Begriff/ Autor/Ismus |
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Anti-Liberalismus | Holmes | Krastev I 5 Anti-Liberalismus/Krastev/Holmes: Kein einziger Faktor kann das gleichzeitige Aufkommen autoritärer Anti-Liberalismen in so vielen unterschiedlich situierten Ländern im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts erklären. Krastev 6 Es ist unter anderem eine Geschichte des Liberalismus, der den Pluralismus zugunsten der Hegemonie aufgibt. Das Bestreben der ex-kommunistischen Länder, dem Westen nach 1989 nachzueifern, hat eine Reihe von Namen erhalten - Amerikanisierung, Europäisierung, Demokratisierung, Liberalisierung, Erweiterung, Integration, Harmonisierung, Globalisierung und so weiter - aber es bedeutete immer Modernisierung durch Imitation und Integration durch Assimilation. Krastev I 42 Anti-Liberalismus/Krastev: Im Gegensatz zu vielen zeitgenössischen Theoretikern(1) richtet sich die populistische Wut weniger gegen den Multikulturalismus Krastev I 43 als gegen postnationalen Individualismus und Kosmopolitismus. (...) es impliziert, dass der Populismus nicht dadurch bekämpft werden kann, dass die Identitätspolitik im Namen des liberalen Individualismus aufgegeben wird. Für die illiberalen Demokraten Ost- und Mitteleuropas ist die größte Bedrohung für das Überleben der weißen christlichen Mehrheit in Europa die Unfähigkeit der westlichen Gesellschaften, sich selbst zu verteidigen. Sie können sich nicht verteidigen, weil die Voreingenommenheit des Liberalismus gegenüber dem Kommunitarismus seine Anhänger angeblich blind macht für die Bedrohungen, denen sie ausgesetzt sind. (...) Der antiliberale Konsens ist heute, dass die Rechte der bedrohten weißen christlichen Mehrheit in tödlicher Gefahr sind. Um die zerbrechliche Dominanz dieser belagerten Mehrheit zu schützen (...) müssen die Europäer den wässrigen Postnationalismus, der ihnen von kosmopolitischen Liberalen aufgezwungen wird, durch eine muskulöse Identitätspolitik oder einen eigenen Gruppenpartikularismus ersetzen. Dies ist die Logik, mit der Orbán und Kaczyński versucht haben, den inneren fremdenfeindlichen Nationalismus ihrer Landsleute zu entfachen, indem sie eine antiliberale R2P (Right to Protect) geschaffen haben, die sich ausschließlich an weiße christliche Bevölkerungsgruppen richtet, die angeblich vom Aussterben bedroht sind. 1. Mark Lilla, The Once and Future Liberal: After Identity Politics (Harper, 2017). |
LawHolm I Oliver Wendell Holmes Jr. The Common Law Mineola, NY 1991 Krastev I Ivan Krastev Stephen Holmes The Light that Failed: A Reckoning London 2019 |
Anti-Liberalismus | Krastev | Krastev I 5 Anti-Liberalismus/Krastev: Kein einziger Faktor kann das gleichzeitige Aufkommen autoritärer Anti-Liberalismen in so vielen unterschiedlich situierten Ländern im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts erklären. Krastev 6 Es ist unter anderem eine Geschichte des Liberalismus, der den Pluralismus zugunsten der Hegemonie aufgibt. Das Bestreben der ex-kommunistischen Länder, dem Westen nach 1989 nachzueifern, hat eine Reihe von Namen erhalten - Amerikanisierung, Europäisierung, Demokratisierung, Liberalisierung, Erweiterung, Integration, Harmonisierung, Globalisierung und so weiter - aber es bedeutete immer Modernisierung durch Imitation und Integration durch Assimilation. Krastev I 42 Anti-Liberalismus/Krastev: Im Gegensatz zu vielen zeitgenössischen Theoretikern(1) richtet sich die populistische Wut weniger gegen den Multikulturalismus Krastev I 43 als gegen postnationalen Individualismus und Kosmopolitismus. (...) es impliziert, dass der Populismus nicht dadurch bekämpft werden kann, dass die Identitätspolitik im Namen des liberalen Individualismus aufgegeben wird. Für die illiberalen Demokraten Ost- und Mitteleuropas ist die größte Bedrohung für das Überleben der weißen christlichen Mehrheit in Europa die Unfähigkeit der westlichen Gesellschaften, sich selbst zu verteidigen. Sie können sich nicht verteidigen, weil die Voreingenommenheit des Liberalismus gegenüber dem Kommunitarismus seine Anhänger angeblich blind macht für die Bedrohungen, denen sie ausgesetzt sind. (...) Der antiliberale Konsens ist heute, dass die Rechte der bedrohten weißen christlichen Mehrheit in tödlicher Gefahr sind. Um die zerbrechliche Dominanz dieser belagerten Mehrheit zu schützen (...) müssen die Europäer den wässrigen Postnationalismus, der ihnen von kosmopolitischen Liberalen aufgezwungen wird, durch eine muskulöse Identitätspolitik oder einen eigenen Gruppenpartikularismus ersetzen. Dies ist die Logik, mit der Orbán und Kaczyński versucht haben, den inneren fremdenfeindlichen Nationalismus ihrer Landsleute zu entfachen, indem sie eine antiliberale R2P (Right to Protect) geschaffen haben, die sich ausschließlich an weiße christliche Bevölkerungsgruppen richtet, die angeblich vom Aussterben bedroht sind. 1. Mark Lilla, The Once and Future Liberal: After Identity Politics (Harper, 2017). |
Krastev I Ivan Krastev Stephen Holmes The Light that Failed: A Reckoning London 2019 |
Argumentation | Crosswhite | Gaus I 161 Argumentation/Rhetorik/Crosswhite/Bohman: These von Crosswhite: Statt als Mittel zur Erzielung einer schlüssigen Übereinkunft wird die Argumentation besser als ein kontinuierliches Mittel zur Konfliktlösung gesehen, das nur dann erfolgreich ist, wenn jede Perspektive berücksichtigt und jeder Einwand gehört wird (Crosswhite, 1996(3): 102ff). Vgl. >Argumentation/Bohman, >Diskurstheorie/Bohmann. Argumente/Crosswhite: Während einige Begründungen durch institutionalisierte, strenge Anforderungen, wie z.B. vor einem Gericht, geleitet werden können, sind Begründungen besser als diskursive Antworten auf die Anfechtung von Ansprüchen zu verstehen: "Ein Anspruch ist kein Argument; ein Anspruch mit einer Begründung schon" (Crosswhite, 1996(1): 79). Begründungen und Argumentationen können nicht nur in einer eher dialogischen Weise gesehen werden, sondern auch im spezifischen Kontext von Meinungsverschiedenheiten und Konflikten und deren Lösung. Die Argumentation macht den Konflikt explizit und gegenseitig, indem sie einen Austausch von Herausforderungen und Gründen zwischen Kläger und Beklagtem herstellt (1996(1): 102ff). Bohman: Aus dieser Sicht gibt es bei allen "öffentlichen" Gründen Besonderheiten; wenn alle Beteiligten Herausforderungen erheben dürfen, muss diese Reaktionsfähigkeit auf ein unbestimmtes Publikum ausgerichtet sein und ist auch bei anhaltenden Meinungsverschiedenheiten noch möglich. Bohman: In der Tat ist Uneinigkeit genau das, was demokratische Deliberation nicht nur notwendig, sondern auch fruchtbar und produktiv macht, wenn sie durch die Vielfalt der Perspektiven getestet wird, die für ein vielfältiges und pluralistisches Publikum typisch ist. Ein argumentativer Diskurs muss nicht Einstimmigkeit voraussetzen oder einen Konsens suchen, sondern stellt Konflikte in einen gegenseitig konstruierten Raum von Gründen. >Konsens/Deliberative Demokratie. 1. Crosswhite, James (1996) The Rhetoric of Reason. Madison, WI: University of Wisconsin Press. Bohman, James 2004. „Discourse Theory“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications |
Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Argumentation | Toulmin | Habermas III 46 Argumentation/Toulmin/Habermas: St. Toulmin stützt sich auf J. A. Blair,, R. H. Johnson (Eds) Informal Logic, Inverness, Cal. 1980, X. Toulmin: A. auf der einen Seite kritisiert Toulmin absolutistische Auffassungen, die theoretische Erkenntnisse, moralisch-praktische Einsichten und ästhetische Bewertungen auf deduktiv zwingende Argumente oder empirisch zwingende Evidenzen zurückführen Soweit Argumente im Sinn logischer Folgerung zwingend sind, fördern nichts substantiell Neues zutage; und soweit sie überhaupt substantiellen Gehalt haben, stützen sie sich auf Evidenzen und Bedürfnisse, die mit Hilfe mehrerer Beschreibungssysteme und m Lichte wechselnder Theorien verschieden interpretiert werden können und deshalb keine ultimative Grundlage bieten. >Inhalt, >Theoriewechsel, >Bedeutungsänderung, >Interpretation. Habermas III 47 B. Auf der anderen Seite kritisiert Toulmin ebenso sehr relativistische Auffassungen, die den eigentümlich zwanglosen Zwang des besseren Argumentes nicht erklären und den universalistischen Konnotationen von Geltungsansprüchen, wie der Wahrheit von Propositionen oder der Richtigkeit von Normen, nicht Rechnung tragen können. Laut B. R. Burleson(1) argumentiert Toulmin, das keine der beiden Positionen reflexiv ist, d.h. keine kann für sich innerhalb ihres eigenen Rahmens „Rationalität“ beanspruchen. Der Absolutist kann sich nicht auf ein Erstes Prinzip berufen, der Relativist muss behaupten, dass seine eigene Position oberhalb der Relativität von Urteilen angesiedelt sei. >Relativismus, >Urteile, >Prinzipien, >Rationalität, >Begriffsschemata. Habermas: Wir müssen stattdessen fragen: wie können Gründe ihrerseits kritisiert werden? An der argumentativen Rede lassen sich drei Aspekte unterscheiden. Siehe Argumentation/Habermas. Habermas III 58 Toulmin unterscheidet auf der prozeduralen Ebene zwischen konflikt- und konsensorientierten Mustern der Organisation(2) und auf der Prozessebene zwischen funktional spezifizierten Handlungskontexten. >Moral, >Wissenschaft/Toulmin, >Recht, >Institutionen. Habermas III 59 Fünf repräsentationale Felder: Recht, Moral, Wissenschaft, Management und Kunstkritik. (3) Es wird dabei stets dasselbe Argumentationsschema herauspräpariert. III Habermas III 60 Damit meint er aber keine zeitlosen abstrakten Ideale sondern „offene“ und historisch wandelbare Vorstellungen davon, was die jeweiligen Unternehmungen leisten sollen. 1.B. R. Burleson, On the Foundations of Rationality in: Journ. Am. Forensic Assoc. 16, 1979, 113. 2. St. Toulmin, R. Rieke, A. Janik, An Introduction to Reasoning, N.Y. 1979, p.279ff 3. ibid. p. 200 |
Toulmin I St. Toulmin The Uses of Argument Cambridge 2003 Ha I J. Habermas Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988 Ha III Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I Frankfurt/M. 1981 Ha IV Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. II Frankfurt/M. 1981 |
Autonomie | Durkheim | Habermas IV 129 Autonomie/Person/Durkheim/Habermas: Die Gabe der freien Entscheidung ist hinreichend, die Persönlichkeit des Individuums zu begründen. (1) Allerdings erschöpft sich diese Autonomie nicht in der Fähigkeit, willkürlich zu entscheiden. Sie besteht nicht in der Freiheit, „zwischen zwei Alternativen zu wählen“, eher in einem „reflektierten Selbstverhältnis“. >Individuen, >Person. Habermas IV 130 Die fortschreitende Autonomie schafft eine neue Form von Solidarität, die nicht mehr durch einen vorgängigen Wertekonsens gesichert ist, sondern kraft individueller Anstrengungen kooperativ erzielt werden muss. An die Stelle einer sozialen Integration durch Glauben tritt eine durch Kooperation. >Kooperation. Durkheim revidiert in der zweiten Auflage seine ursprüngliche Auffassung, diese Solidarität sei eine Wirkung gesellschaftlicher Arbeitsteilung. Er sieht sich stattdessen gezwungen, eine Berufsgruppenmoral zu postulieren. Habermas IV 131 HabermasVsDurkheim: indem er etwas Übergeordnetes als Bindungskraft postuliert, entgeht er nicht den Fallstricken des geschichtsphilosophischen Denkens. Einerseits nimmt er die deskriptive Einstellung eines Sozialwissenschaftlers ein, andererseits macht er sich das Konzept einer universalistischen Moral (…) in normativer Einstellung zu eigen und erklär lapidar zur Pflicht, „uns eine neue Moral zu bilden.“ (2) HabermasVsDurkheim: er ist sich nicht im Klaren darüber, welchen methodischen Bedingungen die deskriptive Erfassung eines als Rationalisierungsvorgang begriffenen Entwicklungsprozesses genügen muss. 1. E. Durkheim, De la division du travail social, German: Über die Teilung der sozialen Arbeit, Frankfurt, 1977, S. 444 2. Ebenda S. 450. |
Durkheim I E. Durkheim Die Regeln der soziologischen Methode Frankfurt/M. 1984 Ha I J. Habermas Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988 Ha III Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I Frankfurt/M. 1981 Ha IV Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. II Frankfurt/M. 1981 |
Autorität | Habermas | IV 118 Kommunikative Praxis/Habermas: These: die sozialintegrativen und expressiven Funktionen, die zunächst von der rituellen Praxis erfüllt werden, gehen auf das Kommunikative Handeln über, wobei die Autorität des Heiligen sukzessive durch die Autorität eines jeweils für begründet gehaltenen Konsenses ersetzt wird. >Heiliges/Durkheim, >Religion, >Gesellschaft, >Herrschaft. Das bedeutet eine Freisetzung des kommunikativen Handelns von sakral geschützten normativen Kontexten. >Kommunikatives Handeln/Habermas, >Kommunikationstheorie/Habermas, >Kommunikation/Habermas, >Kommunikative Praxis/Habermas, >Kommunikative Rationalität/Habermas. IV 119 Die Entzauberung und Entmächtigung des sakralen Bereichs vollzieht sich auf dem Wege einer Versprachlichung des rituell gesicherten normativen Grund-Einverständnisses. >>Entzauberung. |
Ha I J. Habermas Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988 Ha III Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I Frankfurt/M. 1981 Ha IV Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. II Frankfurt/M. 1981 |
Beobachtung | Vergleichende Psychologie | Corr I 275 Beobachtung/Vergleichende Psychologie/Persönlichkeit/Gosling: Um die Bedenken hinsichtlich der Existenz von Persönlichkeit bei Tieren auszuräumen, haben Gosling, Lilienfeld und Marino (2003(1); siehe auch Gosling und Vazire 2002(2)) kürzlich drei Kriterien aus der Debatte über die Existenz von Persönlichkeit beim Menschen (Kenrick und Funder 1988)(3) herausgenommen: (1) Die Bewertungen durch unabhängige Beobachter müssen übereinstimmen; (2) Diese Bewertungen müssen Verhaltensweisen und reale Ergebnisse vorhersagen; und (3) Es muss nachgewiesen werden, dass die Beobachterbewertungen echte Attribute der bewerteten Individuen widerspiegeln, nicht nur die impliziten Theorien der Beobachter darüber, wie sich Charakterzüge gegenseitig beeinflussen. Corr I 276 Ad (1) Studien an Menschen, die andere Menschen bewerten, führen typischerweise zu Korrelationen zwischen Beobachtern im Bereich von .50 (z.B. Funder, Kolar und Blackman 1995)(4). Dies unterstützt die Idee, dass Menschen mit ihren Bewertungen übereinstimmen, und einen Standard liefern, nach dem Urteile über Tiere bewertet werden können. Es gibt inzwischen einen umfangreichen Forschungskorpus, der zeigt, dass die Beobachter in ihren Bewertungen der Tiere sehr übereinstimmen. Gosling (2001(5)) fasste die Ergebnisse von 21 Bewertungsstudien zur Tierpersönlichkeit zusammen; die mittlere Korrelation zwischen Beobachtern betrug .52 und entsprach damit der Größe der Konsenskorrelationen aus der Humanforschung. Ad (2) So konnte beispielsweise an Charakterzügen gezeigt werden, dass sie bestimmte Verhaltensweisen (z.B. Pederson, King und Landau 2005)(6), beruflichen Erfolg (z.B. Maejima Inoue-Murayama, Tonosaki et al. 2006)(7) und Gesundheitsauswirkungen vorhersagen. Corr I 277 Ad (3) Die aus Verhaltenskodierungen gewonnenen Faktoren ähneln den aus Beobachtungsbewertungen gewonnenen Faktoren, was darauf hindeutet, dass beide Methoden die gleichen zugrunde liegenden Konstrukte bewerten (Gosling und John 1999)(8). Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die Struktur der Persönlichkeitsbewertungen zumindest teilweise auf realen Attributen der zu bewertenden Personen basiert. Tierpersönlichkeit/Beobachtung/Unterschiede: Der Begriff der tierischen Persönlichkeit ist eng mit der Existenz individueller Unterschiede verbunden, d.h. ein Charakterzug kann nur dann identifiziert werden, wenn die Individuen von diesem abweichen. 1. Gosling, S. D., Lilienfeld, S. O. and Marino, L. 2003. Personality, in D. Maestripieri (ed.), Primate psychology: the mind and behaviour of human and nonhuman primates, pp. 254–88. Cambridge, MA: Harvard University Press 2. Gosling, S. D. and Vazire, S. 2002. Are we barking up the right tree? Evaluating a comparative approach to personality, Journal of Research in Personality 36: 607–14 3. Kenrick, D. T. and Funder, D. C. 1988. Profiting from controversy: lessons from the person-situation debate, American Psychologist 43: 23–34 4. Funder, D. C. Kolar, D. C. and Blackman, M. C. 1995. Agreement among judges of personality: interpersonal relations, similarity, and acquaintance, Journal of Personality and Social Psychology 69: 656–72 5. Gosling, S. D. 2001. From mice to men: what can we learn about personality from animal research?, Psychological Bulletin 127: 45–86 6 .Pederson, A. K., King, J. E. and Landau, V. I. 2005. Chimpanzee (Pan troglodytes) personality predicts behaviour, Journal of Research in Personality 39: 534–49 7. Maejima, M., Inoue-Murayama, M., Tonosaki, K., Matsuura, N., Kato, S., Saito, Y., Weiss, A., Murayama, Y. and Ito, S. 2006. Traits and genotypes may predict the successful training of drug detection dogs, Applied Animal Behaviour Science 0168–1591 8. Gosling, S. D. and John, O. P. 1999. Personality dimensions in non-human animals: a cross-species review, Current Directions in Psychological Science 8: 69–75 Samuel D. Gosling and B. Austin Harley, “Animal models of personality and cross-species comparisons”, in: Corr, Ph. J. & Matthews, G. (eds.) 2009. The Cambridge Handbook of Personality Psychology. New York: Cambridge University Press |
Corr I Philip J. Corr Gerald Matthews The Cambridge Handbook of Personality Psychology New York 2009 Corr II Philip J. Corr (Ed.) Personality and Individual Differences - Revisiting the classical studies Singapore, Washington DC, Melbourne 2018 |
Bildungspolitik | Wirtschaftstheorien | Mause I 509f Bildungspolitik/Wirtschaftstheorie: Bildungspolitik ist ein Thema, das verschiedene Institutionen wie Schulen, Hochschulen, Weiterbildungsmaßnahmen, Berufsförderung usw. betrifft. Bildungsziele: können sein: Bsp zweckfreie Persönlichkeitsentwicklung, Erwerb von Fähigkeiten, die für die soziokulturelle Integration nötig sind, Entwicklung von fachlichen, ökonomisch verwertbaren Kompetenzen für die Arbeitswelt. Hochschulpolitik: „Clarksches Dreieck“ (1): Die Eckpunkte sind: Staat, Markt, Zivilgesellschaft. In Anlehnung daran werden Typen von Hochschsulpolitik charakterisiert: A. „Staatliches Autoritätsmodell“: geht auf das napoleonische Hochschulwesen Frankreichs zurück. Steuerung durch Interventionen, die sich auf Finanzen, Zulassung, Studienpläne, Personalpolitik usw. erstreckt. B. Das auf Humboldt zurückgehende Modell der „selbstverwaltenden wissenschaftlichen Gemeinschaft“. Interne Governance erfolgt durch kollegiales Verhandlungs- und professorales Lehrstuhlsystem. C. Angelsächsisches „Marktmodell“: weitgehend frei von staatlicher Lenkung. Interner Wettbewerb regelt die Governance. Intern sind Hochschulen wie Wirtschaftsunternehmen zentral gesteuert. Private Ressourcen spielen eine große Rolle. Ähnliche Modelle bzw. Konfigurationen finde man auch in der Erwachsenenbildung und der Weiterbildung (2) und in den Ansätzen zu „Varieties of Capitalism“ (3). Recht auf Bildung/Dahrendorf: Zum bildungspolitischen Grundkonsens gehört heute ein Recht auf Bildung, unabhängig von deren Verwertungsmöglichkeiten durch die Nachfrager von Humankapital (Dahrendorf 1965) (4). Durch eine Investition in Bildung wird die Produktivität des Arbeitsanbieters erhöht. Der Lohn entspricht dann der Grenzproduktivität der Arbeit. Angebotsorientierte Bildungspolitik dient den Interessen des Lernenden. Die Entscheidung über Kosten und Nutzen fällen die Individuen, indem sie ihr Zeitbudget aufteilen. Kennt das Individuum nun die Kosten der Ausbildung und die zukünftigen Mehrerträge, die es durch seine höhere Qualifikation erzielen wird, kann es unter der Annahme eines bestimmten Planungshorizontes und eines Marktzinses den Barwert seiner möglichen Investition ermitteln. Folgt man der Logik der Investitionsrechnung, so ist diejenige Investition zu bevorzugen, die den höchsten Barwert besitzt. 1. Clark, Burton R. 1983. The higher education system. Academic organisation in cross-national perspective. Berkeley 1983. 2. Käpplinger, Bernd, und Steffi Robak, (Hrsg). Changing configurations of adult education. Changing configurations of adult education in transitional times. Frankfurt a. M. 2014 3. Hall, Peter A., und David Soskice. 2001. Varieties of capitalism: The institutional foundations of comparative advantage. Oxford 2001. 4. Ralf Dahrendorf, Ralf. 1965. Bildung ist Bürgerrecht. Plädoyer für eine aktive Bildungspolitik. Hamburg 1965. |
Mause I Karsten Mause Christian Müller Klaus Schubert, Politik und Wirtschaft: Ein integratives Kompendium Wiesbaden 2018 |
Charakterzüge | Allport | Corr II 29 Charakterzug-Wörter/Charakterzüge/Lexikon/Studienhintergrund/Allport/Odbert/Saucier: Die Essenz von [Allports und Odberts Artikel 'Trait-names: A psycho-lexical study'] war eine Klassifizierung von (...) englischen Charakterzug-Wörtern (engl. trait names) (Begriffe, die das Verhalten eines Menschen von dem eines anderen unterscheiden) in vier Kategorien. (...) Aus wissenschaftlicher Sicht könnten einige der grundlegendsten Charakterzüge durch das Studium von Konzepten entdeckt werden, die im Gebrauch der natürlichen Sprache impliziert sind. Wenn eine Unterscheidung im Lexikon stark vertreten ist - und in jedem Wörterbuch zu finden ist - kann davon ausgegangen werden, dass sie von praktischer Bedeutung ist. Dies liegt daran, dass der Repräsentationsgrad eines Charakterzuges in der Sprache eine gewisse Entsprechung mit der allgemeinen Bedeutung des Charakterzuges in Transaktionen der realen Welt hat. Wenn also ein Wissenschaftler Charakterzüge identifiziert, die in der natürlichen Sprache stark repräsentiert sind, identifiziert dieser Wissenschaftler gleichzeitig die möglicherweise wichtigsten Charakterzüge. II 30 Studiendesign/Allport/Odbert: Allport und Odbert wandten sich an Webster's New International Dictionary (1925)(1), ein Kompendium mit etwa 400.000 einzelnen Begriffen. Indem sie die Urteile von drei Ermittlern (sie selbst und eine Person, die nur als "AL" bezeichnet wurde, (...)) kombinierten, erstellten sie eine Liste von 17.953 Charakterzug-Wörtern in englischer Sprache, die sich auf das folgende Kriterium für die Aufnahme stützte: "die Fähigkeit eines Begriffs, das Verhalten eines Menschen von dem eines anderen Menschen zu unterscheiden" (S. 24)(2). Allport und Odbert gingen noch weiter und teilten die Begriffe in vier Kategorien oder Spalten. Die (...) Begriffe in Spalte I waren 'neutrale Begriffe, die mögliche II 31 persönliche Eigenschaften" (S. 38)(2) bestimmten - genauer definiert als "verallgemeinerte und personalisierte bestimmende Tendenzen und konsistente und stabile Modi der Anpassung eines Individuums" an seine Umgebung (S. 26)(2). Die (...) Begriffe in Spalte II waren "Begriffe, die in erster Linie vorübergehende Stimmungen oder Aktivitäten beschreiben" (...). Bei den (...) Begriffen in Spalte III handelte es sich um "gewichtete Begriffe, die soziale und charakterliche Urteile über persönliches Verhalten oder bezeichneten Einfluss auf andere vermitteln" (S. 27)(2) (...).Die anderen (...) Begriffe fielen in die Kategorie "Sonstiges" in Spalte IV, die als "metaphorische und zweifelhafte Begriffe" (S. 38) bezeichnet wurden(2). Diese letzte Kategorie umfasste Begriffe, die physische Eigenschaften und verschiedene Fähigkeiten beschreiben (...). II 33 Befund/Bericht/Odbert: 1. Allport und Odbert argumentieren überzeugend, dass ein normales menschliches Leben im Grunde nicht ohne einen gewissen Bezug zu Persönlichkeitsdispositionen ablaufen kann. Es gibt kein besseres Argument als ihre pointierten Worte aus der Monographie: "Sogar der Psychologe, der sich gegen Charakterzüge ausspricht und leugnet, dass ihre symbolische Existenz mit der 'realen Existenz' übereinstimmt, wird dennoch ein überzeugendes Empfehlungsschreiben schreiben, um zu beweisen, dass einer seiner Lieblingsschüler 'vertrauenswürdig, selbständig und sehr kritisch' ist" (S. 4-5)(2). 2. Allport und Odbert weisen darauf hin, dass die Dispositionen, auf die sich Charakterzug-Wörter beziehen, mehr als nur ein Gesprächsartefakt und auch mehr als eine Form alltäglicher Irrtümer sind (auch wenn sie das zum Teil sein mögen). Sie sind bis zu einem gewissen Grad nützlich für das Verständnis und die Vorhersage, wie spätere Forschungen bestätigen (Roberts et al., 2007) (3). [Die nachfolgende Behauptung besagt, dass] der Repräsentationsgrad eines Charakterzuges in der Sprache eine gewisse Übereinstimmung mit der allgemeinen Bedeutung dieses Charakterzuges in Transaktionen der realen Welt hat. II 34 3. (...) Die Wissenschaft kann sich auf den Korpus der sprachlichen Vernunftbegriffe stützen und darauf aufbauen. Anstatt sich ausschließlich auf die Top-down-Gambits der Theoretiker zu verlassen, gibt es die Möglichkeit eines generativen Bottom-up-Ansatzes. II 35 4. (...) Allport und Odbert erkannten eine der Persönlichkeitssprache innewohnende Schwierigkeit: Charakterzug-Wörter bedeuten für verschiedene Menschen unterschiedliche Dinge. Bis zu einem gewissen Grad sind diese Bedeutungen abhängig von den 'Denkgewohnheiten' (S. 4)(2). Ein Grund dafür ist die Polysemie (mehrere unterschiedliche Bedeutungen), die viele Wörter aufweisen. 5. Innerhalb der Wissenschaft könnte die Schwierigkeit durch explizite Kommunikation und Konsens noch weiter gelöst werden. Für Allport und Odbert bedeutete dies, Charakterzüge in einer sorgfältigen und logischen Weise zu benennen und nicht nur zu kodifizieren, sondern auch die natürlich-sprachliche Terminologie zu "reinigen" (S. vi)(2). II 36 6. Allport und Odbert interessierten sich in erster Linie für Tendenzen, die "konsistente und stabile Formen der Anpassung eines Individuums an seine Umgebung" sind und nicht "nur vorübergehendes und spezifisches Verhalten" (S. 26)(2). 7. (...) Charakterzüge spiegeln eine Kombination der biophysikalischen Einflüsse und etwas Kulturelleres (vielleicht historisch Unterschiedliches) wider. (...) Charakterisierungen menschlicher Eigenschaften werden teilweise durch "zeittypische Normen und Interessen" (S. 2)(2) in einer bestimmten gesellschaftlichen Epoche bestimmt. [Auf diese Weise werden] Charakterzüge zum Teil 'entsprechend den kulturellen Anforderungen erfunden' (S. 3)(2). II 37 VsAllport/VsOdbert: 1. (...) sie [Allport und Odbert] ignorieren und verkürzen den kulturellen Anteil, sowohl im Hinblick auf Fragen der interkulturellen Verallgemeinerbarkeit als auch darauf, wie Charakterzüge selbst kulturrelevante Inhalte widerspiegeln können. 2. Nach ihrer ausgeprägten "Charakterzug-Hypothese" (S. 12)(2) besitzen keine zwei Personen "genau den gleichen Charakterzug" (S. 14)(3) und jedes "Individuum unterscheidet sich in jedem seiner Charakterzüge von jedem anderen Individuum" (S. 18)(2). Das Problem ist nicht, dass der Individualismus falsch ist; vielmehr mag es ethnozentrisch sein, einen individualistischen Filter durch die gesamte Persönlichkeitspsychologie zu ziehen und in der Tat liegen solche idiothetischen Ansätze außerhalb des Mainstreams der aktuellen und neueren Persönlichkeitspsychologie. II 38 3. Ein weiterer Aspekt des Denkens (...), der im Rückblick seltsam erscheinen mag, ist die Vorstellung eines einzigen, kardinalen Charakterzuges, der bestimmende Tendenzen in einem individuellen Leben liefert. (...) ein bestimmter Charakterzug wird so allgegenwärtig in einer Person, dass es zu einem ausgeprägten Fokus der Organisation wird. Siebzig Jahre später scheint es immer noch einen Mangel an Beweisen für Kardinalcharakterzüge zu geben, die eine mehr oder weniger feindselige Übernahme durchführen und den Rest des Persönlichkeitssystems bestimmen und strukturieren. II 39 4. Allport und Odbert plädieren für eine neutrale Terminologie in der Wissenschaft. Leider hat es den Anschein, dass sie den Wunsch nach ungewichtetem, emotionsfreiem Vokabular bis in die Charakterzug-Inhalte ausdehnen, die sich in den Charakterzug-Wörtern in der Sprache zeigen, was verwirrende Folgen hat. Aus dieser Sicht sind die Bezeichnungen der Charakterzüge (...), die durch eine affektive Polarität wertend und "emotional gefärbt" (S. v)(2), verdächtig und weniger "studienwürdig" als die neutralen Bezeichnungen. Jedoch sind Begriffe wie "böse" und "Tugend" wegen ihres extrem affektiven Tons besonders "studienwürdig" (...). II 40 5. (...) Die zahlenmäßig größte Kategorie von Bezeichnungen für Charakterzüge war die soziale Bewertung. Sie geben jedoch keinen Aufschluss darüber, warum die dritte Spalte, die soziale Beurteilungen widerspiegelt, die wahrscheinlich nicht mit biophysikalischen Merkmalen in Zusammenhang stehen, die größte Komponente in der Wahrnehmung einer Person sein sollte. 6. (...) die Vorstellung, dass zensorische und moralischen Begriffe - Tugenden, II 41 [und] Laster, was auch immer mit Tadel oder Lob verbunden ist, ganz zu schweigen von sozialen Auswirkungen - für einen Psychologen keine Verwendung haben, ist heute obsolet. 7. Die besondere Allport- und Odbert-Einteilung von Charakterzug-Wörtern in vier Kategorien für bare Münze zu nehmen, bedeutet, die Annahmen einer spezialisierten Theorie der Charakterzüge zu übernehmen, deren Hauptaussagen auf der Grundlage der Klassifizierung selbst konstruiert werden können. (...) Die Beachtung von Emotionen und Moral würde uns von den zentralen Aspekten der Persönlichkeit ablenken, die dauerhafte Konsistenzen widerspiegeln und die in der Person selbst und außerhalb des Einflusses der Gesellschaft wirken (...). 1. Webster’s new international dictionary of the English language (1925). Springfield, MA: Merriam. 2. Allport, G. W., & Odbert, H. S. (1936). Trait-names: A psycho-lexical study. Psychological Monographs, 47 (1, Whole No. 211). 3. Roberts, B. W., Kuncel, N. R., Shiner, R., Caspi, A., & Goldberg, L. R. (2007). The power of personality: The comparative validity of personality traits, socioeconomic status, and cognitive ability for predicting important life outcomes. Perspectives on Psychological Science, 2, 313–345. Saucier, Gerard: “Classification of Trait-Names Revisiting Allport and Odbert (1936)”, In: Philip Corr (Ed.), 2018. Personality and Individual Differences. Revisiting the classical studies. Singapore, Washington DC, Melbourne: Sage, pp. 29-45. |
Corr I Philip J. Corr Gerald Matthews The Cambridge Handbook of Personality Psychology New York 2009 Corr II Philip J. Corr (Ed.) Personality and Individual Differences - Revisiting the classical studies Singapore, Washington DC, Melbourne 2018 |
Charakterzüge | McCrae | Corr I 103 Charakterzüge/McCrae/Deary: Als er behauptete, dass "Charakterzüge keine kognitiven Fiktionen, sondern reale psychologische Strukturen sind" (McCrae 2004(1), S. 4), beinhalteten die stützenden Beweise eine konsensuelle Validierung, die Vorhersage von Lebensergebnissen, Längsstabilität und Vererblichkeit. Als nahezu provokante Herausforderung schlägt McCrae vor, dass Charakterzüge nicht von der Umwelt beeinflusst, sondern vollständig durch biologische Faktoren verursacht werden... McCraes sehr starkes Bekenntnis zu den biologischen Grundlagen von Charakterzügen wird auf der Grundlage einer erheblichen Vererblichkeit, eines praktischen Nullbeitrags aus der gemeinsamen Umwelt und der Tatsache begründet, dass selbst der Rest in der "nicht gemeinsam genutzten" Umwelt wahrscheinlich Varianz enthält, die tatsächlich auf genetische und andere biologische Varianz zurückzuführen ist, wie z.B. intrauterine Umwelt, Krankheit und Alterung" (McCrae 2004, S. 6). Die Stabilität der Charakterzüge über die gesamte Lebensdauer wird auch als Beweis für die starken Ansprüche an die "Fünf-Faktoren-Theorie" angeführt. Vgl. >Fünf-Faktoren-Modell. 1. McCrae, R. R. 2004. Human nature and culture: a trait perspective, Journal Journal of Research in Personality 38: 3–14 Ian J. Deary, “The trait approach to personality”, in: Corr, Ph. J. & Matthews, G. (eds.) 2009. The Cambridge Handbook of Personality Psychology. New York: Cambridge University Press Corr I 129 Charakterzüge/Costa/McCrae: Costa und McCrae (1976)(1) gruppierten 16 PF-Skalen auf der Grundlage von Daten aus drei verschiedenen Altersgruppen, was zu zwei konsistenten, altersgruppenunabhängigen Clustern führte, die als Adjustment-Anxiety und Introversion-Extraversion bezeichnet werden, und einem dritten inkonsistenten, altersgruppenabhängigen Cluster, der als empirische Style-Dimension konzipiert wurde. Die drei Cluster bildeten den Ausgangspunkt für die Entwicklung des dreistufigen NEO-PI (Costa und McCrae 1985)(2). 1. Costa, P. T., Jr and McCrae, R. R. 1976. Age differences in personality structure: a cluster analytic approach, Journal of Gerontology 31: 564–70 2. Costa, P. T., Jr and McCrae, R. R. 1985. The NEO Personality Inventory manual. Odessa, FL: Psychological Assessment Resources Boele De Raad, “Structural models of personality”, in: Corr, Ph. J. & Matthews, G. (eds.) 2009. The Cambridge Handbook of Personality Psychology. New York: Cambridge University Press |
Corr I Philip J. Corr Gerald Matthews The Cambridge Handbook of Personality Psychology New York 2009 Corr II Philip J. Corr (Ed.) Personality and Individual Differences - Revisiting the classical studies Singapore, Washington DC, Melbourne 2018 |
