
Verhalten | Surowiecki | I 97 Verhalten/Entscheidungsfindung/Entscheidung/Surowiecki: Soll die Entscheidungsfindung eines Unternehmens oder einer Volkswirtschaft optimiert werden, sollte man bewerkstelligen, dass die Entscheidungen nahezu gleichzeitig getroffen werden und nicht eine nach der anderen. ((Surowiecki I 93) >Informationskaskaden: Wenn das Verhalten anderer bloß nachgeahmt wird, leidet das Gemeinwohl der Gruppe. >Entscheidungen, >Entscheidungstheorie, >Gemeinwohl, >Gemeinschaft. |
Surowi I James Surowiecki Die Weisheit der Vielen: Warum Gruppen klüger sind als Einzelne und wie wir das kollektive Wissen für unser wirtschaftliches, soziales und politisches Handeln nutzen können München 2005 |
Verwaltung | Politische Theorien | Gaus I 160 Verwaltung/politische Theorien/Bohman: A. Neuere Formen der politischen Autorität wie Expertise und Medien scheinen außerhalb des potenziell diskursiv angelegten Rechtsstaates zu operieren und sind weniger offen für diskursive Einflussnahme. Verwaltungsinstitutionen handeln im Interesse des Gemeinwohls, ein Gebrauch öffentlicher Macht, der durch gesetzgeberische Mandate autorisiert ist, um bestimmte Ziele zu erreichen. Tradition: Aus diesem Grund sehen die Philosophen von Locke bis Hegel und Weber die Verwalter nur mit "neutralen" Mitteln/Endgründen beschäftigt, eine Notwendigkeit für die Ausübung effektiver politischer Macht. >J. Locke, >G.W.F. Hegel, >M. Weber, >Macht, >Gesellschaft, >Staat, >Macht/Locke, >Staat/Locke, >Herrschaft, >Gesellschaft/Hegel, >Staat/Hegel. FoucaultVsTradition: Foucault und andere haben die Art und Weise analysiert, in der diese Macht zum Teil mit diskursiven Mitteln ausgeübt wird, in der Art und Weise, wie Menschen und Dinge in einer "symbolischen Ordnung" benannt, klassifiziert und diszipliniert werden (Foucault, 1977(1); Bourdieu, 1991(2); Flyvbjerg, 1998(3)). >M. Foucault, >P. Bourdieu. Soziologie: Auch Sozialwissenschaftler erkennen seit langem das unklare Verhältnis zwischen Demokratie und Bürokratie: Weber sah, dass Demokratie dazu beiträgt, mehr Bürokratie zu produzieren, auch wenn Bürokratie dazu neigt, die Demokratie zu untergraben, da erstere zu einer effizienten "sozialen Maschine" werden (Weber, 1946(4); Hummel, 1994(5)), die nur indirekt für deliberativen Einfluss offen ist. >Bürokratie, >Bürokratie/Weber. B. Beratende Planung: Die Alternative besteht darin, deliberative Mechanismen und die Interaktion mit der Öffentlichkeit in den Entwurf der Verwaltungsinstitutionen selbst einzubringen. Diese Art des Entwurfs hat die Form der "deliberativen Planung" angenommen (Fischer und Förster, 1994(6); Förster, 1993(7)). >Institutionen/Diskurstheorien, >Verwaltung/Diskurstheorien. >Deliberative Demokratie. 1. Foucault, Michel (1977) Discipline and Punish. New York: Vantage. 2. Bourdieu, Pierre (1991) Language and Symbolic Power. Cambridge: Polity. 3. Flyvbjerg, Bent (1998) Rationality and Power. Chicago: University of Chicago Press. 4. Weber, Max (1946) From Max Weber, eds, H. H. Gerth and C. Wright Mills. Oxford: Oxford University Press. 5. Hummel, R. P. (1994) The Bureaucratic Experience: A Critique of Life in the Modern Organization. New York: St Martin's. 6. Fischer, Frank and John Forester, eds (1994) The Argumentative Turn in Policy Analysis and Planning. Durham, NC: Duke University Press. 7. Forester, John (1993) Critical Theory, Public Policy, and Planning Practice. Albany, NY: State University of New York Press. Bohman, James 2004. „Discourse Theory“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications |
Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Volonté Générale | Rousseau | Höffe I 277 Volonté Générale/Rousseau/Höffe: Der Kerngedanke von Rousseaus Gesellschaftsvertrag (1) besteht in einem kollektiv gemeinsamen Willen, dem Gemeinwillen (volonté générale). Zustande kommt er, sobald sich mehrere Menschen vereint als eine einzige Körperschaft mit einem einzigen Willen betrachten. Im Unterschied zum «distributiv» gemeinsamen Willen, der Summe der individuellen Privatinteressen und Einzelabsichten, dem veränderlichen Willen aller (volonté des tous), ist Rousseaus Gemeinwille seinem Wesen nach «immer gleichbleibend, unveränderlich und rein». Gemeinwohl: Da [der Gemeinwille] auf das Wohl des Ganzen ausgerichtet ist, sowohl auf die gemeinsame Erhaltung als auch auf das allgemeine Wohlergehen, kommt ihm gegenüber dem (partikularen) Willen der Einzelnen stets und ohne Einschränkung der normative Vorrang zu. Das Gemeinwohl geht auf den Willen der Betroffenen zurück. Höffe: Frage: Wie stellt man diesen Willen fest? [Rousseau] votiert (...) für eine empirische Lesart des Gemeinwillens. Vgl. >Menschenrechte/Rousseau, >Parlamentarismus/Rousseau. 1. Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag oder Grundsätze des Staatsrechts (Du contrat social ou Principes du droit politique, 1762 |
Rousseau I J. J. Rousseau The Confessions 1953 |
Wohlfahrtsstaat | Politische Theorien | Gaus I 210 Wohlfahrtsstaat/Politische Philosophie/Moon: Einige der Programme des Wohlfahrtsstaates, wie z.B. öffentliche Schulen und Altersrenten, wurden erstmals im 19. Jahrhundert entwickelt, aber das, was man den "institutionellen" Wohlfahrtsstaat nennen könnte, entstand erst nach dem Ersten Weltkrieg, als die meisten demokratischen Länder eine mehr oder weniger integrierte Palette von Programmen der Wohlfahrtsversorgung und der Politik der Wirtschaftsverwaltung einführten. Der institutionelle Wohlfahrtsstaat zeichnet sich durch eine Reihe von Programmen aus, die darauf ausgerichtet sind, unterschiedliche Bedürfnisse zu befriedigen und Sicherheit gegen verschiedene Eventualitäten zu bieten. >Institutionen, >Institutionalismus, >Bildung, >Bildungspolitik, >Gemeinwohl. Brian Barry: Zumindest als Ideal, wie Brian Barry (1990)(1) hervorhebt, würde der institutionelle Wohlfahrtsstaat nicht einmal ein allgemeines Sicherheitsnetz erfordern, da spezialisierte Programme all die verschiedenen Bedingungen abdecken würden, die Menschen daran hindern, ihre Bedürfnisse zu befriedigen. In Wirklichkeit wird es natürlich immer einige geben, die zwischen die Risse fallen, und deshalb muss der Wohlfahrtsstaat über ein Programm der "Sozialhilfe" verfügen, um die verbleibenden Fälle abzudecken. Die Entstehung des institutionellen Wohlfahrtsstaates spiegelt sich in dem enormen Wachstum der Staatsausgaben zur Finanzierung seiner Programme wider, sowohl in absoluten Zahlen als auch im Verhältnis zum Volkseinkommen. Im Vereinigten Königreich zum Beispiel stiegen die Sozialausgaben von weniger als 6 Prozent des BSP im Jahr 1920 auf 25 Prozent im Zeitraum 1996-7 (Barr, 1998(2): 171). Politische Theorien zum Wohlfahrtsstaat: Studien über den Wohlfahrtsstaat haben eine Vielzahl von Klassifikationen von Wohlfahrtsregimen angeboten und sind sich nicht einmal darüber einig, ob bestimmte Länder (insbesondere die USA) überhaupt als Wohlfahrtsstaaten gelten. Einige Studien der