Lexikon der Argumente


Philosophische Themen und wissenschaftliche Debatten
 
[englisch]

Screenshot Tabelle Begriffes

 

Finden Sie Gegenargumente, in dem Sie NameVs…. oder….VsName eingeben.

Erweiterte Suche:
Suchbegriff 1: Autor oder Begriff Suchbegriff 2:Autor oder Begriff

zusammen mit




Der gesuchte Begriff oder Autor findet sich in folgenden 11 Einträgen:
Begriff/
Autor/Ismus
Autor
Autor
Eintrag
Eintrag
Literatur
Literatur
Menschenrechte Agamben Brocker I 828
Menschenrechte/Agamben: Die Demokratie (siehe Totalitarismus/Agamben) schafft das heilige Leben derart nicht ab (wie man es vermuten sollte), sondern »zersplittert es, verstreut es in jedem einzelnen Körper, um es zum Einsatz in den politischen Konflikten zu machen«. (1) (Siehe auch Leben/Agamben, Biopolitik/Agamben). Diese Logik hatte bereits Arendt in ihrem Totalitarismus-Buch an der Déclaration des Droits de l’homme et du citoyen von 1789 untersucht und freigelegt. (2) Ausgehend von dem Paradox, dass gerade jener Mensch – der staatenlose Flüchtling, der »nur noch Mensch war« –, der die Menschenrechte tatsächlich in Anspruch nehmen musste, kein Recht auf diese Rechte hatte, wird das Versagen dieser Rechte deutlich, die de facto ausschließlich als Rechte des Staatsbürgers Anwendung finden. So trägt bereits der Titel der Erklärung jener Unmöglichkeit Rechnung, dem Menschen als solchem, dem nackten Leben, dem »homo sacer«, Rechte zu gewähren, die nicht nationalstaatlich abgesichert sind. >Menschenrechte.

1. Giorgio Agamben, Homo sacer. Il potere sovrano e la nuda vita, Torino 1995. Dt.: Giorgio Agamben, Homo sacer – Die souveräne Macht und das nackte Leben, Frankfurt/M. 2002, S. 132.
2.Hannah Arendt, Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft, München/Zürich 1998.

Maria Muhle, „Giorgio Agamben, Homo sacer – Die souveräne Macht und das nackte Leben“, in: Manfred Brocker (Hg.) Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert. Frankfurt/M. 2018

Agamben I
Giorgio Agamben
Homo sacer – Die souveräne Macht und das nackte Leben Frankfurt 2002