Charakterzüge | Verhaltensgenetik | Corr I 287 Charakterzüge/Verhaltensgenetik/Munafò: Die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen DNA-Varianten und psychologischen Phänotypen hat das Potenzial zu bestimmen, welche Gene vererbbare psychologische Merkmale wie Persönlichkeit beeinflussen (Ebstein, Benjamin und Belmaker 2000(1); Eysenck 1977)(2). Diese Forschung hat eine lange Geschichte, beginnend mit der Beobachtung, dass Verhaltensphänotypen (einschließlich Persönlichkeit) dazu neigen, mit zunehmender genetischer Ähnlichkeit eine größere Ähnlichkeit zwischen Paaren von Individuen zu zeigen. Probleme: Molekulargenetische Studien waren bisher eher durch die Inkonsistenz ihrer Ergebnisse gekennzeichnet als durch die Bereitstellung neuartiger biologischer Informationen. Angesichts der großen Anzahl von Kandidatengenen, die zur Beeinflussung psychologischer Merkmale hypothetisiert werden können sowie des Ausmaßes der DNA-Sequenzvariation und der zahlreichen, oft widersprüchlichen Methoden zur Messung phänotypischer Variationen in der Psychologie und Verhaltensforschung ist die Aufgabe, konkurrierende statistische Hypothesen zu bewerten, wahrscheinlich beschwerlich. (VsMolekulare Genetik, VsBehaviorale Genetik). Charakterzüge/Psychologie: Die meisten Charakterzugpsychologen argumentieren, dass eine kleine Anzahl von Faktoren verwendet werden kann, um individuelle Unterschiede in der Persönlichkeit zu berücksichtigen. So besteht beispielsweise starke Übereinstimmung darüber, dass die Dimensionen Extraversion-Introversion und Neurotizismus-Stabilität grundlegende Bestandteile jeder Persönlichkeitstaxonomie sind. >Charakterzüge/Psychologische Theorien. Kausalität: Kausale Persönlichkeitstheoretiker haben versucht, weiter zu gehen und bekannte neurobiologische Mechanismen mit Persönlichkeitsdimensionen zu verbinden, gemessen mit einer Reihe von Instrumenten. >Kausalität/Entwicklungspsychologie. Verhalten: In Anlehnung an die Typologie von Revelle (Revelle 1995)(3) wurden drei grundlegende Verhaltensdimensionen vorgeschlagen, die der differentiellen Aktivität in Neurotransmittersystemen entsprechen sollen (Ebstein, Benjamin Benjamin und Belmaker 2000(1); Munafò, Clark, Moore et al. 2003(4)): Dopamin für Annäherungsverhalten, Serotonin und Noradrenalin für Vermeidungsverhalten und Serotonin, Noradrenalin und GABA für aggressives oder Kampf-Rückzug-Verhalten. Es besteht ein breiter Konsens über die Konstruktvalidität der ersten beiden dieser Dimensionen, aber es bleibt eine ebenso große Debatte über die dritte. 1. Ebstein, R. P., Benjamin, J., Belmaker, R. H. 2000. Personality and polymorphisms of genes involved in aminergic neurotransmission, European Journal of Pharmacology 410: 205–14 2. Eysenck, H. J. 1977. National differences in personality as related to ABO blood group polymorphism, Psychology Reports 41: 1257–8 3. Revelle, W. 1995. Personality processes, Annual Review of Psychology 46: 295–328 4. Munafò, M. R., Clark, T. G., Moore, L. R., Payne, E., Walton, R. and Flint, J. 2003. Genetic polymorphisms and personality in healthy adults: a systematic review and meta-analysis, Molecular Psychiatry 8: 471–84 Marcus R. Munafò,“Behavioural genetics: from variance to DNA“, in: Corr, Ph. J. & Matthews, G. (eds.)2009. The Cambridge handbook of Personality Psychology. New York: Cambridge University Press Corr I 329 Personality traits/Behavioral Genetics: Behaviour genetic analysis has shown that the two meta-traits have genetic origins (Jang et al. 2006)(1), and evidence is accumulating that Stability (>Personality traits/neurobiology) is related to serotonin, whereas Plasticity may be related to dopamine (DeYoung 2006(2); DeYoung, Peterson and Higgins 2002;(3) Yamagata, Suzuki, Ando et al. 2006)(4). Serotonine and dopamine act as diffuse neuromodulators affecting a wide array of brain systems, and their broad influence is consistent with a role in the broadest level of personality structure. 1. Jang, K. L., Livesley, W. J., Ando, J., Yamagata, S., Suzuki, A., Angleitner, A., Ostendorf, F., Riemann, R. and Spinath, F. 2006. Behavioural genetics of the higher-order factors of the Big Five, Personality and Individual Differences 41: 261–72 2. DeYoung, C. G. 2006. Higher-order factors of the Big Five in a multi-informant sample, Journal of Personality and Social Psychology 91: 1138–51 3. DeYoung, C. G., Peterson, J. B. and Higgins, D. M. 2002. Higher-order factors of the Big Five predict conformity: are there neuroses of health? Personality and Individual Differences 33: 533–52 4. Yamagata, S., Suzuki, A., Ando, J., Ono, Y., Kijima, N., Yoshimura, K., Ostendorf, F., Angleitner, A., Riemann, R., Spinath, F. M., Livesley, W. J. and Jang, K. L. 2006. Is the genetic structure of human personality universal? A cross-cultural twin study from North America, Europe, and Asia, Journal of Personality and Social Psychology 90: 987–98 Colin G. DeYoung and Jeremy R. Gray, „ Personality neuroscience: explaining individual differences in affect, behaviour and cognition“, in: Corr, Ph. J. & Matthews, G. (eds.) 2009. The Cambridge handbook of Personality Psychology. New York: Cambridge University Press |
Corr I Philip J. Corr Gerald Matthews The Cambridge Handbook of Personality Psychology New York 2009 Corr II Philip J. Corr (Ed.) Personality and Individual Differences - Revisiting the classical studies Singapore, Washington DC, Melbourne 2018 |
Chicagoer Schule | Friedman | Mause I 107 Chicagoer Schule/Chicago School/Friedman: Die Konzepte der Zweiten Chicagoer Schule um Milton Friedman waren eine Reaktion auf die Krise Ende der 1970er Jahre. Ziel der entsprechenden Politik war es, die Märkte aus der Umklammerung staatlicher Regulierung zu befreien. >M. Friedman. VsChicago School: Die drei folgenden Dekaden zeigten ein spiegelbildliches Verlaufsmuster der 1960er- bis 1980er-Jahre. Gerade weil die liberalen Reformen sich zu Beginn als erfolgreich erwiesen, wurde die Deregulierung so lange fortgeführt, bis sich schließlich zeigte, dass sich das Marktgeschehen, insbesondere das auf den weltweiten Finanzmärkten, politischer Regulierung und Kontrolle weitgehend entzog. VsFriedman: Im Nachklang der Finanz- und Wirtschaftskrise ((s) von 2008) besteht heute ein weitgehender Konsens, dass der Kapitalismus einer neuen Einbettung bzw. einer neuerlichen Politisierung bedarf, was sich manchmal sogar ganz explizit in der Forderung „Back to Bretton Woods“ äußert. >Interventionen, >Interventionismus, >Monetarismus. |
Econ Fried I Milton Friedman The role of monetary policy 1968 Mause I Karsten Mause Christian Müller Klaus Schubert, Politik und Wirtschaft: Ein integratives Kompendium Wiesbaden 2018 |
Citizen Science | Edwards | Edwards I 580 Citizen Science/Edwards: Citizen-Science-Websites und ähnliche Seiten stellen bemerkenswerte neue Möglichkeiten für den offenen Zugang und die Bürgerbeteiligung bei der Klimaüberwachung und -modellierung dar. Oberflächlich betrachtet scheint dies nutzbringend zu sein, und vielleicht ist es das auch. Doch solche Projekte ziehen in verschiedene Richtungen, von denen nicht alle zu einer Verbesserung der Qualität der Klimawissenschaft führen. Während zum Beispiel die National Science Foundation und zahlreiche andere Agenturen die gemeinsame Nutzung von Daten fördern und sogar fordern, ist der paradigmatische Fall einer solchen gemeinsamen Nutzung die Wiederverwendung von Daten durch andere Wissenschaftler - und nicht die Überprüfung durch Amateure, egal wie sachkundig und gut ausgebildet sie auch sein mögen. Je offener Sie Ihre Wissenschaft gestalten, desto mehr Aufwand müssen Sie betreiben, Ihre Daten zur Verfügung zu stellen und den Menschen bei deren Interpretation zu helfen. Im Fall des Klimawandels kann dieser Aufwand lästig werden, sogar überwältigend; er kann Sie davon abhalten, überhaupt Wissenschaft zu betreiben. Der "Hockeyschläger"-Fall (>Hockeyschläger-Kontroverse/Edwards) zog Michael Mann und seine Co-Autoren in einen jahrelangen Morast von Anhörungen, Briefen und öffentlichen Verteidigungen ihrer Daten und Methoden, während derer sie Forschung hätten betreiben können. Doch wenn man seine Wissenschaft verschließt und Außenstehende ausschließt, indem man ihnen den Zugang zu Daten und... Edwards I 581 ...Methoden verweigert, werden Sie nicht nur Verdacht erregen und sich dem Vorwurf des Elitismus aussetzen, sondern Ihnen entgeht möglicherweise auch ein echter wissenschaftlicher Nutzen durch ungewöhnliche Kritiken und kreative Ideen "außerhalb der Traditionen" Ihres Fachgebiets. Die Aufdeckung von Fehlern in den GISS-Temperaturdaten durch Climate Audit und die Entdeckung von Fehlern in GISTEMP durch Clear Climate Code sind eindeutig von Nutzen, wie auch GISS zugegeben hat. Aber SurfaceStations.org ging über die Vermessung von Stationen hinaus. Es analysierte die Umfrageergebnisse, stellte dann Grafiken ein und veröffentlichte einen Bericht, der auf eine große warme Verzerrung im US Historical Climatology Network hinweist. Vielleicht ist die Umfrage genau, aber in Ermangelung einer Peer Review bleibt diese Schlussfolgerung höchst unsicher, und die Begründung für die Veröffentlichung dieser Ergebnisse auf einer öffentlichen Website ist höchst fragwürdig. In ähnlicher Weise ist der Wert von Bürgerinterventionen in der "Hockeyschläger"-Kontroverse nicht klar. >Hockeyschläger-Kontroverse/Edwards. Klimatologie/Citizen Science/Edwards: Blogs und Citizen Science scheinen zunächst die Transparenz des Klimawissens zu erhöhen. Auf den ersten Blick sehen diese wie ein weiterer Modus der infrastrukturellen Umkehrung aus. Sie können sicherlich dazu beitragen, das "Besitztum" des Wissensproduktionsprozesses zu erweitern, was den Konsens verbreitern kann. Aber bei näherer Betrachtung sind ihre bisherigen Auswirkungen ausgesprochen gemischt. Einige haben zu neuen Erkenntnissen beigetragen und die wissenschaftliche Infrastruktur verbessert, indem sie sie umkehrten. Mindestens genauso oft fördern sie aber auch Verwirrung, Misstrauen, falsche Informationen und überkommene Vorstellungen. Edwards I 582 In dem Maße, in dem diese neuen Formen in einen Rahmen von Beglaubigung und Peer Review gebracht werden können, können sie wesentlich zum Klimawissen beitragen. In dem Maße, in dem sie diese Prozesse untergraben - und die Gefahr, dass sie dies zumindest in naher Zukunft tun werden, ist groß - stellen sie eher ideologische und politische Strategien als Wissensprojekte dar. >IPCC/Edwards. |
Edwards I Paul N. Edwards A Vast Machine: Computer Models, Climate Data, and the Politics of Global Warming Cambridge 2013 |
Deliberative Demokratie | Egalitarismus | Gaus I 147 Deliberative Demokratie/Egalitarismus/Dryzek: (...) skeptische Egalitarier, verteidigen traditionellere Darstellungen der Demokratie gegen die deliberative Wende. Vgl. >Deliberative Demokratie/Sozialwahltheorie, >Deliberative Demokratie/Diversitätstheorien. ShapiroVsDeliberation: In Shapiros prägnanten (1999)(1) Worten: "Genug von der Deliberation, in der Politik geht es um Interesse und Macht". In diesem Licht sollten diejenigen, die an einer Verbesserung der Qualität der Demokratie interessiert sind, die Gleichstellung Gaus I 148 der Macht suchen; hier werden Fragen der Demokratie mit der Verteilungsgerechtigkeit verknüpft. Solche Skeptiker können auf die eher peinliche Tatsache hinweisen, dass Deliberation keine vollständige Theorie der Demokratie sein kann, weil ihre Befürworter nicht spezifizieren, wie kollektive Entscheidungen getroffen werden (Saward, 2000)(2). Przeworski: Wenn dem so ist, dann müssen sich deliberative Demokraten möglicherweise auf bekanntere aggregierende Mechanismen zurückziehen, und die deliberativ-aggregative Dichotomie erweist sich als falsch, denn dann ist Demokratie notwendigerweise aggregierend, und es muss abgestimmt werden (Przeworski, 1998(3): 140-2). GoodinVsDeliberative Demokratie: Goodin (2000)(4) weist darauf hin, dass Deliberation eine Aktivität ist, an der realistischerweise nie mehr als eine Handvoll Menschen beteiligt sein kann. Saward: Saward (2000)(2) ist der Ansicht, dass solche Überlegungen bedeuten, dass Egalitarier sich deshalb den aristokratischen Neigungen der Deliberation widersetzen sollten, die diejenigen mit nicht-deliberativen Präferenzen ausschließen würden; weitaus besser ist es in diesem Licht, die Demokratie auf direktere Weise auszuweiten (z.B. durch den verstärkten Einsatz von Referenden). FishkinVsVs: Die deliberativen Demokraten können den Skeptikern, die behaupten, dass Deliberation hier nur eine elitäre Aktivität sein kann, in mehrfacher Hinsicht antworten. In den deliberativen Meinungsumfragen von Fishkin (1995)(5) werden die Teilnehmer eines deliberativen Forums nach dem Zufallsprinzip aus der Bevölkerung ausgewählt und füllen am Ende des Prozesses einen Umfragebogen aus. Auch Bürgerjurys werden durch Zufallsauswahl rekrutiert, schließen jedoch mit einer politischen Empfehlung ab, die von den Juroren ausgearbeitet und vereinbart wird, und nicht mit einem Fragebogen (Smith and Wales, 2000)(6). Fishkin argumentiert, eine deliberative Umfrage stelle dar, wie die öffentliche Meinung wäre, wenn jeder beraten könnte; dasselbe könnte man auch für Bürgerjurys sagen. >Demokratie/Fishkin. Dryzek: Alternativ könnten beratende Demokraten zulassen, dass diese Deliberation mit einer Vielzahl von Mechanismen koexistieren kann, um verbindliche Entscheidungen zu treffen, sei es die Stimmabgabe bei Referenden, Wahlen oder der Legislative, die Entscheidungen von Gerichten, der Konsens zwischen den Beteiligten in einer Frage oder sogar ein Verwaltungsbeschluss. Noch radikaler könnten sie darüber nachdenken, wie die deliberative Anfechtung von Diskursen in der öffentlichen Sphäre nicht nur in ihrem indirekten Einfluss auf die öffentliche Politik, sondern auch durch kulturellen Wandel und paragouvernementales Handeln kollektive Ergebnisse erzeugen kann (Dryzek, 2000)(7). 1. Shapiro, Ian (1999) 'Enough of deliberation: politics is about interest and power'. In Stephen Macedo, (Hrsg.), Deliberative Politics: Essays on Democracy and Disagæement. New York: Oxford University Press, 28-38. 2. Saward, Michael (2000) 'Less than meets the eye: democratic legitimacy and deliberative theory'. In Michael Saward, ed., Democratic Innovation: Deliberation, Association and Repesentation. London: Routledge, 66_77. 3. Przeworski, Adam (1998) 'Deliberation and ideological domination'. In Jon Elster, (Hrsg.), Deliberative Democracy. Cambridge: Cambridge University Press, 140—60. 4. Goodin, Robert E. (2000) 'Democratic deliberation within'. Philosophy and Public Affairs, 29: 81—109. 5. Fishkin, James (1995) The Voice of the People: Public Opinion and Democracy. New Haven, CT: Yale University Press. 6. Smith, Graham and Corinne Wales (2000) 'Citizens' juries and deliberative democracy'. Political Studies, 48: 51-65. 7. Dryzek, John S. (2000) Deliberative Democracy and Beyond: Liberals, Critics, Contestations. Oxford: Oxford University Press. Dryzek, John S. 2004. „Democratic Political Theory“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications |
Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Demokratie | Pettit | Brocker I 856 Demokratie/Pettit: Pettit These: Demokratie sei eher als »contestatory« ((s) wetteifernd) denn als »consensual« ((s) auf Einklang bedacht) aufzufassen (1). Das bedeutet, dass alle politischen Entscheidungen, insbesondere die Beschlüsse über staatliche Direktiven und staatliche Regulation, vor einer kritischen Öffentlichkeit begründungspflichtig sind und prinzipiell als anfechtbar zu gelten haben. Verfahren: Die Basis dafür sollten nach Pettit in einer „deliberative republic“ ((s) beratenden Republik) gelegt werden.(2) Dabei geht es darum, den Argumenten anderer stets Gehör zu verschaffen. Demokratie wirke dadurch „inklusiv“ in Bezug auf Minderheiten. >Deliberative Demokratie. PettitVsPettit: In seinem späteren Werk Gerechte Freiheit finden sich allerdings Aussagen, die diese deliberative Dynamik der Demokratie wieder zurücknehmen und betonen, dass vor allem die Verhinderung von staatlicher Zwangsgewalt den Kern des republikanischen Demokratieverständnisses markiere. (3) >Republik, >Republikanismus. Dann geht es also weniger um bürgerschaftlichen Disput und stärker um einen Konsens in Bezug auf die Einschätzung staatlicher Interventionsrechte. >Staat/Pettit. 1. Philip Pettit, Republicanism. A Theory of Freedom and Government, Oxford 1997, S. 185 2. Ebenda S. 187 3. Philip Pettit 2015, Gerechte Freiheit. Ein moralischer Kompass für eine komplexe Welt, Berlin 2015. S. 157, vgl. Pettit On the People’s Terms. A Republican Theory and Model of Democracy, Cambridge 2012, S. 22. Emanuel Richter, „Philip Pettit, Republicanism“, in: Manfred Brocker (Hg.) Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert. Frankfurt/M. 2018 |
Pett I Ph. Pettit Just Freedom: A Moral Compass for a Complex World New York 2014 Brocker I Manfred Brocker Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert Frankfurt/M. 2018 |
Demokratie | Riker | Gaus I 146 Demokratie/Riker/Dryzek: William Riker (1982)(1) radikalisierte die Sozialwahl-Kritik der Demokratie, indem er feststellte, dass unterschiedliche Wahlsysteme und -regeln das Arrow-Problem nur dadurch umgehen, dass sie ein Element der Willkür in die kollektive Wahl einführen. Angesichts der Tatsache, dass unterschiedliche Mechanismen bei identischer Verteilung der Präferenzen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, gibt es keinen Volkswillen, der unabhängig von dem Mechanismus ist, der ihn feststellt. Dies gilt insbesondere dann, wenn es, wie Riker glaubt, keinen besonderen Grund gibt, einen Mechanismus (z.B. Mehrheitsregel oder Zustimmungsabstimmung oder Konsens) einem anderen vorzuziehen. In diesem Fall ist die Demokratie dann entleert. >Deliberative Demokratie/Dryzek, >Deliberative Demokratie/Sozialwahltheorie. 1. Riker, William H. (1982) Liberalism against Populism: A Confrontation between the Theory of Democracy and the Theory of Social Choice. San Francisco: Freeman. Dryzek, John S. 2004. „Democratic Political Theory“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications |
PolRiker I William H. Riker Liberalism Against Populism: A Confrontation Between the Theory of Democracy and the Theory of Social Choice Long Grove, IL 1988 Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Demokratie | Schmitt | Brocker I 165 Demokratie/Schmitt: Schmitt spricht von einem Siegeszug der Demokratie.(1) Die demokratische Legitimität habe als »polemischer Begriff« gegen die herrschenden Monarchien ihre »Evidenz« (2) gefunden und sich in verschiedenen Formen realisiert. Legitimität sei inzwischen fast »allgemein anerkannt« (3); ihr – von Rousseau klar formulierter – »Kern« sei die »Behauptung einer Identität von Gesetz und Volkswillen« (4). Schmitt gibt diesem Befund eine analytische Wendung: Wenn fast alle modernen politischen Bewegungen die demokratische Parole für sich reklamieren und eine »Reihe von Identitäten« (5) für sich beanspruchen, sei die Demokratierhetorik auf ihre propagandistischen Techniken der »Identifikation« zu hinterfragen. >Identifikation/Schmitt. Kein Volkswille sei real konsensuell; jeder »Generalwille« (35) sei fingiert und propagandistisch erkauft. »Es scheint also das Schicksal der Demokratie zu sein, sich im Problem der Willensbildung selbst aufzuheben« (6). Demokratie tendiere zur »Volkserziehung« und Erziehungsdiktatur, zur »Suspendierung der Demokratie im Namen der wahren, erst noch zu schaffenden Demokratie« (6). Brocker I 169 Schmitt betont (…), seinen Begriff des Politischen (1927) antizipierend, dass jede demokratische Identität auch das »Korrelat einer Ungleichheit« (7) habe und schon Rousseau an die »Einmütigkeit« (8) einer indisponiblen nationalen Homogenität und Substanz gedacht habe. Anders als die liberale »Menschheitsdemokratie« realisierten Bolschewismus und Faschismus die Möglichkeit einer antiliberalen und »unmittelbaren Demokratie« (9): einer »modernen Massendemokratie« (10), in der das Volk vital und politisch in der »Sphäre der Publizität« (11) existierte. 1. Carl Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, in: Bonner Festgabe für Ernst Zitelmann zum fünfzigjährigen Doktorjubiläum, München/Leipzig 1923, 413-473. Separatveröffentlichung in der Reihe: Wissenschaftliche Abhandlungen und Reden zur Philosophie, Politik und Geistesgeschichte, Bd. 1, München/Leipzig 1923. Zweite, erweiterte Auflage 1926. S. 30 2. Ebenda S 32 3. Ebenda S. 39 4. Ebenda S. 35 5. Ebenda 6. Ebenda S. 37 7. Ebenda S. 18 8. Ebenda S. 20 9. Ebenda S. 22 10. Ebenda S. 21 11. Ebenda S. 22. Reinhard Mehring, Carl Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus (1923), in: Manfred Brocker (Hg.) Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert. Frankfurt/M. 2018. |
Schmitt I Carl Schmitt Der Hüter der Verfassung Tübingen 1931 Brocker I Manfred Brocker Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert Frankfurt/M. 2018 |
Demokratie | Schumpeter | Brocker I 260 Demokratie/Schumpeter: Das Definitionsmerkmal der Demokratie für Schumpeter besteht darin, einen »Konkurrenzkampf um die politische Führung« (1) ins Zentrum der Betrachtung zu rücken. Die Kernidee lautet: Ähnlich wie die Unternehmen in einem Wettbewerb um die Gunst der Konsumenten Brocker I 261 stehen, stehen Politiker und Parteien in einem Wettbewerb um die Gunst der Wähler (2) – mit dem wichtigen Unterschied, dass die Menschen in wirtschaftlichen Dingen zumeist gut informiert, in politischen Dingen hingegen zumeist rational ignorant sind.(3) Gemeinsamkeit: Entscheidend sei in beiden Systemen das Streben nach dem eigenen, individuellen Vorteil. These: Die moderne Demokratie sei ein Produkt des kapitalistischen Prozesses (4); Allerdings sind zwei wichtige Voraussetzungen für das Funktionieren der Demokratie im zeitgenössischen Kapitalismus nicht mehr erfüllt: a) das Ideal des sparsamen Staates(5) b) der gesellschaftliche Grundkonsens.(6) Und zwar wegen der Erwartung bedeutender Teile der Wählerschaft, auf Kosten des Staates zu leben. (7) >Trittbrettfahrer, >Staat, >Wirtschaft, >Gesellschaft. 1. Joseph A. Schumpeter, Capitalism, Socialism and Democracy, New York 1942. Dt.: Joseph A. Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, Tübingen/Basel 2005 (zuerst: Bern 1946). S. 427. 2. Ebenda S. 427-433 3. Ebenda S. 407 – 420. 4. Ebenda S. 471. 5. Ebenda S. 471f. 6. Ebenda S. 473. 7. Ebenda S. 472. Ingo Pies, „Joseph A. Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie (1942)“ in: Manfred Brocker (Hg.) Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert. Frankfurt/M. 2018. Gaus I 148 Demokratie/Schumpeter/Dryzek: Das Demokratiemodell, das unter den vergleichenden Politikwissenschaftlern am beliebtesten ist, vor allem im aufstrebenden Bereich des demokratischen Übergangs und der Konsolidierung, erwartet weit weniger von der Demokratie als die deliberativen Demokraten. >Deliberative Demokratie. Dieses Modell ist im Wesentlichen dasjenige, das vor langer Zeit von Schumpeter (1942)(1) vorgeschlagen wurde: Demokratie ist nichts anderes als ein Wettbewerb der Eliten um die Zustimmung des Volkes, der das Recht auf Herrschaft verleiht. In den 1950er Jahren wurde diese Idee zur Grundlage für "empirische" Demokratietheorien, die mit der allgemein apathischen Rolle der ignoranten und potenziell autoritären Massen zufrieden waren (Berelson, 1952(2); Sartori, 1962(3)). Wettbewerbsmodelle der Demokratie: Solche konkurrierenden elitären Modelle Gaus I 149 waren lange Zeit unter demokratischen Theoretikern diskreditiert - nicht zuletzt unter solchen wie Dahl (1989)(4), die früher daran geglaubt hatten, dass sie sowohl genaue Beschreibungen der Politik der Vereinigten Staaten als auch wünschenswerte Zustände darstellten. Dennoch leben sie unter Transitologen und Konsolidierern weiter, die das Markenzeichen einer konsolidierten Demokratie in einer Reihe wohlerzogener Parteien sehen, die materielle Interessen vertreten und sich im verfassungsrechtlich geregelten Wahlkampf engagieren (siehe z.B. Di Palma, 1990(5); Huntington, 1991(6); Mueller, 1996(7); Schedler, 1998(8)). Die Sorge des deliberativen Demokraten um Authentizität ist nirgends zu erkennen. Aktive Bürger spielen bei solchen Modellen keine Rolle. 1. Schumpeter, Joseph A. (1942) Capitalism, Socialism, and Democracy. New York: Harper. 2. Berelson, Bernard (1952) 'Democratic theory and public opinion'. Public Opinion Quarterly, 16: 313—30. 3. Sartori, Giovanni (1962) Democratic Theory. Detroit: Wayne State Umversity Press. 4. Dahl, Robert A. (1989) Democracy and its Critics. New Haven, CT: Yale University Press. 5. Di Palma, Giuseppe (1990) To Craft Democracies. Berkeley, CA: University of California Press. 6. Huntington, Samuel (1991) The Third Wave. Norman, OK: University of Oklahoma Press. 7. Mueller, John (1996) 'Democracy, capitalism and the end of transition'. In Michael Mandelbaum, ed. Postcommunism: Four Perspectives. New York: Council on Foreign Relations. 8. Schedler, A. (1998) 'What is democratic consolidation?' Journal of Democracy, 9: 91-107. Dryzek, John S. 2004. „Democratic Political Theory“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications |
EconSchum I Joseph A. Schumpeter Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung Leipzig 1912 Brocker I Manfred Brocker Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert Frankfurt/M. 2018 Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Demokratie | Sozialwahltheorie | Gaus I 146 Demokratie/Sozialwahltheorie/Dryzek: Die Sozialwahl-Theorie der Demokratie orientiert sich an Kenneth Arrow's (1951)(1) Demonstration der Unmöglichkeit eines kollektiven Wahlmechanismus, wie z.B. ein Wahlsystem, das gleichzeitig eine Reihe harmloser Bedingungen erfüllt (Einstimmigkeit, Nicht-Diktatur, Transitivität, uneingeschränkter Bereich der Präferenzen und Unabhängigkeit von irrelevanten Alternativen). (VsDemokratie). William Riker (1982)(2) radikalisierte die Sozialwahl-Kritik der Demokratie, indem er feststellte, dass unterschiedliche Wahlsysteme und -regeln das Arrow-Problem nur dadurch umgehen, dass sie ein Element der Willkür in die kollektive Wahl einführen. Angesichts der Tatsache, dass unterschiedliche Mechanismen bei identischer Verteilung der Präferenzen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, gibt es keinen Volkswillen, der unabhängig von dem Mechanismus ist, der ihn feststellt. Dies gilt insbesondere dann, wenn es, wie Riker glaubt, keinen besonderen Grund gibt, einen Mechanismus (z.B. Mehrheitsregel oder Zustimmungsabstimmung oder Konsens) einem anderen vorzuziehen. In diesem Fall ist die Demokratie dann entleert. >Deliberative Demokratie/Dryzek. (...) Öffentlichkeitswahl-Theoretiker haben wie folgt argumentiert: - In politischen Systemen jeder Größe ist das Wählen irrational. - Die Mehrheitsregel bringt die Pareto-suboptimale Ausbeutung von Minderheiten mit sich. - Eigennützige gewählte Vertreter schaffen bestenfalls Programme, die ihren eigenen Wählern auf Kosten des öffentlichen Interesses zugute kommen, im schlimmsten Fall gestalten sie Programme absichtlich so schlecht, dass ihre eigene Fürsprache erforderlich ist, um Vorteile zu erzielen. - Die Höhe der öffentlichen Ausgaben ist meist eine Folge der eigennützigen Bürokraten, die ihre Budgets maximieren. Bürokraten können sich mit besonderen Interessengruppen und den sie unterstützenden Politikern verschwören, um öffentliche Mittel zu ihrem eigenen Vorteil umzuleiten. - Allgemeiner gesagt, "Verteilungskoalitionen" wie Gewerkschaften und Arbeitgeber sichern Gesetze und Politiken zum Schutz ihrer eigenen Privilegien auf Kosten der wirtschaftlichen Effizienz. Gaus I 147 - Demokratische Politik ist von Natur aus unverantwortlich, weil alle Akteure Vorteile für sich selbst suchen, während sie anderen Kosten aufbürden; das Ergebnis ist ein Negativsummenspiel, bei dem die Gesamtkosten den Gesamtnutzen überwiegen. 1. Arrow, Kenneth J. (1951) Social Choice and Individual Values. New York: Wiley. 2. Riker, William H. (1982) Liberalism against Populism: A Confrontation between the Theory of Democracy and the Theory of Social Choice. San Francisco: Freeman. Dryzek, John S. 2004. „Democratic Political Theory“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications |
Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Denotation | Maturana | I 59 Denotation/Maturana: Wenn ein Beobachter eine kommunikative Interaktion zwischen zwei Organismen in einem konsensuellen Bereich beobachtet, kann er diese als denotativ beschreiben. - Sie liegt aber lediglich im kognitiven Bereich des Beobachters. - Ähnlich: >Mehrdeutigkeit: diese existiert nur für einen Beobachter. I 126 Denotation ist keine primitive Operation, sie setzt Übereinstimmung voraus. >Beschreibung/Maturana, >Beobachtung/Maturana, >System/Maturana. |
Maturana I Umberto Maturana Biologie der Realität Frankfurt 2000 |
Diskurs | Habermas | III 40 Diskurs/theoretisch/praktisch/Habermas: Ich selbst neige zu einer kognitivistischen Position, der zufolge praktische Fragen grundsätzlich argumentativ entschieden werden können. Diese Position ist aber nur aussichtsreich zu verteidigen, wenn wir praktische Diskurse, die einen internen Bezug und interpretierten Bedürfnissen der Betroffenen haben, nicht vorschnell an theoretische Diskursen mit ihrem Bezug zu interpretierten Erfahrungen eines Beobachters assimilieren. >Kognitivismus. III 41 Argumentationen, die der Rechtfertigung von Wertstandards dienen, erfüllen nicht die Bedingungen von Diskursen. Im prototypischen Fall haben sie die Form der ästhetischen Kritik. >Kultur/Habermas, >Argumentation. III 45 Theoretischer Diskurs: kognitiv-instrumentell – es geht um die Wahrheit von Propositionen und die Wirksamkeit teleologischer Handlungen Praktischer Diskurs: moralisch-praktisch – es geht um die Richtigkeit von Handlungen Ästhetische Kritik: evaluativ – es geht um die Angemessenheit von Wertstandards Therapeutische Kritik: expressiv – es geht um die Wahrhaftigkeit von Expressionen Explikativer Diskurs: hier geht es um Verständlichkeit bzw. Wohlgeformtheit symbolischer Konstrukte. III 71 Def Diskurs/Habermas: von Diskursen spreche ich nur dann, wenn der Sinn des problematisierten Geltungsanspruchs die Teilnehmer konzeptuell zu der Unterstellung nötigt, das grundsätzlich ein rationale motiviertes Einverständnis erzielt werden könnte, wobei „grundsätzlich“ den idealisierenden Vorbehalt ausdrückt: wenn die Argumentation nur offen genug geführt und lange genug fortgesetzt werden könnte.(1) >Diskurstheorie. 1. Das geht auf Ch. S. Peirce zurück. Vgl. dazu H. Scheit, Studien zur Konsensustheorie der Wahrheit, Habilitationsschrift Universität München, 1981. |
Ha I J. Habermas Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988 Ha III Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I Frankfurt/M. 1981 Ha IV Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. II Frankfurt/M. 1981 |
Diversität (Soziologie) | Waldron | Gaus I 90 Diversität/Gesellschaft/Toleranz/Pluralismus/Liberalismus/Waldron: (...) Indem wir liberale Prinzipien und liberale Lösungen für die Probleme des gesellschaftlichen Lebens ausarbeiten und verteidigen (...), scheinen wir inmitten der kulturellen und ethischen Pluralität Partei zu ergreifen. Toleranz/Locke/Waldron: (...) ein Teil der Locke'schen Verteidigung der religiösen Toleranz ist auf religiösen Grundlagen aufgebaut: "Die Toleranz derer, die sich in Religionsfragen von anderen unterscheiden", so Locke, "ist dem Evangelium Jesu Christi so angenehm, dass es ungeheuerlich erscheint, dass die Menschen so blind sind, um die Notwendigkeit und den Vorteil davon nicht in einem so klaren Licht zu sehen" (1983(1): 25). >Toleranz/Locke. Problem/Waldron: Vielleicht kann man nicht erkennen, was wirklich wichtig an der Toleranz ist, außer aus einer Perspektive, die sich auf bestimmte Werte und bestimmte philosophische Vorstellungen beruft. Gaus I 91 Hobbes: Ein anderer könnte sich für einen Ansatz des "kleinsten gemeinsamen Nenners" entscheiden und dabei die rechtfertigenden Prämissen betonen, die alle Mitglieder einer pluralistischen Gesellschaft unabhängig von den Unterschieden in ihrer Ethik oder Weltanschauung vermutlich akzeptieren werden. Die Formulierung "kann als akzeptiert vorausgesetzt werden" kann auf verschiedene Weise beschönigt werden, von der Idee allgemein zugänglicher Gründe und Argumentation bis hin zu einer ziemlich aggressiven Darstellung grundlegender menschlicher Interessen, wie die von Hobbes (1991)(2) entwickelte Überlebensstrategie. >Toleranz/Waldron. Gaus I 94 Individualismus/Rawls/SandelVsRawls/Kommunitarismus/Waldron: (...) Der Individualismus von Rawls' dünner Theorie zog Kritik von kommunitaristischen Philosophen auf sich, die die implizite Annahme zurückwiesen, dass individuelle Lebenspläne von Personen gewählt werden, die nicht durch frühere Verpflichtungen und Loyalitäten belastet sind. Diejenigen, die sich im Wesentlichen als Mitglieder einer bestimmten Familie oder Gemeinschaft oder bestimmter Völker betrachteten, könnten es schwierig finden, eine Theorie der Gerechtigkeit zu akzeptieren, die sich auf der grundlegenden Ebene am Wohlergehen von Personen orientiert, die als von allen derartigen Bindungen befreit angesehen werden (Sandel, 1982)(4). Diversität/Inhomogenität/Gesellschaft/Rawls: "[W]ie ist es möglich", fragte Rawls, "dass es im Laufe der Zeit eine gerechte und stabile Gesellschaft von freien und gleichen Bürgern gibt, die durch vernünftige religiöse, philosophische und moralische Lehren tief gespalten bleiben?" (1993(3): 4). Gauß I 95 Waldron: Der Schlüssel (...) ist, darauf zu bestehen, dass eine akzeptable Gerechtigkeitstheorie, T, so beschaffen sein muss, dass unter den Gründen für die Ablehnung von T oder die Nicht-Übereinstimmung von T, keiner sich gegen die Verpflichtung von T auf eine bestimmte Wertvorstellung oder eine andere umfassende philosophische Konzeption wendet. >Individualismus/Rawls, >Rawls/Waldron. Lösung/Rawls: Stattdessen entwickelt Rawls die Idee, dass T einen überlappenden moralischen Konsens zwischen {C1, C2, ... , Cn } darstellen sollte. Damit meint er, dass T für die Anhänger von C1 aus moralischen Gründen akzeptabel gemacht werden könnte, als auch für die Anhänger von C2 und so weiter. Vielfalt/Toleranz/Locke/Kant/Rawls/Waldron: So kann zum Beispiel die Behauptung, dass religiöse Toleranz als eine Frage der Gerechtigkeit erforderlich ist, von Christen aus Locke'sche-Gründen, die mit der individualisierten Verantwortung eines jeden Menschen gegenüber Gott für seine eigenen religiösen Überzeugungen zu tun haben, von säkularen Locke-Anhängern aus Gründen der Unabänderlichkeit des Glaubens gegenüber Zwang, von Kantianern aus Gründen der hohen ethischen Gaus I 96 Bedeutung, die der Autonomie beigemessen wird, von Anhängern von John Stuart Mill auf der Grundlage der Bedeutung der Individualität und des freien Zusammenspiels von Ideen usw. bestätigt werden. >Toleranz/Locke. Waldron: Ob dies tatsächlich funktioniert, ist eine Frage, die wir in Betracht gezogen haben, als wir Ackermans Ansatz zur Neutralität diskutiert haben. >Neutralität/Waldron, >Überlappender Konsens/Rawls. 1. Locke, John (1983 [1689]) A Letter Concerning Toleration, ed. James H. Tully. Indianapolis: Hackett. 2. Hobbes, Thomas (1991 [1651]) Leviathan, ed. Richard Tuck. Cambridge: Cambridge University Press. 3. Rawls, John (1993) Political Liberalism. New York: Columbia University Press. 4. Sandel, Michael (1982) Liberalism and the Limits of Justice. Cambridge: Cambridge University Press. Waldron, Jeremy 2004. „Liberalism, Political and Comprehensive“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications. |
Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Doppelte Kontingenz | Parsons | Habermas IV 320 Doppelte Kontingenz/Parsons/Habermas: Parsons(1): Da die regulierende Kraft der kulturellen Werte die Kontingenz der Entscheidungen nicht berührt, steht jede Interaktion zwischen zwei Handelnden, die eine Beziehung eingehen, unter der Bedingung „doppelter Kontingenz“: diese hat die Rolle eins problemerzeugenden Faktums: sie macht Ordnungsleistungen funktional notwendig. Im logischen Aufbau der Interaktion ist die doppele Kontingenz der Wahlfreiheit von Ego und Alter den handlungskoordinierenden Ordnungsmechanismen vorgeordnet. Auf der analytischen Ebene der Handlungseinheit werden die Wertstandards, einzelner Aktoren als ein subjektiver Besitz zugerechnet: Habermas IV 321 Sie bedürfen daher der intersubjektiven Abstimmung. Das Element der Wertorientierung soll lediglich die Annahme kontingenter Zwecksetzungsprozesse ausschließen und verhindern, dass die Autonomie der Zwecksetzung zugunsten einer rationalistischen oder positivistischen Angleichung von Handlungsorientierungen an Determinanten der Situation eingezogen wird. Habermas IV 392 Doppelte Kontingenz/Parsons/Habermas: Im kommunikativen Handeln kommt doppele Kontingenz dadurch zustande, dass jeder Interaktionsteilnehmer grundsätzlich kritisierbare Ansprüche sowohl erheben (und unterlassen) als auch annehmen (und zurückweisen) kann; er fällt seine Entscheidungen unter der Voraussetzung, dass dies auch für die übrigen Interaktionsteilnehmer gilt. Die doppelt kontingente Verständigung beruht auf Interpretationsleistungen von Aktoren, die, solange sie nicht egozentrisch am eigenen Erfolg, sondern an Verständigung orientiert sind, und ihre jeweiligen Ziele durch ein kommunikatives Einverständnis erreichen wollen, bestrebt sein müssen, zu einer gemeinsamen Situationsdefinition zu gelangen. >Geltungsansprüche. Habermas: Handlungen können nur dann über sprachliche Konsensbildung koordiniert werden, wenn die kommunikative Alltagspraxis in einem lebensweltlichen Kontext eingebettet ist, der durch kulturelle Überlieferungen, institutionelle Ordnungen und Kompetenzen bestimmt ist. Die Interpretationsleistungen zehren von diesen lebensweltlichen Ressourcen. Habermas IV 393 Problem: Verständigungsaufwand und Dissensrisiko wachen in dem Maße, wie die Handelnden nicht mehr auf einen solchen lebensweltlichen Konsensvorschuss zurückgreifen können. Je mehr sie sich auf ihre eigenen Interpretationsleistungen verlassen müssen, wird ein Einverständnis von der intersubjektiven Anerkennung kritisierbarer Geltungsansprüche abhängen. Lösung/Parsons: Sprache als Informationsmedium, vor allem als Koordinierungsmechanismus für wohlumschriebene Kontexte.(2) >Intersubjektivität, >Kommunikationstheorie, >Kommunikatives Handeln. 1.Talcott Parsons, The Social System, Glencoe 1951, S. 36 2. R.C. Baum, On Societal Media Dynamics in: ders. “Introduction to Generalized Media in Action, in: Festschrift Parsons (1976), Vol. II S. 448ff. |
ParCh I Ch. Parsons Philosophy of Mathematics in the Twentieth Century: Selected Essays Cambridge 2014 ParTa I T. Parsons The Structure of Social Action, Vol. 1 1967 ParTe I Ter. Parsons Indeterminate Identity: Metaphysics and Semantics 2000 Ha I J. Habermas Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988 Ha III Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I Frankfurt/M. 1981 Ha IV Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. II Frankfurt/M. 1981 |
Effizienz | Konstitutionelle Ökonomie | Parisi I 205 Effizienz/Konstitutionelle Ökonomie/Voigt: Die normative Konstitutionelle Ökonomie (...) deutet das >Pareto-Kriterium in zweifacher Weise um: Nicht Ergebnisse, sondern Regeln oder Verfahren, die zu Ergebnissen führen, werden anhand des Kriteriums bewertet. Die Bewertung wird nicht von einem allwissenden Wissenschaftler oder Politiker vorgenommen, sondern von den betroffenen Individuen selbst: "In gewissem Sinne geht es dem politischen Ökonomen darum, 'was die Menschen wollen'" (Buchanan, 1959(1), S. 137). Um herauszufinden, was die Menschen wollen, schlägt Buchanan vor, einen Konsenstest durchzuführen. Die Spezifikation dieses Tests ist entscheidend dafür, welche Regeln als legitim angesehen werden können. Buchanan hatte 1959 die tatsächliche Einstimmigkeit im Sinn, und die Bürger, die erwarten, durch einige Regeländerungen schlechter gestellt zu werden, müssten entschädigt werden. Dieser Test würde also einem modifizierten Kaldor-Hicks-Kriterium entsprechen. Später im Leben scheint Buchanan seine Position geändert zu haben: Eine hypothetische Zustimmung, die von einem Ökonomen abgeleitet wird, reicht aus, um eine Regel zu legitimieren (siehe z. B. Buchanan, 1977(2), 1978(3), 1986(4)). VsBuchanan: Diese Position kann kritisiert werden, weil eine große Vielfalt von Regeln legitimierbar zu sein scheint, abhängig von den Annahmen des Wissenschaftlers, der den Prozess durchführt. Wissenschaftler, die für einen umfassenden Wohlfahrtsstaat plädieren, werden höchstwahrscheinlich risikoaverse Individuen annehmen, während Wissenschaftler, die für Kürzungen der Wohlfahrtsbudgets plädieren, von risikoneutralen Menschen ausgehen. >Konstitutionelle Ökonomie, >Kosten/Buchanan, >Verfassungen/Konstitutionelle Ökonomie, >Staatliche Strukturen/Konstitutionelle Ökonomie, vgl. >Judikative/Konstitutionelle Ökonomie, >Föderalismus/Konstitutionelle Ökonomie. 1. Buchanan, J. M. (1959). "Positive Economics, Welfare Economics, and Political Economy." Journal of Law and Economics 2: 124-138. 2. Buchanan, J. M. (1977). Freedom in Constitutional Contract - Perspectives of a Political Economist. College Station, TX/London: Texas A&M University Press. 3. Buchanan, J. M.(1978). "A Contractarian Perspective on Anarchy," Nomos 19: 29-42 4. Buchanan, J. M. (1986). "Political Economy and Social Philosophy," in: J. M. Buchanan; Liberty, Market and State—political Economy in the 1980s, 261—274. New York: Wheatsheaf Books. Voigt, Stefan. “Constitutional Economics and the Law”. In: Parisi, Francesco (Hrsg.) (2017). The Oxford Handbook of Law and Economics. Bd. 1: Methodology and Concepts. NY: Oxford University |
Parisi I Francesco Parisi (Ed) The Oxford Handbook of Law and Economics: Volume 1: Methodology and Concepts New York 2017 |
Empirische Gesetze | Politische Theorien | Gaus I 58 Empirische Gesetze/Politische Philosophie/Forbes: Die Analyse politischer Sachverhalte geschieht oft im Hinblick auf die Beziehungen zwischen unabhängigen und abhängigen Variablen (...). >Theorien, >Gesetze. Kausalität: Sind einige dieser Korrelationen mehr als nur Korrelationen - d.h. Beweise für kausale Zusammenhänge? Welches sind die notwendigen und/oder hinreichenden Bedingungen für die interessanten Ergebnisse?(1) >Kausalität, >Hinreichendes, >Kausalerklärungen. Probleme: (...) Da es nur so wenige relevante Fälle gibt, kann die Kodierung von ein oder zwei problematischen Fällen (Spaniens Status als Demokratie im Jahr 1898, Finnlands Status als Feind der alliierten Mächte von 1941 bis 1944) einen erheblichen Einfluss auf die Ergebnisse jeder statistischen Analyse haben. "Empirische Gesetze": Trotz dieser Schwierigkeiten besteht inzwischen ein Konsens darüber, dass die empirische Forschung die Hypothese im Allgemeinen unterstützt: Die gemeinsame Demokratie scheint eine hinreichende Bedingung für friedliche Beziehungen zwischen Staaten zu sein (zur Literaturübersicht siehe Chan, 1997(2); Ray, 1995(3); 1998(4); Russett, 1993(5); Russett und Oneal, 2001(6)). Dieses inzwischen weithin akzeptierte "empirische Gesetz" über "demokratische Dyaden" ist ein herausragendes Beispiel für eine statistisch begründete Kausaltheorie in der Politikwissenschaft. ((s) Für die philosophischen Diskussionen in Bezug auf Gesetze siehe >Gesetze, >Naturgesetze, >Kausalgesetze). 1. King, Gary, Robert O. Keohane and Sidney Verba (1994) Designing Social Inquiry: Scientific Inference in Qualitative Research. Princeton, NJ: Princeton University Press. 2. Chan, Steve (1997) ‘In search of democratic peace: problems and promise’. Mershon International Studies Review, 41: 59–91. 3. Ray, James Lee (1995) Democracy and International Conflict: An Evaluation of the Democratic Peace Proposition. Columbia, SC: University of South Carolina Press. 4. Ray, James Lee (1998) ‘Does democracy cause peace?’ Annual Review of Political Science, 1: 27–46. 5. Russett, Bruce (1993) Grasping the Democratic Peace: Principles for a Post-Cold War World. Princeton: Princeton University Press. 6. Russett, Bruce and John R. Oneal (2001) Triangulating Peace: Democracy, Interdependence, and International Organizations. New York: Norton. Forbes, H. Donald 2004. „Positive Political Theory“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications. |
Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Fähigkeiten | Nussbaum | Brocker I 895 Fähigkeiten/Nussbaum: Zentrale menschliche Fähigkeiten will Nussbaum im Kontext politischer Ordnung als spezifisch politische Ziele begriffen wissen. Als politische Ziele stehen sie jenseits partikularer metaphysischer Begründungen und können daher als Grundlage basaler Verfassungsprinzipien gelten. Auf diese Weise können Fähigkeiten (»capabilities«) zum Gegenstand eines »übergreifenden Konsenses« werden. …der Staat ist zwar in der Pflicht, jeden Einzelnen zur Ausübung der Grundfähigkeiten zu befähigen, die tatsächliche Realisierung bleibt aber jedem Einzelnen überlassen. Brocker I 896 Nussbaum legt grundsätzlich den Fokus auf die Frage nach Möglichkeiten/Fähigkeiten statt tatsächlicher Zufriedenheit.(1) Brocker I 901 Capabilities approach/Capabilities-Ansatz/Nussbaum: Die Aufgabe dieses Ansatzes ist eine doppelte: 1. Eine Ermöglichung von Vergleichbarkeit der Lebensqualität verschiedener Personen in verschiedenen Kontexten; 2. Die Begründung einer übergreifenden normativen Basis , die es erlaubt, »core areas of human functioning« zu bestimmen und damit bestimmte Fähigkeiten, die für jede/n BürgerIn in jeder Nation in politischen Zusammenhängen gewährleistet sein müssen.(2) Zu Problemen siehe >Universalismus/Nussbaum. VsNussbaum: Frage: Führt Nussbaum hier nicht einen impliziten Bezug auf die »menschliche Natur« ein, der sie in die riskante Richtung eines metaphysischen Realismus drängt? >Menschliche Natur. NussbaumVsVs: Nussbaum setzt keinen neutralen Beobachter voraus, der die Tatsachen des menschlichen Lebens aus einer externen Perspektive beurteilt. Sie plädiert vielmehr für eine interne Rekonstruktion des Wissens um uns selbst: Wir können uns nur aus uns selbst und vor dem Hintergrund geteilter Erfahrungen selbst verstehen und begreifen (vgl. Pauer-Studer 1999, 10 f.)(3) Brocker I 902 Entscheidend ist, dass das liberale Grundprinzip »each person as an end«, zugespitzt zum »principle of each person’s capability«(4), anerkannt wird. Die Anerkennung dieses Prinzips spiegelt sich darin wider, dass nicht bestimmte Lebensentwürfe festgelegt, sondern Fähigkeiten und Handlungsräume gewährleistet werden sollen, die Personen die freie Wahl der Wahrnehmung dieser Möglichkeiten lässt. Funktionale Fähigkeiten des Menschen: Siehe >Funktionen/Nussbaum. Brocker I 903 Nussbaum versteht den Capabilities-Approach als Theorie der Grundbedingungen, nicht als volle Gerechtigkeitstheorie. Eine vollständige Theorie würde einen klarer markierten Ansatz zur Bestimmung des Schwellenwertes (»threshold level of capabilities«(5) erfordern. >Gerechtigkeitstheorie, vgl. >J. Rawls. Drei Kategorien von Fähigkeiten/Nussbaum: a) basic capabilities, (Gebrauch der Sinnesorgane) b) internal capabilities (Sprachbeherrschung, Sexualität, Religions- und Redefreiheit), c) combined capabilities. (Zusammenspiel mit äußeren Gegebenheiten).(6) Vgl. >Rechte/Nussbaum. 1. Martha C. Nussbaum, Women and Human Development. The Capabilities Approach, Cambridge 2000, p, 12. 2. Ebenda p.71 3. H. Pauer-Studer 1999, »Einleitung«, in: Martha C. Nussbaum, Gerechtigkeit oder das gute Leben, Frankfurt/M. 1999, 7-23., p.10f 4. Nussbaum ebenda p.74 5. Ebenda p. 12 6. Ebenda p.84 Sandra Seubert, „Martha C. Nussbaum, Women and Human Development (2000)“, in:Manfred Brocker (Hg.) Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert. Frankfurt/M. 2018 |
Brocker I Manfred Brocker Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert Frankfurt/M. 2018 |
Fiktionen | Habermas | IV 224 Fiktion/Verstehende Soziologie/Lebenswelt/Habermas: wenn wir Gesellschaft als Lebenswelt konzipieren, unterstellen wir a) die Autonomie der Handelnden, b) die Unabhängigkeit der Kultur, c) die Durchsichtigkeit der Kommunikation. Diese drei Fiktionen sind in die Grammatik von Erzählungen eingebaut und kehren in einer kulturalistisch vereinseitigten, verstehenden Soziologie wieder. (HabermasVsVerstehende Soziologie). IV 225 Zwang/Zwanglosigkeit/Freiheit/Kommunikation/Verständigung/Habermas: aus der Binnenperspektive von Angehörigen einer soziokulturellen Lebenswelt kann es einen Pseudokonsensus im Sinne gewaltsam herbeigeführter Überzeugungen nicht geben; in einem grundsätzlich transparenten Verständigungsprozess, der für die Beteiligten selbst transparent ist, kann sich keine Gewalt festsetzen. >Zwang, >Gewalt, >Herrschaft. HabermasVs: diese Fiktion(en) durchschauen wir, sobald wir die Identifikation von Gesellschaft und Lebenswelt auflösen. >Lebenswelt/Habermas, Verstehende Soziologie/Habermas. Zwingend sind sie nur solange, wie wir annehmen, dass sich die Integration der Gesellschaft allein unter den Prämissen verständigungsorientieren Handelns vollzieht. Tatsächlich werden aber ihre zielgerichteten Handlungen nicht nur über Prozesse der Verständigung IV 226 koordiniert, sondern über funktionale Zusammenhänge, die von ihnen nicht intendiert sind und innerhalb des Horizonts der Alltagspraxis meistens auch nicht wahrgenommen werden. >Handlungen, >Verständigung, >Kommunikatives Handeln/Habermas, >Kommunikationstheorie/Habermas, >Kommunikation/Habermas, >Kommunikative Praxis/Habermas, >Kommunikative Rationalität/Habermas. |
Ha I J. Habermas Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988 Ha III Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I Frankfurt/M. 1981 Ha IV Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. II Frankfurt/M. 1981 |
Französische Revolution | Kant | Höffe I 311 Französische Revolution/Kant/Höffe: Kant hat die Prinzipien der Französischen Revolution enthusiastisch begrüßt, den Terror aber scharf verurteilt: Der vereinigte Wille des Volkes ist nichts anderes als die «ewige Norm», also das «Vernunftprinzip der Beurteilung aller öffentlichen rechtlichen Verfassung überhaupt»(1). Danach ist der Staat aufgefordert, seine Grundordnung so zu gestalten, «wie ein Volk mit reifer Vernunft sie sich selbst vorschreiben würde».(2) Modern gesprochen, sind die Grundsätze der Rechtsordnung einem Prinzip der universalen Konsensfähigkeit verpflichtet, das freilich durch keinen empirisch-faktischen Diskurs garantiert werden kann. 1. Kant, Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis. 1793, Abschn. 2 2. Kant, Der Streit der Fakultäten, 1798, Abschn. 2. |
I. Kant I Günter Schulte Kant Einführung (Campus) Frankfurt 1994 Externe Quellen. ZEIT-Artikel 11/02 (Ludger Heidbrink über Rawls) Volker Gerhard "Die Frucht der Freiheit" Plädoyer für die Stammzellforschung ZEIT 27.11.03 |
Fünf-Faktoren-Modell | McCrae | Corr I 148 Fünf-Faktoren-Modell/McCrae: Die fünf Faktoren bilden eine Struktur, in der die meisten Charakterzüge klassifiziert werden können. Diese Struktur entsteht, weil sich die Charakterzüge gegenseitig verändern. Zum Beispiel neigen Menschen, die gesellig und durchsetzungsfähig sind, auch dazu, fröhlich und energisch zu sein; sie besitzen viel von dem Extraversion (E)-Faktor, der sich angeblich durch Geselligkeit, Durchsetzungsvermögen, Heiterkeit und Energie definiert. Allerdings können Menschen, die gesellig und durchsetzungsfähig sind, intellektuell neugierig und fantasievoll sein oder auch nicht. Diese Charakterzüge definieren einen separaten Faktor, die Offenheit für Erfahrung (O). Neurotizismus versus Emotionale Stabilität (N), Verträglichkeit versus Antagonismus (A) und Gewissenhaftigkeit (C) sind die restlichen Faktoren. Vgl. >Neurotizismus, >Verträglichkeit, >Offenheit für Erfahrung, >Gewissenhaftigkeit, >Introversion, >Extraversion. Corr I 149 Lexikalische Hypothese: argumentiert, dass Charakterzüge in menschlichen Angelegenheiten so wichtig sind, dass gemeinsame Wörter erfunden wurden, um sie alle zu benennen. >Siehe >Lexikalische Hypothese/Psychologische Theorien. Corr I 152 Pro FFM/Pro Fünf-Faktoren-Modell/McCrae: Es besteht nun Konsens darüber, dass die allgemeine Persönlichkeitsdimension von N mit den meisten Persönlichkeitsstörungen verbunden ist (Widiger und Costa 2002)(1), dass E Menschen dazu veranlasst, glücklich zu sein (DeNeve und Cooper 1998)(2), dass O sozialen und politischen Liberalismus voraussagt (McCrae 1996)(3), dass niedriges A ein Risikofaktor für Drogenmissbrauch ist (Ball 2002)(4), dass C mit guter Arbeitsleistung verbunden ist (Barrick und Mount 1991)(5). Der Nutzen des Fünf-Faktoren-Modells wurde sicher nachgewiesen. Corr I 152/153 VsFFM/VsFive-Faktoren-Modell/McCrae: A. a) Befürworter eines personenzentrierten Ansatzes behaupten, dass Typen die Funktionsweise psychologischer Prozesse genauer abbilden als variabel zentrierte Charakterzüge(siehe Asendorpf, Caspi und Hofstee 2002(6), für eine ausgewogene Diskussion dieser Fragen). b) Sozial-kognitive Theoretiker(Cervone 2004(7)) haben argumentiert, dass Charakterzüge lediglich Verhalten beschreiben, ohne es zu erklären (siehe McCrae und Costa 2008a(8) für eine Widerlegung (McCraeVsCervone, CostaVsCervone)). c) Das Fünf-Faktoren-Modell selbst stellt keine vollständige Persönlichkeitstheorie dar, die die menschliche Entwicklung, das tägliche Funktionieren und soziale Interaktionen im kulturellen Kontext erklärt (McAdams und Pals 2006)(9). McCraeVsMcAdams, McCraeVsPals: siehe (McCrae und Costa 2003(10), 2008b(11). B. Einige Autoren schlagen eine Variation oder Verfeinerung des Fünf-Faktoren-Modells vor: Forschung in verschiedenen Sprachen führte zu Vorschlägen von Modellen mit mehr oder weniger Faktoren. De Raad und Peabody (2005)(12) berichteten über Analysen von Charakterzugsadjektiven in niederländischen, italienischen, tschechischen, ungarischen und polnischen Proben und fanden eine solidere Unterstützung für ein Drei-Faktoren-Modell, bestehend aus E, A und C. Umgekehrt berichteten Ashton und Kollegen (Ashton und Lee 2005(13); Ashton, Lee, Perugini et al. 2004)(14) über lexikalische Studien in einer Reihe von Sprachen, in denen sechs replizierbare Faktoren auftraten. Corr I 155 Es wurde eine Unterteilung in Facetten innerhalb der Charakterzüge des Fünf-Faktoren-Modells vorgenommen: NEO-PI-R: hat dreißig Facettenskalen, sechs für jeden Faktor. Sie wurden so gewählt, dass sie die wichtigsten Konstrukte der Persönlichkeitsliteratur repräsentieren und gleichzeitig maximal unterschiedlich sind (Costa und McCrae 1995a)(15). VsNEO-PI-R/VsMcCrae/VsCosta: Das Facettensystem des NEO-PI-R wurde als willkürlich kritisiert, weil "der Schlüsselbestandteil für ein System zur Bereitstellung einer adäquaten Struktur niedrigerer Ordnung der Big Five eine empirische Grundlage für die Auswahl von Charakterzügen niedrigerer Ordnung ist" im Gegensatz zu den "theoretischen Erkenntnissen und Intuitionen" bei der Entwicklung des NEO-PI-R (Roberts, Walton und Viechtbauer 2006(16), S. 29). 1. Widiger, T. A. and Costa, P. T., Jr 2002. Five-Factor Model personality disorder research, in P. T. Costa, Jr and T. A. Widiger (eds.), Personality disorders and the Five-Factor Model of personality, 2nd edn, pp. 59–87. Washington, DC: American Psychological Association 2. DeNeve, K. M. and Cooper, H. 1998. The happy personality: a meta-analysis of 137 personality traits and subjective well-being, Psychological Bulletin 124: 197–229 3. McCrae, R. R. 1996. Social consequences of experiential Openness, Psychological Bulletin 120: 323–37 4. Ball, S. A. 2002. Big Five, Alternative Five, and seven personality dimensions: validity in substance-dependent patients, in P. T. Costa, Jr and T. A. Widiger (eds.), Personality disorders and the Five-Factor Model of personality, 2nd edn, pp. 177–201. Washington, DC: American Psychological Association 5. Barrick, M. R. and Mount, M. K. 1991. The Big Five personality dimensions and job performance: a meta-analysis, Personnel Psychology 44: 1–26 6. Asendorpf, J. B., Caspi, A. and Hofstee, W. K. B. 2002. The puzzle of personality types [Special Issue], European Journal of Personality 16(S1) Ashton, M. C. and Lee, K. 2005. Honesty-Humility, the Big Five, and the Five-Factor Model, Journal of Personality 73: 1321–53 7. Cervone, D. 2004. Personality assessment: tapping the social-cognitive architecture of personality, Behaviour Therapy 35: 113–29 8. McCrae, R. R., and Costa, P. T. 2008a. Empirical and theoretical status of the Five-Factor Model of personality traits, in G. Boyle, G. Matthews and D. H. Saklofske (eds.), Sage handbook of personality theory and assessment, vol. I, pp. 273–94. Los Angeles, CA: Sage 9. McAdams, D. P. and Pals, J. L. 2006. A new Big Five: fundamental principles for an integrative science of personality, American Psychologist 61: 204–17 10. McCrae, R. R., and Costa, P. T. 2003. Personality in adulthood: a Five-Factor Theory perspective, 2nd edn. New York: Guilford 11. McCrae, R. R., and Costa, P. T. 2008b. The Five-Factor Theory of personality, in O. P. John, R. W. Robins and L. A. Pervin (eds.), Handbook of personality: theory and research, 3rd edn, pp. 159–81. New York: Guilford Press 12. De Raad, B. and Peabody, D. 2005. Cross-culturally recurrent personality factors: analyses of three factors, European Journal of Personality 19: 451–74 13. Ashton, M. C. and Lee, K. 2005. Honesty-Humility, the Big Five, and the Five-Factor Model, Journal of Personality 73: 1321–53 14. Ashton, M. C., Lee, K., Perugini, M., Szarota, P., De Vries, R. E., Di Blass, L., Boies, K. and De Raad, B. 2004. A six-factor structure of personality descriptive adjectives: solutions from psycholexical studies in seven languages, Journal of Personality and Social Psychology 86: 356–66 15. Costa, P. T., Jr., and McCrae, R. R. 1995a. Domains and facets: hierarchical personality assessment using the Revised NEO Personality Inventory, Journal of Personality Assessment 64: 21–50 16. Roberts, B. W., Walton, K. E. and Viechtbauer, W. 2006. Personality traits change in adulthood: reply to Costa and McCrae (2006), Psychological Bulletin 132: 29–32 Robert R. McCrae, “The Five-Factor Model of personality traits: consensus and controversy”, in: Corr, Ph. J. & Matthews, G. (eds.) 2009. The Cambridge Handbook of Personality Psychology. New York: Cambridge University Press |
Corr I Philip J. Corr Gerald Matthews The Cambridge Handbook of Personality Psychology New York 2009 Corr II Philip J. Corr (Ed.) Personality and Individual Differences - Revisiting the classical studies Singapore, Washington DC, Melbourne 2018 |
Geltung | Hobbes | Höffe I 222 Geltung/Recht/Gesetze/Hobbes/Höffe: Wegen der Autorisierung, einer Ermächtigung, stammt die Höffe I 223 Entscheidungsbefugnis nicht «aus eigenen Gnaden». Wegen des Gesellschaftsvertrages erfolgt sie bei Hobbes auch nicht «aus Gottes Gnaden», sondern letztlich «kraft Zustimmung aller Betroffenen», aller Rechtsgenossen. Damit tritt zum Moment der Legalität eine Befugnis zweiter Stufe, die Legitimität, hinzu. Die lapidare Formel «Geltung kraft Autorität» lautet jedenfalls vollständig entfaltet: «Geltung kraft einer von jedem Betroffenen autorisierten Macht», kürzer: «Geltung kraft frei an- erkannter Befugnis» oder «Geltung durch Konsens». >Rechtspositivismus/Hobbes. Bei den Geltungstheorien werden häufig zwei Grundformen einander entgegengesetzt, die Machttheorien und die Zustimmungs- oder Anerkennungstheorien. Obwohl man wegen der «Geltung kraft Autorität» Hobbes den Machttheoretikern zuzuordnen pflegt, ist er in Wahrheit, wegen der Basisanerkennung der Betroffenen, beiden Theoriegruppen zuzurechnen. Und weil die Autorität über die Basisanerkennung autorisiert ist, gehört seine Rechtstheorie zusätzlich zu einer dritten Theoriegruppe, den Ermächtigungstheorien. >Recht, >Gesetze, >Macht, >Herrschaft, >Geltung. |
Hobbes I Thomas Hobbes Leviathan: With selected variants from the Latin edition of 1668 Cambridge 1994 |
Geltungsansprüche | Habermas | III 65 Def Geltungsanspruch/Habermas: Ein Geltungsanspruch ist äquivalent der Behauptung, dass die Bedingungen für die Gültigkeit einer Äußerung erfüllt sind. Während Ja/Nein-Stellungnahmen zu Machtansprüchen willkürlich sind, sind Stellungnahmen zu Geltungsansprüchen dadurch charakterisiert, dass der Hörer einer kritisierbaren Äußerung mit Gründen zustimmt oder nicht zustimmt. Sie sin Ausdruck einer Einsicht. HabermasVsTugendhat: Tugendhat vernachlässigt diese Unterscheidung in E. Tugendhat 1976(1). III 66 Beispiele für Geltungsansprüche sind der der Wahrheit, der Richtigkeit, der Angemessenheit oder Verständlichkeit (bzw. Wohlgeformtheit). Diese Geltungsansprüche werden meist implizit erhoben. >Wahrheit, >Richtigkeit, >Angemessenheit, >Verständlichkeit, >Wohlgeformtheit. IV 107 Geltungsanspruch/Sprechakt/Habermas: Ein Sprecher kann einen Hörer auch unabhängig vom normativen Kontext zur Annahme seines Angebotes motivieren. >Motivation. Dabei handelt es sich nicht um die Erzielung eines Effekts beim Hörer, sondern um eine rational motivierte Verständigung mit dem Hörer, die auf der Grundlage eines kritisierbaren Geltungsanspruchs zustande kommt. Dabei geht es um die Forderung eines Sprechers, dass der Hörer einen Satz als wahr bzw. als wahrhaftig akzeptieren soll. >Verständigung. IV 111 Normgeltung/Wahrheit/Durkheim/Habermas: Die Idee der Wahrheit kann dem Begriff der Normgeltung nur die Bestimmung der zeitenthobenen Unpersönlichkeit(2), eines idealisierten Einverständnisses, einer auf eine ideale Kommunikationsgemeinschaft bezogenen Intersubjektivität entlehnen. Die Autorität, die hinter der Erkenntnis steht fällt (…) nicht mit der moralischen Autorität zusammen, die hinter Normen steht. >Normen. Der Wahrheitsbegriff verbindet vielmehr die Objektivität der Erfahrung mit dem Anspruch auf intersubjektive Geltung einer entsprechenden deskriptiven Aussage, die Vorstellung der Korrespondenz von Sätzen und Tatsachen mit dem Begriff eines idealisierten Konsenses. >Konsens, >Intersubjektivität, >Korrespondenz, >Tatsachen, >Realität, >Objektivität, >Erfahrung. Geltungsanspruch/Habermas: Erst aus dieser Verbindung geht der Begriff eins kritisierbaren Geltungsanspruchs hervor. 1. E. Tugendhat, Vorlesungen zur Einführung in die sprachanalytische Philosophie, Frankfurt 1976, p. 76f, 219ff. 2.Vgl. 1.E. Durkheim, Les formes élementaires de la vie religieuse, Paris, 1968, German: Frankfurt 1981, S. 584. |
Ha I J. Habermas Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988 Ha III Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I Frankfurt/M. 1981 Ha IV Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. II Frankfurt/M. 1981 |
Gemeinschaft | Diskurstheorien | Gaus I 162 Gemeinschaft/Staatsbürgerschaft/Diskurstheorien/deliberative Demokratie/Bohman: Wenn "alle Sprechakte für alle Teilnehmer offen sein müssen" in freier und offener Kommunikation, dann bezieht sich der vielleicht wichtigste deliberative Sprechakt auf die Eröffnung eines diskursiven Austauschs oder das Vorschlagen eines Themas oder einer Thematik zur öffentlichen Deliberation (Bohman, 1996)(1). Eine Behauptung aufzustellen bedeutet in der Tat, zu einer Antwort aufzufordern, und mit dieser Art von Einladung geht eine implizite Verpflichtung einher, auf diejenigen einzugehen, die antworten. In der Tat beinhalten die diskursiven Verpflichtungen der Staatsbürgerschaft nicht nur die Bereitschaft, sich auf den besonderen gegenseitigen Konflikt einzulassen, der für argumentative Praktiken charakteristisch ist, sondern auch die Verpflichtung, auf andere einzugehen und ihnen gegenüber verantwortlich zu sein. Zuhören ist daher eine ebenso wichtige Verpflichtung wie Sprechen, und gerade hier dürften sich eher Asymmetrien herausbilden als auf der expressiven Seite, so formal restriktiv manche Öffentlichkeiten in zulässigen Ausdrucksformen auch sein mögen. Was ist, wenn eine solche kollaborative Perspektivennahme blockiert wird und die Kommunikation bei der Konfliktlösung erfolglos bleibt? >Konsens/Diskurstheorien, >Deliberative Demokratie, >Toleranz/Diskurstheorien. 1. Bohman, James (1996) Public Deliberation. Cambridge, MA: MIT Press. Bohman, James 2004. „Discourse Theory“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications |
Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Genauigkeit | Funder | Corr II 212 Genauigkeit/Persönlichkeitsbeurteilung/Funder/Biesanz: Funder (1995)(1) argumentiert, dass ein ergänzendes Forschungsprogramm mit dem Schwerpunkt auf Genauigkeit erforderlich ist - wann und für wen sind Wahrnehmungen genauer? Der Schlüssel zum Verständnis dieses Arguments und dieser Perspektive liegt darin, dass Genauigkeit und Voreingenommenheit konzeptionell und empirisch in keinem Zusammenhang stehen können. Die Beseitigung von Vorurteilen kann die Genauigkeit nicht verändern, da sie nicht zwei Seiten derselben Medaille sind. (...) alle Kombinationen von hoher und niedriger Genauigkeit und Vorurteilen können koexistieren. Die bloße Existenz eines Vorurteils - oder deren Ausmaß - informiert uns nicht über die Existenz oder das Ausmaß der Genauigkeit, außer an den äußersten theoretischen Grenzen. Das Vorhandensein zuverlässiger und reproduzierbarer Vorurteile und Fehler in Urteilen und Eindrücken informiert uns daher nicht über die Richtigkeit unserer Eindrücke von anderen. Persönlichkeitspsychologen müssen den Grad der Genauigkeit der Eindrücke von Charakterzügen und -dimensionen systematisch untersuchen und dokumentieren. II 2013 (...) die konstruktivistische Perspektive untersucht Genauigkeit als eine soziale Konstruktion (z.B. Konsens unter Beobachtern), und die tatsächliche Persönlichkeit der betreffenden Person ist in gewisser Weise irrelevant. Wenn sich alle einig sind, dass Jack nervig ist, dann ist er wirklich und wahrhaftig nervig. Wenn Jack freundlich und gesellig wäre und es ein Vergnügen wäre, ihn um sich zu haben (...) [würden] diese alternativen und unbeobachteten Realitäten unter dieser Perspektive nicht berücksichtigt werden. Die pragmatische Perspektive definiert die Genauigkeit in Bezug darauf, wie gut Beurteilungen es einem ermöglichen, mit dieser Person auszukommen und erfolgreich mit ihr zu interagieren. Jacks Persönlichkeit ist in gewissem Sinne nicht relevant, da es nur darum geht, wie gut Beurteilungen von Jacks Persönlichkeit es einem erlauben, erfolgreich mit Jack zu interagieren. Im Gegensatz dazu definierte Funder realistische Genauigkeit als ein umfassenderes Konstrukt. >Realistic Accuracy Model/Funder. 1.Funder, D. C. (1995). On the accuracy of personality judgment: A realistic approach. Psychological Review, 102, 652–670. Biesanz, Jeremy C.: “Realistic Ratings of Personality Revisiting Funder (1995)”, In: Philip J. Corr (Ed.) 2018. Personality and Individual Differences. Revisiting the classical studies. Singapore, Washington DC, Melbourne: Sage, pp. 209-223. |
Corr I Philip J. Corr Gerald Matthews The Cambridge Handbook of Personality Psychology New York 2009 Corr II Philip J. Corr (Ed.) Personality and Individual Differences - Revisiting the classical studies Singapore, Washington DC, Melbourne 2018 |