Wohlfahrtspolitik betonen den Unterschied zwischen selektiven und universellen Wohlfahrtsstaaten (z.B. Rothstein, 1998)(3); andere unterscheiden liberale, korporatistische und sozialdemokratische Regime (z.B. Esping- Andersen, 1990)(4); wieder andere unterscheiden zwischen sozialdemokratischen und christdemokratischen, liberalen und Lohnempfänger-Wohlfahrtsstaaten (Huber und Stephens, 2001)(5). Eher philosophisch orientierte Theoretiker stellen den Wohlfahrtsstaat in den Kontext unterschiedlicher politischer Denktraditionen und unterschiedlicher Ideale und/oder Rechtfertigungsmuster. So diskutieren einige den Minimalstaat und die Argumente für und gegen ihn (z.B. Nozick, 1974(6); Schmidtz und Goodin, 1998(7)); andere betrachten den "Rest"- gegenüber dem "institutionellen" Wohlfahrtsstaat (z.B. Barry, 1999)(8); wieder andere finden vier verschiedene Stränge, Laissez-faire, Feminismus, Sozialismus und Fabianismus (Clarke, Cochrane und Smart, 1987(9)). Während die meisten anerkennen, dass Klasse ein Hauptanliegen des Wohlfahrtsstaates ist, sehen immer mehr Theoretiker, dass das Geschlecht mindestens ebenso wichtig ist (Gordon, 1990(10); Fraser, 1997(11)). Vgl. >Minimalstaat. Moon: Als politische Formation neigt der Wohlfahrtsstaat dazu, Theoretiker zu spalten, die in anderer Hinsicht die gleiche Ansicht Gaus I 211 der Politik vertreten. So gehören zu den Verteidigern und Kritikern des Wohlfahrtsstaates auch Menschen, die sich (unter anderem) als Konservative, Liberale, Kommunitaristen, Sozialisten und Postmodernisten identifizieren, und so finden sich sowohl seine Kritiker als auch seine Verteidiger mit seltsamen Verbündeten und Gegnern. >Liberalismus, >Kommunitarismus, >Sozialismus, >Postmoderne. Gemeinsame Merkmale: Trotz der oben erwähnten großen Variabilität weisen Wohlfahrtsstaaten wichtige gemeinsame Merkmale auf; vier der wichtigsten sind ein demokratisches politisches System, eine weitgehend private Marktwirtschaft, eine breite Palette öffentlicher Programme, die von Rechts wegen monetäre Unterstützung oder Dienstleistungen bereitstellen, und eine aktive Rolle des Staates bei der Steuerung der Wirtschaft, um den Konjunkturzyklus zu dämpfen und wirtschaftliche Aktivitäten zu regulieren. Effizienz: (...) viele Wohlfahrtsleistungen werden durch Markttransaktionen erbracht, wie z.B. der Kauf von Lebens- oder Krankenversicherungen. Warum also sollte der Staat an der Bereitstellung von Wohlfahrt beteiligt sein, entweder direkt in Form spezifischer Dienstleistungen (wie Gesundheitsversorgung oder Bildung) oder in Form von Ressourcen oder Einkommen, um die Menschen in die Lage zu versetzen, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen? Schließlich beinhalten Regierungsprogramme sowohl ein Element des Zwangs als auch der Uniformität. Gaus I 212 Markt: Als Alternative zur staatlichen Bereitstellung wird häufig der Markt angesehen, auf dem gewinnorientierte Unternehmen den Verbrauchern Waren und Dienstleistungen anbieten. Dies ist jedoch eine zu starke Vereinfachung, da auch Familien und freiwillige Vereinigungen eine Schlüsselrolle spielen. >Märkte. Private Vorsorge: Der Aufstieg des Wohlfahrtsstaates mit seinen Pflichtprogrammen hat zum Niedergang vieler dieser freiwilligen Vereinigungen und privaten Unternehmen geführt, die die Autonomie der Bürger einschränken und ihnen Uniformität auferlegen. Je umfangreicher der Wohlfahrtsstaat ist, desto mehr hat er andere Wohlfahrtsinstitutionen verdrängt.