Brocker I
Manfred Brocker
Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert Frankfurt/M. 2018
Menschenrechte Aristoteles Höffe I 69
Menschenrechte/Aristoteles/Höffe: Aristoteles keine Institutionen wie die Grund- und Menschenrechte, wie die Parteien und Verbände, wie die Presse oder gar ein Verfassungsgericht, ebensowenig einen Gesetzgeber im modernen modernen Sinn. Besonders gravierend sind elementare Ungleichheiten. Obwohl Aristoteles die Menschen durch Sprache und Vernunft definiert, billigt er ihnen keine rechtliche und politische Gleichheit zu. Im Gegenteil rechtfertigt er die Ungleichheiten seiner Zeit, die den Frauen, Sklaven und Barbaren fehlende Gleichberechtigung. >Ungleichheit/Aristoteles.
Menschenrechte Church Brockman I 242
Roboter/Menschenrechte/George M. Church: Wahrscheinlich sollten wir uns weniger um das "wir-versus-sie" kümmern und uns mehr mit den Rechten aller Gesinnungen angesichts einer sich abzeichnenden beispiellosen Vielfalt von Geistern beschäftigen. Wir sollten diese Vielfalt nutzen, um globale existenzielle Risiken wie Supervulkane und Asteroiden zu minimieren.
Brockman I 243
Ganz praktisch müssen wir uns mit den ethischen Regeln befassen, die immer intelligenteren und vielfältigeren Maschinen eingebaut, von ihnen erlernt oder probabilistisch für sie gewählt werden sollten. Wir haben eine ganze Reihe von Trolley-Problemen. Bei welcher Anzahl von Menschen, die zu Tode kommen würden, sollte der Computer beschließen, einen Wagen auf eine einzelne Person umzulenken? Letztendlich könnte es sich um ein tiefliegendes Problem handeln - ein Problem, bei dem riesige Datenbanken mit Fakten und Eventualitäten berücksichtigt werden können, einige davon scheinbar weit entfernt von der vorliegenden Ethik. >Trolley-Problem/Church.
Brockman I 244
Fragen, die zunächst fremdartig und beunruhigend erscheinen, wie "Wem gehören diese neuen Geister und wer zahlt für ihre Fehler?", ähneln den etablierten Gesetzen darüber, wem die Sünden eines Unternehmens zugeschrieben werden und wer für diese zahlt.
Brockman I 248
Roboter/Weizenbaum/Church: In seinem 1976 erschienenen Buch Computer Power and Human Reason(1) argumentierte Joseph Weizenbaum, dass Maschinen den Homo nicht ersetzen sollten, wenn es um Respekt, Würde oder Pflege geht, während andere (Autorin Pamela McCorduck und Informatiker wie John McCarthy und Bill Hibbard) argumentierten, dass Maschinen unparteiischer, ruhiger und konsequenter sowie weniger missbrauchend oder boshaft sein können als Menschen in solchen Positionen. George M. ChurchVsJefferson: (...) Wenn wir den geografischen Standort ändern und reifen, ändern sich unsere ungleichen Rechte dramatisch. Embryonen, Säuglinge, Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Patienten, Schwerverbrecher, geschlechtsspezifische Identitäten und Präferenzen, die sehr Reichen und die sehr Armen - all diese sind mit unterschiedlichen