Gerechtigkeit | Liberalismus | Gaus I 96 Gerechtigkeit/Liberalismus/Waldron: Wir sollten die Strategie der politischen Liberalen nicht als eine Strategie des Versuchs verstehen, jede Grundlage für Meinungsverschiedenheiten über Gerechtigkeit zu unterdrücken. Politische Liberale sollten über Gerechtigkeit als ein Thema nachdenken, das natürlich auch dann Uneinigkeit hervorruft, wenn der Einfluss rivalisierender umfassender Konzepte außer Acht gelassen wird. ((s) Für die Unterscheidung zwischen politischem und umfassendem Liberalismus siehe >Liberalismus/Waldron). Rechte/Gesetz/Gesellschaft/Waldron: Die Tatsache, dass eine Hauptquelle der Meinungsverschiedenheiten beseitigt ist, sollte uns nicht zu der Annahme verleiten - was viele politische Theoretiker fälschlicherweise in Bezug auf Rechte annehmen -, dass das, was gerecht und ungerecht ist, in einem Bereich von Prinzipien bestimmt werden kann, der jenseits der Politik liegt, in einem Bereich der philosophischen Auseinandersetzung, in dem politische Verfahren wie Wahlen nicht notwendig sein werden. Wie die individuellen Rechte bleibt auch die Gerechtigkeit ein heftig umkämpftes Thema, und obwohl die Anfechtung vermindert werden kann, wird sie durch die Strategien, die der oder die politische Liberale vorschlägt, nicht beseitigt. Überlappender Konsens/WaldronVsRawls: Soziale Gerechtigkeit wirft schließlich Bedenken auf, die mit der Strategie der Vagheit oder Ausflucht, die mit dem überlappendem Konsens verbunden ist, kaum zu bewältigen sind - indem man eine Reihe von Anodyne-Formeln aufstellt, die für alle Menschen alles bedeuten können. >Überlappender Konsens/Rawls, >Überlappender Konsens/Waldron. Gaus I 97 Gerechtigkeit/Waldron: Eine Theorie der Gerechtigkeit (...) ist nicht nur ein Satz esoterischer Formeln; sie soll etwas Öffentliches sein, etwas, das unter den Bürgern als gemeinsamer Bezugspunkt für ihre Debatten über die Verteilung von Rechten und Pflichten geteilt wird. Der politische Liberalismus hat also auch Auswirkungen darauf, worauf diese gemeinsame Vorstellung von Gerechtigkeit hinausläuft. Beispiel: (...) z.B. darf ein Linksliberaler wie ich ((s) Jeremy Waldron) zu einem Sozialdarwinisten nicht sagen, dass selbst der oder die Schwächste Anspruch auf unser Mitleid hat, weil er oder sie nach dem Bild Gottes geschaffen ist. Ich muss einen Weg finden, meinen Standpunkt zur Gleichheit zu formulieren, der auch von Menschen, die meine religiösen Überzeugungen nicht teilen, bejaht werden kann. Ebenso darf ein christlich-geprägter Konservativer Gesetze, die die Abtreibung einschränken, nicht mit der Begründung rechtfertigen, dass Föten Seelen haben, da auch dies in einer umfassenden Konzeption wurzelt, von der er nicht erwarten kann, dass andere sie teilen. Gaus I 98 (...) das dative Element (...) - dass die politische Rechtfertigung als Rechtfertigung gegenüber jedem Einzelnen verstanden wird - kann auf mehr als eine Weise verstanden werden. a) Es kann als Erfordernis verstanden werden, daß die Rechtfertigung politischer Arrangements auf das Wohl oder die Interessen jedes einzelnen, der diesen Arrangements unterworfen ist, ausgerichtet sein sollte. Ich werde dies die "interessengeleitete" Interpretation nennen. b) Oder es kann als Anforderung verstanden werden, dass die Rechtfertigung einer politischen Entscheidung plausibel und geeignet sein muss, alle, die den Vereinbarungen unterliegen, zu überzeugen. Ich werde dies die "prämissenbezogene" Interpretation nennen, weil sie "Rechtfertigung gegenüber X" als Rechtfertigung versteht, die versucht, an Prämissen anzuknüpfen, zu denen X bereits verpflichtet ist. Rawls/Waldron: Der politische Liberalismus von Rawls geht eindeutig von dem aus, was ich die "prämissenbezogene" Interpretation der Forderung genannt habe, dass politische Rechtfertigung eine Rechtfertigung gegenüber jedem Einzelnen sein muss. >Gerechtigkeit/Waldron. Waldron: Es ist jedoch auch wichtig zu sehen, dass das Interesse an der Interpretation der Rechtfertigung für alle aufrechterhalten werden kann, selbst wenn die Prämisse der Interpretation aufgegeben wird. >Liberalismus/Waldron. Waldron, Jeremy 2004. „Liberalism, Political and Comprehensive“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications. |
Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Gerechtigkeit | Rawls | I 3 Gerechtigkeit/Rawls: Gerechtigkeit ist die erste Tugend sozialer Institutionen, wie Wahrheit dies für Gedankensysteme ist. So wie eine unwahre Theorie zurückgewiesen oder revidiert werden muss, müssen Gesetze und Institutionen reformiert oder abgeschafft werden, wenn sie ungerecht sind. >Ungerechtigkeit, >Gesetze. Jede Person besitzt eine Unverletzlichkeit, die auf Gerechtigkeit gründet, die nicht einmal durch das Wohlergehen einer Gesellschaft als Ganzes außer Kraft gesetzt werden kann. Daher kann ein Verlust der Freiheit einiger nicht durch ein größeres Gut außer Kragt gesetzt werden, das mehreren zuteil wird. (RawlsVsUtilitarismus, RawlsVsSinger, Peter). >Utilitarismus, >P. Singer. I 4 Die Rechte, die durch Gerechtigkeit verbürgt sind, sind kein Gegenstand politischen Aushandelns oder sozialer Interessen. Vgl.>Menschenrechte, >Grundrechte. So wie das Akzeptieren einer fehlerhaften Theorie nur durch die Abwesenheit einer besseren Theorie gerechtfertigt ist, so ist Ungerechtigkeit nur tolerierbar, wenn das notwendig ist, um größeres Unrecht zu vermeiden. Um zu untersuchen, ob diese allzu starken Behauptungen gerechtfertigt sind, müssen wir eine Theorie der Gerechtigkeit entwickeln. >Gesellschaft/Rawls. I 5 Gerechtigkeit/Gesellschaft/Rawls: Auch wenn die Menschen uneins sind darüber, welche Prinzipien zu akzeptieren sind, nehmen wir dennoch an, dass sie jeder eine Vorstellung von Gerechtigkeit haben. Das heißt, sie verstehen, dass solche Prinzipien nötig sind, um grundlegende Rechte und Pflichten zu bestimmen und ihre Verteilung zu überwachen. Daher scheint es vernünftig, einen Begriff der Gerechtigkeit verschiedenen Vorstellungen von Gerechtigkeit gegenüberzustellen. I 6 Gerechtigkeit/Rawls: Gerechtigkeit kann nicht bei Verteilungsgerechtigkeit stehen bleiben. Sie muss zu einem Merkmal sozialer Institutionen werden. I 54/55 Gerechtigkeit/Prinzipien/Rawls: Die Prinzipien der Gerechtigkeit unterscheiden sich stark, je nachdem sie für Individuen oder für Institutionen gelten sollen. >Prinzipien/Rawls. I 237 Natural justice/Rawls: Die Grundsätze des Naturrechts sollen die Integrität des Rechtsverfahrens sicherstellen.(1). >Naturrecht. I 310 Gerechtigkeit/Idealisierung/RawlsVsLeibniz/RawlsVsRoss, W.D./Rawls: Man sollte Gerechtigkeit nicht mit einem „idealen Glück“ gleichsetzen oder definieren zu versuchen. (Vgl: W.D. Ross, The Right and the Good(2)(3). >G.W. Leibniz. Die Theorie der Gerechtigkeit als Fairness weist solche Vorstellungen zurück. Ein solches Prinzip würde in der Anfangssituation nicht gewählt. Dort könnte man solche Kriterien gar nicht definieren. I 311 Wozu Menschen berechtigt sind, bemisst sich nicht aus einem intrinsischen Wert. Der moralische Wert hängt nicht von Angebot und Nachfrage ab. Wenn bestimmte Leistungen nicht mehr nachgefragt werden, nimmt der moralische Verdienst nicht gleichermaßen ab. I 312 Der Begriff des moralischen Werts liefert kein erstes Prinzip der Verteilungsgerechtigkeit. Der Moralische Wert kann definiert werden als ein Sinn für Gerechtigkeit, wenn die Prinzipien der Gerechtigkeit verfügbar sind. 1. Siehe L. A. Hart, The Concept of Law, Oxford, 1961, S. 156, 202. 2. Vgl. W. D. Ross, The Right and the Good (Oxford, 1930), S. 21,26-28,57f. 3. Leibniz, „On the Ultimate Origin of Things“ (1697) Hrsg. P.P. Wiener (New York, 1951), S. 353. Gaus I 94 Gerechtigkeit/Rawls/Waldron: Diversität/Inhomogenität/Gesellschaft/Rawls: "[W]ie ist es möglich", fragte Rawls, "dass es im Laufe der Zeit eine gerechte und stabile Gesellschaft freier und gleicher Bürger gibt, die durch vernünftige religiöse, philosophische und moralische Lehren tief gespalten bleiben?" (1993(2):4). Gaus I 95 Waldron: Der Schlüssel (...) besteht darin, darauf zu bestehen, dass eine akzeptable Gerechtigkeitstheorie T so beschaffen sein muss, dass unter den Gründen für die Ablehnung von T oder die Nichtübereinstimmung mit T keiner sich gegen die Verpflichtung von T auf eine bestimmte Wertvorstellung oder eine andere umfassende philosophische Konzeption wendet. >Individualismus/Rawls, >Rawls/Waldron. Probleme: (...) es gibt weitere Fragen, wie [ein] Schwellenwerttest zu verstehen ist. Eine Möglichkeit ist, daß T einen akzeptablen modus vivendi für die Anhänger der verschiedenen umfassenden Konzeptionen darstellt {C1 , C2 , ..., Cn }. Wie ein Vertrag, der den Konflikt zwischen ehemals verfeindeten Mächten beendet, kann T als das Beste dargestellt werden, was C1 im Sinne einer Gerechtigkeitstheorie erhoffen kann, da es mit C2, ..., Cn koexistieren muss, und das Beste, was C2 erhoffen kann, da es mit C1 , C3 ,..., Cn , und so weiter koexistieren muss. Rawls hält dies jedoch als Grundlage für ein Gerechtigkeitsverständnis für unbefriedigend. Es macht T verwundbar gegenüber demographischen Veränderungen oder anderen Veränderungen des Kräfteverhältnisses zwischen rivalisierenden Gesamtkonzepten - eine Verwundbarkeit, die ganz im Gegensatz zu der unerschütterlichen moralischen Kraft steht, die wir gewöhnlich mit Gerechtigkeit assoziieren (1993(1): 148). Lösung/Rawls: Stattdessen entwickelt Rawls die Idee, dass T einen überlappenden moralischen Konsens zwischen {C1, C2, ... , Cn } darstellen sollte. Damit meint er, dass T für die Anhänger von C1 aus moralischen Gründen akzeptabel und für die Anhänger von C2 aus moralischen Gründen akzeptabel gemacht werden könnte, und so weiter. Vielfalt/Toleranz/Locke/Kant/Rawls/Waldron: So kann zum Beispiel die Behauptung, dass religiöse Toleranz als eine Frage der Gerechtigkeit erforderlich ist, von Christen aus Locke'schen-Gründen, die mit der individualisierten Verantwortung eines jeden Menschen gegenüber Gott für seine eigenen religiösen Überzeugungen zu tun haben, von säkularen Locke-Anhängern aus Gründen der Unabänderlichkeit des Glaubens gegenüber Zwang, von Kantianern aus Gründen der hohen ethischen Gaus I 96 Bedeutung, die der Autonomie beigemessen wird, von Anhängern von John Stuart Mill auf der Grundlage der Bedeutung der Individualität und des freien Zusammenspiels von Ideen usw. bestätigt werden. >Toleranz/Locke. Waldron: Ob dies tatsächlich funktioniert, ist eine Frage, die wir in Betracht gezogen haben, als wir Ackermans Ansatz zur Neutralität diskutiert haben. >Neutralität/Waldron, >Überlappender Konsens/Rawls. 1. Rawls, John (1993) Political Liberalism. New York: Columbia University Press. Waldron, Jeremy 2004. „Liberalism, Political and Comprehensive“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications. |
Rawl I J. Rawls A Theory of Justice: Original Edition Oxford 2005 Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Gerechtigkeit | Waldron | Gaus I 95 Gerechtigkeit/das Gute/Liberalismus/Waldron: Angenommen, wir können, wenn auch nur annähernd, die Menge der Konzeptionen des Guten definieren, die in der Herangehensweise untergebracht werden muss, die wir in der Gerechtigkeit und der Rechtfertigung der Grundstruktur einer liberalen Gesellschaft einschlagen. Wie soll dann die Beziehung zwischen der Menge der vernünftigen Konzeptionen und einer akzeptablen Theorie der Gerechtigkeit aussehen? >Rawls/Waldron, >Gerechtigkeit/Rawls. Waldron: Eine Möglichkeit ist, auf so etwas wie einem Einstimmigkeitserfordernis zu bestehen, d.h. wir könnten sagen, dass keine Gerechtigkeitstheorie akzeptabel ist, wenn Mitglieder einer bestimmten Konzeption des Guten geneigt sind, sie abzulehnen. Aber das ist viel zu stark, und zwar in einer Weise, die die Art der Schwierigkeit, die der politische Liberalismus anspricht, falsch versteht. Das Problem ist nicht, dass Gerechtigkeitstheorien umstritten sind; die kritische Reaktion, die Rawls dazu veranlasste, seinen Ansatz zum Thema Gerechtigkeit zu modifizieren, bestand nicht darin, dass Menschen (wie z.B. Nozick, 1974(1)) seinen Prinzipien aus Gründen der Gerechtigkeit widersprachen. Das Problem war, dass einige Leute eine besondere Art von Schwierigkeiten mit seiner Theorie haben würden (...). Waldron: Der Schlüssel liegt also darin, darauf zu bestehen, dass eine akzeptable Gerechtigkeitstheorie T so beschaffen sein muss, dass unter den Gründen für die Ablehnung von T oder für die Nichtübereinstimmung von T keine sich gegen die Verpflichtung von T auf eine bestimmte Wertvorstellung oder eine andere umfassende philosophische Konzeption wendet. Natürlich ist dies nur ein Schwellenwerttest: T mag in diesem Sinne akzeptabel sein, aber als Gerechtigkeitstheorie insgesamt immer noch inakzeptabel. Dies wäre jedoch aus gerechtigkeitsbezogenen Gründen, nicht wegen der Komplizenschaft von T mit einer bestimmten umfassenden Konzeption. Probleme: (...) es gibt weitere Fragen, wie dieser Schwellenwerttest zu verstehen ist. Eine Möglichkeit ist, dass T einen akzeptablen modus vivendi für die Anhänger der verschiedenen umfassenden Konzeptionen darstellt (...). >Gerechtigkeit/Rawls, >Überlappender Konsens/Rawls, >Überlappender Konsens/Waldron. Gaus I 97 Gerechtigkeit/Waldron: Eine Theorie der Gerechtigkeit (...) ist nicht nur ein Satz esoterischer Formeln; sie soll etwas Öffentliches sein, etwas, das von den Bürgern als gemeinsamer Bezugspunkt für ihre Debatten über die Verteilung von Rechten und Pflichten geteilt wird. 1. Nozick, Robert (1974) Anarchy, State and Utopia Oxford: Blackwell. Waldron, Jeremy 2004. „Liberalism, Political and Comprehensive“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications. |
Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Geschichtsschreibung | Cohen | Gaus I 80 Geschichtsschreibung/Historischer Marxismus/Geschichte/Cohen, Gerald/Levine, Andrew: Der historische Materialismus war für den frühen analytischen Marxismus von fast ebenso großer Bedeutung wie die Gerechtigkeit. ((s) Vgl. >Gerechtigkeit/Marxismus, >Marxismus/Levine). Aber mit der Veröffentlichung von G. A. Cohens "Karl Marx’s Theory of History: A Defence" im Jahr 1978(1) erhielt das Thema eine herausragende Bedeutung (siehe weiter Wright, Levine und Sober, 1992(2); Shaw, 1978(3)). Marx: Für Marx sind die inneren Abläufe des Kapitalismus und anderer Produktionsweisen nur als Teil eines endogenen Entwicklungs- und Transformationsprozesses verständlich. Der historische Materialismus liefert einen Bericht über diesen Prozess. Teleologie/Kausalität/Cohen: Cohen "naturalisierte" diese Theorie und nahm sie in den intellektuellen Mainstream auf. Dabei zeigte er, dass die Geschichtstheorie von Marx im Gegensatz zu Hegel nicht teleologisch ist. Seit mindestens dem siebzehnten Jahrhundert lehnten Wissenschaftler den Begriff der teleologischen Kausalität ab, d.h. die Idee, dass die Erklärung eines Phänomens darin besteht, das "Ende" oder Telos zu entdecken, zu dem es tendiert. Der historische Materialismus über Cohens Rekonstruktion schließt sich dem wissenschaftlichen Konsens an. Cohen machte deutlich, dass der Marxismus in der Lage ist, eine Darstellung der Struktur und Richtung der Geschichte zu liefern und zu verteidigen, die das moderne Verständnis von Kausalität und Erklärung in keiner Weise beeinträchtigt. >Geschichte/Cohen. 1. Cohen, G. A. (1978) Karl Marx’s Theory of History: A Defence. Oxford: Oxford University Press. 2. Wright, Erik Olin, Andrew Levine and Elliot Sober (1992) Reconstructing Marxism: Essays on Explanation and the Theory of History. London: Verso. 3. Shaw, William H. (1978) Marx’s Theory of History. Stanford, CA: Stanford University Press. Levine, Andrew 2004. A future for Marxism?“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications. |
Cohen I Laurence Jonathan Cohen "Some Remarks on Grice’s Views about the Logical Particals of Natural Languages", in: Y. Bar-Hillel (Ed), Pragmatics of Natural Languages, Dordrecht 1971, pp. 50-68 In Handlung, Kommunikation, Bedeutung, Georg Meggle Frankfurt/M. 1979 Cohen II Laurence Jonathan Cohen "Mr. Strawson’s Analysis of Truth", Analysis 10 (1950) pp. 136-140 In Theories of Truth, Paul Horwich Aldershot 1994 Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Geschlechterrollen | Fraser | Mause I 201f Geschlechterrollen/Fraser: Vertreterinnen der Differenztheorie innerhalb der feministischen Debatte kritisieren, dass die Forderung nach Gleichheit die einseitige Anpassung von Frauen zwar universalistisch gerahmte, tatsächlich jedoch männliche Normen und Prinzipien verlangt. Nancy Fraser: Vorschlag: Die moderne Frauenbewegung in eine dritte Phase zu überführen: Diese ist charakterisiert durch die Verknüpfung von sozioökonomischer Umverteilungspolitik mit einer geschlechtersensiblen Politik der Anerkennung kultureller Differenzen sowie einer geschlechtersensiblen Repräsentationspolitik.(1) Dieser Vorschlag ist innerhalb der Frauenbewegung noch nicht Konsens. >Anerkennung. 1. Nancy Fraser, Mapping the feminist imagination. From redistribution to recognition to representation. Constellations 12, (3) 2005, S. 295– 307. |
PolFras I Nancy Fraser Mapping the feminist imagination. From redistribution to representation 2005 Mause I Karsten Mause Christian Müller Klaus Schubert, Politik und Wirtschaft: Ein integratives Kompendium Wiesbaden 2018 |
Gorgias | Taureck | I 15 Gorgias/Sophist/Taureck: (~ 485 Leontinoi, Sizilien - 376,Thessalien): kein Konflikt mit der Staatsmacht. Von dem Arzt und Philosophen Empedokles (~495 - 435) beeinflusst. Gorgias wurde 427 von seiner Vaterstadt mit einer Gesandtschaft nach Athen beauftragt. Er gewann die Volksversammlung für eine Unterstützung gegen Syrakus. Gorgias hatte großen Einfluss auf die Politiker Perikles, Alkibiades und Kritias, aber auch auf Thukydides. Zu seinen Schülern gehörte Isokrates, dessen Versuch einer auf allgemeinen Konsens gegründeten Ethik zeitweise bekannter war als die Philosophie Platons. >Veränderung/Gorgias, >Existenz/Gorgias, >Logos/Gorgias, >Wahrnehmung/Gorgias, >Verstehen/Gorgias. >Isokrates, >Sophisten. Ergänzende Literatur zu Gorgias: Scott Consigny (2001). Gorgias, Sophist and Artist. Columbia SC: University of South Carolina Press. Ergänzende Literatur zu den Sophisten: W. K C. Guthrie, The Sophists, Cambridge: Cambridge University Press 1971. A. Laks and G. W. Most, Early Greek Philosophy 2016. Richard Winton. "Herodotus, Thucydides, and the sophists" in: C.Rowe & M.Schofield, The Cambridge Companion to Greek and Roman Political Thought, Cambridge 2005. Hermann Diels & Rosamond Kent Sprague (eds.) The Older Sophists a Complete Translation by Several Hands of the Fragments in Die Fragmente der Vorsokratiker. With a New Ed. Of Antiphon and of Euthydemus. University of South Carolina Press 1972. John Dillon and Tania Gergel. The Greek Sophists. UK: Penguin Group 2003. |
Taureck I B. H.F. Taureck Die Sophisten Hamburg 1995 |
Grammatik | Maturana | I 128f Syntax/Grammatik/Maturana: Syntax bzw. Grammatik ist nur kontingente Oberflächenstruktur, die von der Geschichte konsensueller Koppelung abhängig ist. >Oberflächenstruktur, >Strukturelle Koppelung. "Universale Grammatik"/Chomsky/Maturana: kann nur in der Universalität des Prozesses rekursiver Strukturenkoppelung liegen - diese müssen strukturell (nicht konsensuell) sein. >Rekursion. I 130 Oberflächenstruktur/Tiefenstruktur: sind Merkmale der Beschreibung - für den Beobachter kann es Mehrdeutigkeit geben, für den Organismus nicht. >Beschreibung/Maturana, >Tiefenstruktur. |
Maturana I Umberto Maturana Biologie der Realität Frankfurt 2000 |
Gruppendenken | Baron | Haslam I 193 Gruppendenken/Gruppendynamik/Baron: Robert S. Baron: Baron (2005)(1) argumentierte, dass Dynamiken im Gruppendenken, einschließlich Konformität, Unterdrückung von Meinungsverschiedenheiten, Polarisierung, Selbstzensur, Illusionen von Konsens und Intergruppenverzerrungen, eigentlich alltäglich sind - was bedeutet, dass sie für so ziemlich jede sinnvolle Gruppe allgegenwärtig sind. Baron (2005)(1) argumentierte weiter, dass das Versäumnis, starke oder konsistente Beweise für die vorherrschenden Bedingungen des Gruppendenkens zu finden, tatsächlich die Tatsache widerspiegeln kann, dass es so häufig ist. Mit anderen Worten, es gibt wenig Unterschiede zu erkennen, da die meisten Gruppen Symptome von Gruppendenken und fehlerhafte Entscheidungsprozesse aufweisen. Gruppendenken-Modell/Baron: Baron (2005) schlug ein Allgegenwartsmodell des Gruppendenken vor und argumentierte, dass viele der von Janis (1972(2), 1982(3)) identifizierten Symptome in Gruppen üblich sind und aus drei interaktiven (wiederum nicht additiven) Vorläuferfaktoren resultieren. 1) Mindestens ein minimaler Grad an sozialer Identifikation (definiert in Begriffen wie soziale Identität/Selbstkategorisierung) ist erforderlich. Die Identifikation mit der Gruppe ist zum Teil deshalb wichtig, weil sie sowohl den normativen sozialen Einfluss (d.h. Übereinstimmung) als auch den informationellen sozialen Einfluss (d.h. Internalisierung) erhöht. 2) Damit sozialer Einfluss auftreten kann und die Identifizierung von Symptomen von Gruppendenken hervorrufen kann, muss die Gruppe eine klare Norm oder einen Satz von Normen haben, denen Einzelpersonen folgen können. 3) Sozialer Einfluss ist eher in dem Maße gegeben, in dem einzelne Gruppenmitglieder eine geringe Selbstwirksamkeit oder Selbstvertrauen zeigen in Bezug auf ihre Fähigkeit zu verstehen oder einen einzigartigen Beitrag zur Entscheidungsfindung leisten. 1. Baron, R.S. (2005) ‘So right it’s wrong: Groupthink and the ubiquitous nature of polarized group decision-making’, Advances in Experimental Social Psychology, 37: 219–253. 2. Janis, I.L. (1972) Victims of Groupthink. Boston: Houghton Mifflin. 3. Janis, I.L. (1982) Groupthink: Psychological Studies of Policy Decisions and Fiascoes. Boston: Houghton Mifflin. Dominic J. Packer and Nick D. Ungson, „Group Decision-Making. Revisiting Janis’ groupthink studies“, in: Joanne R. Smith and S. Alexander Haslam (eds.) 2017. Social Psychology. Revisiting the Classic studies. London: Sage Publications |
Haslam I S. Alexander Haslam Joanne R. Smith Social Psychology. Revisiting the Classic Studies London 2017 |
Gruppendenken | Janis | Haslam I 182 Gruppendenken/Janis: Beispiel: Nach dem Scheitern der Invasion in der Schweinebucht 1961, die von einer Gruppe hochintelligenter Menschen geplant worden war, stellte sich die Frage, wie dieses Scheitern möglich gewesen sei. Janis These: Obwohl Janis zu dem Schluss kam, dass die fehlerhafte Planung der CIA und der Mangel an effektiver Kommunikation teilweise für das Fiasko in der Bay of Pigs verantwortlich war, diagnostizierte er das primäre Problem als Folge sozialpsychologischer Prozesse, die innerhalb der Kernberatungsgruppe des Präsidenten ablaufen. (Janis; 1972(1), 1982(2)). Psychologische Tradition: Anfang der 70er Jahre waren Theorie und Forschung zur Gruppen- und Organisationsentscheidung von der individualistischen subjektiven Nutzenlehre dominiert (Kramer, 1998)(3), wonach die subjektiven Bewertungen von Risiko und Ertrag einer einzelnen Person ihre Entscheidungsprozesse beeinflussen. JanisVsTradition: betonte die Gruppendynamik, die diesen Entscheidungen zugrunde liegt. Insbesondere theoretisierte er Haslam I 183 dass die Kohäsion der Gruppen ihre Mitglieder motivieren könnte, Gruppenharmonie und Einstimmigkeit über sorgfältige Überlegungen bei der Entscheidungsfindung zu stellen. Haslam I 184 Def Gruppendenken/Janis: "Gruppendenken" [ist] ein schneller und einfacher Weg, um auf eine Denkweise hinzuweisen, die Menschen anwenden, wenn sie tief in eine zusammenhängende Gruppe eingebunden sind, wenn das Streben der Mitglieder nach Einstimmigkeit ihre Motivation, alternative Handlungsoptionen realistisch zu bewerten, übertönt. (Janis, 1972(1): 9) Janis These: Eine bestimmte Reihe von Vorbedingungen kann die Mitglieder einer Gruppe dazu bringen, einen Konsens miteinander zu suchen, anstatt sich an sorgfältigen Entscheidungen zu beteiligen. Gruppendenken-Modell/Janis: (a) die vorhergehenden Bedingungen, von denen erwartet wird, dass sie diese konsensorientierte Psychologie hervorbringen, (b) eine Reihe von beobachtbaren Symptomen, die sich daraus ergeben sollten, was wiederum zu (c) einer Reihe von fehlerhaften Entscheidungsprozessen führt. Das Modell deutet darauf hin, dass diese fehlerhaften Prozesse in der Regel zu suboptimalen kollektiven Entscheidungen führen. Vorangestellte Bedingungen: hochrangige (z.B. charismatische oder autoritäre) Führungskräfte, begrenzte Informationssuche und Isolierung der Gruppe gegenüber Außenstehenden mit dem notwendigen Fachwissen, um fundierte Entscheidungen zu treffen. Besonders wichtig: ein starkes Gefühl der Gruppenkohäsion (d.h. eine starke kollektive Bindung) und ein Kontext mit hohem Stress oder Krisen, besonders wahrscheinlich bei komplexen und folgerichtigen Entscheidungen. Haslam I 185 Symptome für Gruppendenken: (Janis 1971)(3) Überschätzung des Gruppenwertes: 1. Illusion der Unverwundbarkeit 2. Glaube an die Moral der Gruppe Engstirnigkeit: 3. Kollektive Rationalisierung 4. Stereotype Ansichten von Outgroups Druck auf Gleichmäßigkeit: 5. Selbstzensur 6. Illusion der Einstimmigkeit 7. Druck auf Abweichende ausgeübt 8. Mindguarding Probleme: Entscheidungsziele werden unzureichend diskutiert, nur wenige alternative Haslam I 186 Lösungen werden unterhalten, ursprünglich bevorzugte Lösungen werden nicht kritisch geprüft, zunächst verworfene Lösungen werden nicht erneut geprüft, Experten werden nicht konsultiert, Ratschläge werden selektiv und voreingenommen eingeholt, und die Gruppe entwickelt keine Notfallpläne. Lösung/Janis: Gruppenleiter sollten alle Gruppenmitglieder ermutigen, "kritische Bewerter" zu sein, so dass sie in der Lage sind, Zweifel oder Einwände frei zu äußern. Darüber hinaus sollten Gruppenleiter vermeiden, ihre anfänglichen Präferenzen zu Beginn eines jeden Entscheidungsprozesses anzugeben (...). Janis plädierte für die Bildung mehrerer unabhängiger Gruppen, jede mit ihrem eigenen Gruppenführer, um das gleiche Problem zu lösen. (...) die Meinungen der Gruppenmitglieder sollten häufig in Frage gestellt werden, entweder indem man verschiedene externe Experten an den Sitzungen teilnehmen lässt oder indem man ausgewählte Mitglieder als vorübergehende "Advokaten des Teufels" benennt. Schließlich betonte Janis die Bedeutung von Treffen der "zweiten Chance", bei denen Gruppenentscheidungen ein letztes Mal überdacht werden könnten, bevor sie beschlossen oder veröffentlicht werden. Haslam I 187 Beispiele für Gruppendenken: die Invasion Nordkoreas, die Schweinebucht und die Eskalation des Vietnamkriegs. Beispiele, die kein Gruppendenken zeigen: der Marshall-Plan und die Kubakrise. Haslam I 189 Gruppen/Janis: These: Das einzige Ziel von Entscheidungsgruppen ist es, sich an einer maßvollen Beratung zu beteiligen, um genaue und logische Entscheidungen zu treffen. VsJanis: Gruppen können andere Ziele im Sinn haben, wie z.B. "Zufriedenheit mit und Verpflichtung zur Entscheidung", "verbesserte Umsetzung durch die Gruppenmitglieder" oder sogar "diffuse Verantwortung für schlechte Entscheidungen" (McCauley, 1998(4): 148). >Gruppendenken/Psychologische Theorien. KramerVsJanis: Roderick Kramer (1998)(5) schlug vor, dass zumindest einige von Janis' Fallbeispielen besser als fehlerhafte Entscheidungen verstanden werden, die sich aus politischem Denken und nicht aus Gruppendenken ergeben. Präsident Kennedy (...) versuchte, genaue Entscheidungen darüber zu treffen, was die beste politische Entscheidung war (z.B. würde sie im Inland populär sein), zum Nachteil der bestmöglichen militärischen Entscheidung. Mit anderen Worten, eine sorgfältige Bewertung der Entscheidungen. Haslam I 190 (d.h. Nicht-Gruppendenken-Symptome) in einem Bereich kann scheinbares Gruppendenken in einem anderen erzeugen. FullerVsJanis/AldagVsJanis: Sally Fuller und Ramon Aldag (1998)(6) argumentieren, dass die leichte Popularität des Modells Sozialpsychologen abgelenkt hat. Sie behaupten, dass sich die Forscher darauf konzentrierten, die ursprünglichen Parameter des Gruppendenken-Modells zu testen, auf Kosten der breiteren Fragen zur Gruppenentscheidung. (...) - ironischerweise ergeben sich einige der besten Beweise für das Gruppendenken-Modell aus der Untersuchung der Art und Weise, wie die Forschung zu Gruppendenken selbst durchgeführt wurde. >Gruppendenken/Psychologische Theorien. 1. Janis, I.L. (1972) Victims of Groupthink. Boston: Houghton Mifflin. 2. Janis, I.L. (1982) Groupthink: Psychological Studies of Policy Decisions and Fiascoes. Boston: Houghton Mifflin. 3. Janis, I.L. (1971) ‘Groupthink’, Psychology Today, November, 43–6: 74–6. 4. McCauley, C. (1998) ‘Group dynamics in Janis’ theory of groupthink: Backward and forward’, Organizational Behavior and Human Decision Processes, 73: 146–62. 5. Kramer, R.M. (1998) ‘Revisiting the Bay of Pigs and Vietnam decisions 25 years later: How well has the groupthink hypothesis stood the test of time?’, Organizational Behavior and Human Decision Processes, 73: 236–71. 6. Fuller, S.R. and Aldag, R.J. (1998) ‘Organizational Tonypandy: Lessons from a quarter century of the groupthink phenomenon’, Organizational Behavior and Human Decision Processes, 73: 163–84. Dominic J. Packer and Nick D. Ungson, „Group Decision-Making. Revisiting Janis’ groupthink studies“, in: Joanne R. Smith and S. Alexander Haslam (eds.) 2017. Social Psychology. Revisiting the Classic studies. London: Sage Publications |
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Gruppendenken | McCauley | Haslam I 191 Gruppendenken/VsJanis/McCauley: Möglichkeiten für Gruppendenken sind: a) Verringerung der Unsicherheit - diese ist weitgehend konsistent mit der ursprünglichen Formulierung von Janis (1972(1), 1982(2)). In diesem Fall können Gruppen zu einem vorzeitigen Konsens über eine Entscheidung kommen, weil sie das kollektive "Unbehagen der Unsicherheit über ein wichtiges Thema" vermeiden wollen (McCauley, 1998(3): 153). (...) Gruppenmitglieder suchen Zuflucht in einer gemeinsamen Realität, oft in Form eines vorzeitigen Konsenses. b) "den Wunsch, das Unbehagen einer offenen Bewertung von Ideen zu vermeiden, die Einzelpersonen an sich gebunden haben" (1998(3): 153). In diesem Fall ist die Meinungsverschiedenheit unter Gleichen unangenehm und kann sozial kostspielig sein. McCauley (1998)(3) glaubte, dass die Beweise für das soziale Unbehagen stärker waren als die für die Verringerung der Unsicherheit. Haslam I 192 McCauley These: Der soziale Unbehagen-Mechanismus ermöglicht eine Vorhersage über die Art der Gruppe oder des Konsenses, die zu einem Gruppendenken führen sollte. Insbesondere Gruppen, die auf freundschaftlichen Beziehungen und einem auf persönlicher Attraktivität beruhenden Kohäsion beruhen, sollten höchstwahrscheinlich eine Situation schaffen, in der die einzelnen Mitglieder motiviert sind, mit ihren Peers gute Beziehungen aufrecht zu halten. McCauley stützte sich auf Labornachweise, um seine Hypothese zu untermauern, vor allem auf ein altes Experiment von Back (1951)(4), bei dem hohe (vs. niedrige) Kohäsionsebenen auf verschiedene Weise manipuliert wurden. >Kohäsion/Psychologische Theorien. 1. Janis, I.L. (1972) Victims of Groupthink. Boston: Houghton Mifflin. 2. Janis, I.L. (1982) Groupthink: Psychological Studies of Policy Decisions and Fiascoes. Boston: Houghton Mifflin. 3. McCauley, C. (1998) ‘Group dynamics in Janis’ theory of groupthink: Backward and forward’, Organizational Behavior and Human Decision Processes, 73: 146–62. 4. Back, K. (1951) ‘Influence through social communications’, Journal of Abnormal and Social Psychology, 46: 9–23. Dominic J. Packer and Nick D. Ungson, „Group Decision-Making. Revisiting Janis’ groupthink studies“, in: Joanne R. Smith and S. Alexander Haslam (eds.) 2017. Social Psychology. Revisiting the Classic studies. London: Sage Publications |
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Gruppendenken | Pratkanis | Haslam I 190 Gruppendenken/soziale Identität/Pratkanis/Turner: Marlene Turner und Anthony Pratkanis schlugen ein Modell zur Erhaltung der sozialen Identität vor [für Gruppendenken]. Ihr Modell behielt die Konsenssuche im Mittelpunkt des Gruppendenkens bei, betonte aber den Konsens eines bestimmten Typs - nämlich den Konsens um eine "gemeinsame positive Sicht auf das Funktionieren der Gruppe" (1998a(1): 212). Sie stellten fest, dass der Wunsch, einen solchen Konsens zu erreichen, aus zwei interaktiven (nicht additiven) Faktoren resultiert: Gruppenkohäsion und kollektive Bedrohung, die in Kombination Verhaltensweisen hervorrufen, die das Selbstbild der Gruppe besser schützen als fundierte Entscheidungen. Haslam I 191 Gruppenkohäsion/Pratkanis/Turner: Turner und Pratkanis (1998a)(1) stützten sich auf Theorien der sozialen Identität und der Selbstkategorisierung (Abrams und Hogg, 1988(2); Hornsey, 2008(3); Tajfel und Turner, 1979)(4), um eine besondere Definition von Gruppenkohäsion anzubieten. Konkret schlagen sie vor, dass Kohäsion entsteht, wenn sich die Mitglieder mit ihrer Gruppe identifizieren, so dass die Mitgliedschaft in der Gruppe einen wichtigen Teil ihres Selbstverständnisses darstellt. So identifiziert, versuchen Einzelpersonen, ein positives Bild ihrer Gruppe zu erhalten und reagieren eher auf potenzielle Bedrohungen dieses Bildes. >Ziele/Pratkanis/Turner. 1. Turner, M.E. and Pratkanis, A.R. (1998a) ‘A social identity maintenance model of groupthink’, Organizational Behavior and Human Decision Processes, 73: 210–35. 2. Abrams, D. and Hogg, M.A. (1988) Social Identifications: A Social Psychology of Intergroup Relations and Group Processes. London: Routledge. 3. Hornsey, M.J. (2008) ‘Social identity theory and self-categorization theory: A historical review’, Social and Personality Psychology Compass, 2: 204–22. 4. Tajfel, H. and Turner, J. (1979) ‘An integrative theory of intergroup conflict’, in W.G. Austin and S. Worchel (eds), The Psychology of Intergroup Relations. Monterey, CA: Brooks-Cole. pp. 33–47. Dominic J. Packer and Nick D. Ungson, „Group Decision-Making. Revisiting Janis’ groupthink studies“, in: Joanne R. Smith and S. Alexander Haslam (eds.) 2017. Social Psychology. Revisiting the Classic studies. London: Sage Publications |
