Martin Schulz März 2013
Semantische Suche - Lexikon der Argumente
Wie könnte ein Suchalgorithmus für nicht aufbereitete Quellen aussehen?
Wenn es darum geht, Positionen aufzufinden, die in einer Quelle nur unzureichend dargestellt sind, verschwiegen werden oder polemisch verzerrt sind, können wir „Reizwörter“ einsetzen, die solche Problemstellen in der Regel einrahmen. Diese sind dann in eine Reihenfolge zu bringen, wie sie üblicherweise im Satzbau vorkommen.
Dann sollten wir eine positive und eine negative Suche unterscheiden.
Semantisches Futter für einen Suchalgorithmus im wissenschaftlichen Diskurs
Wir gehen hier davon aus, dass wir es mit einem Fundus an Texten aus einem Fachgebiet zu tun haben, der vorher durch die Suche nach einschlägigen Fachbegriffen aus diesem Gebiet erstellt wurde. Unser Ansatz ist es, den Streit zwischen Autoren und Lagern hervorzuheben, nicht die Wiederholung bekannter Thesen.
Unsere Suche mit „Reizwörtern“ wird nun auf den vorliegenden Fundus angewendet, um die Struktur von Gegenargumenten aufzudecken und Verbesserungen von Theorien zu ermöglichen.
Wir stellen ein paar Mustersätze auf. Die in ihnen unterstrichenen Wörter können durch andere aus dem Wortfeld von Reizwörtern ersetzt werden.
A Positiv
Mustersätze - Beispiele
„Wir zeigen die Überlegenheit unseres Ansatzes in Bezug auf Unterscheidungsfähigkeit und Erklärungskraft gegenüber der gegnerischen Theorie.
Wir zeigen, dass unsere Unterscheidung sinnvoll und notwendig ist“.
„Wir vermeiden das Abrutschen in x“.
„Wir decken auch x ab“.
„Die vorliegende Theorie erübrigt y“.
„Die unwiderlegte traditionelle Auffassung garantiert zumindest x“.
B. Negativ
Mustersätze
„Wir widerlegen die gegnerische Theorie, in dem wir zeigen, dass ihre Unterscheidung x/y sinnlos und überflüssig ist.
„Der veraltete Ansatz übersieht die wichtige Unterscheidung x/y“.
„Die überkommene Auffassung garantiert nicht die Vermeidung von x“.
„Die überlieferte Theorie führt zu einer Vermischung von x und y“.
„Manche Autoren riskieren die Paradoxie y“.
„Die widerlegbare Auffassung x lässt den Streit y/z wieder aufkommen“.
„Manche Autoren bewerten x nicht richtig“.
„Die Tradition rückt y zu sehr in den Vordergrund“./“…rückt zu wenig in den Fokus“.
„Das Übersehen von x führt zum Dilemma y/z“.
„X ist nicht ausdrückbar im System y“.
Hier ein allgemeinstes Muster eines argumentativen Satzes, der Fundstellen beinhaltet:
Reizwort 1 - Fundstelle – Reizwort 2 - Fundstelle – Reizwort 3 – Fundstelle usw.
Ein Suchalgorithmus könnte dann in etwa nach folgendem Muster aufgebaut sein
Reizwort a v b v c…v n1 …Fundstelle … Reizwort x v y v z v …v n2….Fundstelle…..
Reizwörter, Auswahl
A. Positiv
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Fund- stelle |
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Fund- stelle |
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Fundstelle |
Ich/wir Mein/unser Der vorliegende gegenwärtige
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zeigen beweisen lösen
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Problem Widerspruch Dilemma
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Lösung Unterscheidung Erklärungskraft
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vollständig umfassend neu stärker als ausdrucksstärker als |
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Ansatz/Theorie Versuch Gruppe
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überlegene unangefochtene neue bisher unentdeckte
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erfüllen |
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Bedingung, Anforderungen |
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wieder aufgreifen |
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bekräftigt |
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B. Negativ
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Fundstelle |
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Fundstelle |
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Fundstelle |
Ich/wir Mein/unser Ansatz/Theorie Arbeit Ergebnis Versuch Gruppe Meinung
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widerlegen beweisen zeigen
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deren/sein der Autor manche Autoren Gruppe Ismus Aufsatz Text |
Problem Missverständnis falsche Auffassung
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falsch verstanden nicht notwendig überflüssig nicht wichtig
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Tradition Ansicht Theorie |
hat nicht berücksichtigt vergessen unterlassen übersehen riskiert führt zu |
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Verwechslung Vermischung Gleichsetzung |
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gegnerische veraltete etablierte überkommene falsche unvollständige nichtssagende widerlegte |
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Stellt in Frage
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Die Fundstellen – waren sie nicht schon vorher erwartet worden?