Brockman I 249
Rechten und sozioökonomische Realitäten konfrontiert. Ein Weg zu neuen Arten von Geist [deren Träger] die Rechte erlangen und bewahren könnten, die denen gleichen, die die entwickeltsten Menschen haben, wäre es, einen "Homo component" [zu entwerfen]. [Dieser wäre] wie eine menschliche Galionsfigur oder ein CEO, der blindlings enorme technische Dokumente unterschreibt oder Entscheidungen auf finanziellem, gesundheitlichem, diplomatischem oder militärischem Gebiet fällt. >Robotergesetze/Church, George M.
Brockman I 250
Spiegeltest/Selbstbewusstsein: Die Roboter der Baureihe Qbo haben den "Spiegeltest" zur Selbsterkenntnis und die Roboter der Baureihe NAO einen entsprechenden Test zur Erkennung der eigenen Stimme und zur Ableitung ihres inneren Zustands des Seins, stumm oder nicht, bestanden. Freier Wille / Computer / Church: Für den freien Willen haben wir Algorithmen, die weder vollständig deterministisch noch zufällig sind, sondern auf eine nahezu optimale probabilistische Entscheidungsfindung abzielen. Man könnte argumentieren, dass dies eine praktische darwinistische Konsequenz der Spieltheorie ist. Für viele (nicht alle) Spiele/Probleme gilt,dass wir, wenn wir völlig vorhersehbar oder zufällig in unserem Handeln sind, dazu neigen zu verlieren.
Qualia: Wir könnten darüber argumentieren, ob der Roboter tatsächlich subjektive Qualia für freien Willen oder Selbstbewusstsein erlebt, aber das Gleiche gilt für die Bewertung eines Menschen. Woher wissen wir, dass ein Soziopath, ein Komapatient, eine Person mit Williams-Syndrom oder ein Baby den gleichen freien Willen oder das gleiche Selbstbewusstsein hat wie wir selbst? Und was spielt das, praktisch gesehen, für eine Rolle? Wenn Menschen (jeglicher Art) überzeugend behaupten, Bewusstsein, Schmerz, Glaube, Glück, Ehrgeiz und/oder Nutzen für die Gesellschaft zu erleben, sollten wir ihnen dann die Rechte verweigern, weil ihre hypothetische Qualia hypothetisch anders ist als unsere?
Brockman I 251
Wandeln Transhumane bereits auf der Erde? Man denke nur an die "unkontaktierten Völker", wie die Sentinelesen und Andamanen Indiens (...).
Brockman I 252
Wie würden sie oder unsere Vorfahren reagieren? Wir könnten "transhuman" definieren als Menschen und Kulturen, die für den Menschen, der in einer modernen, aber un-technologischen Kultur lebt, nicht verständlich sind. Die Frage "Was war ein Mensch?" hat sich bereits in "Was waren die vielen Arten von Transhumanen?... Und was waren ihre Rechte?" gewandelt.
1. Weizenbaum, J. Computer Power and Human Reason. From Judgment to Calculation. San Francisco: W. H. Freeman, 1976