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Gruppendenken | Psychologische Theorien | Haslam I 182 Gruppendenken/Psychologische Theorien: Beispiel: Nach dem Scheitern der Invasion in der Bay of Pigs von 1961, die von einer Gruppe hochintelligenter Menschen geplant worden war, stellte sich die Frage, wie dieses Scheitern möglich gewesen sei. >Gruppendenken/Janis. Psychologische Tradition: Anfang der 70er Jahre waren Theorie und Forschung zur Gruppen- und Organisationsentscheidung von der individualistischen subjektiven Nutzenlehre dominiert (Kramer, 1998)(1), wonach die subjektiven Bewertungen von Risiko und Ertrag einer einzelnen Person ihre Entscheidungsprozesse beeinflussen. JanisVsTradition: betonte die Gruppendynamik, die diesen Entscheidungen zugrunde liegt. Insbesondere theoretisierte er Haslam I 183 dass die Gruppenkohäsion ihre Mitglieder motivieren könnte, Gruppenharmonie und Einstimmigkeit über sorgfältige Überlegungen bei der Entscheidungsfindung zu stellen. Haslam I 187 Kritikpunkte VsJanis: Philip Tetlock (1979)(2): Im Einklang mit dem Gruppendenken-Modell waren öffentliche Äußerungen in Gruppendenken-Fällen einfacher und bildeten tendenziell mehr gruppeninterne Referenzen als öffentliche Äußerungen in Nicht-Gruppendenken-Fällen. Allerdings waren öffentliche Äußerungen in Gruppendenken-Fällen, die nicht mit dem Modell übereinstimmen, nicht mehr geeignet, negative Bezüge zu Outgroups herzustellen. Clark McCauley (1989)(3): Drei von [Janis'] Fällen (d.h. Nordkorea, Pearl Harbor, Watergate) schienen tatsächlich Gruppenmitglieder zu involvieren, die kollektive Überzeugungen internalisierten (d.h. sie waren privat einverstanden mit Gruppenentscheidungen). Er kam jedoch zu dem Schluss, dass die Invasion in der Bay of Pigs und die Eskalation des Vietnamkriegs besser als Übereinstimmung charakterisiert sind - das heißt, die Mitglieder äußerten öffentlich ihre Zustimmung zu Gruppenpositionen, ohne sie privat zu akzeptieren, vermutlich aufgrund des sozialen Drucks, sich anzupassen. TetlockVsJanis: (Tetlock et al 1992)(4): Die Autoren fanden einige Hinweise, die mit dem Gruppendenken-Modell übereinstimmen: strukturelle und prozedurale Fehler (z.B. Richtlinienführung, Entscheidungsverfahren) prognostizierten Gruppendenken-Symptome. Im Gegensatz zu Janis' ursprünglicher Formulierung erwiesen sich jedoch Gruppenkohäsion und hohe Stressbedingungen nicht als wichtige Vorläufer für das Gruppendenken von Symptomen. Haslam I 188 PetersonVsJanis: (Peterson et al. 1998)(5) fanden Unterstützung für die Idee, dass Entscheidungsstile und -verfahren wichtige Auswirkungen auf den Erfolg und Misserfolg realer Unternehmen haben. Es gab jedoch einige Vorbehalte: (...) "erfolglose Gruppen", die von Peterson und Kollegen identifiziert wurden, ähnelten nicht der Art von Gruppen, die wahrscheinlich von Gruppendenken geplagt wurden, wie es von Janis charakterisiert wurde; vielmehr hatten sie eher schwächere Gruppenführer und weniger Kohäsion. Im Gegensatz dazu waren "erfolgreiche Gruppen" durch stärkere Führungskräfte, größere Risikobereitschaft und mehr Optimismus gekennzeichnet. Laborstudien: haben sich im Allgemeinen auf die Manipulation von Vorläufern des Gruppendenkens (z.B. Gruppenkohäsion, Entscheidungsverfahren) konzentriert, um deren Auswirkungen auf die Symptome des Gruppendenkens und die Entscheidungsqualität zu untersuchen. Die Kohäsion wurde auf verschiedene Weise manipuliert: das Geben von falsche Rückmeldungen über die Kompatibilität der Einstellungen der Gruppenmitglieder, Anbieten von Belohnungen für Haslam I 189 erfolgreiche Gruppen, Gruppenbildung von Freunden vs. Fremden oder Hervorhebung der gemeinsamen Gruppenzugehörigkeit unter Einzelpersonen (siehe Esser, 1998(6): 127-133). Ergebnisse: Diese Laborstudien haben keinen konsistenten kausalen Zusammenhang zwischen Gruppenkohäsion und Symptomen des Gruppendenkens gefunden. Die Inkonsistenz dieser Ergebnisse kann jedoch (...) viel mit der Inkonsistenz in der Art und Weise zu tun haben, wie die Kohäsion definiert und operationalisiert wurde. VsJanis: Obwohl es empirische Beobachtungen gibt, dass einige von Janis' (1972(7), 1982(8)) vorangehende bestimmte Symptome von Gruppendenken hervorrufen können, scheint es fair zu sein, zu sagen, dass es wenig oder gar keine Beweise aus Fall- oder Laborstudien für ein strenges Modell gibt, bei dem alle von Janis' (1972(7), 1982(8)) Vorläufer vorhanden sein müssen, um die Symptome des Gruppendenkens hervorzurufen, oder bei dem alle Symptome von Gruppendenken notwendigerweise zusammen auftreten. Es gibt auch wenig Hinweise auf ein additives Modell, bei dem die Ansammlung von Vorläufern mehr oder stärkere Symptome hervorruft (siehe Turner und Pratkanis, 1998b). Haslam I 193 Gruppendynamik: Robert S. Baron: Baron (2005)(9) argumentierte, dass Dynamiken von Gruppendenken, einschließlich Konformität, Unterdrückung von Meinungsverschiedenheiten, Polarisierung, Selbstzensur, Illusionen von Konsens und intergruppenspezifische Verzerrungen, eigentlich allgegenwärtig sind - was bedeutet, dass sie für so ziemlich jede sinnvolle Gruppe allgegenwärtig sind. Baron (2005)(9) argumentierte weiter, dass das Versäumnis, starke oder konsistente Beweise für die vorherrschenden Bedingungen des Gruppendenkens zu finden, tatsächlich die Tatsache widerspiegeln kann, dass es so häufig ist. Mit anderen Worten, es gibt wenig Unterschiede zu erkennen, da die meisten Gruppen Symptome von Gruppendenken und fehlerhafte Entscheidungsprozesse aufweisen. >Gruppendenken/Packer. 1. Kramer, R.M. (1998) ‘Revisiting the Bay of Pigs and Vietnam decisions 25 years later: How well has the groupthink hypothesis stood the test of time?’, Organizational Behavior and Human Decision Processes, 73: 236–71. 2. Tetlock, P.E. (1979) ‘Identifying victims of groupthink’, Journal of Personality and Social Psychology, 37: 1314–24. 3. McCauley, C. (1989) ‘The nature of social influence in groupthink: Compliance and internalization’, Journal of Personality and Social Psychology, 57: 250–60. 4. Tetlock, P.E., Peterson, R.S., McGuire, C., Chang, S. and Feld, P. (1992) ‘Assessing political group dynamics: A test of the groupthink model’, Journal of Personality and Social Psychology, 63: 403–25. 5. Peterson, R.S., Owens, P.D., Tetlock, P.E., Fan, E.T. and Martorana, P. (1998) ‘Group dynamics in top management teams: Groupthink, vigilance, and alternative models of organizational failure and success’, Organizational Behavior and Human Decision Processes, 73: 272–305. 6. Esser, J.K. (1998) ‘Alive and well after 25 years: A review of groupthink research’, Organizational Behavior and Human Decision Processes, 73: 116–41. 7. Janis, I.L. (1972) Victims of Groupthink. Boston: Houghton Mifflin. 8. Janis, I.L. (1982) Groupthink: Psychological Studies of Policy Decisions and Fiascoes. Boston: Houghton Mifflin. 9. Baron, R.S. (2005) ‘So right it’s wrong: Groupthink and the ubiquitous nature of polarized group decision-making’, Advances in Experimental Social Psychology, 37: 219–253. Dominic J. Packer and Nick D. Ungson, „Group Decision-Making. Revisiting Janis’ groupthink studies“, in: Joanne R. Smith and S. Alexander Haslam (eds.) 2017. Social Psychology. Revisiting the Classic studies. London: Sage Publications |
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Gruppendenken | Turner | Haslam I 190 Gruppendenken/soziale Identität/Pratkanis/Turner: Marlene Turner und Anthony Pratkanis schlugen ein Modell zur Erhaltung der sozialen Identität [für Gruppendenken] vor. Ihr Modell behielt die Konsenssuche im Mittelpunkt des Gruppendenkens bei, betonte aber den Konsens eines bestimmten Typs - nämlich den Konsens um eine "gemeinsame positive Sicht auf das Funktionieren der Gruppe" (1998a(1): 212). Sie stellten fest, dass der Wunsch, einen solchen Konsens zu erreichen, aus zwei interaktiven (nicht additiven) Faktoren resultiert: Gruppenkohäsion und kollektive Bedrohung, die in Kombination Verhaltensweisen hervorrufen, die das Selbstbild der Gruppe besser schützen als fundierte Entscheidungen. Haslam I 191 Gruppenkohäsion/Pratkanis/Turner: Turner und Pratkanis (1998a)(1) stützten sich auf Theorien der sozialen Identität und der Selbstkategorisierung (Abrams und Hogg, 1988(2); Hornsey, 2008(3); Tajfel und Turner, 1979(4)), um eine besondere Definition von Gruppenkohäsion anzubieten. Konkret schlagen sie vor, dass Kohäsion entsteht, wenn sich die Mitglieder mit ihrer Gruppe identifizieren, so dass die Mitgliedschaft in der Gruppe einen wichtigen Teil ihres Selbstverständnisses darstellt. So identifiziert, versuchen Einzelpersonen, ein positives Bild ihrer Gruppe zu erhalten und reagieren eher auf potenzielle Bedrohungen dieses Bildes. >Ziele/Pratkanis/Turner. 1. Turner, M.E. and Pratkanis, A.R. (1998a) ‘A social identity maintenance model of groupthink’, Organizational Behavior and Human Decision Processes, 73: 210–35. 2. Abrams, D. and Hogg, M.A. (1988) Social Identifications: A Social Psychology of Intergroup Relations and Group Processes. London: Routledge. 3. Hornsey, M.J. (2008) ‘Social identity theory and self-categorization theory: A historical review’, Social and Personality Psychology Compass, 2: 204–22. 4. Tajfel, H. and Turner, J. (1979) ‘An integrative theory of intergroup conflict’, in W.G. Austin and S. Worchel (eds), The Psychology of Intergroup Relations. Monterey, CA: Brooks-Cole. pp. 33–47. Dominic J. Packer and Nick D. Ungson, „Group Decision-Making. Revisiting Janis’ groupthink studies“, in: Joanne R. Smith and S. Alexander Haslam (eds.) 2017. Social Psychology. Revisiting the Classic studies. London: Sage Publications |
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Gruppenrechte | Politische Theorien | Gaus I 253 Gruppenrechte/Politische Philosophie/Kukathas: Noch bevor der Multikulturalismus seine heutige Bedeutung erlangte, hatten einige Philosophen jedoch bereits Berichte über Gruppenrechte vorgelegt. Joseph Raz (1986(1): 207-8) zum Beispiel lässt in seiner einflussreichen Darstellung der Rechte Raum für kollektive Rechte. Larry May (1987(2): 180) blieb zwar vorsichtig in Bezug auf das Ausmaß, in dem Gruppen als Rechteinhaber anerkannt werden sollten, argumentierte aber, dass Moraltheoretiker die Handlungen und Interessen sozialer Gruppen als mögliche Träger von Rechten und Pflichten genauer untersuchen müssten. Und Frances Svensson (1979)(3) hatte zuvor vorgeschlagen, dass Gruppenrechte notwendig seien, um den Ansprüchen der Ureinwohner gerecht zu werden. >J. Raz, >Grundrechte, >Rechte. Es besteht Konsens darüber, dass es durchaus möglich ist, dass Gruppen Rechte haben oder dass Rechte sowohl Gruppen als auch Einzelpersonen auf der Grundlage ihrer Identität zugestanden werden. Eine Gruppe kann ein Recht als eine unabhängig anerkannte Einheit haben; und Einzelpersonen können besondere Rechte haben, weil sie Mitglieder bestimmter Kollektive sind. Probleme: Nichtsdestotrotz ist diese Frage wegen der Auswirkungen der Gewährung von Rechten auf der Grundlage der Gruppenzugehörigkeit umstritten geblieben. >Kulturelle Rechte/Levy. Inhalt/Bildung/Probleme: Die Forderungen einiger Gruppen nach Rechten in Form von Ausnahmeregelungen zum Beispiel haben eine substantielle Debatte über die Auswirkungen solcher Sonderrechte ausgelöst. Diese Debatte wird jedoch besonders heftig, wenn bestimmte Themen in den Vordergrund treten: Religion, Bildung und Kinder. Kinder/Religion: Während die meisten liberalen Verfechter des Multikulturalismus bereit waren, kulturellen Minderheiten das Recht zu gewähren, nach ihren eigenen Überzeugungen zu leben, haben Kinder und Bildung besondere Probleme aufgeworfen. Für viele sind die Grenzen des Multikulturalismus durch die Notwendigkeit gesetzt, die Interessen der Kinder zu schützen, die sogar das Recht der Eltern oder Gemeinschaften, ihre eigenen religiösen Überzeugungen zu verbreiten, außer Kraft setzen. >Multikulturalismus, >Minderheiten, >Mehrheiten. 1. Raz, Joseph (1986) The Morality of Freedom. Oxford: Clarendon. 2. May, Larry (1987) The Morality of Gmups: Collective Responsibility, Group-Based Harm, and Corporate Rights. Notre Dame, In: University of Notre Dame Press. 3. Svensson, Frances (1979) 'Liberal democracy and group rights: the legacy of individualism and its impact on American Indian tribes'. Political Studies, 23 (3): 421-39. Kukathas, Chandran 2004. „Nationalism and Multiculturalism“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications |
Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Imperative | Habermas | III 404 Imperative/Kommunikatives Handeln/Habermas: für den Fall von Imperativen, die einen Machtanspruch des Sprechers involvieren, d.h. eine mögliche Sanktionierung beinhalten, müssen wir die Sanktionsbedingungen kennen. >Verstehen/Habermas, >Akzeptierbarkeit/Habermas. Ein Hörer versteht die Aufforderung, das Rauchen einzustellen, wenn er (a) die Bedingungen kennt unter denen er den erwünschten Zustand herbeiführen kann, und (b) die Bedingungen kennt, unter denen der Sprecher gute Gründe hat zu erwarten, dass der Hörer sich gezwungen sieht, sich dem Willen des Sprechers zu fügen. Dann weiß er, was die Äußerung akzeptabel macht. >Akzetierbarkeit, >Verstehen, >Verständigung. III 405 Innerhalb eines normenregulierten Rahmens erweitern sich die Bedingungen auf die Kenntnis der relevanten Normen und ihrer aktuellen Geltung sowie die Kenntnis der Konsequenzen, die eine Nichtbeachtung nach sich zieht. IV 51 Imperative/Habermas: Mit Imperativen wie mit Ankündigungen will der Sprecher keinen Konsens erzielen, sondern auf Handlungssituationen Einfluss nehmen. Imperative bringen nur die Absichten eines an Konsequenzen orientierten Sprechers zum Ausdruck. >Absicht, >Intentionen. |
Ha I J. Habermas Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988 Ha III Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I Frankfurt/M. 1981 Ha IV Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. II Frankfurt/M. 1981 |
Integration | Parsons | Habermas IV 341 Def Soziale Integration/Parsons/Habermas: Soziale Integration erstreckt sich auf Funktionen der Erhaltung und Integration der dem Handlungssystem einverleibten kulturelle Werte. Sie bemisst sich nicht an funktionalen Imperativen, sondern an Konsistenzforderungen. Habermas IV 350 Integration/Parsons/Habermas: Man kann die Integration einer Gesellschaft mit Parsons als die kontinuierliche Erneuerung eines Kompromisses zwischen zwei Reihen von Imperativen begreifen. A) Die Bedingungen für die soziale Integration der Lebenswelt sind definiert durch die Geltungsbasis der handlungskoordinierenden Verständigungsprozesse im Zusammenhang mit Strukturen eines jeweils dominierenden Weltbildes; B) Die Bedingungen für die funktionale Integration der Gesellschaft sind durch die Beziehungen der als System vergegenständlichten Lebenswelt zu einer nur teilweise kontrollierten Umwelt festgelegt. >Gesellschaft/Parsons, >Gesellschaft/Habermas. Habermas IV 362 Ab Mitte der 60er Jahre, innerhalb seiner Systemtheorie, geht für Parsons die Idee der „funktionalen Integration“ stillschweigend in Führung. Die funktionalen Imperative können immer noch auf dem Wege des normativen Konsens erfüllt werden; aber gerade in modernen Gesellschaften dehnen sich die Bereiche der „normfreien Sozialität“ so sehr aus, dass der Integrationsbedarf weitgehend unter Umgehung des Verständigungsmechanismus befriedigt werden muss. Vgl. >Kommunikation, >Kommunikatives Handeln, >Kommunikationstheorie. |
ParCh I Ch. Parsons Philosophy of Mathematics in the Twentieth Century: Selected Essays Cambridge 2014 ParTa I T. Parsons The Structure of Social Action, Vol. 1 1967 ParTe I Ter. Parsons Indeterminate Identity: Metaphysics and Semantics 2000 Ha I J. Habermas Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988 Ha III Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I Frankfurt/M. 1981 Ha IV Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. II Frankfurt/M. 1981 |
Intelligenz | Molekulargenetik | Slater I 126 Intelligenz/Molekulargenetik: Obwohl es immer noch (2012) eine beträchtliche Debatte über das Ausmaß der Erblichkeit gibt, ist das Vorhandensein eines erheblichen genetischen Einflusses inzwischen durch die Anhäufung von Beweisen aus vielen Studien in vielen verschiedenen Proben gut etabliert (siehe Deary, Johnson, & Houlihan, 2009(1), für eine aktuelle Review, und Neisser et al., 1996(2), für die Konsensaussage einer American Psychological Association Task Force). Im Gegensatz zu der damals vorherrschenden Ansicht (siehe Jensen 1969(2), >Intelligenz/Jensen, >Intelligenztests/Jensen, >Erblichkeit/Jensen, >Intelligenztests/Psychologische Theorien) ist die Existenz genetischer Einflüsse auf Verhaltensmerkmale aller Art inzwischen allgemein anerkannt (Turkheimer, 2000)(3), was bedeutet, dass es als außergewöhnlich angesehen würde, wenn Intelligenz- und Leistungstestwerte nicht genetisch beeinflusst würden. Slater I 127 Genomweite Assoziationsstudien mit kognitiven Fähigkeitstests haben viele Allele extrem kleiner Effekte ergeben, die dazu neigen, sich nicht von Probe zu Probe zu replizieren und bestenfalls nur winzige Anteile der Merkmalsvarianz zu berücksichtigen. Derzeit haben wir noch keinen einzigen Genlocus identifiziert, der robust mit den Werten der kognitiven Fähigkeiten im Normalbereich assoziiert ist (Davis, Butcher, Docherty, Meaburn, & Curtis, 2010(4); Deary, Penke, & Johnson, 2010)(5). Das allgemeine Versäumnis, klare Assoziationen zwischen bestimmten Genlokalen und hochvererbbaren, gut gemessenen gemeinsamen Merkmalen zu identifizieren, wurde als "fehlendes Vererbungsproblem" bezeichnet (Maher, 2008)(6). [Es gibt] komplexere genetische Mechanismen (siehe Johnson, Penke, & Spinath, 2011(7), für detailliertere Informationen). 1. Deary, I. J., Johnson, W., & Houlihan, L. (2009). Genetic foundations of human intelligence. Human Genetics, 126, 613–624. 2. Neisser, U., Boodoo, G., Bouchard, T. J., Boykin, A. W., Brody, N., Ceci, S. J., Halpern, D. F., Loehlin, J. C., Perloff, R., Sternberg, R. J., & Urbina, S. (1996). Intelligence: Knowns and unknowns. American Psychologist, 51, 77–101. 3. Turkheimer, E. (2000). Three laws of behavior genetics and what they mean. Current Directions in Psychological Science, 9, 160–164. 4. Davis, O. S., Butcher, L. M., Docherty, S. J., Meaburn, E. L., & Curtis, C. J. (2010). A three-stage genome-wide association study of general cognitive ability: Hunting the small effects. Behavior Genetics, 40, 759–767. 5. Deary, I. J., Penke, L., & Johnson, W. (2010). The neuroscience of human intelligence differences. Nature Reviews Neuroscience, 11, 201–211. 6. Maher, B. (2008). The case of the missing heritaiblity. Nature, 456, 18–21. 7. Johnson, W., Penke, L., & Spinath, F. M. (2011). Heritability in the era of molecular genetics. European Journal of Personality, 25, 254–266. Wendy Johnson: „How Much Can We Boost IQ? Updated Look at Jensen’s (1969) Question and Answer“, in: Alan M. Slater & Paul C. Quinn (eds.) 2012. Developmental Psychology. Revisiting the Classic Studies. London: Sage Publications |
Slater I Alan M. Slater Paul C. Quinn Developmental Psychology. Revisiting the Classic Studies London 2012 |
Interaktion | Parsons | Habermas IV 319 Interaktion/Parsons/Habermas: Problem: wenn der Begriff der Handlung so an das Ordnungskonzept angeschlossen wird, dass beide sich einander auf derselben analytischen Ebene zum Begriff der soziale Interaktion ergänzen, stünde nicht mehr die Zweck-Mittel-Struktur im Zentrum, sondern die sprachabhängige Konsensbildung als der Mechanismus, der die Handlungspläne verschiedener Aktoren aufeinander abstimmt. >Ordnung/Parsons, Ordnung/Hobbes, Ordnung/Locke. Habermas IV 320 Lösung/Parsons: der Ansatzpunkt bleibt die singuläre Handlung eines vereinzelten Aktors. Elementare Interaktion denkt Parsons dabei als aus zwei unabhängig eingeführten Handlungen zweier Aktoren. Werte legen dabei Präferenzen von Alternativen fest. >Doppelte Kontingenz/Parsons. Habermas IV 321 Problem: Wie soll Parsons das monadisch angelegte Handlungskonzept mit einem intersubjektivistischen Ordnungskonzept verknüpfen? Lösung/Habermas: Man könnte Interpretationen der Handelnden zu einem Kernbestandteil sozialen Handelns machen. Das Problem würde gelöst durch eine Orientierung an Geltungsansprüchen von Normen, die auf intersubjektive Anerkennung angelegt sind. ParsonsVsHabermas: Parsons fasst handlungsorientierende Entscheidungen dagegen zunächst einmal als Ausfluss privater Willkür vereinzelter Aktoren auf. (Habermas: Das ist so in Parsons früher mittlerer Periode). >Willkür. |
ParCh I Ch. Parsons Philosophy of Mathematics in the Twentieth Century: Selected Essays Cambridge 2014 ParTa I T. Parsons The Structure of Social Action, Vol. 1 1967 ParTe I Ter. Parsons Indeterminate Identity: Metaphysics and Semantics 2000 Ha I J. Habermas Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988 Ha III Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I Frankfurt/M. 1981 Ha IV Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. II Frankfurt/M. 1981 |
Interpretation | Habermas | III 150 Interpretation/Handlung/Situation/Habermas: Es hat keiner der Beteiligten in einer Handlungssituation ein Interpretationsmonopol. Jeder Kommunikationsteilnehmer ordnet die verschiedenen Elemente der Handlungssituation jeweils einer der drei Welten (einer objektiven, einer sozialen Welt und einer subjektiven Welt als der Gesamtheit der privilegiert zugänglichen Erlebnisse des Sprechers) zu. >Objektive Welt, >Soziale Welt, >Subjektive Welt, Interpretationen müssen dann nicht in jedem Fall oder auch nur normalerweise zu einer stabilen und eindeutig differenzierten Zuordnung führen. III 154 Normenregulierte Handlung: Bei ihrer Interpretation fordert der Handelnde den Interpreten heraus, nicht nur die tatsächliche Normenkonformität bzw. die faktische Geltung einer Norm, sondern die Richtigkeit dieser Norm selbst zu prüfen. >Normen, >Richtigkeit. III 155 Der Interpret kann diese Herausforderung von einem wertskeptischen Standpunkt aus als sinnlos zurückweisen. >Werte, >Sinn. III 158 Problem: Für das Verständnis kommunikativer Handlungen müssen wir zwischen Bedeutungs- und Geltungsfragen trennen. Die Interpretationsleistungen eines Beobachters unterscheiden sich von die Koordinationsbestrebungen der Teilnehmer. >Beobachtung, >Außen/innen. Der Beobachter bemüht sich nicht um eine konsensfähige Deutung. Aber vielleicht unterschieden sich hier nur die Funktionen, nicht die Strukturen der Interpretation. |
Ha I J. Habermas Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988 Ha III Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I Frankfurt/M. 1981 Ha IV Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. II Frankfurt/M. 1981 |
Intersubjektivität | Wright | I 139 Subjektiv/objektiv/Wright: Warum drücken wir nicht einfach alle unsere Meinungen über das Komische mit "ich finde..." aus? Antwort: Es ist nützlich, die objektivierte Form der Gemeinschaft zu haben, denn oft können wir durchaus zu Recht eine gemeinschaftliche Reaktion auf das Komische annehmen. >Objektivität, >Subjektivität, >Gemeinschaft, >Sprachgemeinschaft. I 139 Es gibt Begriffe, die zu einfach sind, um darüber zu streiten (Bsp Wittgenstein: Arithmetik): Bsp Der Gehalt arithmetischer Behauptungen wie 57 + 65 = 122 sagt nichts über Konsens und hat dafür keine logischen Folgen. - Es gäbe dafür aber auch keinen Maßstab der Korrektheit zu erfüllen, wenn nicht auf jener basalen Ebene Konsens vorausgesetzt werden könnte. >Gewissheit. |
WrightCr I Crispin Wright Wahrheit und Objektivität Frankfurt 2001 WrightCr II Crispin Wright "Language-Mastery and Sorites Paradox" In Truth and Meaning, G. Evans/J. McDowell Oxford 1976 WrightGH I Georg Henrik von Wright Erklären und Verstehen Hamburg 2008 |
IPCC | Edwards | Edwards I 585 IPCC/Edwards: Peer Review ist keine Wahrheitsmaschine, die automatisch gute von schlechter Wissenschaft trennt. Aber das Peer-Review der IPCC-Bewertungen unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht von den Prozessen, die von wissenschaftlichen Zeitschriften verwendet werden. Erstens hat der größte Teil der Literatur, die bei den IPCC-Bewertungen berücksichtigt wird, bereits einmal ein Peer-Review durchlaufen (zum Zeitpunkt der Veröffentlichung). Zweitens sind IPCC-Berichte Beurteilungen und nicht primäre Wissenschaft. Als Ergebnis ist die IPCC-Peer-Review darauf ausgelegt, sowohl Übereinstimmung als auch Uneinigkeit zu erfassen. Die IPCC-Verfahrensregeln weisen die Autoren ausdrücklich darauf hin, die Leser auf legitime Kontroversen aufmerksam zu machen: "Bei der Vorbereitung des ersten Entwurfs und in den nachfolgenden Stadien der Überarbeitung nach der Überprüfung sollten die federführenden Autoren unterschiedliche Ansichten, für die es signifikante wissenschaftliche oder technische Unterstützung gibt, zusammen mit den relevanten Argumenten klar identifizieren... Es ist wichtig, dass Berichte unterschiedliche (möglicherweise kontroverse) wissenschaftliche, technische und sozioökonomische Ansichten zu einem Thema beschreiben, insbesondere wenn sie für die politische Debatte relevant sind"(1). Schließlich reicht die Überprüfung des IPCC weit über die wissenschaftliche Gemeinschaft hinaus. Anders als beim Peer-Review für Fachzeitschriften, bei dem nur Expertenmeinungen eingeholt werden, werden hier bewusst auch parteiische, nicht-experimentelle Ansichten eingeholt und deren Bedenken berücksichtigt (soweit es der wissenschaftliche Rahmen zulässt). Trotz seiner Unzulänglichkeiten bleibt dieser umfassende, mehrstufige und hochtransparente Überprüfungsprozess der beste Ansatz, den wir für die Bewertung von Klimawissen haben. Es bringt Kontroversen in den Konsens, es begrenzt Voreingenommenheit und es verbindet die weit verstreuten Klimawissenschaftsgemeinschaften der Welt in einem fortlaufenden Prozess. Dieser außergewöhnliche Prozess unterscheidet die Klimawissenschaft von fast allen anderen wissenschaftlichen Arenen und rechtfertigt mein Konzept einer "Klimawissensinfrastruktur". 1. Intergovernmental Panel on Climate Change, “Procedures.” https://www.ipcc.ch/documentation/procedures/ (16.06. 2021) |
Edwards I Paul N. Edwards A Vast Machine: Computer Models, Climate Data, and the Politics of Global Warming Cambridge 2013 |
Klimakosten | Shue | Norgaard I 326 Klimakosten/Shue/Singer: (...) Es besteht ein weitgehender Konsens unter den Philosophen, die zu dem Thema geschrieben haben, dass Gerechtigkeitsüberlegungen tatsächlich die Verpflichtung der reichen und hoch emittierenden Länder rechtfertigen, ihre Emissionen zu reduzieren, für Emissionssenkungen in armen Ländern zu zahlen und den armen Ländern bei der Anpassung an den Klimawandel zu helfen. Sowohl Henry Shue (1993(1), 1995(2)) als auch Peter Singer (2002)(3) (...) argumentieren, dass man auf allen plausiblen moralischen Darstellungen zu dieser allgemeinen Interpretation der Verpflichtungen der Reichen und der Rechte der Armen gelangt. Die wenigen wissenschaftlichen Bemühungen, diese Argumente zu widerlegen - nicht von Philosophen -, basieren auf einer Vielzahl von Gegenstrategien und argumentieren beispielsweise, dass die Verhinderung des Klimawandels ein sehr ineffizienter Weg ist, die Rechte zu erfüllen, sollten die Reichen Verpflichtungen gegenüber den Armen haben (z.B. Beckerman und Pasek 2005(4); Lomborg 2006(5)). (…). Norgaard I 331 Eine länderbezogene Bewertung kann kaum zu einer anderen Schlussfolgerung führen, als dass die reichen Länder noch "zuerst handeln müssen", wie sie es in der UNFCCC versprochen haben (Brown et al. 2006)(6). Norgaard I 326 Klimakosten/Nationen/Individuen/Shue: (...) Nation-zu-Nation-Verpflichtungen erlauben zu Unrecht den Armen im Norden, Verpflichtungen gegenüber den Nichtarmen im Süden einzugehen (Posner und Sunstein 2008)(7). Norgaard I 327 Einige (Shue 1993(1); Neumayer 2000(8)) haben eine breite "historische Rechenschaftspflicht" verteidigt, mit der die Staaten als Ganzes Verpflichtungen haben, die proportional zu ihren historischen Treibhausgasemissionen stehen. Andere (Caney 2009(9); Baer et al. 2010(10); Harris 2010(11)) haben argumentiert, dass solche kollektiven, historischen Konten problematisch sind (insbesondere für Emissionen vor der Erkennung der Risiken der globalen Erwärmung) und dass die Verpflichtungen auch oder stattdessen auf der internationalen Gerechtigkeit basierend die Fähigkeit zu zahlen sein sollte. Diese Argumente der "Zahlungsfähigkeit" konzentrieren sich auch auf Einzelpersonen und nicht auf Länder, was mit den Grundprinzipien eines kosmopolitischen Ansatzes vereinbar ist. >Emissionsrechte, >Emissionsminderung, >Emissionsziele, >Emissionen, >Emissionsrechtehandel, >Klimawandel, >Klimaschäden, >Energiepolitik, >Klimadaten, >Klimageschichte, >Klimagerechtigkeit, >Klimaperioden, >Klimaschutz, >Klimaziele, >Klimafolgenforschung, >CO2-Preis, >CO2-Preis-Koordinierung, >CO2-Preis-Strategien, >CO2-Steuer, >CO2-Steuer-Strategien. 1. Shue, H. 1993. Subsistence emissions and luxury emissions. Law and Policy 15: 39–59. 2. Shue; H. 1995. Ethics, the environment and the changing international order. International Affairs 71: 453–61. 3. Singer, P. 2002. One World: The Ethics of Globalization. New Haven: Yale University Press. 4. Beckermann, W., and J. Pasek. 2005. Justice, posterity, and the environment. Oxford: Oxford University Press. 5. Lomborg, B. (ed.) 2006. How to Spend $50 Billion to Make the World a Better Place. Cambridge: Cambridge University Press. 6. Brown, D. et al. 2006. White Paper on the Ethical Dimensions of Climate Change. Available at (http://www.psu.edu/dept/rockethics/climate/whitepaper/edcc‐whitepaper.pdf) (Link not available as of 15/04/19) 7. Posner, E. A., and Sunstein, C. R. 2008. Climate change justice. Georgetown Law Journal 96: 1565–612. 8. Neumayer, E. 2000. In defence of historical accountability for greenhouse gas emissions. Ecological Economics 33: 185–92. 9. Caney, S. 2009. Human rights, responsibilities and climate change. In C. R. Beitz and R. E. Goodin (eds.), Global Basic Rights. Oxford: Oxford University Press. 10. Bear, P. et al. 2010. Greenhouse development rights: A framework for climate protection that is ‘more fair’ than equal per capita emissions rights. Pp. 215–30 in S. M. Gardiner, S. Caney, D. Jamieson, and H. Shue (eds.), Climate Ethics: Essential Readings. Oxford: Oxford University Press. 11. Harris, P. G. 2010. World Ethics and Climate Change: From International to Global Justice. Edinburgh: Edinburgh University Press. Baer, Paul: “International Justice”, In: John S. Dryzek, Richard B. Norgaard, David Schlosberg (eds.) (2011): The Oxford Handbook of Climate Change and Society. Oxford: Oxford University Press. |
Norgaard I Richard Norgaard John S. Dryzek The Oxford Handbook of Climate Change and Society Oxford 2011 |
Klimakosten | Singer | Norgaard I 326 Klimakosten/Shue/Singer: (...) Es besteht ein weitgehender Konsens unter den Philosophen, die zu dem Thema geschrieben haben, dass Gerechtigkeitsüberlegungen tatsächlich die Verpflichtung der reichen und hoch emittierenden Länder rechtfertigen, ihre Emissionen zu reduzieren, für Emissionssenkungen in armen Ländern zu zahlen und den armen Ländern bei der Anpassung an den Klimawandel zu helfen. Sowohl Henry Shue (1993(1), 1995(2)) als auch Peter Singer (2002)(3) (...) argumentieren, dass man auf allen plausiblen moralischen Darstellungen zu dieser allgemeinen Interpretation der Verpflichtungen der Reichen und der Rechte der Armen gelangt. Die wenigen wissenschaftlichen Bemühungen, diese Argumente zu widerlegen - nicht von Philosophen -, basieren auf einer Vielzahl von Gegenstrategien und argumentieren beispielsweise, dass die Verhinderung des Klimawandels ein sehr ineffizienter Weg ist, die Rechte zu erfüllen, sollten die Reichen Verpflichtungen gegenüber den Armen haben (z.B. Beckerman und Pasek 2005(4); Lomborg 2006(5)). (…). Norgaard I 331 Eine länderbezogene Bewertung kann kaum zu einer anderen Schlussfolgerung führen, als dass die reichen Länder noch "zuerst handeln müssen", wie sie es in der UNFCCC versprochen haben (Brown et al. 2006)(6). Norgaard I 326 Klimakosten/Nationen/Individuen/Shue: (...) Nation-zu-Nation-Verpflichtungen erlauben zu Unrecht den Armen im Norden, Verpflichtungen gegenüber den Nichtarmen im Süden einzugehen (Posner und Sunstein 2008)(7). Norgaard I 327 Einige (Shue 1993(1); Neumayer 2000(8)) haben eine breite "historische Rechenschaftspflicht" verteidigt, mit der die Staaten als Ganzes Verpflichtungen haben, die proportional zu ihren historischen Treibhausgasemissionen stehen. Andere (Caney 2009(9); Baer et al. 2010(10); Harris 2010(11)) haben argumentiert, dass solche kollektiven, historischen Konten problematisch sind (insbesondere für Emissionen vor der Erkennung der Risiken der globalen Erwärmung) und dass die Verpflichtungen auch oder stattdessen auf der internationalen Gerechtigkeit basierend die Fähigkeit zu zahlen sein sollte. Diese Argumente der "Zahlungsfähigkeit" konzentrieren sich auch auf Einzelpersonen und nicht auf Länder, was mit den Grundprinzipien eines kosmopolitischen Ansatzes vereinbar ist. >Emissionsrechte, >Emissionsminderung, >Emissionsziele, >Emissionen, >Emissionsrechtehandel, >Klimawandel, >Klimaschäden, >Energiepolitik, >Klimadaten, >Klimageschichte, >Klimagerechtigkeit, >Klimaperioden, >Klimaschutz, >Klimaziele, >Klimafolgenforschung, >CO2-Preis, >CO2-Preis-Koordinierung, >CO2-Preis-Strategien, >CO2-Steuer, >CO2-Steuer-Strategien. 1. Shue, H. 1993. Subsistence emissions and luxury emissions. Law and Policy 15: 39–59. 2. Shue; H. 1995. Ethics, the environment and the changing international order. International Affairs 71: 453–61. 3. Singer, P. 2002. One World: The Ethics of Globalization. New Haven: Yale University Press. 4. Beckermann, W., and J. Pasek. 2005. Justice, posterity, and the environment. Oxford: Oxford University Press. 5. Lomborg, B. (ed.) 2006. How to Spend $50 Billion to Make the World a Better Place. Cambridge: Cambridge University Press. 6. Brown, D. et al. 2006. White Paper on the Ethical Dimensions of Climate Change. Available at (http://www.psu.edu/dept/rockethics/climate/whitepaper/edcc‐whitepaper.pdf) (Link not available as of 15/04/19) 7. Posner, E. A., and Sunstein, C. R. 2008. Climate change justice. Georgetown Law Journal 96: 1565–612. 8. Neumayer, E. 2000. In defence of historical accountability for greenhouse gas emissions. Ecological Economics 33: 185–92. 9. Caney, S. 2009. Human rights, responsibilities and climate change. In C. R. Beitz and R. E. Goodin (eds.), Global Basic Rights. Oxford: Oxford University Press. 10. Bear, P. et al. 2010. Greenhouse development rights: A framework for climate protection that is ‘more fair’ than equal per capita emissions rights. Pp. 215–30 in S. M. Gardiner, S. Caney, D. Jamieson, and H. Shue (eds.), Climate Ethics: Essential Readings. Oxford: Oxford University Press. 11. Harris, P. G. 2010. World Ethics and Climate Change: From International to Global Justice. Edinburgh: Edinburgh University Press. Baer, Paul: “International Justice”, In: John S. Dryzek, Richard B. Norgaard, David Schlosberg (eds.) (2011): The Oxford Handbook of Climate Change and Society. Oxford: Oxford University Press. |
