Lexikon der Argumente


Philosophische Themen und wissenschaftliche Debatten
 
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Einheit Historismus Gadamer I 212
Einheit/Geschichte/Historismus/Gadamer: Wenn die Wirklichkeit der Geschichte als Spiel der Kräfte gedacht ist, so genügt dieser Gedanke offenkundig nicht, ihre Einheit notwendig zu machen. Auch was Herder und Humboldt leitete, das Ideal des Reichtums an Erscheinungen des Menschlichen, begründet als solches keine wahre Einheit. Es muss etwas sein, was sich in der Kontinuität des Geschehens als ein richtunggebendes Ziel herausstellt. In der Tat, die Stelle, die in den geschichtsphilosophischen Eschatologien religiösen Ursprungs und in ihren säkularisierten Abwandlungen besetzt ist, ist hier zunächst leer(1). Keine Vormeinung über den Sinn der Geschichte soll ja die Erforschung derselben voreinnehmen. Gleichwohl ist die selbstverständliche Voraussetzung ihrer Erforschung, daß sie eine Einheit bildet. So kann Droysen ausdrücklich den Gedanken der weltgeschichtlichen Einheit selber - wenn auch gerade keine inhaltliche Vorstellung von dem Plan der Vorsehung - als eine regulative Idee anerkennen. Indessen liegt in diesem Postulat eine weitere Voraussetzung eingeschlossen, die es inhaltlich bestimmt. Die Idee der Einheit der Weltgeschichte schließt die ununterbrochene Kontinuität der weltgeschichtlichen Entwicklung ein. Auch diese Idee der Kontinuität ist zunächst formaler Natur und impliziert keinen konkreten Inhalt. Auch sie ist wie ein Apriori der Forschung, das zu immer tieferem Eindringen in die Verflechtung des weltgeschichtlichen Zusammenhanges einlädt.
Insofern ist es nur als eine methodologische Naivität Rankes zu beurteilen, wenn er von der „bewundernswerten Stetigkeit“ der geschichtlichen Entwicklung spricht(2). Was er in Wahrheit damit meint, ist gar nicht diese Struktur der Stetigkeit selbst, sondern das Inhaltliche, was sich in dieser stetigen Entwicklung herausbildet. >Einheit/Ranke, >Kontinuität/Ranke.
Gadamer I 214
HistorismusVsHegel: (...) die historische Schule vermochte Hegels Begründung der Einheit der Weltgeschichte durch den Begriff des Geistes nicht zu akzeptieren. Dass sich im vollendeten Selbstbewusstsein der geschichtlichen Gegenwart der Weg des Geistes zu sich selber vollendet, welcher den Sinn der Geschichte ausmacht - das ist eine eschatologische Selbstdeutung, die im Grunde die Geschichte im spekulativen Begriff aufhebt. Die historische Schule sah sich statt dessen in ein theologisches Verständnis ihrer selbst gedrängt. Wenn sie ihr eigenes Wesen, sich als fortschreitende Forschung zu denken, nicht aufheben wollte, musste sie die eigene endliche und begrenzte Erkenntnis auf einen göttlichen Geist beziehen, dem die Dinge in ihrer Vollendung bekannt sind.
Ranke/Gadamer: Es ist das alte Ideal des unendlichen Verstehens, das hier selbst noch auf die Erkenntnis der Geschichte angewandt wird. So schreibt Ranke: »Die Gottheit - wenn ich diese Bemerkung wagen darf - denke ich mir so, dass sie, da ja keine Zeit vor ihr liegt, die ganze historische Menschheit in ihrer Gesamtheit überschaut und überall gleich wert findet.«(3)
Gadamer: Hier ist die Idee des unendlichen Verstandes (intellectus infinitus), für den alles zugleich ist (omnia simul), zum Urbild historischer Gerechtigkeit umgeformt. Ihm kommt der Historiker nahe, der alle Epochen und alle geschichtlichen Erscheinungen vor Gott gleichberechtigt weiß. So stellt das Bewusstsein des Historikers die Vollendung des menschlichen Selbstbewusstseins
dar. Je mehr es ihm gelingt, den eigenen unzerstörbaren Wert einer jeden Erscheinung zu erkennen, und das heißt: historisch zu denken, desto gottähnlicher denkt er(4). Ranke hat eben deshalb das Amt des Historikers mit dem priesterlichen verglichen. „Unmittelbarkeit zu Gott“ ist für den Lutheraner Ranke der eigentliche Inhalt der christlichen Botschaft.