Church, George M. „The Rights of Machines” in: Brockman, John (ed.) 2019. Twenty-Five Ways of Looking at AI. New York: Penguin Press.

Chur I
A. Church
The Calculi of Lambda Conversion. (Am-6)(Annals of Mathematics Studies) Princeton 1985

Brockman I
John Brockman
Possible Minds: Twenty-Five Ways of Looking at AI New York 2019
Menschenrechte Internationale Politische Theorie Gaus I 293
Menschenrechte/Internationale Politische Theorie/Brown: (...) eine Darstellung universeller Prinzipien, die auf den Rechten des Einzelnen und nicht auf den Rechten von Gemeinschaften beruhen, wurde durch die UN-Charta von 1945 und insbesondere durch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die 1948 von der UN-Generalversammlung verabschiedet wurde, eingeführt. Es gibt, wie zu erwarten, eine sehr umfangreiche Literatur über das internationale Menschenrechtsregime (...) (Dunne and Wheeler, 1999)(1). (...) Ein wichtiges Merkmal des Menschenrechtsregimes [ist folgendes:] obwohl es vorgibt, den Staaten universelle Standards aufzuzwingen, war es bis vor kurzem selbst statistisch in Ursprung und Funktionsweise. Es umfasst von Staaten abgegebene Erklärungen, von ihnen unterzeichnete und ratifizierte Pakte und ihnen untergeordnete Institutionen. Nur in einem Fall, dem der Europäischen Menschenrechtskonvention, kann man sagen, dass es wirksame Mechanismen gibt, um sicherzustellen, dass die Staaten ihren vertraglichen Verpflichtungen nachkommen.
Interventionen/Probleme: In den letzten zehn Jahren haben sich Praktiken herausgebildet, die diese Situation in Frage gestellt haben.
1) In erster Linie haben es Gruppen von Staaten gelegentlich auf sich genommen, im Interesse ihrer Einwohner gewaltsam in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates einzugreifen;
2) Zweitens haben radikalere Entwicklungen im Völkerrecht begonnen, das Prinzip der souveränen Immunität zu untergraben. Was die erste dieser Veränderungen - humanitäre Interventionen - betrifft, so war die Bilanz der 1990er Jahre gemischt (Mayall, 1996(2); Moore, 1998(3)).
(...) obwohl es in diesem Bereich völkerrechtliche Entwicklungen gegeben hat, mag es verfrüht sein, von einer sich herausbildenden Norm der humanitären Intervention zu sprechen, wie es Nicholas Wheeler (2000)(4) im besten Buch zu diesem Thema tut.
>Ungleichheiten/Internationale Politische Theorie.
Gaus I 295
Wirtschaftliche Rechte/Soziale Rechte: Wirtschaftliche und soziale Rechte werden oft als "zweite Generation" beschrieben, politische Rechte als "erste". Rechte der "dritten Generation" sind die Rechte der Völker, die so allgemeine Begriffe wie das Recht auf Selbstbestimmung, aber auch spezifischere Gruppen von Rechten wie die der indigenen Völker umfassen (Crawford, 1988)(5). Probleme: Hier gibt es ein begriffliches Problem; der Begriff der Menschenrechte ist mit der Förderung universeller Standards und der Gleichbehandlung verbunden, aber die Rechte der Völker können nur dann sinnvoll sein, wenn sie ein Recht auf Anderssein befürworten. Indigene Völker fordern zum Beispiel das Recht, nach ihren eigenen Sitten und Gebräuchen regiert zu werden, was mit universellen Normen nicht leicht zu vereinbaren ist; dies ist ein in der Politik des Multikulturalismus wohlbekanntes Thema (Kymlicka, 1995(6); Parekh, 2000)(7) (...). In internationalen
Gaus I 296
Beziehungen jedoch tritt dieses Problem am deutlichsten im Zusammenhang mit einer umfassenderen Herausforderung des Menschenrechtsbegriffs zutage: dem Argument, dass das internationale Menschenrechtsregime auf spezifisch westlichen Werten beruht, ein Argument, das von einer Reihe ostasiatischer Staaten am deutlichsten artikuliert wird und daher oft als "asiatische Werte"-Debatte bezeichnet wird (Bauer und Bell, 1999(8); Bell, 2000(9)). Religion/Familie: Das Kernargument ist, dass die in der Erklärung von 1948 und in der Folge identifizierte Menschenrechte mit einem spezifisch westlichen Begriff des Individuums und der öffentlichen Sphäre zusammenhängen; asiatische Werte, so wird argumentiert, orientieren sich an der Familie und dem Kollektiv, betonen Pflichten und Verantwortlichkeiten statt Rechte und legen einen größeren Schwerpunkt auf die Religion.