SingerP I Peter Singer Practical Ethics (Third Edition) Cambridge 2011 SingerP II P. Singer The Most Good You Can Do: How Effective Altruism is Changing Ideas About Living Ethically. New Haven 2015 Norgaard I Richard Norgaard John S. Dryzek The Oxford Handbook of Climate Change and Society Oxford 2011 |
Klimaperioden | Neukom | Neukom I 550 Klimaperioden/Klimaepochen/Klimawandel/Neukom: Seit der prägenden Periode der modernen Geowissenschaften im 18. Jahrhundert wurde die komplexe Geschichte des Erdklimas durch die Annahme verschiedener Klimaperioden oder Epochen konzipiert(1-7). Es sind mehrere Begriffe für Klimaepochen der letzten 2.000 Jahren weit verbreitet. Die prominenteste unter ihnen ist die "Kleine Eiszeit" (LIA - Little Ice Age) (...). In den letzten Jahrzehnten wurde dieser Begriff in der Paläoklimatologie und der historischen Klimatologie weitestgehend verwendet, um einen fast globalen, jahrhundertelang anhaltenden kalten Klimazustand zu beschreiben, der zwischen etwa 1300 n.Chr. und 1850 n.Chr. auftrat(5,8). Diese Periode wird oft mit der mittelalterlichen Warmperiode kontrastiert, auch bekannt als die mittelalterliche Klimaanomalie (MCA - Medieval Climate Anomaly)(8-10), die häufig mit warmen Temperaturen in 800-1200 n.Chr. assoziiert wird. Das erste Jahrtausend seit Beginn der Zeitrechnung wurde auch in die "Kälteperiode des Mittelalters" (DACP - Dark Ages Cold Period)(11,12) oder die "Spätantike Kleine Eiszeit" (LALIA - Late Antique Little Ice Age)(13), die innerhalb von etwa 400-800 n.Chr. auftrat, und schließlich in die "Römische Warmzeit" (RWP - Roman Warm Period)(12,14) unterteilt, die die ersten Jahrhunderte der gemeinsamen Zeitrechnung umfasst. Wir stellen fest, dass für alle diese Epochen kein Konsens über ihren genauen zeitlichen Umfang besteht. Jede dieser Klimaepochen hat ihren Ursprung in paläoklimatischen Zeugnissen der extratropischen nördlichen Hemisphäre, insbesondere in Europa und Nordamerika(4,9-12). Klimaepochen-Berichte wurden konstruiert, um die frühen paläoklimatischen Beweise zu erklären, und später entwickelte Zeitreihen aus der ganzen Welt lagen innerhalb dieses Erzählrahmens. Dieser Prozess hat wahrscheinlich die Erwartung geweckt, dass Klimaepochen der gemeinsamen Zeitrechnung globale Phänomene sind. >Klimageschichte/Neukom. >Emissionsrechte, >Emissionsminderung, >Emissionsziele, >Emissionen, >Emissionsrechtehandel, >Klimawandel, >Klimaschäden, >Energiepolitik, >Klimadaten, >Klimageschichte, >Klimagerechtigkeit, >Klimaperioden, >Klimaschutz, >Klimaziele, >Klimafolgenforschung, >CO2-Preis, >CO2-Preis-Koordinierung, >CO2-Preis-Strategien, >CO2-Steuer, >CO2-Steuer-Strategien. 1. Köppen, W. & Wegener, A. Die Klimate der Geologischen Vorzeit (Gebrüder Borntraeger, 1924). 2. Matthes, F. E. Report of Committee on Glaciers, April 1939. Eos 20, 518–523 (1939). 3. Grove, J. M. The Little Ice Age (Methuen, 1988). 4. Matthews, J. A. & Briffa, K. R. The ‘little ice age’: re-evaluation of an evolving concept. Geogr. Ann. A 87, 17–36 (2005). 5. Masson-Delmotte, V. et al. in Climate Change 2013: The Physical Science Basis Contribution of Working Group I to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change (eds Stocker, T. F. et al.) 383–464 (Cambridge Univ. Press, 2013). 6. Intergovernmental Panel on Climate Change. Climate Change 2013: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change (Cambridge Univ. Press, 2013). 7. Brückner, E. Klimaschwankungen seit 1700 nebst Bemerkungen über die Klimaschwankungen der Diluvialzeit (E. Hölzel, 1890). 8. Mann, M. E. et al. Global signatures and dynamical origins of the Little Ice Age and Medieval Climate Anomaly. Science 326, 1256–1260 (2009). 9. Lamb, H. H. The early medieval warm epoch and its sequel. Palaeogeogr. Palaeoclimatol. Palaeoecol. 1, 13–37 (1965). 10. Bradley, R. S., Hughes, M. K. & Diaz, H. F. Climate in medieval time. Science 302, 404–405 (2003). 11. Helama, S., Jones, P. D. & Briffa, K. R. Dark Ages Cold Period: a literature review and directions for future research. Holocene 27, 1600–1606 (2017). 12. Ljungqvist, F. C. A new reconstruction of temperature variability in the extra-tropical Northern Hemisphere during the last two millennia. Geogr. Ann. A 92, 339–351 (2010). 13. Büntgen, U. et al. Cooling and societal change during the Late Antique Little Ice Age from 536 to around 660 AD. Nat. Geosci. 9, 231–236 (2016). 14. Röthlisberger, F. 10,000 Jahre Gletschergeschichte der Erde (Sauerländer, 1986). Raphael Neukom, Nathan Steiger, Juan José Gómez-Navarro, Jianghao Wang & Johannes P. Werner, 2019: “No evidence for globally coherent warm and cold periods over the preindustrial Common Era”. In: Nature, Vol. 571, pp. 550–554. |
Neukom I Raphael Neukom No evidence for globally coherent warm and cold periods over the preindustrial Common Era 2019 |
Klimaziele | Gardiner | Norgaard I 327 Klimaziele/Rechte/Gardiner/Caney: Stephen Gardiner (2006)(1) argumentiert, dass die durch den potenziell katastrophalen Klimawandel gefährdeten Interessen bei weitem die Überlegungen überwiegen, das Wirtschaftswachstum zu reduzieren. Andere, insbesondere Simon Caney (2005a(2), 2009(3)), haben argumentiert, dass das Recht auf ein stabiles Klima als ein grundlegendes Menschenrecht angesehen werden sollte, da die grundlegenden Interessen von Leben, Gesundheit, Lebensunterhalt und Ortssicherheit, die alle durch den Klimawandel gefährdet sind, die Grundlage sowohl für moralische als auch für rechtliche Menschenrechte bilden. Weder Gardiner noch Caney unterstützen bestimmte Ziele, aber ihre Argumente scheinen die zwingendsten Ziele zu unterstützen, die derzeit in den politischen Debatten erreicht werden (z.B. Reduzierung der CO2-Konzentrationen auf 350 ppm, deutlich unter den heutigen Werten). Rechte/Utilitarismus/VsGardiner/VsCaney: Ein Gegenargument ist, dass Verlust von Menschenleben alltäglich ist und einfach als weitere wirtschaftliche Kosten behandelt werden sollte; andernfalls werden Ressourcen für den Klimaschutz verschwendet, die mit anderen Mitteln, wie der Reduzierung von Malaria, mehr Leben retten könnten (Schelling 1997(4); Lomborg 2006(5)). Aber es scheint auch falsch zu sagen, dass wir Millionen von Menschen durch Norgaard I 328 Umweltverschmutzung sterben lassen werden, weil wir einen Teil der Ersparnisse ausgeben können, um Schäden für andere billiger zu verhindern. Es scheint eine grundlegende Spannung zu geben zwischen der utilitaristischen Intuition, dass die Summe aller Leiden zählt, und der Intuition über Rechte, dass es darauf ankommt, wer genau dem Schaden oder Risiko ausgesetzt ist und warum (Baer and Sagar 2009(6)). >Utilitarismus. Klimaziele: Allmählich hat sich ein Konsens darüber herausgebildet, dass wir einen Temperaturanstieg von weniger als 2°C gegenüber der vorindustriellen Zeit anstreben sollten; dennoch argumentieren viele der am wenigsten entwickelten Länder und kleine Inselstaaten jetzt, dass das Ziel 1,5 °C sein sollte. Die von verschiedenen Nationen bis Juni 2010 gemachten Zusagen zur Emissionsreduzierung scheinen jedoch weit davon entfernt zu sein, selbst ein 2°C-Ziel zu erreichen, was darauf hindeutet, dass unabhängig von der Rhetorik nationale wirtschaftliche Interessen immer noch Vorrang vor globalen Gerechtigkeitsfragen haben. >Emissionsrechte, >Emissionsminderung, >Emissionsziele, >Emissionen, >Emissionsrechtehandel, >Klimawandel, >Klimaschäden, >Energiepolitik, >Klimadaten, >Klimageschichte, >Klimagerechtigkeit, >Klimaperioden, >Klimaschutz, >Klimaziele, >Klimafolgenforschung, >CO2-Preis, >CO2-Preis-Koordinierung, >CO2-Preis-Strategien, >CO2-Steuer, >CO2-Steuer-Strategien. 1. Gardiner, S. M. 2006. A core precautionary principle. Journal of Political Philosophy 14: 33–60. 2. Caney, S. 2005a. Cosmopolitan justice, responsibility and climate change. Leiden Journal of International Law 18: 747–75. 3. Caney, S. 2009. Human rights, responsibilities and climate change. In C. R. Beitz and R. E. Goodin (eds.), Global Basic Rights. Oxford: Oxford University Press. 4. Schelling, T. C. 1997. The cost of combating global warming: Facing the tradeoffs. Foreign Affairs 76: 8–14. 5. Lomborg, B. (ed.) 2006. How to Spend $50 Billion to Make the World a Better Place. Cambridge: Cambridge University Press. 6. Baer; P. and A. Sagar 2009. Ethics, rights and responsibilities. Pp. 262–9 in S. H. Schneider, A. Rosencranz, and M. D. Mastrandrea (eds.), Climate Change Science and Policy. Washington, DC: Island Press. Baer, Paul: “International Justice”, In: John S. Dryzek, Richard B. Norgaard, David Schlosberg (eds.) (2011): The Oxford Handbook of Climate Change and Society. Oxford: Oxford University Press. |
Norgaard I Richard Norgaard John S. Dryzek The Oxford Handbook of Climate Change and Society Oxford 2011 |
Kognition | Rorty | VI 46/47 Kognitive Bedingung/Wright/RortyVsWright: Für Wright soll ein Sprecher wie eine gut geölte Maschine funktionieren. - Das ist traditionelle Erkenntnistheorie, nach der Vorurteile und Aberglauben bloß Sand im Getriebe sind. >Erkenntnistheorie, >Wissen, >Welt/Denken, >Denken. Nach Wright müssten wir a priori erkennen, was die richtigen Funktionen sind. - Durch Kenntnis des Inhalts. PragmatismusVsKognitivität: Das ist nicht mehr als kontingenter Konsens. - Für Kognitivität ist Inhalt nicht wichtig. >Inhalt, vgl. >Kognitionspsychologie, >Pragmatismus. VI 51 Kognition/Kognitivität/kognitiv/Tatsache/Wright/Rorty: Wrights "kognitives Gebot": Vorteil: wir brauchen keine vergegenständlichen Tatsachen. Stattdessen: Referenz auf Bereich möglicher Ursachen - ((s) Kognition macht Tatsachen überflüssig.) - Vs: Problem: Das setzt einen Begriff der Funktionsweise einer "Repräsentationsmaschine" voraus. VI 429f Kognition/Sprache/Rorty: Kognition ist nicht ohne Sprache möglich. - Daher Lücke zwischen Empfindung und Kognition. - Sicher gibt es eine kausale Kontinuität zwischen Erfahrung und Denken. - Aber die gibt es auch zwischen Ernährung und Denken.> >Welt/Denken, >Repräsentation. |
Rorty I Richard Rorty Der Spiegel der Natur Frankfurt 1997 Rorty II Richard Rorty Philosophie & die Zukunft Frankfurt 2000 Rorty II (b) Richard Rorty "Habermas, Derrida and the Functions of Philosophy", in: R. Rorty, Truth and Progress. Philosophical Papers III, Cambridge/MA 1998 In Philosophie & die Zukunft, Frankfurt/M. 2000 Rorty II (c) Richard Rorty Analytic and Conversational Philosophy Conference fee "Philosophy and the other hgumanities", Stanford Humanities Center 1998 In Philosophie & die Zukunft, Frankfurt/M. 2000 Rorty II (d) Richard Rorty Justice as a Larger Loyalty, in: Ronald Bontekoe/Marietta Stepanians (eds.) Justice and Democracy. Cross-cultural Perspectives, University of Hawaii 1997 In Philosophie & die Zukunft, Frankfurt/M. 2000 Rorty II (e) Richard Rorty Spinoza, Pragmatismus und die Liebe zur Weisheit, Revised Spinoza Lecture April 1997, University of Amsterdam In Philosophie & die Zukunft, Frankfurt/M. 2000 Rorty II (f) Richard Rorty "Sein, das verstanden werden kann, ist Sprache", keynote lecture for Gadamer’ s 100th birthday, University of Heidelberg In Philosophie & die Zukunft, Frankfurt/M. 2000 Rorty II (g) Richard Rorty "Wild Orchids and Trotzky", in: Wild Orchids and Trotzky: Messages form American Universities ed. Mark Edmundson, New York 1993 In Philosophie & die Zukunft, Frankfurt/M. 2000 Rorty III Richard Rorty Kontingenz, Ironie und Solidarität Frankfurt 1992 Rorty IV (a) Richard Rorty "is Philosophy a Natural Kind?", in: R. Rorty, Objectivity, Relativism, and Truth. Philosophical Papers Vol. I, Cambridge/Ma 1991, pp. 46-62 In Eine Kultur ohne Zentrum, Stuttgart 1993 Rorty IV (b) Richard Rorty "Non-Reductive Physicalism" in: R. Rorty, Objectivity, Relativism, and Truth. Philosophical Papers Vol. I, Cambridge/Ma 1991, pp. 113-125 In Eine Kultur ohne Zentrum, Stuttgart 1993 Rorty IV (c) Richard Rorty "Heidegger, Kundera and Dickens" in: R. Rorty, Essays on Heidegger and Others. Philosophical Papers Vol. 2, Cambridge/MA 1991, pp. 66-82 In Eine Kultur ohne Zentrum, Stuttgart 1993 Rorty IV (d) Richard Rorty "Deconstruction and Circumvention" in: R. Rorty, Essays on Heidegger and Others. Philosophical Papers Vol. 2, Cambridge/MA 1991, pp. 85-106 In Eine Kultur ohne Zentrum, Stuttgart 1993 Rorty V (a) R. Rorty "Solidarity of Objectivity", Howison Lecture, University of California, Berkeley, January 1983 In Solidarität oder Objektivität?, Stuttgart 1998 Rorty V (b) Richard Rorty "Freud and Moral Reflection", Edith Weigert Lecture, Forum on Psychiatry and the Humanities, Washington School of Psychiatry, Oct. 19th 1984 In Solidarität oder Objektivität?, Stuttgart 1988 Rorty V (c) Richard Rorty The Priority of Democracy to Philosophy, in: John P. Reeder & Gene Outka (eds.), Prospects for a Common Morality. Princeton University Press. pp. 254-278 (1992) In Solidarität oder Objektivität?, Stuttgart 1988 Rorty VI Richard Rorty Wahrheit und Fortschritt Frankfurt 2000 |
Kognitive Rationalität | Habermas | III 28 Kognitive Rationalität/Habermas: Kognitive Rationalität ist ausschließlich mit Bezugnahme auf die Verwendung deskriptiven Wissens definiert. a) nicht-kommunikative Verwendung propositionalen Wissens in zielgerichteten Handlungen (kognitive-instrumentelle Rationalität) >Wissen, >Propositionales Wissen. b) in Sprechhandlungen haben wir es mit einem weiteren Rationalitätsbegriff zu tun, der an ältere Logosvorstellungen anknüpft. (1) Dabei geht es um die zentrale Erfahrung der zwanglos einigenden konsensstiftenden Kraft argumentativer Rede. >Argumentation. 1. K. O. Apel, Die Idee der Sprache in der Tradition des Humanismus von Dante bis Vico, Bonn, 1963. |
Ha I J. Habermas Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988 Ha III Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I Frankfurt/M. 1981 Ha IV Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. II Frankfurt/M. 1981 |
Kollektive | Durkheim | Habermas IV 84 Kollektiv/Durkheim/Habermas: „Es gibt keine Gesellschaft, die nicht das Bedürfnis fühlte, die Kollektivgefühle und die Kollektivideen in regelmäßigen Abständen zum Leben zu erwecken und zu festigen. Diese moralische Wiederbelebung kann nur mit Hilfe von Vereinigungen, Versammlungen und Kongregationen erreicht werden, in denen die Individuen (…) gemeinsam ihre gemeinsamen Gefühle verstärken.(1) Habermas IV 85 Zeremonien/Durkheim/Habermas: Mit Zeremonien dieser Art wird nichts dargestellt; sie sind vielmehr der exemplarisch wiederholte Vollzug eines damit zugleich erneuerten Konsenses, dessen Inhalte eigentümlich selbstbezüglich sind. Kollektive Identität/Durkheim/Habermas: bildet sich in Gestalt eines normativen Konsenses; dabei kann es sich nicht um einen erzielten Konsens handeln, denn die Identität der Gruppenangehörigen stellt sich gleichursprünglich mit der Identität der Gruppe her. Was den einzelnen zu einer Person macht, ist nämlich das, worin er mit allen anderen Angehörigen seiner Gruppe übereinstimmt. 1. E. Durkheim, Les formes élementaires de la vie religieuse, Paris, 1968, German: Frankfurt 1981 S. S. 571. |
Durkheim I E. Durkheim Die Regeln der soziologischen Methode Frankfurt/M. 1984 Ha I J. Habermas Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988 Ha III Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I Frankfurt/M. 1981 Ha IV Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. II Frankfurt/M. 1981 |
Kommunikation | Luhmann | Baraldi I 89 Kommunikation/Luhmann/GLU: Kommunikation ist die spezifische Operation sozialer Systeme: 1. Mitteilung, 2. Information 3. Verstehen der Differenz zwischen Mitteilung und Information. Kommunikation ist nicht gleich Information, sie realisiert sich nur, wenn Information verstanden wird. Information ist eine Selektion zwischen Gesagtem und Ungesagtem. Verstehen ist Selektion zwischen Mitteilung und Information. >Verstehen/Luhmann, >Information/Luhmann. Reese-Schäfer II 47 Gesellschaft/Kommunikation/Luhmann/Reese-Schäfer: Sonderfall: nur Gesellschaft operiert mit Kommunikation. - Außerhalb der Gesellschaft gibt es keine Kommunikation. Daher ist sie notwendig geschlossen. - Das ist das einzige System, für das das gilt - ((s) Also wird für das Tierreich Kommunikation ausgeschlossen?) - Dann kann kein Beobachter einen Außenstandpunkt einnehmen. >Gesellschaft/Luhmann, >Innen/außen/Luhmann, AU Kass 13 Kommunikation/Sprache/Karl Bühler/Luhmann: statt "Übertragungsmodell": Einheit der drei Komponenten 1. Information, das worum es geht 2. Mitteilung 3. Verstehen - Das gab es schon in der Antike. - LuhmannVsSprechakttheorie: das ist die Vorstellung, diese Dreiheit wäre in Akte zerlegbar. >Sprechakt-Theorie/Luhmann. Karl Bühler: das sind alles nur Funktionen - ((s) Funktion/(s): Ist kein Akt.) AU I Kass 13 Kommunikation/LuhmannVsHabermas: Kommunikation dient nicht der Herstellung von Konsens. - Wenn das nicht klappt, erklärt man es einfach zur Norm und sagt "eigentlich sollte es so sein." Wir sollten aber nicht aus einer Unmöglichkeit eine Norm machen. SchelskyVsHabermas: wenn dieses Ziel erreicht ist, hört dann die Kommunikation auf? Lösung/Luhmann: Kommunikation ist keine Handlung, die unter eine Norm gebracht werden müsste - nur das Mitteilen ist Handlung. - Kommunikation ist offen, wenn man sie ohne Zugaben wie Wahrheit betrachtet. - Wir können auch "nein" sagen - Dagegen haben wir nicht die Möglichkeit, immer wieder von vorne zu beginnen - völlig ohne Autorität geht es nicht. - "Nein" beendet nicht die Kommunikation - Kommunikation könnte nur durch Missverstehen beendet werden. - Kommunikation kommt zustande, wenn über "ja" und "nein" noch nicht entschieden ist. |
AU I N. Luhmann Einführung in die Systemtheorie Heidelberg 1992 Lu I N. Luhmann Die Kunst der Gesellschaft Frankfurt 1997 Baraldi I C. Baraldi, G.Corsi. E. Esposito GLU: Glossar zu Luhmanns Theorie sozialer Systeme Frankfurt 1997 |
Kommunikationsmedien | Habermas | III 458 Kommunikationsmedien/Soziologie/Handlungstheorie/Kommunikatives Handeln/Habermas: Die Befreiung des kommunikativen Handelns aus traditionsgestützten Institutionen - d.h. aus Konsensverpflichtungen - führt dazu, dass an die Stelle von Institutionen Organisationen eines neuen Typs treten: sie bilden sich auf der Grundlage von Kommunikationsmedien, die das Handeln von Verständigungsprozessen abkoppeln und über verallgemeinerte instrumentelle Werte wie Geld und Macht koordinieren. (1) >Medien, >Institutionen, >Gesellschaft. Diese Steuerungsmedien ersetzen Sprache als Mechanismus der Handlungskoordinierung und lösen soziales Handeln von einer über Wertekonsens laufenden Integration und stellen es auf mediengesteuerte Zweckrationalität um. >Soziales Handeln, >Zweckrationalität, >Sprache/Habermas. HabermasVsWeber: Weber erkennt Geld und Macht nicht als die Kommunikationsmedien, die die Ausdifferenzierung von Teilsystemen zweckrationalen Handelns ermöglichen. >M. Weber. IV 269 Kommunikationsmedien/Habermas: Im Zuge der Differenzierung zwischen verständigungs- und erfolgsorientiertem Handeln bilden sich zwei Sorten von Entlastungsmechanismen, und zwar in Form von Kommunikationsmedien, IV 270 die die sprachliche Verständigung entweder bündeln oder ersetzen. >Verständigung/Habermas. Bsp Ansehen (Reputation) und Einfluss (Macht) sind primitive Generatoren von Folgebereitschaft (entweder rational über Vertrauen auf gültiges Wissen oder empirisch über Anreiz durch erwartete Belohnung). An ihnen setzt Medienbildung an. >Anerkennung, >Macht. Die Kommunikationsmedien können selber generalisiert werden und bilden damit Steuerungsmedien. IV 387 Kommunikationsmedien/Systemtheorie/Habermas: Die strukturellen Merkmale eines Mediums treten erst in dem Maße erkennbar hervor, wie sie normativ verankert werden und die Ausdifferenzierung eines Gesellschaftssubsystems ermöglichen. >Kommunikationsmedien/Parsons. 1. ((s) Siehe hierzu N. Luhmanns Systemtheorie, in der Geld, Macht, Wahrheit usw. als symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien aufgefasst werden. Siehe insbesondere C. Baraldi, G. Corsi, E. Esposito GLU, Frankfurt 1997, S. 202ff. |
Ha I J. Habermas Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988 Ha III Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I Frankfurt/M. 1981 Ha IV Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. II Frankfurt/M. 1981 |
Kommunikationsmedien | Parsons | Habermas IV 385 Kommunikationsmedien/Parsons/Habermas: Frage: 1. Welchen begrifflichen Satus hat Geld als ein Medium, das den innersystemischen Austausch zwischen realen Größen wie z. B. Arbeitskraft und Konsumgütern einnimmt; 2. Regeln auch die anderen sozialen Teilsysteme den Austausch im ihren Umwelten über ähnliche Medien?(1) Parsons hat später seinen Versuch, Macht als ein im politischen System verankertes steuerungsmedium zu begreifen, das strukturelle Analogien zu Geld aufweist, als geglückten Test für die Verallgemeinerungsfähigkeit des Medienkonzepts betrachtet.(2) Habermas IV 386 In der Reihenfolge Geld, Macht, Einfluss und Wertbindung hat Parsons vier Medien in Grundzügen analysiert, von denen jedes einem der sozialen Teilsysteme zugeordnet wird: Geld: dem ökonomischen, Macht: dem politischen System, Einfluss: dem System der sozialen Integration Wertbindung: dem System der Erhaltung von Strukturmustern. Habermas: in einer weiteren Runde der Verallgemeinerung hat Parsons vier weitere Medien eingeführt: Intelligenz, Leistungsfähigkeit, Affekt und Interpretation.(3) >Kommmunikationsmedien, >Geld, >Macht, >Werte. HabermasVsParsons: Die Analogien zum Geldmedium werden im Verlauf der Theoriebildung undeutlicher und am Ende sogar metaphorisch. Das gilt erst recht für die Medien, die Parsons zuletzt den Teilsystemen des alles umgreifenden Systems der menschlichen Grundverfassung (human condition) zugeordnet hat: transzendentale Ordnung, symbolische Bedeutung, Gesundheit und empirische Ordnung).(4) Habermas IV 387 Am Ende ist Geld für Parsons nur eins von 64 gesellschaftstheoretisch beachtlichen Medien. Problem: dann kann man nicht wissen, welche der am Geldmedium abgelesenen strukturellen Merkmale für Medien überhaupt charakteristisch sind. Habermas IV 388 Problem: Haben wir es hier mit einer Überverallgemeinerung zu tun, also mit der These, dass es so etwas wie ein System von Steuerungsmedien gibt? >Doppelte Kontingenz/Parsons. Habermas IV 393 Medien/Parsons/Habermas: Medien dienen nicht nur der Ersparnis von Information und Zeit, und damit der Verringerung des Interpretationsaufwands, sondern auch der Bewältigung des Risikos, dass die Handlungssequenzen abreißen. Medien wie Macht und Geld können die Kosten von Dissens weitgehend einsparen, weil sie die Handlungskoordinierung von sprachlicher Konsensbildung abkoppeln und gegenüber der Alternative von Einverständnis und fehlgeschlagener Verständigung neutralisieren. Damit sind sie keine Spezifizierungen von Sprache, sie leisten vielmehr Ersatz für spezielle Sprachfunktionen. >Kommunikatives Handeln/Parsons, >Kommunikationstheorie/Habermas. Habermas IV 394 Lebenswelt/Parsons/Habermas: Die Umstellung der Handlungskoordinierung von Sprache auf Steuerungsmedien bedeutet eine Abkopplung der Interaktion von lebensweltlichen Kontexten. >Lebenswelt. 1. T.Parsons, Social Systems and the Evolution of Action Theory, NY 1977, S. 128 2. T. Parsons, On the Concept of Power, in: Social Theory and Modern Society, NY 1967 3. Talcott Parsons, Some Problems of General Theory, in: J.C. McKinney, E. A. Tiryakian (Eds.), Theoretical Sociology, NY 1970 S. 27ff. 4. T. Parsons, Action, Theory and the Human Condition, NY 1978, S. 393. |
ParCh I Ch. Parsons Philosophy of Mathematics in the Twentieth Century: Selected Essays Cambridge 2014 ParTa I T. Parsons The Structure of Social Action, Vol. 1 1967 ParTe I Ter. Parsons Indeterminate Identity: Metaphysics and Semantics 2000 Ha I J. Habermas Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988 Ha III Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I Frankfurt/M. 1981 Ha IV Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. II Frankfurt/M. 1981 |
Kommunikationstheorie | Bubner | I 198 Kommunikationstheorie/BubnerVsHabermas: es wird behauptet, die Einhaltung der Formalbedingungen sei so zum erstenmal in der Geschichte gewährleistet, 1. in Wahrheit soll aber das politische Geschehen strukturell verwandelt werden gemäß dem Paradigma einer philosophischen Idealvorstellung. Idealisierung, weil die Teilnehmerzahl begrenzt bleiben muss, und das ist weder ein historischer Zufall noch ein Vorurteil undemokratischer Elitegesinnung. I 199 2. ist der planmäßige Eintritt in den Dialog durch das Zerbrechen vorgängig unbefragter Einmütigkeit gekennzeichnet, trotzdem muss die Kontroverse in der primären Absicht erfolgen, wieder zur Gemeinsamkeit zurückzufinden. Doch Bemühung um Konsensfindung ist noch nicht Konsens, und erst Konsens stiftet Gemeinsamkeit kollektiver Praxis. Mit einem Wort: der Dialog ist ein Mittel, aber nicht der letzte Inhalt von Politik. 3. es ist nicht klar, welches eigentlich die Inhalte sind, um die sich die Veranstaltung dreht. mit der Tendenz, den Fluss der Praxis zum permanenten Dialog umzuformulieren, gehen die Inhalte verloren, die aus dem politischen Alltag stammen. Die Inhalte werden spielerisch, solange sie den praktischen Folgen entzogen sind. BubnerVsKommunikationstheorie: daran zeigt, sich, dass anstelle eines Rationalisierungsvorschlags für politische Prozesse in Wahrheit eine Neubestimmung des Politischen intendiert ist. Der substantielle Gehalt des Aristotelismus der in der Gemeinsamkeit handlungsorientierender Wertvorstellungen lag, gilt historisch als überholt oder aufgezehrt. Das Signum der Moderne, die Subjektivität, erlaubt nicht mehr die Ausrichtung auf das gute Leben, denn diese Reflexionsgestalt der Praxisstruktur lässt die Besonderheit des Individuums unberücksichtigt. I 201 BubnerVsKommunikationstheorie/BubnerVsHabermas: scheinen sich allein auf den Akt des Vertragsschlusses zu konzentrieren, den sie mit linguistischen Mitteln umdeuten und zu einem permanenten Vorgang erklären. Sie sehen aber vom staatlichen Zustand gezähmter Praxis ab, den sie der Befestigung von Herrschaft verdächtigen. Statt daß der Vertrag Politik ermöglicht, ist Politik eine unablässige Folge von Vertragsabschlüssen. Jeder triviale Konflikt nimmt die Form eines Grundsatzproblems an. Die Institutionsenskepsis der Kommunikationstheorie reicht so tief, daß in Gestalt der Favorisierung des Dialogs die Vermeidung der strukturellen Festlegung politischer Ordnung im Prinzip betrieben wird. Verfahrensregeln, Instanzenweg, dezisionistische Entscheidungen, Gewaltenteilung, Herrschaft auf Zeit das gesamte System der ausdifferenzierten Organisationsform des Politischen ist suspendiert und kann im Gespräch stets revidiert werden. Andere AutorenVs: man hat die zugrundeliegende Idealisierung beklagt, die Verwechslung der Modi theoretischer Erörterung mit Praxis, die unhistorische Vernachlässigung der Erfordernisse faktischer Komplexität von Gesellschaft usw. Bubner: der wesentliche Einwand ist jedoch: die Voraussetzung allen politischen Redens, die Gemeinsamkeit der Zielsetzungen, wird durchgestrichen zugunsten einer abstrakten Einigung von Partnern, deren gemeinsames Handeln solange dahinsteht, wie sie im Zeichen der Dialogmethode diskutieren. (Siehe auch Subjektivität) |
Bu I R. Bubner Antike Themen und ihre moderne Verwandlung Frankfurt 1992 |
Kommunikationstheorie | Habermas | Bubner I 196 Habermas/Kommunikationstheorie/Bubner: These: Das Funktionieren des politischen Systems sei nach dem Vorbild des Dialogs zu denken. Klare Formalbedingungen, die auf das politische System als Ganzes zu übertragen wären. 1. Gleichberechtigung der Partner, kein Verhältnis von Wissenden zu Unwissenden. 2. Diese soll nicht wie bei Hegel durch mühsames Abarbeiten des Verhältnissees von Herr und Knecht geschehen, sondern als a priori gesetzt sein, ohne das gar keine Interaktion stattfindet. >Interaktion, >Herrschaft/Knechtschaft. 2. Verpflichtung, auf Beeinflussung zu verzichten, Gleicher Spielraum. 3. Authentizitätspostulat: Verpflichtung auf Wahrheit. Da Absichten nicht zu prüfen sind, kann nur der Verlauf des Dialogs selber den Erweis erbringen. >Diskurs, >Diskurstheorie, >Argumentation. BubnerVsHabermas: Da man aber von vornherein auf Wahrhaftigkeit baut, handelt es sich offenbar mehr um eine Definitionsfrage, was man als Dialog überhaupt zulassen will. >Wahrhaftigkeit, >Wahrheit. I 198 Kommunikationstheorie/BubnerVsHabermas: Es wird behauptet, die Einhaltung der Formalbedingungen sei so zum ersten Mal in der Geschichte gewährleistet, 1. In Wahrheit soll aber das politische Geschehen strukturell verwandelt werden gemäß dem Paradigma einer philosophischen Idealvorstellung. Idealisierung, weil die Teilnehmerzahl begrenzt bleiben muss, und das ist weder ein historischer Zufall noch ein Vorurteil undemokratischer Elitegesinnung. >Ideale Sprechergemeinschaft. I 199 2. ist der planmäßige Eintritt in den Dialog durch das Zerbrechen vorgängig unbefragter Einmütigkeit gekennzeichnet, trotzdem muss die Kontroverse in der primären Absicht erfolgen, wieder zur Gemeinsamkeit zurückzufinden. Doch Bemühung um Konsensfindung ist noch nicht Konsens, und erst Konsens stiftet Gemeinsamkeit kollektiver Praxis. >Kollektive/Habermas, >Praxis. Mit einem Wort: Der Dialog ist ein Mittel, aber nicht der letzte Inhalt von Politik. 3. Es ist nicht klar, welches eigentlich die Inhalte sind, um die sich die Veranstaltung dreht. Mit der Tendenz, den Fluss der Praxis zum permanenten Dialog umzuformulieren, gehen die Inhalte verloren, die aus dem politischen Alltag stammen. Die Inhalte werden spielerisch, solange sie den praktischen Folgen entzogen sind. BubnerVsKommunikationstheorie: Daran zeigt, sich, dass anstelle eines Rationalisierungsvorschlags für politische Prozesse in Wahrheit eine Neubestimmung des Politischen intendiert ist. Der substantielle Gehalt des Aristotelismus der in der Gemeinsamkeit handlungsorientierender Wertvorstellungen lag, gilt historisch als überholt oder aufgezehrt. >Werte, >Das Gute/Aristoteles. Das Signum der Moderne, die Subjektivität, erlaubt nicht mehr die Ausrichtung auf das gute Leben, denn diese Reflexionsgestalt der Praxisstruktur lässt die Besonderheit des Individuums unberücksichtigt. >Subjektivität, >Individuen. |
Ha I J. Habermas Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988 Ha III Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I Frankfurt/M. 1981 Ha IV Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. II Frankfurt/M. 1981 Bu I R. Bubner Antike Themen und ihre moderne Verwandlung Frankfurt 1992 |
Kommunikative Praxis | Habermas | III 37 Kommunikative Praxis/Habermas: Normenregulierte Handlungen, expressive Selbstdarstellungen und evaluative Äußerungen ergänzen Sprechhandlungen zu einer kommunikativen Praxis, die vor dem Hintergrund einer Lebenswelt auf die Erzielung, Erhaltung und Erneuerung von Konsens angelegt ist und zwar eines Konsenses, der auf der intersubjektiven Anerkennung kritisierbarer Geltungsansprüche beruht. >Sprechakte, >Lebenswelt, >Geltungsansprüche. Die Rationalität zeigt sich darin, dass sich ein kommunikativ erzieltes Einverständnis letztlich auf Gründe stützen muss. Sie verweist also auf die Argumentationspraxis als die Berufungsinstanz, die es ermöglicht, III 38 Kommunikatives Handeln mit anderen Mitteln fortzusetzen, wenn ein Dissens durch Alltagsroutinen nicht mehr aufgefangen werden kann. >Verständigung, >Argumentation. IV 118 Kommunikative Praxis/Habermas: These: Die sozialintegrativen und expressiven Funktionen, die zunächst von der rituellen Praxis (Siehe Heiliges/Durkheim) erfüllt werden, gehen auf das Kommunikative Handeln über, wobei die Autorität des Heiligen sukzessive durch die Autorität eines jeweils für begründet gehaltenen Konsenses ersetzt wird. Das bedeutet eine Freisetzung des kommunikativen Handelns von sakral geschützten normativen Kontexten. IV 119 Die Entzauberung und Entmächtigung des sakralen Bereichs vollzieht sich auf dem Wege einer Versprachlichung des rituell gesicherten normativen Grundeinverständnisses. >Sprache/Habermas. |
Ha I J. Habermas Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988 Ha III Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I Frankfurt/M. 1981 Ha IV Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. II Frankfurt/M. 1981 |