1. Vgl. K. Löwith, Weltgeschichte und Heilsgeschehen (Stuttgart 1953), und meinen
Artikel „Geschichtsphilosophie“ in RGG3.
2. Ranke, Weltgeschichte IX, 2 Xlll.
3. Ranke, Weltgeschichte IX, 2, S. 5, S. 7.
4. »Denn das ist gleichsam ein Teil des göttlichen Wissens« (Ranke, ed. Rothacker S. 43, ähnlich S. 52).

Gadamer I
Hans-Georg Gadamer
Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik 7. durchgesehene Auflage Tübingen 1960/2010

Gadamer II
H. G. Gadamer
Die Aktualität des Schönen: Kunst als Spiel, Symbol und Fest Stuttgart 1977
Geschichte Historismus Gadamer I 205
Geschichte/Historismus/Gadamer: Die gemeinsame Grundannahme aller Vertreter dieser historischen Weltansicht, Rankes wie Droysens wie Diltheys, besteht darin, daß die Idee, das Wesen, die Freiheit in der geschichtlichen Wirklichkeit keinen vollständigen und adäquaten Ausdruck findet. Das ist nun nicht im Sinne eines bloßen Mangels oder Zurückbleibens zu verstehen. Vielmehr entdecken sie darin das konstitutive Prinzip der Geschichte selbst, dass die Idee in der Geschichte immer nur eine unvollkommene Repräsentation hat. Nur weil dem so ist, bedarf es statt der Philosophie der historischen Forschung, den Menschen über sich selbst und seine Stellung in der Welt zu belehren. Die Idee einer Geschichte, die reine Repräsentation der Idee wäre, bedeutete in einem den Verzicht auf sie als einen eigenen Wahrheitsweg. Gadamer: Indessen ist auch die Leugnung eines solchen apriorischen, ungeschichtlichen Maßstabs, die am Anfang der historischen Forschung des 19. Jahrhunderts steht, nicht so frei von metaphysischen Voraussetzungen, wie sie sich glaubt und wie sie behauptet, wenn sie sich als wissenschaftliche Forschung versteht. Das lässt sich an der Analyse der leitenden Begriffe dieser historischen Weltansicht zeigen. Zwar sind diese Begriffe ihrer eigenen Intention nach gerade darauf gerichtet, die Vorgreiflichkeit einer aprioristischen Geschichtskonstruktion zu korrigieren. Aber indem sie sich gegen den idealistischen Begriff des Geistes polemisch richten, bleiben sie doch auf ihn bezogen. >Geschichte/Dilthey.
Historismus/Gadamer: Geschichtliche Wirklichkeit ist aber (...) nicht ein bloßes trübes Medium, geistwidriger Stoff, starre Notwendigkeit, an der sich der Geist bricht und in deren Fesseln er erstickt. Solche gnostisch-neuplatonische Einschätzung des Geschehens als des Hervorgangs in die äußere Erscheinungswelt wird dem metaphysischen Seinswert der Geschichte und damit dem Erkenntnisrang der historischen Wissenschaft ebenfalls nicht gerecht. Gerade die Entfaltung des menschlichen Wesens in der Zeit hat ihre eigene
Gadamer I 206
Produktivität. Es ist die Fülle und Mannigfaltigkeit des Menschlichen, die sich in dem unendlichen Wechsel der menschlichen Geschicke zu steigender Wirklichkeit bringt. So etwa ließe sich die Grundannahme der historischen Schule formulieren. Ihr Zusammenhang mit dem Klassizismus der Goethezeit ist nicht zu übersehen. Was hier leitend ist, ist im Grunde ein humanistisches Ideal. Wilhelm von Humboldt hatte die spezifische Vollendung des Griechentums in dem Reichtum großer individueller Formen gesehen, den es aufweist. Nun sind die großen Historiker auf ein solches klassizistisches Ideal gewiss nicht einzuengen. Sie folgten vielmehr >Herder.
Gadamer: Aber was tut die an Herder anknüpfende historische Weltansicht, die keinen Vorzug eines klassischen Zeitalters mehr kennt, anderes, als dass sie nun das Ganze der Weltgeschichte unter dem gleichen Maßstab sieht, den Wilhelm von Humboldt gebraucht hatte, um den Vorzug des klassischen Altertums zu begründen? Reichtum an individuellen Erscheinungen ist nicht nur die Auszeichnung des griechischen Lebens, es ist die Auszeichnung des geschichtlichen Lebens überhaupt, und das ist es, was den Wert und Sinn der Geschichte ausmacht.