1. Dunne, T. and N. Wheeler, eds (1999) Human Rights in Global Politics. Cambridge: Cambridge University Press.
2. Mayall, J., Hrsg. (1996) The New Interventionism. Cambridge: Cambridge University Press.
3. Moore, J., Hrsg. (1998) Hard Choices: Moral Dilemmas in Humanitarian Intervention. Lanham, MD: Rowman and Littlefield.
4. Wheeler, N. J. (2000) Saving Strangers. Oxford: Oxford University Press.
5. Crawford, J. , Hrsg. (1988) The Rights of Peoples. Oxford: Clarendon.
6. Kymlicka, W. , Hrsg. (1995) The Rights of Minority Cultures. Oxford: Oxford University Press.
7. Parekh, B. (2000) Rethinking Multiculturalism. Basingstoke: Palgrave.
8. Bauer, J. and D. A. Bell, eds (1999) The East Asian Challenge for Human Rights. Cambridge: Cambridge University Press.
9. Bell, D. (2000) East Meets West: Human Rights and Democracy in East Asia. Princeton, NJ: Princeton University Press.

Brown, Chris 2004. „Political Theory and International Relations“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications

Gaus I
Gerald F. Gaus
Chandran Kukathas
Handbook of Political Theory London 2004
Menschenrechte Kant Höffe I 306
Menschenrechte/Kant/Höffe: Kant ist, was manche Interpreten zu Unrecht bestreiten, einer der Begründer der modernen Theorie von Menschenrechten. Er stellt zwar keinen
Höffe I 307
Katalog von Menschenrechten auf, spricht aber mit Nachdruck von einem «ursprünglichen, jedem Menschen, kraft seiner Menschheit» - für Kant: kraft seiner praktischen Vernunftnatur — «zustehenden Recht» (Rechtslehre, Einleitung). Er nennt es das «angeborene, mithin innere Mein und Dein», das vor dem Gegenstand des Privatrechts, dem «äußeren Mein und Dein», den klaren Vorrang besitzt. Recht auf Freiheit: Kant leitet das Recht jedes Menschen aus einem dem kategorischen Rechtsimperativ äquivalenten Element, dem Prinzip der allgemein verträglichen Freiheit, ab. Denn auf die Freiheit, sofern sie mit jeder anderen Freiheit nach einem allgemeinen Gesetz zusammen bestehen kann, hat laut Kant jeder Mensch einen Anspruch.
Kriterium: Dieses Recht auf eine allgemein verträgliche Freiheit hat den Rang eines Kriteriums, steht daher im Singular. Die Frage, ob gewisse Ansprüche den Rang von Menschenrechten haben, entscheidet sich an der Frage, ob sie dem Kriterium der allgemein verträglichen Freiheit genügen. Negative Rechte: Die entsprechenden Menschenrechte sind primär Abwehrrechte gegen die Mitmenschen, sekundär Abwehrrechte gegen den Staat, der nämlich seine zugunsten des Rechts eingerichtete Macht nicht missbrauchen darf.
Kant entwickelt nicht nur das Kriterium für Menschenrechte, das Prinzip der allgemein verträglichen Freiheit. Vier negative Freiheitsrechte:
1) (...) das Verbot von Privilegien und das spiegelbildliche Verbot von Diskriminierung; stattdessen ist jeder mit jedem als gleich zu achten. Die gern gegeneinander ausgespielten Begriffe von Freiheit und Gleichheit erweisen sich hier als gleichrangig.
2) (...) das Recht, sein eigener Herr, mithin eine Persönlichkeit eigenen Rechts zu sein. Sie darf
weder zum Leibeigenen noch Sklaven herabgewürdigt werden, ist vielmehr befugt, ihr Leben selbst zu bestimmen.
3) (...) das Recht, in rechtlicher Hinsicht zunächst als unbescholten, positiv gesagt: als rechtlich ehrbar, zu gelten. Die gegenteilige Behauptung gilt damit als beweispflichtig, was Sich im Strafrecht auf das Prinzip in dubio pro reo (im Zweifelsfall für den Angeklagten) beläuft.
4) (...) das menschenrechtliche Recht, so lange Beliebiges zu tun oder zu lassen, wie man nicht in die Rechte anderer, namentlich in ihr inneres Mein und Dein, eingreift.
I 308
Grundrecht des öffentlichen Rechts: jede Person [hat]das Recht auf einen öffentlichen Rechtszustand mit dessen drei Dimensionen: Jeder hat das Recht, erstens in einem Staat, des Näheren einer Republik, zweitens mit seinem Staat in Bezug auf alle anderen Staaten nach Maßgabe eines Völkerrechts, schließlich, global gesehen, in einer weltbürgerlichen Beziehung zu leben. >Kosmopolitismus/Kant.
I. Kant
I Günter Schulte Kant Einführung (Campus) Frankfurt 1994
Externe Quellen. ZEIT-Artikel 11/02 (Ludger Heidbrink über Rawls)
Volker Gerhard "Die Frucht der Freiheit" Plädoyer für die Stammzellforschung ZEIT 27.11.03
Menschenrechte Kelsen Brocker I 139
Menschenrechte/Kelsen: unter Kelsens Ablehnung absolutistischer Weltanschauungen fällt auch die Ablehnung der Annahme, man könne Menschenrechte als vorpolitische Normen ansehen, die von der Politik anerkannt werden müssten, nicht aber von ihr hervorgebracht würden. >Naturrecht/Kelsen, >Demokratietheorie/Kelsen, >Demokratie/Kelsen.
VsKelsen: Interpreten, die Kelsen als Liberalen sehen, folgen ihm gerne in der Ablehnung der Diktatur, haben aber Mühe mit seiner Kritik an Grund- und Menschenrechten.

Marcus Llanque, „Hans Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie“, in: Manfred Brocker (Hg.) Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert. Frankfurt/M. 2018