Kommunikatives Handeln | Habermas | III 128 Kommunikatives Handeln/Habermas: Der Begriff bezieht sich auf die Interaktion von mindestens zwei sprach- und handlungsfähigen Subjekten, die (mit sprachlichen oder nichtsprachlichen Mitteln) eine interpersonale Beziehung eingehen. Die Aktoren suchen eine Verständigung um ihre Pläne und damit ihre Handlungen zu koordinieren. Hier erhält die Sprache einen prominenten Stellenwert. >Verständigung, >Sprache/Habermas. III 143 Problem: Es besteht die Gefahr, dass soziales Handeln auf die Interpretationsleistungen der Kommunikationsteilnehmer reduziert, Handeln an Sprechen, Interaktion an Konversation angeglichen wird. Tatsächlich ist aber die sprachliche Verständigung nur der Mechanismus der Handlungskoordinierung, der die Handlungspläne und Zwecktätigkeiten der Beteiligten zusammenfügt. III 157 Bei kommunikativen Handeln wird der Ausgang der Interaktion selbst davon abhängig gemacht, ob sich die Beteiligten untereinander auf eine intersubjektiv gültige Beurteilung ihrer Weltbezüge einige können. >Welt/Denken, >Realität. III 158 Interpretation: Problem: Für das Verständnis kommunikativer Handlungen müssen wir zwischen Bedeutungs- und Geltungsfragen trennen. Die Interpretationsleistungen eines Beobachters unterscheiden sich von die Koordinationsbestrebungen der Teilnehmer. Der Beobachter bemüht sich nicht um eine konsensfähige Deutung. Aber vielleicht unterschieden sich hier nur die Funktionen, nicht die Strukturen der Interpretation. >Beobachtung, >Methode, >Interpretation, >Praxis. III 385 Kommunikatives Handeln/Habermas: Hier sind die Beteiligten nicht primär am eigenen Erfolg orientiert; sie verfolgen ihre individuellen Ziele unter der Bedingung, dass sie ihre Handlungspläne auf der Grundlage gemeinsamer Situationsdefinitionen aufeinander abstimmen können. Insofern ist das Aushandeln von Situationsdefinitionen ein wesentlicher Bestandteil. >Situationen. III 395 Kommunikatives Handeln/Sprechakte/Perlokution/Illokution/Habermas: Strawson hat gezeigt, dass ein Sprecher sein illokutionäres Ziel, dass der Hörer das Gesagte versteht, erreichen, ohne dass er sein perlokutionäres Ziel verrät. Das verleiht Perlokutionen den asymmetrischen Charakter von verdeckt strategischen Handlungen, in denen sich mindestens einer der Beteiligten strategisch verhält, während er andere Beteiligte darüber täuscht, dass er diejenigen Voraussetzungen nicht erfüllt, unter denen normalerweise illokutionäre Ziele nur erreicht werden können. >Sprechakte, >Illokutionäre Akte, >Perlokutionäre Akte. Daher eigenen sich Perlokutionen nicht zur Analyse von Handlungskoordinationen, die durch illokutionären Bindungseffekt erklärt werden sollen. Dieses Problem wird gelöst, wenn wir Kommunikatives Handeln als Interaktion verstehen, bei der alle Beteiligten ihre individuellen Handlungspläne aufeinander abstimmen und ihre illokutionären Ziele vorbehaltlos verfolgen. III 396 Nur solche Interaktionen sind kommunikatives Handeln, in denen alle Beteiligten illokutionäre Ziele verfolgen. Ansonsten fallen sie unter strategisches Handeln. III 397 HabermasVsAustin: Austin hat dazu geneigt, Sprechakte mit Akten der Verständigung, also den sprachlich vermittelten Interaktionen selber zu identifizieren. III 400 Def Verstehen/Kommunikation/Habermas: Im Rahmen unserer Theorie des Kommunikativen Handelns beschränken wir uns auf Sprechakte unter Standardbedingungen, d.h. wir gehen davon aus, dass ein Sprecher nichts anderes meint als die wörtliche Bedeutung dessen, was er sagt. >Meinen. Verstehen eines Satzes definieren wir dann als das Wissen, was diesen Satz akzeptabel macht. >Verstehen. III 457 Kommunikatives Handeln/Rationalisierung/HabermasVsWeber/Habermas: Erst wenn wir im “Gesellschaftshandeln” zwischen verständigungs- und erfolgsorientiertem Handeln differenzieren, lassen sich die kommunikative Rationalisierung des Alltagshandelns und die Subsystembildung für zweckrationales Wirtschafts- und Verwaltungshandeln als komplementäre Entwicklung begreifen. Zwar spiegeln beide die institutionelle Verkörperung von Rationalitätskomplexen, aber in anderer Hinsicht handelt es sich um gegenläufige Tendenzen. IV 223 Kommunikative Handlungen/HabermasVsSystemtheorie/Habermas: Kommunikative Handlungen gelingen nur im Lichte kultureller Überlieferungen – dies ist es, was die Integration der Gesellschaft sichert, und nicht etwa systemische Mechanismen, die dem intuitiven Wissen ihrer Angehörigen entzogen sind. >Kulturelle Überlieferung, >Kultur. |
Ha I J. Habermas Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988 Ha III Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I Frankfurt/M. 1981 Ha IV Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. II Frankfurt/M. 1981 |
Konsens | |||
Konsens | Deliberative Demokratie | Gaus I 160 Konsens/Deliberative Demokratie/Bohman: Für einige Befürworter der deliberativen Demokratie bietet eine starke Unterscheidung zwischen vernünftiger Argumentation und bloßer Diskussion die Grundlage für die Behauptung, dass die Deliberation am Konsens orientiert sein muss (Habermas, 1996(1); Cohen, 1997(2)). Deliberation ist nicht nur Diskurs oder Dialog, argumentiert Cohen, denn sie muss "vernünftig" sein, d.h. auf "öffentlichem Argumentieren und Argumentieren unter gleichberechtigten Bürgern" basieren, die die einzig beste Antwort ergeben (1997(2): 74). VsHabermas/VsCohen: Kritiker werfen oft vor, dass diese beiden Behauptungen ausgrenzend sind und zu undemokratischen Konsequenzen unter dem Gaus I 161 Umstand der Ungerechtigkeit im Hintergrund und der allgegenwärtigen Ungleichheiten führen. Es mag den Anschein haben, dass eine Orientierung am Konsens keine Voraussetzung für eine Deliberation ist, auch wenn sie als regulatives Ideal funktionieren mag. Die Deliberation muss zumindest insofern der Argumentation ähneln, als es darum geht, Gründe zu nennen und nach ihnen zu fragen. Die Gründe, die eine Entscheidung akzeptabel machen, sind von den Formen zu unterscheiden, mit denen sie mitgeteilt werden. Demokratische Standards, die für Entscheidungen gefordert werden, müssen nicht für das Kommunikationsmedium als solches gelten, und nicht alle formellen öffentlichen Sphären müssen idealerweise inklusiv sein. Das bedeutet, dass formale Kommunikations- und Rationalitätstheorien nicht von vornherein genau entscheiden können, welche Kommunikationsmodi und -formen in verschiedenen Settings empirisch angemessen sind. >Deliberative Demokratie/Dryzek, vgl. >Argumentation/Crosswhite. Gaus I 161 Bohman: (...) Uneinigkeit ist genau das, was demokratische Deliberation nicht nur notwendig, sondern auch fruchtbar und produktiv macht, wenn sie durch die Vielfalt der Perspektiven getestet wird, die für ein vielfältiges und pluralistisches Publikum typisch ist. Der argumentative Diskurs muss nicht Einstimmigkeit voraussetzen oder Konsens suchen, sondern stellt Konflikte in einen gemeinsam konstruierten Begründungsraum. >Argumentation/Crosswhite. Diese Tatsache der Uneinigkeit wirft die Frage auf, ob die öffentliche Deliberation "auf Konsens ausgerichtet" ist oder nicht. Konsens ist hier als Gegensatz zur bloßen Aggregation von Präferenzen bei der Abstimmung und zu Verhandlungen oder Kompromissen gemeint. Sicherlich würde es der Demokratie, wenn sie nur wählen und verhandeln würde, an der selbstkritischen Prüfung und Reaktionsfähigkeit der Vernunft und des Diskurses mangeln; die Probleme der Tyrannei der Mehrheit und die Probleme der Aggregation sozialer Entscheidungen würden die Wirksamkeit der Gaus I 162 Demokratie und ihr Anspruch auf Ligitimität untergraben. >Konsens/Diskurstheorien. 1. Habermas, Jürgen (1996) Between Facts and Norms. Cambridge, MA: MIT Press. 2. Cohen, Joshua (1997) 'Deliberation and democratic legitimacy'. In J. Bohman and W. Rehg, (Hrsg.), Deliberative Democracy. Cambridge, MA: MIT Press. Bohman, James 2004. „Discourse Theory“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications |
Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Konsens | Diskurstheorien | Gaus I 160 Konsens/Deliberative Demokratie/Diskurstheorien/Bohman: Für einige Befürworter der deliberativen Demokratie ist eine starke Unterscheidung zwischen vernünftiger Argumentation und bloßer Diskussion die Grundlage für die Behauptung, dass die Deliberation am Konsens orientiert sein muss (Habermas, 1996(1); Cohen, 1997(2)). Deliberation ist nicht nur Diskurs oder Dialog, argumentiert Cohen, denn sie muss "vernünftig" sein, d.h. auf "öffentlichem Argumentieren und Argumentieren unter gleichberechtigten Bürgern" basieren, die die einzig beste Antwort ergeben (1997(2): 74). VsHabermas/VsCohen: Kritiker werfen oft vor, dass diese beiden Behauptungen ausgrenzend sind und zu undemokratischen Konsequenzen unter dem Gaus I 161 Umstand der Ungerechtigkeit im Hintergrund und der allgegenwärtigen Ungleichheiten führen. Es mag den Anschein haben, dass eine Orientierung am Konsens keine Voraussetzung für eine Deliberation ist, auch wenn sie als regulatives Ideal funktionieren mag. Die Deliberation muss zumindest insofern der Argumentation ähneln, als es darum geht, Gründe zu nennen und nach ihnen zu fragen. Die Gründe, die eine Entscheidung akzeptabel machen, sollten von den Arten unterschieden werden, in denen sie mitgeteilt werden. Demokratische Standards, die für Entscheidungen gefordert werden, müssen nicht für das Kommunikationsmedium als solches gelten, und nicht alle formellen öffentlichen Sphären müssen idealerweise inklusiv sein. Das bedeutet, dass formale Kommunikations- und Rationalitätstheorien nicht von vornherein genau entscheiden können, welche Kommunikationsmodi und -formen in verschiedenen Settings empirisch angemessen sind. >Deliberative Demokratie/Dryzek. Gaus I 162 Habermas: Habermas meint, dass die Teilnehmer an der Argumentation vom Ideal von einer einzigen richtigen Antwort geleitet werden müssen, der alle "aus den gleichen Gründen" zustimmen (1996(1): Kap. 8; Bohman und Rehg, 1996)(3). VsHabermas: Er mag durchaus Recht haben, dass eine allzu agonistische Konzeption des öffentlichen Diskurses die epistemische Grundlage für Ansprüche auf demokratische Legitimität untergraben würde, d.h. dass demokratische Beratung legitim ist und nicht nur ein fairer Prozess ist, sondern eher das gerechteste und wahrhaftigste Ergebnis finden wird (Estlund, 1997)(4). Trotz all ihrer Anziehungskraft auf Kritiker der Deliberation ist die agonistische Debatte nicht weniger offen für den Vorwurf des Elitismus (Benhabib, 1991)(5) und noch weniger auf die Art der Zusammenarbeit ausgerichtet, die zur gegenseitigen Konfliktlösung erforderlich ist. >Argumentation/Crosswhite. 1. Habermas, Jürgen (1996) Between Facts and Norms. Cambridge, MA: MIT Press. 2. Cohen, Joshua (1997) 'Deliberation and democratic legitimacy'. In J. Bohman and W. Rehg, eds, Deliberative Democracy. Cambridge, MA: MIT Press. 3. Bohman, James and William Rehg (1996) 'Discourse and democracy: the formal and informal bases of democratic legitimacy'. The Journal of Political Philosophy, 4 (l): 79_99. 4. Estlund, David (1997) 'Beyond fairness and deliberation: the epistemic dimension of democratic authority'. In J. Bohman and W. Rehg, eds, Deliberative Democracy: Essays on Reason and Politics. Cambridge, MA: MIT Press. 5. Benhabib, Seyla (1991) Situating the Self London: Routledge. Bohman, James 2004. „Discourse Theory“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications |
Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Konsens | Konstitutionelle Ökonomie | Parisi I 205 Konsens/Information/Unwissenheit/Konstitutionelle Ökonomie/Voigt: Die Möglichkeit einer hypothetischen Zustimmung hängt entscheidend von den Informationsannahmen ab. a) Buchanan und Tullock (1962(1), S. 78) führten den Schleier der Ungewissheit ein, bei dem das Individuum keine langfristigen Vorhersagen über seine zukünftige sozioökonomische Position machen kann. b) John Rawls' (1971)(2) Schleier der Unwissenheit ist radikaler, weil die zustimmenden Individuen aufgefordert werden, über vorgeschlagene Regeln so zu entscheiden, als ob sie kein Wissen über ihr individuelles Schicksal hätten. Rawls' Schleier ist daher anspruchsvoller für die Individuen. Beide Schleier gehen von einer recht merkwürdigen Asymmetrie in Bezug auf bestimmte Arten von Wissen aus: Einerseits sollen die Bürger sehr wenig über ihre eigene sozioökonomische Position wissen, andererseits sollen sie über eine konsistente Theorie bezüglich der Funktionseigenschaften alternativer Verfassungsregeln verfügen. In einem Aufsatz über "veilonomics" vergleicht Voigt (2015)(3) die beiden Schleier und weist darauf hin, dass Rawls' Schleier dazu dient, substantielle Prinzipien abzuleiten, während Buchanans Schleier einem prozeduralen Zweck dient, nämlich die Chance zu verbessern, dass Gesellschaften bei ihrer Verfassungswahl Einstimmigkeit erzielen. >Staatliche Strukturen/Konstitutionelle Ökonomie, vgl. >Justizwesen/Konstitutionelle Ökonomie, >Föderalismus/Konstitutionelle Ökonomie, >Direkte Demokratie/Konstitutionelle Ökonomie. 1. Buchanan, J. M. and G. Tullock (1962). The Calculus of Consent - Logical Foundations of Constitutional Democracy. Ann Arbor, MI: University of Michigan Press 2. Rawls, John (1971). A Theory of Justice. Cambridge: Belknap. 3. Voigt, S. (2015). "Veilonomics: On the Use and Utility of Veils in Constitutional Political Economy," in: Louis M. Imbeau & Steve Jacob (eds). Behind a Veil of Ignorance? Power and Uncertainty in Constitutional Design. Heidelberg: Springer, pp. 9-33. Voigt, Stefan. “Constitutional Economics and the Law”. In: Parisi, Francesco (Hrsg.) (2017). The Oxford Handbook of Law and Economics. Bd. 1: Methodology and Concepts. NY: Oxford University |
Parisi I Francesco Parisi (Ed) The Oxford Handbook of Law and Economics: Volume 1: Methodology and Concepts New York 2017 |
Konsens | Morris | Gaus I 204 Konsens/Staat/Legitimität/Morris: Zustimmung ist von Konsens oder allgemeiner Zustimmung zu unterscheiden. >Verständigung/Habermas. Die meisten Formen der politischen Organisation hängen bis zu einem gewissen Grad von Konsens oder Zustimmung ab. Letztere haben jedoch weitgehend mit gemeinsamen Überzeugungen (oder Werten) zu tun. Manchmal werden Begriffe wie diese verwendet, um mehr anzudeuten, aber sie beziehen sich im Wesentlichen auf Übereinstimmung in Glauben oder Gedanken (oder Werten).* Zustimmung/Morris: Im Gegensatz dazu beinhaltet die Zustimmung das Eingehen eines Willens oder einer Verpflichtung. Etwas gilt nur dann als Zustimmung, wenn es sich um eine bewusste Verpflichtung handelt. Im Idealfall handelt es sich um eine Handlung der Zustimmung, wenn es sich um die bewusste und wirksame Kommunikation einer Absicht handelt, eine Veränderung der eigenen normativen Situation (d.h. der eigenen Rechte oder Pflichten) herbeizuführen. >Zustimmung/Morris. * Eine Zustimmung in diesem Sinne sollte auch von der "Billigungszustimmung" (engl. endorsement consent) in Hampton (1997(1): 94-7) unterschieden werden. 1. Hampton, Jean (1997) Political Philosophy. Boulder, CO: Westview. Morris, Christopher W. 2004. „The Modern State“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications |
Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Konsens | Waldron | Gaus I 91 Konsens/Absprache/Liberalismus/Waldron: Man kann die Idee eines sich "überschneidenden Konsenses" hervorheben - eine Vielzahl von Rechtfertigungspfaden von unterschiedlichen philosophischen Prämissen zu einem Plateau liberaler Prinzipien. (Dies ist die Ansicht von Rawls (...).) Ein anderer kann sich für einen Ansatz des "kleinsten gemeinsamen Nenners" entscheiden, bei dem rechtfertigende Prämissen betont werden, die von allen Mitgliedern einer pluralistischen Gesellschaft unabhängig von den Unterschieden in ihrer Ethik oder Weltanschauung angenommen werden können. Und die Formulierung "kann als akzeptiert vorausgesetzt werden" kann auf verschiedene Weise beschönigt werden, von der Idee allgemein zugänglicher Gründe und Argumentation bis hin zu einer ziemlich aggressiven Darstellung grundlegender menschlicher Interessen, wie die von Hobbes (1991)(1) entwickelte Überlebensstrategie. >Überlappender Konsens/Rawls, >Überlappender Konsens/Waldron. 1. Hobbes, Thomas (1991 [1651]) Leviathan, ed. Richard Tuck. Cambridge: Cambridge University Press. Waldron, Jeremy 2004. „Liberalism, Political and Comprehensive“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications. |
Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Konstitutionelle Ökonomie | Voigt | Parisi I 202 Konstitutionelle Ökonomie/Voigt/Parisi: Die ökonomische Analyse von Verfassungen, auch bekannt als "Konstitutionelle Ökonomie" oder "Konstitutionelle Politische Ökonomie", ist ein junges Forschungsprogramm. Die Standardökonomik konzentrierte sich bisher auf die Analyse von Entscheidungen innerhalb von Regeln und nahm dabei an, dass Regeln exogen gegeben und fix sind. Die konstitutionelle Ökonomie erweitert dieses Forschungsprogramm, indem sie die Wahl von Regeln mit der etablierten Methode der Ökonomie, d.h. der rationalen Wahl, analysiert. A. (...) normativer Zweig: (...) interessiert sich für die Legitimation des Staates und seiner grundlegendsten Regeln, indem sie sich allein auf das Eigeninteresse rationaler Individuen stützt. Der normative Ansatz wird von Anhängern der Gesellschaftsvertragstheorie dominiert. B. (...) positiver Zweig: (...) ist interessiert an der Erklärung von (1) (ökonomischen) Auswirkungen alternativer Verfassungsregeln und (2) der Entstehung und Veränderung von Verfassungsregeln. Die Erforschung der Wirkungen von Verfassungen hat in den letzten Jahren einen regelrechten Schub erfahren, während die Erforschung der Entstehung von Verfassungen noch in den Kinderschuhen steckt. Def Verfassung/Public Choice/Voigt: Verfassungen befassen sich mit Mechanismen für die Produktion öffentlicher Güter. Indem Gesellschaften Verfassungen schreiben und verabschieden, entscheiden sie nicht im Detail, welche Art von öffentlichen Gütern sie bereitstellen wollen; vielmehr enthalten die Verfassungen Bestimmungen, die dazu dienen sollen, diese Entscheidungen zu treffen. >Verfassung/Konstitutionelle Ökonomie. A. Normative Konstitutionelle Ökonomie: mögliche Fragen: 1) Wie sollten Gesellschaften vorgehen, um konstitutionelle Parisi I 203 Regeln zu schaffen, die irgendein Kriterium erfüllen, wie "gerecht" oder "mangelhaft" zu sein? (2) Welchen Inhalt sollten die Verfassungsregeln haben? (3) Welche Themen sollten in der Verfassung behandelt werden - und welche sollten der subkonstitutionellen Wahl überlassen werden? (4) Welche Eigenschaften sollten die Verfassungsregeln haben? und vieles mehr. Kontraktualistischer Ansatz/Buchanan: Der Rahmen basiert auf der Theorie des Gesellschaftsvertrags, wie sie am prominentesten von Hobbes entwickelt wurde. Nach Buchanan (1987(1), S. 249) ist der Zweck dieses kontraktualistischen Ansatzes rechtfertigungsorientiert in dem Sinne, dass "er eine Grundlage für die normative Bewertung bietet. >Vertragstheorie/Buchanan, >Kosten/Buchanan, >Effizienz/Konstitutionelle Ökonomie, >Konsens/Konstitutionelle Ökonomie. Parisi I 205 B. Positive Konstitutionelle Ökonomie: Persson und Tabellini (2003)(2) ist ein wichtiger Beitrag zur Positiven Verfassungsökonomie (PCE). Sie analysieren die wirtschaftlichen Auswirkungen von zwei Verfassungsinstitutionen, nämlich Wahlsystem und Regierungsform. >Konstitutionelle Ökonomie/Tabellini/Persson, >Regierungsstrukturen/Konstitutionelle Ökonomie, >Förderalismus/Konstitutionelle Ökonomie, >Direkte Demokratie/Konstitutionelle Ökonomie. 1. Buchanan, J. M. (1987). "The Constitution of Economic Policy." American Economic Review 77: 243-250. 2. Persson, T., G. Roland, and G. Tabellini (1997). "Separation of Powers and Political Account- ability." Quarterly Journal of Economics 1 12: 310-327. Voigt, Stefan, “Constitutional Economics and the Law”. In: Parisi, Francesco (Hrsg.) (2017). The Oxford Handbook of Law and Economics. Bd. 1: Methodology and Concepts. NY: Oxford University |
Parisi I Francesco Parisi (Ed) The Oxford Handbook of Law and Economics: Volume 1: Methodology and Concepts New York 2017 |
Kosten | Buchanan | Parisi I 204 Kosten/Buchanan/Konstitutionen/Konstitutionalle Ökonomie/Voigt: Abweichungen vom Einstimmigkeitsprinzip könnten bei einem Entscheidungsprozess über die Produktion von Kollektivgütern vorkommen, dies wäre aber nur im Rahmen des Buchanan-Modells möglich, solange die Verfassung selbst eine Entscheidungsregel unterhalb der Einstimmigkeit vorsieht. Abweichungen von der Einstimmigkeitsregel müssten auf einer Bestimmung beruhen, die einstimmig zustande gekommen ist. Genau diese Idee wird im Calculus of Consent (Buchanan und Tullock, 1962)(1) ausführlicher entwickelt. Dort interessieren sich Buchanan und Tullock für die Wahl von Entscheidungsregeln und führen drei Kostenkategorien ein, um diese Wahl einem rationalen Kalkül zu unterwerfen. 1) Externe Kosten sind die Kosten, die das Individuum als Folge der Handlungen anderer zu tragen erwartet, über die es keine direkte Kontrolle hat. Bei weniger inklusiven Entscheidungsregeln wird erwartet, dass sie höhere externe Kosten verursachen. Sie erreichen ihr Maximum, wenn ein einzelnes Individuum verbindliche Entscheidungen für die gesamte Gesellschaft trifft. 2) (...) Entscheidungskosten, [sind Kosten,] die das Individuum als Folge seiner eigenen Teilnahme an einer organisierten Aktivität erwartet. Diese Kosten beinhalten nur die geschätzten Kosten der Teilnahme an Entscheidungen, wenn die Zustimmung von zwei oder mehr Individuen erforderlich ist. Es wird angenommen, dass diese Kosten mit der Einbeziehung zunehmen. Mit anderen Worten: Je höher die erforderliche Mehrheit ist, um zu einer Entscheidung zu gelangen, desto höher sind die Entscheidungskosten. Es gibt also einen Trade-off, weil es unmöglich ist, externe Kosten und Entscheidungskosten gleichzeitig zu minimieren. Buchanan und Tullock gehen mit diesem Trade-off um, indem sie diese beiden Kostenkategorien zu einer dritten Kategorie zusammenfassen, 3) die Kosten der sozialen Interdependenz, oder einfach Interdependenzkosten. Für rein private Aktivitäten sind diese gleich Null. Nach Buchanan und Tullock wird sich ein rationales Individuum, das mit Fragen der Verfassungswahl konfrontiert ist, für deren Minimierung entscheiden. Das Minimum der Interdependenzkosten hängt von dem betrachteten Politikbereich ab. Dies impliziert, dass verschiedene Politikbereiche Parisi I 205 mit unterschiedlichen Mehrheitsverhältnissen ausgestattet werden. Die Mehrheitsanforderungen werden wiederum einstimmig beschlossen. >Konsens/Konstitutionelle Ökonomie, >Effizienz/Konstitutionelle Ökonomie, >Staatliche Strukturen/Konstitutionelle Ökonomie. 1. Buchanan, J. M. and G. Tullock (1962). The Calculus of Consent - Logical Foundations of Constitutional Democracy. Ann Arbor, MI: University of Michigan Press. Voigt, Stefan. “Constitutional Economics and the Law”. In: Parisi, Francesco (Hrsg.) (2017). The Oxford Handbook of Law and Economics. Bd. 1: Methodology and Concepts. NY: Oxford University |
EconBuchan I James M. Buchanan Politics as Public Choice Carmel, IN 2000 Parisi I Francesco Parisi (Ed) The Oxford Handbook of Law and Economics: Volume 1: Methodology and Concepts New York 2017 |
Krieg | Politische Theorien | Gaus I 58 Krieg/Politische Philosophie/Forbes: Liberale Demokratien haben selten oder nie gegeneinander Krieg geführt. Aber kann man sagen, dass die Demokratie eine Ursache oder eine hinreichende Bedingung für den Frieden ist? Diese Hypothese kann eine tiefe Verwurzelung in der modernen politischen Theorie beanspruchen (Doyle, 1983(1); Cavallar, 2001(2); Franceschet, 2001(3)). Statistik: Die frühesten statistischen Studien (Babst, 1972(4); Small und Singer, 1976(5)) litten unter einigen offensichtlichen Mängeln, aber neuere Studien können als Modelle sorgfältiger Konzeptualisierung, gewissenhafter Datenerhebung und ausgefeilter multivariater Datenanalyse gesehen werden. Probleme: (...) Da es nur so wenige relevante Fälle gibt, kann die Kodierung von ein oder zwei problematischen Fällen (Spaniens Status als Demokratie 1898, Finnlands Status als Feind der alliierten Mächte von 1941 bis 1944) einen erheblichen Einfluss auf die Ergebnisse jeder statistischen Analyse haben. "Empirische Gesetze": Trotz dieser Schwierigkeiten besteht heute ein Konsens darüber, dass die empirische Forschung die Hypothese im Allgemeinen unterstützt: Die gemeinsame Demokratie scheint eine hinreichende Bedingung für friedliche Beziehungen zwischen Staaten zu sein (zur Literaturübersicht siehe Chan, 1997(6); Ray, 1995(7); 1998(8); Russett, 1993(9); Russett und Oneal, 2001(10)). Dieses inzwischen weithin akzeptierte "empirische Gesetz" über "demokratische Dyaden" ist ein herausragendes Beispiel für statistisch begründete Kausaltheorie in der Politikwissenschaft. >Empirische Gesetze, >Kausalität, >Kausalerklärungen, >Statistik, >Korrelation. Doch selbst starke und gut etablierte statistische Beziehungen laden zu widersprüchlichen kausalen Interpretationen ein. So legt Joanne Gowa (1999)(11), die dieselben historischen Daten wie viele andere Studien über Demokratie und Krieg verwendet, nahe, dass es vor dem Ersten Weltkrieg eine andere Beziehung zwischen diesen Variablen gab als nach dem Zweiten Weltkrieg. Es scheint, dass Demokratien vor dem Ersten Weltkrieg eher als Autokratien einander militärisch bedroht haben und nicht weniger wahrscheinlich in Kriege verwickelt waren. Erst seit dem Zweiten Weltkrieg stützen die Daten die Idee eines "demokratischen Friedens". Mit anderen Worten: Die Hypothese gilt nicht universell, so Gowa, sondern nur als statistische Regel unter bestimmten Umständen, als Nebenprodukt einer bestimmten Struktur von Bündnissen. Andere neuere Studien haben eine damit zusammenhängende Kritik vorgebracht, die darauf hinweist, dass weit gefasste "kulturelle Variablen" (Ähnlichkeiten von Interesse und Perspektiven) für die Erklärung der Beziehungen zwischen Staaten wichtiger sind als "strukturelle Variablen" (Regierungsformen) (Gartzke, 1998(12); Henderson, 1998(13); Kacowicz, 1995(14)) oder dass andere politische Ähnlichkeiten, wie gemeinsamer Republikanismus oder gemeinsame Diktatur, ebenso stark mit dem Frieden zwischen Staaten assoziiert werden können wie die gemeinsame Demokratie (Peceny, Beer and SanchezTerry, 2002(15); Weart, 1998(16); Werner, 2000(17)). >Positive Political Theory/Forbes. 1. Doyle, Michael (1983) ‘Kant, liberal legacies, and foreign affairs’, Parts I and II. Philosophy and Public Affairs, 12: 205–35, 323–53. 2. Cavallar, Georg (2001) ‘Kantian perspectives on democratic peace: alternatives to Doyle’. Review of International Studies, 27: 229–48. 3. Franceschet, Antonio (2001) ‘Sovereignty and freedom: Immanuel Kant’s liberal internationalist “legacy”’. Review of International Studies, 27: 209–28. 4. Babst, Dean (1972) ‘A force for peace’. Industrial Research, 4 (4): 55–8. 5. Small, Melvin and J. David Singer (1976) ‘The warproneness of democratic regimes’. Jerusalem Journal of International Relations, 1: 50–69. 6. Chan, Steve (1997) ‘In search of democratic peace: problems and promise’. Mershon International Studies Review, 41: 59–91. 7. Ray, James Lee (1995) Democracy and International Conflict: An Evaluation of the Democratic Peace Proposition. Columbia, SC: University of South Carolina Press. 8. Ray, James Lee (1998) ‘Does democracy cause peace?’ Annual Review of Political Science, 1: 27–46. 9. Russett, Bruce (1993) Grasping the Democratic Peace: Principles for a Post-Cold War World. Princeton: Princeton University Press. 10. Russett, Bruce and John R. Oneal (2001) Triangulating Peace: Democracy, Interdependence, and International Organizations. New York: Norton. 11. Gowa, Joanne (1999) Ballots and Bullets: The Elusive Democratic Peace. Princeton, NJ: Princeton University Press. 12. Gartzke, Erik (1998) ‘Kant we all just get along? Opportunity, willingness, and the origins of the democratic peace’. American Journal of Political Science, 42: 1–27. 13. Henderson, Errol A. (1998) ‘The democratic peace through the lens of culture, 1820–1989’. International Studies Quarterly, 42: 461–84. 14. Kacowicz, Arie M. (1995) ‘Explaining zones of peace: democracies as satisfied powers?’ Journal of Peace Research, 32: 265–76. 15. Peceny, Mark, Caroline C. Beer and Shannon SanchezTerry (2002) ‘Dictatorial peace?’ American Political Science Review, 96: 15–26. 16. Weart, Spencer R. (1998) Never at War: Why Democracies Will Not Fight One Another. New Haven, CT: Yale University Press. 17. Werner, Suzanne (2000) ‘The effects of political similarity on the onset of militarized disputes, 1816–1985’. Political Research Quarterly, 53: 343–74. Forbes, H. Donald 2004. „Positive Political Theory“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications. |
Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Kripkes Wittgenstein | Cavell | I 216 Kripkes Wittgenstein: These: Es ist nicht möglich etwas zu meinen, weil keine Regel und keine Gegenwart die Bedeutung der Wörter kontrolliert. - Es gibt keine Tatsache, aufgrund derer ein Wort etwas bedeutet. Lösung: Einführung sozial kontrollierter Behauptbarkeitsbedingungen. >Regeln, >Regelfolgen, >Behauptbarkeit. I 216 Kripkes Wittgenstein/Cavell: skeptisches Paradox: nichts, keine Regel, keine Gegenwart kann die Bedeutung meiner Worte kontrollieren. Das ist das Ende der Möglichkeit, überhaupt etwas zu meinen. >Meinen, >Behaupten, >Bedeutung, >Intention, >Nonfaktualismus, >Tatsachen. Kripke: Hauptpunkt: Die Abwesenheit bedeutungsvermittelnder Tatsachen. CavellVsKripke: 1. Wahrscheinlich hat Wittgenstein selbst das Paradox nicht so gesehen. Er würde auch nicht nach solchen Tatsachen verlangen, die die Bedeutung garantieren, und die stabiler sein sollten als unsere Praxis. >Sprachgebrauch. I 217 CavellVsKripke: 2. Kripke geht unbemerkt von "geneigt sein" über zu "berechtigt sein": Wittgenstein: "Habe ich die Begründung erschöpft, bin ich geneigt, zu sagen.." Kripke scheint (anders als Wittgenstein) zu glauben, Übereinstimmung sei etwas wie ein Vertrag. I 218 Seine Lösung ist skeptischer als das Problem, das sie lösen soll. I (c) 220 Kripkes Wittgenstein/Cavell: für Kripke sind Regeln grundlegender als Kriterien für Wittgensteins Skepsis gegenüber Bedeutungen. >Kriterien. CavellVsKripke: Dabei bleibt das Problem des Gewöhnlichen unterbelichtet. I (c) 221 Cavell: Für mich sind umgekehrt die Regeln den Kriterien untergeordnet. I (c) 233 Kripkes Wittgenstein/CavellVsKripke: Lösung: Es geht darum, ob der Neuling das, was Emerson Konformismus nennt akzeptiert, oder nicht. Es geht um die permanente Krise einer Gesellschaft, die von sich selbst glaubt, auf Konsens zu beruhen. Wenn das Kind als verrückt ausgegrenzt wird, zeugt das sowohl die Macht einer Gesellschaft, als auch ihre Ohnmacht. I (c) 243 Kripkes Wittgenstein/ CavellVsKripke: Ich glaube nicht, dass seine Lektüre falsch ist, ich zweifle nur an ihrer Notwendigkeit. Wenn es so ist, muss das Problem neu entworfen werden. +.. Siehe auch >Privatsprache, >Regelfolgen. |
Cavell I St. Cavell Die Unheimlichkeit des Gewöhnlichen Frankfurt 2002 Cavell I (a) Stanley Cavell "Knowing and Acknowledging" in: St. Cavell, Must We Mean What We Say?, Cambridge 1976, pp. 238-266 In Die Unheimlichkeit des Gewöhnlichen, Stanley Cavell Frankfurt/M. 2002 Cavell I (b) Stanley Cavell "Excursus on Wittgenstein’s Vision of Language", in: St. Cavell, The Claim of Reason, Wittgenstein, Skepticism, Morality, and Tragedy, New York 1979, pp. 168-190 In Die Unheimlichkeit des Gewöhnlichen, Stanley Cavell Frankfurt/M. 2002 Cavell I (c) Stanley Cavell "The Argument of the Ordinary, Scenes of Instruction in Wittgenstein and in Kripke", in: St. Cavell, Conditions Handsome and Unhandsome: The Constitution of Emersonian Perfectionism, Chicago 1990, pp. 64-100 In Die Unheimlichkeit des Gewöhnlichen, Davide Sparti/Espen Hammer (eds.) Frankfurt/M. 2002 Cavell II Stanley Cavell "Must we mean what we say?" in: Inquiry 1 (1958) In Linguistik und Philosophie, G. Grewendorf/G. Meggle Frankfurt/M. 1974/1995 |
Kulturelle Unterschiede | Experimentelle Psychologie | Parisi I 117 Kulturelle Unterschiede/Ideologien/Experimentelle Psychologie/Wilkinson-Ryan: Einer der Bereiche, in denen die experimentelle Psychologie und das Recht den größten Einfluss hatten, ist der Bereich, der als "kulturelle Kognition" bezeichnet wird. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um ein Forschungsgebiet, das sich mit der Frage nach individuellen Unterschieden befasst - wie sich Reaktionen und Wirkungen zwischen Individuen oder Gruppen innerhalb einer Population unterscheiden. In dem bahnbrechenden Artikel auf diesem Gebiet befassten sich Kahan, Hoffman und Braman (2009)(1) mit der "ungewöhnlichen Einladung" des Obersten Gerichtshofs an die Öffentlichkeit, sich eine Videoaufzeichnung anzusehen, die zeigt, wie ein Polizeibeamter einen Autofahrer verfolgt und schließlich sein Auto in das Fahrzeug des Bürgers rammt, als dieser sich weigert, anzuhalten. Obwohl eine deutliche Mehrheit der Subjekte der Entscheidung des Gerichts zustimmte, gab es einen klaren Konsens unter einer erkennbaren Minderheit, dass die Handlungen des Polizisten ungerechtfertigt waren. In einer Gruppe, die tendenziell weniger wohlhabend, weniger weiß, weniger konservativ war, Parisi I 118 und weniger männlich war, war die Sichtweise des Unfalls eindeutig mehr pro Kläger, was die Behauptung des Gerichts in Frage stellt, dass kein vernünftiger Geschworener mit ihren Ergebnissen nicht einverstanden sein könnte. In einer ähnlichen Reihe von Feststellungen fand Kahan (2010)(2) heraus, dass die hierarchische Weltanschauung (eine, die man kurz als "konservativ" bezeichnen könnte) die Wahrnehmung der Zustimmung des Klägers in Fällen von Vergewaltigung durch Bekannte vorhersagt, selbst wenn der Kläger verbale Einwände wiederholt. Kultureller Hintergrund: Kahan und Braman (2008)(3) fanden ebenfalls individuelle Unterschiede in der Wahrnehmung von Selbstverteidigungsfällen, wobei die kulturellen oder politischen Verpflichtungen der Individuen ihre Ansicht darüber vorhersagten, ob eine misshandelte Frau oder ein "bedrängter Pendler" berechtigt war, Gewalt gegen einen Angreifer anzuwenden. Gruppenverhalten: Um weiter zu testen, dass die Wahrnehmung rechtmäßiger Handlungen stark von der Gruppenzugehörigkeit beeinflusst wird, zeigten Kahan et al. (2012)(4) Probanden in einer experimentellen Studie ein Video einer politischen Demonstration. Manipulation: Die kulturelle Kognitionsforschung hat ebenfalls begonnen, unterschiedliche Effekte von experimentellen Manipulationen nach Gruppen zu dokumentieren. In einer Studie zur Rolle kultureller Unterschiede in der Wahrnehmung der Wissenschaft des Klimawandels wiesen Kahan et al. (2015)(5) den Teilnehmern einer Umfragestudie nach dem Zufallsprinzip zu, entweder einen irrelevanten technologiebezogenen Artikel oder einen Artikel über das Potenzial von Geoengineering zur Reduzierung der Auswirkungen von Kohlendioxidemissionen und damit zur Eindämmung der globalen Erwärmung zu lesen. Die abhängige Variable war die Einstellung der Probanden gegenüber einem zweiten Artikel über die Wissenschaft des Klimawandels. Liberale: Leicht vereinfachend lässt sich sagen, dass die Liberalen, die den Geo-Engineering-Artikel lasen, im Wesentlichen unbeeindruckt blieben - sie waren nicht weniger geneigt zu glauben oder zu bezweifeln, dass der Klimawandel stattfindet und zumindest zum Teil vom Menschen verursacht wird. Konservative: Konservative hingegen waren skeptisch gegenüber der Wissenschaft zum Klimawandel, wenn sie nichts über Geoengineering lasen, aber wenn sie mit der Möglichkeit einer marktbasierten technologischen Lösung für die globale Erwärmung konfrontiert wurden, waren sie eher bereit, an die Zuverlässigkeit der Wissenschaft der globalen Erwärmung zu glauben. Ergebnisse: Die Untersuchung zeigte, dass die Aufgeschlossenheit gegenüber wissenschaftlichen Beweisen zum Teil davon abhängt, ob die Individuen glauben, dass die Konsequenzen des Glaubens an die Beweise Parisi I 119 Maßnahmen erfordern würden, die mit der eigenen Weltanschauung in Konflikt stehen (z.B. für Konservative: staatliche Regulierung der Umweltverschmutzung). >Politische Orientierung/Experimentelle Psychologie, >Entscheidungsprozesse/Experimentelle Psychologie. 1. Kahan, Dan M., David A. Hoffman, and Donald Braman (2009). "Whose Eyes Are You Going to Believe? Scott v. Harris and the Perils of Cognitive Illiberalism." Harvard Law Review 122: 8-18. 2. Kahan, Dan M. (2010). "Culture, Cognition, and Consent: Who Perceives What, and Why, in Acquaintance-Rape Cases." University of Pennsylvania Law Review 158: 729-813. 3. Kahan, Dan M. and Donald Braman (2008). "The Self-Defensive Cognition of Self-Defense." American Criminal Law Review 45: 1-65. 4. Kahan, Dan M., David A. Hoffman, Donald Braman, and Danieli Evans (2012). "They Saw a Protest: Cognitive Illiberalism and the Speech—Conduct Distinction." Stanford Law Review 64:851-906. 5. Kahan, Dan M., Hank Jenkins-Smith, Tor Tarantola, Carol L. Silva, and Donald Braman (2015). "Geoengineering and Climate Change Polarization Testing a Two-Channel Model of Science Communication." ANNALS of the American Academy of Political and social Science 658: 192-222. Wilkinson-Ryan, Tess. „Experimental Psychology and the Law“. In: Parisi, Francesco (Hrsg.) (2017). The Oxford Handbook of Law and Economics. Bd. 1: Methodology and Concepts. NY: Oxford University Press |
