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Politischer Realismus: Der politische Realismus ist eine Theorie, die praktische und machtzentrierte Ansätze in den internationalen Beziehungen betont. Er geht davon aus, dass Staaten Eigeninteresse, Sicherheit und Macht gegenüber moralischen oder ideologischen Erwägungen den Vorrang geben. Siehe auch Macht, Entscheidungen, Entscheidungsfindungsprozesse, Entscheidungstheorie, Politik, Internationale Beziehungen, Diplomatie, Politische Theorie, Politische Philosophie.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

Chris Brown über Politischer Realismus – Lexikon der Argumente

Gaus I 290
Politischer Realismus/Brown: Realisten nehmen den Staat als den wichtigsten internationalen Akteur wahr, gehen davon aus, dass Staaten nach Machtinteressen definierte Interessen verfolgen, und stellen so die Hypothese einer Welt auf, die als "Kampf um Macht und Frieden" charakterisiert werden kann, so der Untertitel von Hans J. Morgenthaus einflussreichem Werk "Politics among Nations" (1948)(1). Ein politischer Theoretiker, der diese Skizze vorlegt, könnte vernünftigerweise annehmen, dass diese Doktrin mit der deutschen Machtpolitik des 19. Jahrhunderts in der Schule von Heinrich von Treitschke in Verbindung steht oder, vielleicht auf einer höheren Ebene, mit dem rechten, politischen Philosophen und Rechtstheoretiker des 20. Jahrhunderts, Carl Schmitt, dessen "Freund-Feind"-Unterscheidung hier höchst relevant erscheint (Schmitt, 1996(2); Treitschke, 2002(3)).
Brown: (...) nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Der klassische amerikanische Realismus entstand in den 1930er und 1940er Jahren. Seine drei einflussreichsten Figuren waren der radikale Theologe Reinhold Niebuhr, der Diplomat George Kennan und der emigrierte internationale Jurist, politische Theoretiker und ab 1943 der Professor Morgenthau von der Universität Chicago; ihre Arbeiten werden in einer Reihe moderner Studien gut beschrieben (Smith, 1986(4); Rosenthal, 1991(5); Murray, 1996(6)). >Internationale Beziehungen/Niebuhr
, >Balance of Power/Waltz, >Balance of Power/Sozialwahltheorie, >Internationale Beziehungen/Carr.
Gaus I 291
Sozialwahltheorie: (...) die Dominanz des neorealistischen/neoliberalen Denkens hat die Bandbreite der Fragen, die Theoretiker der internationalen Beziehungen für angemessen oder beantwortbar halten, erheblich eingeengt. Ob Staaten relative oder absolute Gewinne anstreben (eine Möglichkeit, zwischen neorealistischen und neoliberalen Annahmen zu unterscheiden), ist eine interessante Frage, kann aber kaum eine befriedigende Grundlage für eine Untersuchung der Grundlagen der gegenwärtigen internationalen Ordnung bilden (Grieco, 1988)(7).
VsSozialwahltheorie: Ältere Realisten waren eher bereit, diese Grundlagen zu kritisieren, und unternahmen zumindest den Versuch, sich mit Themen wie der Ethik der Gewalt oder der Gerechtigkeit in einer von großen materiellen Ungleichheiten geprägten Welt auseinanderzusetzen. Klassische Realisten wie Stanley Hoffman, beeinflusst durch den französischen Denker Raymond Aron, und Hedley Bull von der englischen Schule versuchten zumindest, sich mit der Forderung der Dritten Welt nach einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung aus den 1970er Jahren auseinanderzusetzen (Aron, 1967(8); Hoffman, 1981(9); Bull, 1984(10)).
Neorealismus/Neoliberalismus: Im Gegensatz dazu unternehmen weder Neorealismus noch Neoliberalismus den Versuch, die Gerechtigkeit der bestehenden internationalen Ordnung in Betracht zu ziehen, geschweige denn zu verteidigen; Anarchie ist einfach eine Gegebenheit, eine Annahme, die nicht in Frage gestellt werden kann, und die Sorge um die inneren Merkmale von Staaten, wie z.B. ihre Armut, ist fehlgeleitet, da von Staaten behauptet wird, dass sich ihr Verhalten ähnelt und sie sich relevant nur durch ihre Fähigkeiten unterscheiden.
VsMorgenthau: Im Gegensatz zum praktischen Realismus von Morgenthau beruht der Realismus der "Anarchieproblematik" auf einem theoretischen Konstrukt, aber, vielleicht paradoxerweise, haben gerade seine Grenzen tatsächlich einen Raum eröffnet, den eine andere Art von Theorie in den letzten zwei Jahrzehnten oder so zu füllen versucht hat.

1. Morgenthau, H. J. (1948) Politics among Nations. New York: Knopf.
2. Schmitt, C. (1996 ti9321) The Concept of the Political. Chicago: University of Chicago Press.
3. Treitschke, H. von (2002) Politics. Extracts in C. Brown, T. Nardin and N. J. Rengger, Hrsg., International Relations in Political Thought. Cambridge: Cambridge University Press.
4. Smith, M. J. (1986) Realist Thought from Weber to Kissinger. Baton Rouge, IA: University of Louisiana Press.
5. Rosenthal, J. (1991) Righteous Realists. Baton Rouge, LA: University of Louisiana Press.
6. Murray, Alastair (1996) Reconstructing Realism. Edinburgh: Keele University Press.
7. Grieco, J. M. (1988) 'Anarchy and the limits of cooperation: a realist critique of the newest liberal institutionalism'. International Oganisation, 42:485—508.
8. Aron, R. (1967) Peace and War: A Theory of International Relations. London: Weidenfeld and Nicolson.
9. Hoffmann, S. (1981) Duties beyond Borders. Syracuse, NY: Syracuse University Press.
10. Bull, H. (1984) Justice in International Relations: The Hagey Lectures. Waterloo, ON: University of
Waterloo.

Brown, Chris 2004. „Political Theory and International Relations“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications

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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.

PolBrown I
Wendy Brown
American Nightmare:Neoliberalism, neoconservativism, and de-democratization 2006

Gaus I
Gerald F. Gaus
Chandran Kukathas
Handbook of Political Theory London 2004

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