Brocker I
Manfred Brocker
Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert Frankfurt/M. 2018
Menschenrechte Kymlicka Gaus I 251
Menschenrechte/Kymlicka/Kukathas: Die traditionellen Menschenrechtsdoktrinen, so Kymlicka, geben uns in diesen Fragen einfach keine Orientierung: Amtssprache/Bildung: Dazu gehörten Fragen darüber, welche Sprachen in den Parlamenten, Bürokratien und Gerichten anerkannt werden sollten; ob ethnische oder nationale Gruppen öffentlich finanzierten Unterricht in ihrer Muttersprache haben sollten;
Interne Grenzen: ob interne Grenzen gezogen werden sollten, so dass kulturelle Minderheiten in den lokalen Regionen Mehrheiten bilden; ob traditionelle Heimatländer der indigenen Völker zu ihren Gunsten reserviert werden sollten; und welches Maß an kultureller Integration von Einwanderern, die die Staatsbürgerschaft anstreben, verlangt werden könnte (1995a(1): 4-5).
Menschenrechte/Kymlicka: (...) Solange sie nicht durch eine Theorie der Minderheitenrechte ergänzt werden, wird uns die Menschenrechtstheorie nicht in die Lage versetzen, einige der drängendsten Probleme anzugehen, mit denen wir an Orten wie Osteuropa konfrontiert sind, wo Streitigkeiten über lokale Autonomie, Sprache und Einbürgerung diese Regionen in gewaltsame Konflikte zu verwickeln drohen. Kymlickas Bestreben war es daher, eine liberale Theorie der Minderheitenrechte zu entwickeln, die erklärt, "wie Minderheitenrechte mit Menschenrechten koexistieren und wie Minderheitenrechte eingeschränkt werden
Gaus I 252
durch Prinzipien der individuellen Freiheit, Demokratie und sozialen Gerechtigkeit" (1995a(1): 6). >Minderheitenrechte/Kymlicka.
1. Kymlicka, Will (1995a) Multicultural Citizenship: A Liberal Theory of Minority Rights. Oxford: Oxford University Press.

Kukathas, Chandran 2004. „Nationalism and Multiculturalism“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications

Gaus I
Gerald F. Gaus
Chandran Kukathas
Handbook of Political Theory London 2004
Menschenrechte Locke Höffe I 249
Menschenrechte/HöffeVsLocke/Höffe: Wegen ihres überragenden Ranges könnte man Lockes Grundgüter («life, liberty and property»)(1) für Grund- und Menschenrechte halten. Wahr ist, dass sie im Naturzustand zwar jedem zustehen, dort aber nicht gesichert werden. Für das deshalb erforderliche staatsförmige Gemeinwesen, betont Locke immer wieder, wird die notwendige Gewalt an eine kräftige Mehrheit, jedoch nicht distributiv und kollektiv an alle abgetreten. VsLocke: Folglich ist nicht ausgeschlossen, was dem Gedanken eines veritablen Grund- und Menschenrechts widerspricht: dass die Mehrheit einer Minderheit die Rechte einschränkt und wie in Lockes Toleranzbrief den Katholiken und den Atheisten die Toleranz verweigert.
Vgl. >Toleranz/Locke, >Staat/Locke.

1. J. Locke, Second treatise of Government, 1689/90, § 93

Loc III
J. Locke
An Essay Concerning Human Understanding
Menschenrechte Morgenthau Brocker I 287
Menschenrechte/Morgenthau: Frage: Leisten Moral und Sitte, was das Völkerrecht im Zeitalter souveräner Staatlichkeit nicht zu leisten vermag? Gibt es ein über Grenzen hinweg verpflichtendes Ethos, oder gibt es wenigstens eine öffentliche Meinung im Weltmaßstab? Morgenthau findet Spuren im Bereich der Menschenrechte. Für ihn sind es allerdings nicht hoffnungsvolle Ansätze, sondern nur mehr schwache Überreste einer christlich und aristokratisch geprägten, europäisch dominierten Welt von gestern. Deren übergreifende moralische Einheit ist verloren.(1) >Menschenrechte.

1. Hans J. Morgenthau, Politics Among Nations. The Struggle for Power and Peace, New York 1948. Dt.: Hans J. Morgenthau, Macht und Frieden. Grundlegung einer Theorie der internationalen Politik, Gütersloh 1963.