* Effizienz: Ein Grund für die Substitution der privaten durch die staatliche Bereitstellung ist, dass die staatliche Bereitstellung (entweder von Dienstleistungen oder von Ressourcen) manchmal effektiver sein kann als die private, entweder weil sie Dienstleistungen oder Ressourcen billiger bereitstellen kann oder weil die private Bereitstellung nicht in der Lage ist, ein optimales (oder auch nur adäquates) Niveau an Dienstleistungen zu bieten. Für Probleme: siehe >Marktversagen, >Öffentliche Güter. Für einen minimalen Wohlfahrtsstaat: >Wohlfahrtsstaat/Friedmann. Gaus I 214 Verteilungsgerechtigkeit: Eine zweite Argumentationslinie, die den Wohlfahrtsstaat unterstützt, appelliert eher an die Idee der Gerechtigkeit als an die der Effizienz. Die Politik des Wohlfahrtsstaates ermöglicht es dem Einzelnen nicht nur, seine eigenen Interessen effektiver zu verwirklichen, sondern generell eine Umverteilung der Einkommen. Effizienzargumente gehen in der Regel von den Ergebnissen des Marktaustauschs vor der staatlichen Besteuerung und den Transfers aus und zeigen, dass eine bestimmte Politik zumindest im Prinzip alle Menschen besser stellen kann, als ihnen diese Ausgangslage geboten würde. Aber in dem Maße, in dem Wohlfahrtspolitiken Einkommen bewusst umverteilen, wären diejenigen, deren Einkommen sinkt, normalerweise (wenn auch nicht notwendigerweise) schlechter dran; eine solche Politik ließe sich dann nur unter Berufung auf andere Werte als Effizienz rechtfertigen. >Verteilungsgerechtigkeit/Wohlfahrtsökonomik. VsEffizienz-basierte Ansätze: (...) Die Berufung auf Effizienz ist insofern problematisch, als die als selbstverständlich angenommene Vorsteuer-/Vorüberweisung-Basislinie gerechtfertigt werden muss. Wenn wir unser Leben als Ganzes betrachten, gibt es einige Risiken, denen wir uns gegenübersehen und die durch keine Form der privaten Vorsorge abgedeckt werden können, weil sie die Bedingungen widerspiegeln, in die wir hineingeboren werden, wie z.B. angeborene Behinderungen, genetische Veranlagungen für bestimmte Krankheiten und die kulturellen und wirtschaftlichen Nachteile, die die Eltern erleiden können. >Verteilungsgerechtigkeit/Wohlfahrtsökonomik. * Siehe Paul (1997)(12), insbesondere die Artikel von Beito, Davies und die darin zitierten Referenzen für eine Darstellung nichtstaatlicher Formen der Wohlfahrt. 1. Barry, Brian (1990) 'The welfare state versus the relief of poverty'. Ethics, 100 (June): 503-29. 2. Barr, Nicholas (1998) The Economics of the Welfare State, 3rd Ed. Stanford, CA: Stanford University Press. 3. Rothstein, Bo (1998) Just Institutions Matter. Cambridge: Cambridge University Press. 4. Esping-Andersen, Gosta (1990) Three Worlds of Welfare Capitalism. Princeton, NJ: Princeton Umversity Press. 5. Huber, Evelyne and John D. Stephens (2001) Development and Crisis of the Welfare State. Chicago: University of Chicago Press. 6. Nozick, Robert (1974) Anarchy, State, and Utopia. Oxford: Blackwell. 7. Schmidtz, David and Robert Goodin (1998) Social Welfare and Individual Responsibility. Cambridge: Cambridge Umversity Press. 8. Barry, Norman (1999) Welfare, 2nd Ed. Minneapolis: University of Minnesota Press. 9. Clarke, John, Allan Cochrane and Carol Smart (1987) Ideologies of Welfare. London: Hutchinson. 10. Gordon, Linda, ed. (1990), Women, State, and Welfare. Madison, WI: University of Wisconsin Press. 11. Fraser, Nancy (1997) Justice Interruptus. New York: Routledge. 