Gadamer I
Hans-Georg Gadamer
Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik 7. durchgesehene Auflage Tübingen 1960/2010

Gadamer II
H. G. Gadamer
Die Aktualität des Schönen: Kunst als Spiel, Symbol und Fest Stuttgart 1977
Universalgeschichte Historismus Gadamer I 215
Universalgeschichte/Historismus/Gadamer: Universalgeschichte, Weltgeschichte - das sind in Wahrheit nicht Inbegriffe formaler Art, in denen das Ganze des Geschehens gemeint ist. Im geschichtlichen Denken ist das Universum als die göttliche Schöpfung zum Bewusstsein ihrer selbst erhoben. Freilich ist das nicht ein begreifendes Bewusstsein. Das letzte Resultat der historischen Wissenschaft ist »Mitgefühl, Mitwisserschaft des Alls«(1). Auf diesem pantheistischen Hintergrund versteht sich Rankes berühmte Wendung, wonach er sich selbst auslöschen möchte. >Weltgeschichte.
DiltheyVsRanke: Natürlich ist solche Selbstauslöschung in Wahrheit, wie Dilthey(2) dagegen eingewandt hat, die Ausweitung des Selbst zu einem inneren Universum. Aber es ist doch nicht zufällig, dass Ranke eine solche Reflexion, die Dilthey auf seine psychologische Grundlage der Geisteswissenschaften führt, nicht vollzieht.
>L. v. Ranke.
RankeVsDilthey: Für Ranke ist Selbstauslöschung noch eine Form wirklicher Teilhabe. Man darf den Begriff der Teilhabe nicht psychologisch-subjektiv verstehen, sondern muss ihn von dem Begriff des Lebens her denken, der zugrunde liegt. Weil alle geschichtlichen Erscheinungen Manifestationen des All-Lebens sind, ist die Teilhabe an ihnen Teilhabe am Leben.
>W. Dilthey.

1. Ranke (ed. Rothacker). S. 52.
2. Dilthey, Ges. Schriften V, 281.

Gadamer I
Hans-Georg Gadamer
Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik 7. durchgesehene Auflage Tübingen 1960/2010

Gadamer II
H. G. Gadamer
Die Aktualität des Schönen: Kunst als Spiel, Symbol und Fest Stuttgart 1977

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Begriff/
Autor/Ismus
Autor Vs Autor
Eintrag
Literatur
HistorismusHistorismus Popper Vs Historismus Flor II 489
PopperVsHistorismus/PopperVsSoziologie: Marktgesetze können sich umformulieren lassen, je nachdem um welche Art von Marktes sich handelt. Solche Gesetze sind für bedingungslose Vorhersagen nicht geeignet. Die Bedingungen können sich ständig ändern - oder wir selbst können Veränderungen herbeiführen.

Po I
Karl Popper
Grundprobleme der Erkenntnislogik. Zum Problem der Methodenlehre
In
Wahrheitstheorien, Gunnar Skirbekk Frankfurt/M. 1977

Flor I
Jan Riis Flor
"Gilbert Ryle: Bewusstseinsphilosophie"
In
Philosophie im 20. Jahrhundert, A. Hügli/P. Lübcke Reinbek 1993

Flor II
Jan Riis Flor
"Karl Raimund Popper: Kritischer Rationalismus"
In
Philosophie im 20. Jahrhundert, A.Hügli/P.Lübcke Reinbek 1993

Flor III
J.R. Flor
"Bertrand Russell: Politisches Engagement und logische Analyse"
In
Philosophie im 20. Jahrhundert, A. Hügli/P.Lübcke (Hg) Reinbek 1993

Flor IV
Jan Riis Flor
"Thomas S. Kuhn. Entwicklung durch Revolution"
In
Philosophie im 20. Jahrhundert, A. Hügli/P. Lübcke Reinbek 1993

Der gesuchte Begriff oder Autor findet sich in folgenden Thesen von Autoren des zentralen Fachgebiets.
Begriff/
Autor/Ismus
Autor
Eintrag
Literatur
Historismus Rorty, R. VI 295
Historismus/Historisten/Rorty: These wir wissen noch gar nicht, was Menschen eigentlich sind, denn wir wissen noch nicht, welche Praktiken ihnen einmal gemeinsam sein können.
VI 401
Historismus/Rorty pro "Globalen Historismus". These Kontingenz philosophischer Probleme. Frage: kann man zu den Einsichten der Philosophie auch gelangen, indem man die Vergangenheit außer acht läßt?