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Schleier des Nichtwissens: Der Schleier der Unwissenheit ist ein Gedankenexperiment, das der amerikanische Philosoph John Rawls 1971 in seinem Werk Eine Theorie der Gerechtigkeit (Deutsch 1975) vorstellte. Es dient als leistungsfähiges Instrument zur Bewertung der Fairness und Unparteilichkeit gesellschaftlicher Strukturen und Institutionen. Wir sind dabei gebeten uns vorzustellen, dass wir uns unserer eigenen sozialen Position, wie z. B. unserer Rasse, unseres Geschlechts, unseres sozioökonomischen Status und unserer natürlichen Talente, nicht bewusst sind. In diesem hypothetischen Zustand haben wir die Aufgabe, die Prinzipien zu entwerfen, die unsere Gesellschaft leiten sollen. Siehe auch Gerechtigkeit, Fairness, Unparteilichkeit, Gesellschaft.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

John Rawls über Schleier des Nichtwissens – Lexikon der Argumente

I 136
Schleier des Nichtwissens/Gesellschaft/Rawls: Hier geht es darum, kontingente Besonderheiten bei der Errichtung einer neuen Gesellschaftsform auszuschließen. Dazu sollen die Parteien im >Anfangszustand einer zu errichtenden Gesellschaft
hinter einem Schleier des Nichtwissens verharren in Bezug auf Alternativen, die ihren eigenen individuellen Fall betreffen.
I 137
Das soll bewirken, dass die fraglichen Prinzipien aus allgemeinen Erwägungen heraus gewählt werden. Bestimmte Tatsachen sollen unbekannt sein:
Niemand kennt seinen Platz in der Gesellschaft, seine Klassenzugehörigkeit oder seinen sozialen Status oder seine Ausstattung mit Güter, Intelligenz, Stärke usw. Selbst seine individuelle Psychologie wie die Neigung zu Optimismus oder Pessimismus, Risikofreude oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten Generation.
Bekannt sein sollen dagegen allgemeine Tatsachen über die menschliche Gesellschaft: die Menschen verstehen politische Probleme und wirtschaftliche Theorie, soziale Organisation und Gesetzmäßigkeiten der menschlichen Psyche.
I 138
Es soll keine Beschränkungen allgemeiner Information geben, d.h. über allgemeine Gesetze und Theorien.
((s) Rawls nimmt hier an, das es psychologische Gesetze, insbesondere Gesetze der Moralpsychologie gibt.
(DavidsonVsRawls: VsPsychologische Gesetze: siehe Anomaler Monismus/Davidson).
Anfangszustand/Probleme/Rawls: Es muss geklärt sein, dass Vorschläge zum Bereich zulässiger Alternativen gehören und allgemeine Konsequenzen vorgeschlagener Prinzipien müssen bekannt sein.
>Prinzipien/Rawls.
I 139
Der Anfangszustand ist keine Generalversammlung, das würde die Fantasie zu sehr strapazieren. Dagegen ist wichtig, dass es keine Rolle spielen darf, wer die Perspektive des Anfangszustands annimmt oder wann er es tut. Das ist es, was der Schleier des Nichtwissens gewährleisten soll: die verfügbare Information soll relevant aber zu allen Zeiten dieselbe sein.
VsRawls: Man kann einwenden, dass der Schleier irrational sei.
>Rationalität, >Irrationalität.
RawlsVsVs: Es geht darum, dass sichergestellt wird, dass jedermann durch dieselben Argumente überzeugt werden kann. Dann können Standpunkte von Personen zufällig herausgegriffen werden, die anderen Personen werden sich ebenso verhalten.
>Argumentation, >Diskurs, >Diskurstheorie, >Perspektive, >Interessen.
Man kann zusätzlich einen Schiedsrichter annehmen, der ein Koalitionsverbot ausspricht, das ist aber letztlich überflüssig wenn man annimmt, dass die Beratungen der Parteien gleich verlaufen. Da niemand weitergehende Informationen hat, kann er die Situation nicht auf seinen persönlichen Vorteil hin ausrichten.
I 140
Einzige Ausnahme: Ein Egoist könnte grundsätzlich verweigern, seine Ersparnisse der Nachwelt zur Verfügung zu stellen. Das könnte er beschließen, ohne weitere Informationen zu haben. Die Frage der Generationengerechtigkeit muss daher anderweitig in Angriff genommen werden.
>Generationengerechtigkeit.
I 141
Einhelligkeit/Übereinstimmung/Einstimmigkeit: Im Anfangszustand geht es nicht um Übereinstimmung über konkrete zufällige Tatsachen (die sowieso nicht bekannt sind). Ansonsten könnten nur ganz triviale Probleme gelöst werden.
>Verständigung.
I 142
Durch den Schleier des Nichtwissens werden die beiden Prinzipien der Gerechtigkeit dem Kriterium der Nützlichkeit vorgezogen.
>Prinzipien/Rawls.
I 143
Rationalität/Anfangszustand: Auch im Anfangszustand, wo die Individuen nur ganz allgemeine Informationen haben, nehmen wir an, dass sie in Bezug auf primäre öffentliche Güter (Bsp Freiheiten, Infrastruktur usw.) bestrebt sind, eher mehr davon zu haben als weniger.
>Öffentliche Güter, >Infrastruktur, >Freiheit.
I 166
Schleier des Nichtwissens/Rawls: Es gibt kein Problem mit der Annahme, dass Neuankömmlinge zu der Anfangssituation hinzustoßend, die natürlich weniger Information haben. Der Schleier des Nichtwissens tilgt jede Basis für die Unterscheidung verschiedener Informationsstände.

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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.

Rawl I
J. Rawls
A Theory of Justice: Original Edition Oxford 2005

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