Christoph Frei, „Hans J. Morgenthau, Macht und Frieden (1948)“ in: Manfred Brocker (Hg.) Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert. Frankfurt/M. 2018

Pol Morg I
Hans Morgenthau
Macht und Frieden. Grundlegung einer Theorie der internationalen Politik Gütersloh 1963

Brocker I
Manfred Brocker
Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert Frankfurt/M. 2018
Menschenrechte Politik Russlands Krastev I 78
Menschenrechte/Politik Russlands/Krastev: Wladimir Putin: (zur Münchner Sicherheitskonferenz vom 10. Februar 2007): Putins Rhetorik wurde besonders aufsässig, als er auf die Einbildung einging, dass alle Länder außerhalb des Westens moralisch verpflichtet seien, die "internationalen Menschenrechtsnormen" des Westens zu übernehmen. Die Pflicht der gesamten Menschheit, eine liberale Demokratie anzustreben, sei eine beleidigende westliche Einbildung. Die Amerikaner rechtfertigten ihre "Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder" mit der weltweiten Erwünschtheit und Nachahmungswürdigkeit ihres eigenen politischen und wirtschaftlichen Systems. Während sie der Welt Vorträge über Menschenrechte, Demokratie und andere hohe Werte hielten, verfolgten die westlichen Staatsoberhäupte gleichzeitig egoistische geopolitische
Krastev I 81
Interessen.
Krastev: Solch ein schamloser Rückgriff auf Doppelmoral war zu diesem Zeitpunkt zu einer von Putins nagenden Obsessionen geworden, die nur noch von seinem Groll über den Mangel an "Respekt" übertroffen wurde, mit dem Russland seiner Meinung nach routinemäßig vom Westen behandelt wurde.

Krastev I
Ivan Krastev
Stephen Holmes
The Light that Failed: A Reckoning London 2019
Menschenrechte Rousseau Höffe I 271
Menschenrechte/Rousseau/Höffe: Nach Rousseau (...) gibt es (...) kein natürliches Recht, kein Naturgesetz, das dem (staats-)bürgerlichen Zustand vorausgeht. Das Recht entstehe erst in der politischen Gesellschaft und mit ihr.(1) >Staat/Rousseau. >Naturzustand/Rousseau.
Höffe I 275
Ursprung/Rechtfertigung: Weil der Staat seinen Ursprung in einem Freiheitsakt nimmt, verfügt er über Legitimität, die allerdings ausschließlich auf diesem Weg, einer freien Zustimmung, eben dem >Gesellschaftsvertrag, zustande kommt. Keine auch noch so überlegene Macht kann irgendein Recht erzeugen. Nur ein allseitiger Konsens, eine Vereinbarung, die von keinem der Betroffenen Widerspruch erfährt, ermächtigt zu einer rechtmäßigen Herrschaft(2). >Rechtfertigung/Rousseau, >Staat/Rousseau, >Gesellschaftsvertrag/Rousseau.
Höffe I 278
Gemeinwohl: Da [der Gemeinwille] auf das Wohl des Ganzen ausgerichtet ist, sowohl auf die gemeinsame Erhaltung als auch auf das allgemeine Wohlergehen, kommt ihm gegenüber dem (partikularen) Willen der Einzelnen stets und ohne Einschränkung der normative Vorrang zu. Das Gemeinwohl geht auf den Willen der Betroffenen zurück.
Höffe: Frage: Wie stellt man diesen Willen fest? Eine Auffassung des Gemeinwillens (volonté générale) als Gedankenexperiment könnte zu einem Kriterium der Zustimmungswürdigkeit führen: Die Antwort könnte (...) in Menschenrechten nach derem strengen Verständnis bestehen, also in Rechten, die dem Menschen, bloß weil er Mensch ist, zukommen.
Rousseau/Höffe: Auch wenn man einige Hinweise in diesem Sinn interpretieren kann, verteidigt Rousseau im Gesellschaftsvertrag keine derartigen Rechte. Stattdessen votiert er für eine empirische Lesart des Gemeinwillens.
>Volonté Génerale/Rousseau.

1. Rousseau, Discours sur l'inégalité parmi les hommes, 1755
2. Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag oder Grundsätze des Staatsrechts (Du contrat social ou Principes du droit politique, 1762

Rousseau I
J. J. Rousseau
The Confessions 1953