12. Paul, Ellen, ed. (1997) The Welfare State. Cambridge: Cambridge Umversity Press. Moon, J. Donald 2004. „The Political Theory of the Welfare State“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications Mause I 579ff Wohlfahrtsstaat/Politische Theorien: Angesichts der empirischen Vielfalt der Ausgestaltung des Wohlfahrtsstaates in den verschiedenen Ländern muss man davon ausgehen, dass man es im konkreten Fall eines untersuchten Landes mit einem Mischsystem zu tun hat. Der Begriff Wohlfahrtsstaat wird als konservativ kritisiert. (Schmidt 2005)(1). Zur Aufteilung in Systemtypen siehe Esping-Andersen 1990(2) und 1999(3). Mause I 581 Geschichte des Wohlfahrtsstaats: der älteste Strang der vergleichenden Wohlfahrtsforschung gebrauchte sozialökonomische Schlüsselgrößen wie Stand der wirtschaftlichen Entwicklung, die Verbreitung der Beschäftigten im nichtagrarischen Sektor („Arbeitnehmerquote“) und weitere Begriffe der makrosoziologischen Modernisierung. (Zöllner 1963 (4); Wilensky 1975 (5). Funktionalistische Erklärungen: hier geht es u.a. um Diffusion sozialpolitischer Effekte über territoriale Grenzen, z.B. soziales Lernen (Hall 1993) (6). Garbage-Can-Theorie: hier geht es um das kontingente Zusammenspiel politischer Prozesse, ein Beispiel ist der Multiple Streams-Ansatz. (Kingdon 1984)(7). Neuere Ansätze stellten dagegen Begriffe wie Macht, Konflikt und Instiitutionen in den Mittelpunkt und untersuchten Entscheidungsprozesse. Parteiendifferenzthese/Hibbs: (Hibbs 1977) (8): die parteipolitische Zusammensetzung von Regierungen schlägt sich signifikant in international und historisch variablen Niveaus von Sozialausgaben nieder. (Castles 1982 (9); Schmidt 2005) 1. Manfred G. Schmidt, Sozialpolitik in Deutschland. Historische Entwicklung und internationaler Vergleich, Wiesbaden 2005 2. Esping-Andersen, Gøsta. 1990. The three worlds of welfare capitalism. Princeton 1990. 3. Esping-Andersen, Gøsta. Social foundations of postindustrial economies. Oxford 1999. 4. Zöllner, Detlev. Öffentliche Sozialleistungen und wirtschaftliche Entwicklung. Ein zeitlicher und internationaler Vergleich. Berlin 1963. 5. Wilensky, Harold L. 1975. The welfare state and equality. Structural and ideological roots of public expenditures. Berkeley 1975. 6. Peter A. Hall, 1993. Policy paradigms, social learning, and the state. The case of economic policymaking in Britain. Comparative Politics 25( 3): 275– 296. 7. Kingdon, John W., Agendas, alternatives, and public policies. Boston/ Toronto 1984. 8. Hibbs, Douglas A. 1977. Political parties and macroeconomic policy. American Political Science Review 71: 1467– 1487. 9. Castles, Francis G. The impact of parties on public expenditure. In The impact of parties: Politics and policies in democratic capitalist states, Hrsg. Francis G. Castles, 21– 96. London 1982. |
Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 Mause I Karsten Mause Christian Müller Klaus Schubert, Politik und Wirtschaft: Ein integratives Kompendium Wiesbaden 2018 |