Was bringen nun eigentlich die Fundstellen? Finden wir in den Lücken der Tabellen am Ende nicht gerade den Begriff, den wir gesucht haben? Sicher, wenn wir wissen wollten, ob der Begriff der Repräsentation vorkommt, hätten wir ihn auch direkt suchen können.
Was wir aber wissen wollten war, wie der vorliegende Text einzuordnen ist, woher kommt der Autor, welchem wissenschaftlichen Lager rechnet er sich zu und mit welchen Argumenten geht er gegen welche Position vor? Gebraucht der Autor statt „Repräsentation“ „Sätze“, „innere Bilder“ oder noch speziellere Begriffe? Je nachdem ist er einem anderen Lager zuzuordnen.
So können wir zeigen, welche Argumente es gegen die Annahme von Repräsentationen gibt.
Die Suchergebnisse sind dann im Idealfall wieder einzuteilen nach dem FFM (Five-Finger-Model, Fünf-Finger-Modell) in „Vs“, „These“ „Def“, „Bsp“, „Lager“.
Das eigentliche Suchergebnis ist also nicht „Repräsentation“, sondern dieser Begriff im Kontext von Reizwörtern wie „überflüssig“, „überholt“, „unverzichtbar“ „wiederaufgreifen“ usw.
Ein weiteres Ergebnis wird sein, dass z.B. die Annahme innerer Gegenstände einen Autor dem Lager des Mentalismus zuordnet, was ihn in „Feindschaft“ zu Vertretern anderer Ismen bringt, oder ihn seinerseits anderen Gruppen zuordnen lässt, wie z.B. dem Dualismus.
Paraphrasierung – Ausweitung des Begriffsfeldes – Ausweitung der Kontroversen
Bringt die Umformulierung von Schlüsselbegriffen in der Quelle oder bei der Suche eine Präzisierung oder eine Verunklarung?
Wir stellen fest, dass ein paraphrasierter oder verwandter Begriff mehr „Feinde“ haben kann als der ursprüngliche. D.h. er kann zu ganz anderen Kontroversen führen als die, in denen man den Begriff anfangs suchte. Z.B.
Denken Zeichen/Wort/Satz Gedächtnis
Geräusch/Bilde/Geste
Repräsentation Speicher
Innere Gegenstände Bewegung im Gehirn
Disposition Innere Bilder Wiederholung
Fähigkeit Innere Entitäten Tätigkeit
Wissen-wie
Prozessieren
Computation
Zur Erklärung: nicht jeder, der von Repräsentation redet, meint innere Bilder, manche meinen Sätze oder Wörter. Nicht jeder der von Denken spricht, nimmt Dispositionen als relevant an; nicht jeder der über Gedächtnis spricht nimmt an, dass dieses ein Speicher sei. Nicht jeder der über Dispositionen schreibt findet Computation der Berücksichtigung wert. Wer Denken als Prozessieren von Inhalten versteht, nimmt deswegen nicht unbedingt diese Inhalte als innere Gegenstände an usw.
Bei den folgenden Grafiken ist es hilfreich, sich die Begriffe der obigen Zusammenstellung an Stelle der Punkte eingesetzt zu denken.
Allgemein:
Abb. 1: Zunehmende „Feindschaften“ bei der Paraphrasierung und Fortentwicklung von Begriffen
Bsp wer innere Gegenstände als gegeben nimmt, steht in Widerspruch zu mehr wissenschaftlichen Lagern als ein Autor, der bloß eine funktionale Rolle für seinen Untersuchungsgegenstand annimmt.
So kann es auch übergreifende Kontroversen geben
a) über eine gesicherte Terminologie hinausgehend
b) über ein Wissensgebiet hinausgehend
Abb.2 Kontroversen, die über ein Gebiet hinausreichen
Bei der Übertragung elementarer Logik auf die Ethik treten frühzeitig Paradoxien auf, die auf anderen Gebieten harmlos sind.
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Ein Begriff aus der oberen Zeile mag zu mehreren Gebieten gehören - bei den paraphrasierten Begriffen der unteren Zeilen können diese Gebiete auseinandertreten. Bsp wenn Repräsentation noch in vielen Gebieten angenommen wird, ist es bei dem Begriff der Computation nicht mehr so, dass er einhellig von Vertretern verschiedener Gebiete gebraucht wird.
Abb. 3: In den während der Diskussion paraphrasierten und ausgestalteten Begriffen treten die wissenschaftlichen Lager auseinander.
Das Lexikon der Argumente zeigt diese Verschiebungen und Lagerbildungen auf.
Martin Schulz, März 2013.