Zivilgesellschaft | Giddens | Brocker I 872 Zivilgesellschaft/Giddens: Die Zivilgesellschaft soll aus der Erneuerung und gesellschaftsweiten Verbreitung lokaler selbstorganisierter Initiativen von Bürgern entstehen, die sich aus eigenem Antrieb zusammenschließen, um in wichtigen Lebensbereichen auf selbstbestimmte Weise Aufgaben zu erfüllen, die zugleich dem Gemeinwohl dienen und ihnen selbst nützen. >Gesellschaft, >Gemeinschaft, >Staat. Die Palette der Handlungsfelder für dieses zivilgesellschaftliche Engagement ist äußerst breit und wird in einem eigenen Schaubild detailliert herausgestellt: »Förderung des gemeinnützigen Sektors« (etwa in der Sozialhilfe), »Schutz der lokalen Öffentlichkeit« (im ökologischen Sinne und im Hinblick auf die öffentliche Sicherheit), »Belebung des Gemeinschaftslebens« (als prophylaktische Verbrechensbekämpfung) und »die demokratische Familie«.(1) >Familie. Brocker I 873 Aus einem dezidierten Gegensatz zum Staat versuchte die Zivilgesellschaft dort geradezu, einige für die Bürger wichtige Funktionen, etwa in den Bereichen Bildung und Öffentlichkeit, an sich zu reißen. Im Ergebnis kann die Zivilgesellschaft sehr viele der öffentlichen Funktionen selbst erfüllen, wenn sie erst einmal mobilisiert ist. >Dritter Weg/Giddens. 1. Anthony Giddens, Der dritte Weg. Die Erneuerung der sozialen Demokratie, Frankfurt/M. 1999, S. 96. Thomas Meyer, „Anthony Giddens, Der dritte Weg“ in: Manfred Brocker (Hg.) Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert. Frankfurt/M. 2018 |
Brocker I Manfred Brocker Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert Frankfurt/M. 2018 |
Zivilgesellschaft | Pettit | Brocker I 859 Zivilgesellschaft/Pettit: Anders und konkreter als Rawls hat Pettit Kräfte vor Augen, die eine wetteifernde Demokratie einfordern und befördern. Pettit erkennt sie in der »Zivilgesellschaft«. Das sind für ihn »extrafamilial, infrapolitical association[s]«.(1) Vgl. >J. Rawls, >Demokratie, >Gesellschaft/Rawls. Das republikanische Anliegen bleibt also auf die Unterstützung durch politisch sensible, dem Gemeinwohl verpflichtete und mit einer Vorstellung vom »guten Regieren« ausgestattete Individuen und Gruppen angewiesen. Zivilgesellschaft/PettitVsTradition: Gegenüber traditionellen Theorien, die vielfach die politisch-erzieherische Funktion in den Vordergrund gestellt hatten, die durch politische Teilhabe aus Individuen staatstragende Bürgerinnen und Bürger formt, indem sie deren Interesse und Sensibilität für die Brocker I 860 gemeinsamen politischen Belange fördert und sie zur Partizipation ermutigt, sieht Pettit keinen Aufklärungsbedarf darüber, wie diese Sensibilisierung für das Gemeinwohl akquiriert und geschult werden kann. >Partizipation, >Gemeinwohl. Die zivilgesellschaftlichen Potentiale setzt Pettit schlicht voraus. Als Lösung zaubert Pettit einen neuen Begriff hervor: „Unberührbare Hand“/„intangible Hand“/Terminologie/Pettit: Eine nicht materialisierbare Kraft, die aus der Bürgerschaft selbst hervorkommt und dazu beiträgt, dass eine kritische öffentliche Aufmerksamkeit zustande kommt, die dazu anregt, das politische Geschehen skeptisch zu beobachten und im richtigen Moment den demokratischen Einspruch gegen ein freiheitsberaubendes staatliches Handeln zu reklamieren.(2) SellersVsPettit: Es bleibt die frage, woher die Kräfte stammen, die erst zu einer auf ein Imaginiertes Gemeinwohl ausgerichteten Verfassungsordnung führen.(3) 1. Philip Pettit, Republicanism. A Theory of Freedom and Government, Oxford 1997, S. 242 2. Ebenda S. 254. 3. Mortimer Sellers, »The Republican Manifesto«, in: Santa Clara Law Review 39/1,1998, S. 365. Emanuel Richter, „Philip Pettit, Republicanism“, in: Manfred Brocker (Hg.) Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert. Frankfurt/M. 2018 |
Pett I Ph. Pettit Just Freedom: A Moral Compass for a Complex World New York 2014 Brocker I Manfred Brocker Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert Frankfurt/M. 2018 |