Parisi I Francesco Parisi (Ed) The Oxford Handbook of Law and Economics: Volume 1: Methodology and Concepts New York 2017 |
Künstliche Intelligenz | Russell | Brockman I 22 Künstliche Intelligenz/Stuart Russell: Das Ziel der KI-Forschung war es, die Prinzipien des intelligenten Verhaltens zu verstehen und diese Prinzipien in Maschinen zu integrieren, die dann ein solches Verhalten zeigen können. Brockman I 23 In den 1960er und 1970er Jahren war der vorherrschende theoretische Vorstellung von Intelligenz die Fähigkeit zum logischen Denken (...) In jüngerer Zeit ist ein Konsens über die Idee eines rationalen Agenten entstanden, der seinen erwarteten Nutzen wahrnimmt und handelt, um ihn zu maximieren. Die KI integrierte die Wahrscheinlichkeitstheorie zur Handhabung von Unsicherheit, die Nutzentheorie zur Definition von Zielen und das statistische Lernen, um es den Maschinen zu ermöglichen, sich an neue Gegebenheiten anzupassen. Diese Entwicklungen haben starke Verbindungen zu anderen Disziplinen geschaffen, die auf ähnlichen Konzepten aufbauen, darunter Kontrolltheorie, Ökonomie, Operations Research und Statistik. Zweck: Beispielsweise sollte ein selbstfahrender Wagen ein Ziel als Input akzeptieren, statt ein festes Ziel zu haben. Einige Aspekte des "Fahrzwecks" des Autos sind jedoch festgelegt, beispielsweise dass es die Fußgänger nicht anfahren sollte. Einen Zweck in eine Maschine zu stecken (...) scheint ein bewundernswerter Ansatz zu sein, um sicherzustellen, dass das "Verhalten der Maschine nach für uns akzeptablen Prinzipien durchgeführt wird"! Brockman I 24 Problem: Weder die KI noch andere Disziplinen (Ökonomie, Statistik, Kontrolltheorie, Operations Research), die auf der Optimierung von Zielen aufbauen, können viel darüber sagen, wie man die Zwecke identifiziert, die "wir uns wirklich wünschen". >Künstliche Intelligenz/Omohundro, >Superintelligenz/Stuart Russell. Brockman I 29 Lösung/Stuart Russell: Die optimale Lösung für dieses Problem besteht nicht, wie man hoffen könnte, darin, sich gut zu verhalten, sondern die Kontrolle über den Menschen zu übernehmen und ihn zu zwingen, einen Strom maximaler Belohnungen bereitzustellen. Dies ist bekannt als das Wireheading-Problem, basierend auf Beobachtungen, dass die Mensch selbst für das gleiche Problem anfällig sind, wenn sie die Möglichkeit erhalten, ihre eigenen Lustzentren elektronisch zu stimulieren. Problem: Diese Idealisierung lässt die Möglichkeit außer Acht, dass unser Verstand aus Subsystemen mit inkompatiblen Präferenzen besteht; wenn das wahr ist, würde das die Fähigkeit einer Maschine einschränken, unsere Präferenzen optimal zu erfüllen, aber es scheint uns nicht daran zu hindern, Maschinen zu entwickeln, die katastrophale Ergebnisse vermeiden. Lösung/Stuart Russell: Eine genauere Definition gibt der Rahmen des Cooperative Inverse-Reinforcement Learning, kurz CIRL. Ein CIRL-Problem beinhaltet zwei Agenten, einer ein Mensch und der andere ein Roboter. Da es zwei Agenten gibt, wird das Problem von Ökonomen ein Spiel nennen. Es ist ein Spiel mit Teilinformationen, denn während der Mensch die Belohnungsfunktion kennt, tut es der Roboter nicht - auch wenn es die Aufgabe des Roboters ist, sie zu maximieren. Brockman I 30 Off-Switch-Problem: Innerhalb des CIRL-Rahmens kann man das Off-Switch-Problem formulieren und lösen - also das Problem, wie man verhindern kann, dass ein Roboter seine Off-Schaltung deaktiviert. Ein Roboter, der sich über menschliche Präferenzen nicht im Klaren ist, profitiert tatsächlich davon, abgeschaltet zu werden, Brockman I 31 weil er versteht, dass der Mensch den Ausschalter drücken wird, um zu verhindern, dass der Roboter etwas gegen diese Präferenzen unternimmt. Somit wird der Roboter dazu angeregt, den Ausschalter zu erhalten, und dieser Anreiz ergibt sich direkt aus seiner Unsicherheit über die menschlichen Präferenzen(1). Verhaltenslernen/Präferenzen/Probleme: Es gibt jedoch offensichtliche Schwierigkeiten mit einem Ansatz, der erwartet, dass ein Roboter die zugrundeliegenden Präferenzen aus dem menschlichen Verhalten lernt. Menschen sind irrational, inkonsistent, willensschwach und rechnerisch begrenzt, sodass ihre Handlungen nicht immer ihre wahren Vorlieben widerspiegeln. 1. Cf. Hadfield-Menell et al., “The Off-Switch Game,” https:/Jarxiv.orglpdf/ 1611.0821 9.pdf. Russell, Stuart J. „The Purpose put into the Machine”, in: Brockman, John (ed.) 2019. Twenty-Five Ways of Looking at AI. New York: Penguin Press. |
Russell I B. Russell/A.N. Whitehead Principia Mathematica Frankfurt 1986 Russell II B. Russell Das ABC der Relativitätstheorie Frankfurt 1989 Russell IV B. Russell Probleme der Philosophie Frankfurt 1967 Russell VI B. Russell Die Philosophie des logischen Atomismus In Eigennamen, U. Wolf (Hg) Frankfurt 1993 Russell VII B. Russell On the Nature of Truth and Falsehood, in: B. Russell, The Problems of Philosophy, Oxford 1912 - Dt. "Wahrheit und Falschheit" In Wahrheitstheorien, G. Skirbekk (Hg) Frankfurt 1996 Brockman I John Brockman Possible Minds: Twenty-Five Ways of Looking at AI New York 2019 |
Lebenswelt | Habermas | III 72 Lebenswelt/Habermas: Hier geht es um die soziokulturellen Bedingungen einer rationalen Lebensführung. Hier müssen wir die Strukturen untersuchen, die Individuen und Gruppen rationale Handlungsorientierungen ermöglichen. >Handlungstheorie/Habermas, >Rationalität/Habermas, >Gruppenverhalten. III 73 Dabei spielen Deutungssysteme und Weltbilder, die das Hintergrundwissen sozialer Gruppen spiegeln, eine Rolle. >Hintergrund. III 107 Den Begriff der Lebenswelt führe ich zunächst als Korrelat zu Verständigungsprozessen ein. Kommunikativ handelnde Subjekte verständigen sich stets im Horizont einer Lebenswelt. >Verständigung, >Horizont. Ihre Lebenswelt baut sich aus mehr oder weniger diffusen, stets unproblematischen Hintergrundüberzeugungen auf. Sie speichert die Interpretationsarbeit vorangegangener Generationen; sie ist das konservative Gegengewicht gegen das Dissensrisiko, das mit jedem aktuellen Verständigungsvorgang entsteht. >Kulturelle Überlieferung. III 108 Mythos/Mythen/Habermas: In mythischen Weltbildern als Interpretationshintergrund einer Lebenswelt in einer sozialen Gruppe ist den einzelnen Angehörigen die Last der Interpretation ebenso abgenommen wie die Chance, selber ein kritisierbares Einverständnis herbeizuführen. Hier wird das sprachliche Weltbild als Weltordnung reifiziert und kann nicht als kritisierbares Deutungssystem durchschaut werden. >Weltbilder. IV 189 Lebenswelt/Methode/HabermasVsHusserl/Habermas: Wenn wir die bewusstseinsphilosophischen Grundbegriffe, in denen Husserl die Lebensweltproblematik behandelt,(1) aufgeben, können wir uns die Lebenswelt durch einen kulturell überlieferten und sprachlich organisierten Vorrat an Deutungsmustern repräsentiert denken. >E. Husserl. Dann muss der Verweisungszusammenhang nicht mehr im Rahmen der Phänomenologie und Psychologie der Wahrnehmung erklärt zu werden, sondern als Bedeutungszusammenhang. >Phänomenologie, >Kognitionspsychologie. IV 191 Lebenswelt/Habermas: Da die Kommunikationsteilnehmer ihr gegenüber keine extramundane Stellung einnehmen können, hat sie einen anderen Status als die anderen Weltkonzepte (der sozialen, der subjektiven und der objektiven Welt), in denen sich Sprecher und Hörer sich wahlweise auf etwas Objektives, Normatives oder Subjektives beziehen können. Bezogen auf die Lebenswelt ist das nicht möglich. Die Beteiligten können sich mit ihrer Hilfe auch nicht auf etwas „Intersubjektives“ beziehen. >Intersubjektivität, >Objektivität, >Normen, >Subjektivität. IV 192 Sie bewegen sich stets innerhalb des Horizonts ihrer Lebenswelt und können sich nicht auf „etwas in der Lebenswelt“ beziehen, wie auf Tatsachen, Normen oder Erlebnisse. >Tatsachen, >Erlebnisse. Die Lebenswelt ist gleichsam der transzendentale Ort, an dem Sprecher und Hörer sich begegnen und reziprok den Anspruch erheben können, dass ihre Äußerungen mit der Welt (der objektiven, sozial oder subjektiven Welt) zusammenpassen. IV 198 Die phänomenologisch beschriebenen Grundzüge der konstituierten Lebenswelt lassen sich ohne Schwierigkeiten erklären, wenn man „Lebenswelt“ als Komplementärbegriff zum „kommunikativen Handeln“ einführt. >Kommunikatives Handeln/Habermas, >Kommunikationstheorie/Habermas, >Kommunikation/Habermas, >Kommunikative Praxis/Habermas, >Kommunikative Rationalität/Habermas. IV 205 Hintergrund/Lebenswelt/Habermas: die Lebenswelt sollte nicht mit dem aus kulturellen Wissen bestehenden Hintergrund gleichgesetzt werden. Stattdessen ist es so, das Solidaritäten der über Werte und Normen integrierten Gruppen und Kompetenzen vergesellschafteter Individuen ins kommunikative Handeln einfließen. IV 224 Lebenswelt/Habermas: wenn wir Gesellschaft als Lebenswelt konzipieren, unterstellen wir a) die Autonomie der Handelnden, b) die Unabhängigkeit der Kultur, c) die Durchsichtigkeit der Kommunikation. >Autonomie, >Kultur. Diese drei Fiktionen sind in die Grammatik von Erzählungen eingebaut und kehren in einer kulturalistisch vereinseitigten, verstehenden Soziologie wieder. >Fiktionen/Habermas. IV 230 Lebenswelt/System/Habermas: Soziale Evolution verstehe ich als einen Differenzierungsvorgang zweiter Stufe: System und Lebenswelt differenzieren sich, indem die Komplexität des einen und die Rationalität der anderen wächst, nicht nur jeweils als System und als Lebenswelt – sondern beide differenzieren sich gleichzeitig auch voneinander. Unter Systemaspekten lassen sich diese Stufen durch jeweils neu auftretende systemische Mechanismen kennzeichnen. Diese lösen sich immer mehr von den sozialen Strukturen ab, über die sich die soziale Integration vollzieht. Vgl. >Systeme. IV 273 Lebenswelt/Steuerungsmedien/Kommunikationsmedien/Sprache/Habermas: Die Umstellung von Sprache auf Steuerungsmedien (Geld, Macht (Einfluss, Reputation)) bedeutet eine Abkoppelung der Interaktion von lebensweltlichen Kontexten. >Steuerungsmedien, >Kommunikationsmedien, >Geld, >Macht, >Anerkennung. Medien wie Geld und Macht setzen an den empirisch motivierten Bindungen an; sie codieren einen zweckrationalen Umgang mit kalikulierbaren Wertmengen und ermöglichen eine generalisierte strategische Einflussnahme auf die Entscheidungen anderer Interaktionsteilnehmer unter Umgehung sprachlicher Konsensbildungsprozesse. >Sprache/Habermas. Pointe: Damit wird die Lebenswelt für die Koordinierung von Handlungen nicht länger benötigt. 1.E.Husserl, Erfahrung und Urteil, Hamburg 1948; zur Kritik an den bewusstseinstheoretischen Grundlagen der phänomenologischen Sozialontologie von A. Schütz vgl. M. Theunissen, Der Andere, Berlin 1965, S. 406ff. |
Ha I J. Habermas Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988 Ha III Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I Frankfurt/M. 1981 Ha IV Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. II Frankfurt/M. 1981 |
Lernen | Maturana | I 63 Lernen/Maturana: Lernen ist die historische Transformation eines Organismus durch Erfahrung. - Es dient der basalen Zirkularität. >Rekursion. Neues Verhalten entwickelt sich. - Für einen Beobachter erscheint das Verhalten durch die Einverleibung einer Repräsentation gerechtfertigt, die durch Erinnerung das Verhalten modifiziert. >Erinnerung, >Psychologische Theorien über Gedächtnis, >Verhalten, >Beobachtung. Das System arbeitet aber in der Gegenwart - Vorteilhaftigkeit kann nur a posteriori festgestellt werden. >Systeme. I 70 Lernen/Maturana: Lernen erlaubt rein konsensuelle (kulturelle) Evolution, ohne Evolution des Nervensystems. I 73 Lernen/Maturana: Verhaltensänderung muss von anderen Veränderungen begleitet sein. >Verändung. I 74 Lernen ist nicht Akkumulation von Repräsentationen, sondern kontinuierliche Transformation von Verhalten. >Repräsentation. I 119 Lernen/Instinktverhalten/Maturana: Lernen und Instinktverhalten sind zunächst ununterscheidbar, weil sie in der konkreten Verwirklichung durch die Strukturen des Nervensystems bestimmt sind. >Nervensystem. Lernen: ontogenetisch erworben - Instinkt: evolutionär erworben. I 119 Lernen/Maturana: verändert nicht die Struktur. Erwerb von Repräsentationen: ist bloß metaphorisch - (Der Erwerb würde ein instruktives System voraussetzen). - Ein lernendes System hat keine trivialen Erfahrungen (Interaktionen), weil alle Interaktionen zu Strukturveränderungen führen. I 280 Lernen/Maturana: eingeklammert beschrieben: ein rein epigenetischer Prozess (Entwicklung des Individuums). - Es ist kein gerichteter Prozess der Anpassung an eine Realität. >Anpassung, >Realität. |
Maturana I Umberto Maturana Biologie der Realität Frankfurt 2000 |
Liberalismus | Freeden | Gaus I 9 Liberalismus/Freeden: Die viel gepriesene Neutralität des Liberalismus unter den verschiedenen Konzeptionen des Guten ist sowohl chimärisch als auch spürbar unerwünscht in einer politischen Gesellschaft, in der Praktiken umgesetzt werden müssen, es sei denn - wie einige politische Philosophen - man glaubt an die Möglichkeit wie auch an die Attraktivität eines grundlegenden gesellschaftlichen Wertekonsenses. >Ideologie/Freeden; ((s) insbesondere über die Auswirkungen von Ideologien auf die Sprache). >Politische Philosophie/Freeden. Gaus I 10 In der Regel jedoch stellte der Kern des Liberalismus des 20. Jahrhunderts einen Appell für die Freisetzung eines freien, vitalen und spontanen Aktivitätsflusses dar, der von den Individuen ausging und sich nicht durch eine innere rationale Logik, sondern durch einen erfolgreichen Appell an den Intellekt und die Emotionen der Unterdrückten und Unterprivilegierten über den Globus verbreitete (Hobhouse, 1911(1); Freeden, 2001b: 21-2)(2). >Kommunitarismus/Freeden. 1. Hobhouse, L. T. 1911. Liberalism. London: Williams and Norgate. 2. Freeden, M. 2001b. ‘Twentieth-century liberal thought: development or transformation?’ In M. Evans, hg., The Edinburgh Companion to Contemporary Liberalism. Edinburgh: Edinburgh University Press. 21-2 Freeden, M. 2004. „Ideology, Political Theory and Political Philosophy“. In: Gaus, Gerald F. 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications. |
Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Liberalismus | Waldron | Gaus I 89 Liberalismus/Waldron: Die moderne Unterscheidung zwischen "politischen" und "umfassenden" Versionen des Liberalismus entsteht im Zusammenhang mit einem ernsthaften Problem der Rechtfertigungsgrundlage liberaler Prinzipien in einer pluralistischen Gesellschaft. Das Problem stellt sich wie folgt. Die Liberalen stellen sich eine tolerante, integrative Gesellschaft vor, die von Menschen bevölkert ist, die einer Vielzahl von Glaubenssystemen angehören. Viele moderne Gesellschaften, in denen der Liberalismus als politisches Ideal gedeiht, haben bereits diesen Charakter: Es sind religiös pluralistische und multikulturelle Gesellschaften (...). Aber eine pluralistische Gesellschaft steht auch vor einer zusätzlichen Agenda. Wo verschiedene Glaubensrichtungen und Kulturen aufeinander treffen, kommt es wahrscheinlich zu Reibungen und Beleidigungen: Der Gottesdienst oder die Feierlichkeiten einer Gruppe können wie ein Vorwurf oder ein Angriff auf eine andere Gruppe erscheinen, und da Werte und Philosophien auf dem Marktplatz der Ideen miteinander konkurrieren, wird der Wettbewerb oft respektlos erscheinen, da jede Glaubensrichtung versucht, ihre Gegner zu diskreditieren und Anhänger für sich zu gewinnen. Es ist nicht leicht, unter diesen Umständen die Pflicht zur gegenseitigen Duldung zu definieren oder die Unterscheidung zwischen Schaden und Vergehen aufrechtzuerhalten, die ein pluralistisches Regime erfordert. >Pluralismus/Waldron. Gaus I 90 Duldung/Pluralismus/Liberalismus/Problem: (...) Indem wir auf einer solchen Grundlage liberale Prinzipien und liberale Lösungen für die Probleme des gesellschaftlichen Lebens erarbeiten und verteidigen, scheinen wir inmitten der kulturellen und ethischen Pluralität Partei zu ergreifen. Wir scheinen aus der Vielfalt der ethischen, philosophischen und religiösen Traditionen in der Welt auszuwählen, wobei wir einige als grundlegend privilegieren und andere an den Rand drängen. >Toleranz/Waldron. Gaus I 91 Def Politischer Liberalismus/Waldron: Zwei politische Liberale lassen sich also durch ihre unterschiedlichen Positionen und ihre unterschiedlichen Vorstellungen voneinander unterscheiden. Aber was sie - als politische Liberale - gemeinsam haben werden, ist ihr Bestehen auf einer Unterscheidung zwischen den Prinzipien und Idealen, die (in ihren jeweiligen Ansichten) eine liberale Gesellschaftsordnung definieren, und den tieferen Werten und Verpflichtungen, die mit bestimmten philosophischen Auffassungen verbunden sind. Def Umfassender Liberalismus/Waldron: Der oder die politische Liberale besteht darauf, dass die Artikulierung und Verteidigung einer bestimmten Reihe liberaler Verpflichtungen für eine Gesellschaft nicht von einer bestimmten Theorie darüber abhängen sollte, was einem menschlichen Leben Wert oder Sinn verleiht. Ein umfassender Liberaler verneint dies. Er oder sie behauptet, dass es unmöglich ist, liberale Verpflichtungen angemessen zu verteidigen oder auszuarbeiten, es sei denn, man beruft sich auf die tieferen Werte und Verpflichtungen, die mit einer allgemeinen oder "umfassenden" Philosophie verbunden sind. Politischer Liberalismus: Es kann auch eine zweite Ebene der Unterschiede zwischen politischen Liberalen geben. Unabhängig davon, ob der Inhalt ihres liberalen Engagements derselbe ist oder nicht, können sich zwei politische Liberale in den Rechtfertigungsstrategien unterscheiden, die sie als politische Liberale anwenden. >Konsens/Waldron. ((s) Vgl. >Verständigung/Habermas). Umfassender Liberalismus: Offensichtlich gibt es auch unter den umfassenden Liberalen wichtige Unterschiede. Zwei umfassende Liberale können unterschiedliche liberale Verpflichtungen haben: der eine kann ein Linksliberaler und der andere ein libertärer Liberaler sein. Eine zweite Ebene der Differenz hat mit dem Inhalt der umfassenden Perspektiven zu tun, auf denen ihre liberalen Verpflichtungen beruhen. John Lockes christliche Grundlagen sind nicht dasselbe wie die Autonomietheorie von Immanuel Kant (1991)(1), und keine davon ist dasselbe wie die hedonistische Grundlage des Utilitarismus von Jeremy Bentham (1982)(2). >Autonomie/Kant, >Utilitarismus. Gaus I 92 Probleme: (VsMill, VsKant, VsHumboldt): Es scheint Locke, Kant und Mill nicht in den Sinn gekommen zu sein, dass [die] Grundpositionen ein Problem für die Politik des Liberalismus in einer Gesellschaft darstellen würden, deren Mitglieder über die Existenz Gottes, die Natur der Vernunft und das Schicksal des menschlichen Individuums uneins waren. Sie gingen einfach davon aus, dass der Liberalismus einer solchen philosophischen Grundlage bedürfe und dass ihre Aufgabe als politische Philosophen darin bestünde, diese Grundlage zu artikulieren, (wie Mill es ausdrückte) "den intelligenten Teil der Öffentlichkeit ... davon zu überzeugen, ihren Wert zu erkennen" (1956(1): 90), und wenn nötig zu argumentieren, wie Locke in seiner Diskussion über den Atheismus (1983(2): 51) argumentierte, dass diejenigen, die sich diesen Grundpositionen nicht anschließen konnten, von der Regierung einer liberalen Gesellschaft als gefährlich angesehen werden müssten. >Liberalismus/Mill, >Gemeinschaft/Humboldt, >Staat/Humboldt, >Kategorischer Imperativ, >Neutralität/Waldron. Gaus I 97 Die in einer Theorie der Gerechtigkeit angewandte Doktrin der Menschenwürde und Gleichheit muss - mehr oder weniger in der Art eines moralischen Absoluten - verschiedenen pragmatischen Erwägungen widerstehen können, die uns dazu verleiten könnten, die Interessen einiger weniger Schwacher und Verletzlicher um der Bequemlichkeit oder des Wohlstands der Reichen oder Mächtigen willen zu opfern oder zu vernachlässigen. Die Gerechtigkeit muss dem standhalten können, und ihre konstitutiven Doktrinen müssen das Zeug dazu haben, diese schwere moralische Arbeit zu leisten. Viele der umfassenden Konzeptionen, die politische Liberale aus dem öffentlichen Raum ausschließen wollen, richten sich genau an diese Frage: Sie erklären in ethischen oder transzendenten Begriffen, warum gerade die wenigen Schwachen und Verletzlichen nicht auf diese Weise geopfert werden dürfen. Die politischen Liberalen schlagen vor, diese Arbeit ohne Hilfe einer solchen Konzeption zu leisten, aber in einer Art und Weise, die dennoch ihre Loyalität im übergreifenden Konsens bewahrt. >Überlappender Konsens/Rawls, >Überlappender Konsens/Waldron, >Abtreibung/Rawls. Gaus I 99 Umfassender Liberalismus/Waldron: Einige umfassende Konzeptionen werden die moralische Bedeutung der tatsächlichen Erfahrung der Menschen hier und jetzt bejahen, während andere sie vielleicht beiseite schieben oder verunglimpfen. Diejenigen, die sie bejahen, werden die moralischen und politischen Verpflichtungen, die traditionell mit dem Liberalismus verbunden sind, auf natürlichere Weise unterstützen und in gewisser Weise erzeugen und inspirieren. Und genau daran will uns der umfassende Liberale erinnern. Der Liberalismus beruht auf bestimmten ethischen Verpflichtungen, auf bestimmten Aussagen über das, was zählt, und auf der Bedeutung bestimmter Formen des Respekts für das Leben, die Erfahrungen und die Freiheit gewöhnlicher Männer und Frauen. Er ist kein neutrales oder nonchalantes Glaubensbekenntnis, und seine Verpflichtungen können wohl kaum auf rein politischer Ebene artikuliert werden. 1. Mill, John Stuart (1956 [1859]) On Liberty, ed. Currin V. Shields. Indianapolis: Hackett. 2. Locke, John (1983 [1689]) A Letter Concerning Toleration, ed. James H. Tully. Indianapolis: Hackett. Waldron, Jeremy 2004. „Liberalism, Political and Comprehensive“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications. |
Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Logik | Maturana | I 265 Logik/Maturana: Wenn ein Beobachter operationale Regelmäßigkeiten der rekursiven konsensuellen Koordination von Handlungen beobachtet, dann spricht er von Logik. >Regelmäßigkeit, >Rekursion, >Handlungen, >Beobachtung/Maturana. |
Maturana I Umberto Maturana Biologie der Realität Frankfurt 2000 |
Märkte | Habermas | IV 226 Märkte/Habermas: Der Markt sorgt für eine normfreie Regelung von Kooperationszusammenhängen. Er gehört zu den systemischen Mechanismen, die nicht-intendierte Handlungszusammenhänge über die funktionale Vernetzung von Handlungsfolgen stabilisieren, während der Mechanismus der Verständigung die Handlungsorientierungen der Beteiligten aufeinander abstimmt. >Kommunikationsmedien/Habermas, >Geld/Habermas, >Steuerungsmedien. Habermas These: Das ist der Grund dafür, eine Unterscheidung von Sozial- und Systemintegration vorzuschlagen. Die eine setzt an den Handlungsorientierungen an, durch die die andere hindurchgreift. Im einen Fall wird das Handlungssystem durch einen normativ gesicherten oder kommunikativ erzielten Konsens, im anderen Fall durch die nicht-normative Steuerung von subjektiv unkoordinierten Einzelentscheidungen integriert. >Handlungssystem/Habermas, >Kommunikatives Handeln/Habermas, >Kommunikationstheorie/Habermas, >Kommunikation/Habermas, >Kommunikative Praxis/Habermas, >Kommunikative Rationalität/Habermas. IV 247 Im Rahmen staatlich organisierter Gesellschaften entstehen Gütermärkte, die über symbolisch generalisierte Tauschbeziehungen, d.h. über das Geldmedium gesteuert werden. Aber einen für das Gesellschaftssystem im Ganzen strukturbildenden Effekt erzeugt dieses Medium erst mit der Ausgliederung der Ökonomie aus der staatlichen Ordnung. Dann entsteht ein über das Geldmedium ausdifferenziertes Teilsystem, das seinerseits den Staat zur Reorganisation zwingt. >Gesellschaft. In den aufeinander bezogenen Subsystemen von Marktwirtschaft und moderner Verwaltung findet der Mechanismus des Steuerungsmediums, dem Parsons den Namen des symbolisch generalisierten Kommunikationsmediums gegeben hat, die ihm angemessene Sozialstruktur. >T. Parsons, >Kommunikationsmedien/T. Parsons. |
Ha I J. Habermas Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988 Ha III Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I Frankfurt/M. 1981 Ha IV Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. II Frankfurt/M. 1981 |
Medien | Habermas | IV 190 Medium/Sprache/Habermas: Die Kommunikationsteilnehmer bewegen sich indem sie eine Sprechhandlung ausführen oder verstehen, so sehr innerhalb ihrer Sprache, dass sie eine aktuelle Äußerung nicht als „etwas Intersubjektives“ in der Weise vor sich bringen können, wie sie ein Ereignis als etwas Objektives erfahren (…). >Intersubjektivität, >Sprache/Habermas, >Kommunikatives Handeln/Habermas, >Kommunikationstheorie/Habermas, >Kommunikation/Habermas, >Kommunikative Praxis/Habermas, >Kommunikative Rationalität/Habermas. Das Medium der Verständigung verharrt in einer eigentümlichen Halbtranszendenz. Solange die Teilnehmer ihre performative Einstellung beibehalten, bleibt die aktuell benutzte Sprache in ihrem Rücken. Die Sprecher können keine extramundane Stellung ihr gegenüber einnehmen. >Verständigung, >Perspektive. IV 209 Medium/Habermas: Die zum Netz kommunikativer Alltagspraxis verwobenen Interaktionen bilden das Medium, durch das sich Kultur, Gesellschaft und Person reproduzieren. Diese Reproduktionsvorgänge erstrecken sich auf die symbolischen Strukturen der Lebenswelt. Davon müssen wir die Erhaltung des materiellen Substrats der Lebenswelt unterscheiden. >Kultur, >Gesellschaft, >Person, >Lebenswelt, >Substrat. IV 273 Medien/Steuerungsmedien/Kommunikationsmedien/Sprache/Habermas: Die Umstellung von Sprache auf Steuerungsmedien (Geld, Macht (Einfluss, Reputation)) bedeutet eine Abkoppelung der Interaktion von lebensweltlichen Kontexten. >Steuerungsmedien, >Kommunikationsmedien. Medien wie Geld und Macht setzen an den empirisch motivierten Bindungen an; sie codieren einen zweckrationalen Umgang mit kalkulierbaren Wertmengen und ermöglichen eine generalisierte strategische Einflussnahme auf die Entscheidungen anderer Interaktionsteilnehmer unter Umgehung sprachlicher Konsensbildungsprozesse. >Geld/Habermas, >Macht. Pointe: Damit wird die Lebenswelt für die Koordinierung von Handlungen nicht länger benötigt. IV 407 Medien/Habermas: These: Bedingungen für eine optimale Institutionalisierung von Medien (Hier: Geld und Macht): Realwerte und Deckungsreserven müssen so beschaffen sein, dass sie eine empirisch motivierende Kraft haben. Die physische Kontrolle von Deckungsreserven muss möglich sein. Die Medien müssen gemessen, entäußert und deponiert werden können. Durch die normative Verankerung der Medien darf kein neuer Kommunikationsaufwand entstehen und keine weiteren Dissensrisiken verursacht werden. Problem: Das stößt auf der Ebene des sozialen Systems an Grenzen: Es lassen sich immer neue Namen für Medien finden, aber das sind zunächst nur Postulate, die sich als nützlich erweisen müssen. (1) IV 410 Bsp Wertbindung und Einfluss als Medien mit Geld und Macht als Medien auf eine Stufe zu stellen, ist nicht besonders plausibel. Die Ersteren sind nämlich nicht in dem Maße kalkulierbar wie Geld und Macht. Ein strategischer Umgang mit ihnen ist daher nicht möglich. >Anerkennung. IV 412 Einfluss und Wertbindung sind gegenüber der Alternative von Einverständnis und fehlgeschlagener Verständigung so wenig neutral, dass sie vielmehr mit Solidarität und Integrität zwei Fälle von Einverständnis, zu generalisierten Wert erheben. Sie können nicht, wie die Medien Geld und Macht, durch Sprache in ihrer Koordinationsfunktion ersetzten, sondern durch Abstraktion von lebensweltlicher Komplexität lediglich entlasten. Medien dieser Art können die Lebenswelt nicht technisieren. >Verständigung/Habermas, >Sprache/Habermas. 1.Vgl. St. Jensen, J. Naumann, Commitments, in: Zeitschrift für Sozialwissenschaft, Jg. 9, 1980, S. 79f. |
Ha I J. Habermas Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988 Ha III Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I Frankfurt/M. 1981 Ha IV Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. II Frankfurt/M. 1981 |
Menschenrechte | Rousseau | Höffe I 271 Menschenrechte/Rousseau/Höffe: Nach Rousseau (...) gibt es (...) kein natürliches Recht, kein Naturgesetz, das dem (staats-)bürgerlichen Zustand vorausgeht. Das Recht entstehe erst in der politischen Gesellschaft und mit ihr.(1) >Staat/Rousseau. >Naturzustand/Rousseau. Höffe I 275 Ursprung/Rechtfertigung: Weil der Staat seinen Ursprung in einem Freiheitsakt nimmt, verfügt er über Legitimität, die allerdings ausschließlich auf diesem Weg, einer freien Zustimmung, eben dem >Gesellschaftsvertrag, zustande kommt. Keine auch noch so überlegene Macht kann irgendein Recht erzeugen. Nur ein allseitiger Konsens, eine Vereinbarung, die von keinem der Betroffenen Widerspruch erfährt, ermächtigt zu einer rechtmäßigen Herrschaft(2). >Rechtfertigung/Rousseau, >Staat/Rousseau, >Gesellschaftsvertrag/Rousseau. Höffe I 278 Gemeinwohl: Da [der Gemeinwille] auf das Wohl des Ganzen ausgerichtet ist, sowohl auf die gemeinsame Erhaltung als auch auf das allgemeine Wohlergehen, kommt ihm gegenüber dem (partikularen) Willen der Einzelnen stets und ohne Einschränkung der normative Vorrang zu. Das Gemeinwohl geht auf den Willen der Betroffenen zurück. Höffe: Frage: Wie stellt man diesen Willen fest? Eine Auffassung des Gemeinwillens (volonté générale) als Gedankenexperiment könnte zu einem Kriterium der Zustimmungswürdigkeit führen: Die Antwort könnte (...) in Menschenrechten nach derem strengen Verständnis bestehen, also in Rechten, die dem Menschen, bloß weil er Mensch ist, zukommen. Rousseau/Höffe: Auch wenn man einige Hinweise in diesem Sinn interpretieren kann, verteidigt Rousseau im Gesellschaftsvertrag keine derartigen Rechte. Stattdessen votiert er für eine empirische Lesart des Gemeinwillens. >Volonté Génerale/Rousseau. 1. Rousseau, Discours sur l'inégalité parmi les hommes, 1755 2. Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag oder Grundsätze des Staatsrechts (Du contrat social ou Principes du droit politique, 1762 |
Rousseau I J. J. Rousseau The Confessions 1953 |
Minderheiten | Moscovici | Haslam I 94 Minderheiten/Moscovici: Die Ansichten von Minderheiten [oder Individuen wie Freud und Galileo] haben das Denken und Handeln der Mehrheit deutlich verändert. Wie können wir den Einfluss von Minderheiten erklären? (...) Die Berichte für soziale Anerkennung und sozialen Konsens, die zur Erklärung des Mehrheitseinflusses verwendet werden, sind in dieser Hinsicht nicht sehr nützlich, da der Beitritt zur Minderheit Menschen in eine abweichende Gruppe einordnet und Gefahr besteht, die soziale Anerkennung zu verlieren. Lösung/Moscovici: (Moscovici 1980)(1) Minderheiten müssen auf unterschiedliche Weise Einfluss nehmen. Insbesondere (...) müssen sie konsequent, selbstbewusst und engagiert in ihren Urteilen sein und auf diese Weise Mitglieder der Mehrheit ermutigen, ihre eigenen Ansichten in Frage zu stellen. >Konversionstheorie/Moscovici. 1. Moscovici, S. (1980) ‘Towards a theory of conversion behavior’, in L. Berkowitz (ed.), Advances in Experimental Social Psychology, Vol. 13. London: Academic Press. pp. 209–39. Robin Martin and Miles Hewstone, “Minority Influence. Revisiting Moscovici’s blue-green afterimage studies”, in: Joanne R. Smith and S. Alexander Haslam (eds.) 2017. Social Psychology. Revisiting the Classic Studies. London: Sage Publications |
Haslam I S. Alexander Haslam Joanne R. Smith Social Psychology. Revisiting the Classic Studies London 2017 |
Minderheitenrechte | Politische Theorien | Gaus I 253 Minderheitenrechte/Politische Philosophie/Kukathas: [Will] Kymlickas(1) Verteidigung der gruppendifferenzierten Rechte warf sofort eine Reihe von Fragen und Problemen auf, welche die Literatur über Multikulturalismus im letzten Jahrzehnt aufgegriffen hat. >Minderheitenrechte/Kymlicka. Gruppenrechte: Das erste Thema, das angesprochen wurde, war die Frage, ob Gruppen wirklich die Träger von Rechten sein können. Einigen war klar, dass dies nicht möglich war: Nur Einzelpersonen konnten Rechte haben (Narveson, 1991(2); Hartney, 1991(3)). Einer Ansicht nach waren Gruppen fiktive Gebilde - und fiktive Gebilde konnten keine Rechtsträger sein (Graf, 1994(4): 194). Doch trotz solcher Vorbehalte ist die politische Theorie in den letzten Jahren (mit dem Aufkommen des Multikulturalismus) der Idee von Gruppenrechten viel sympathischer geworden. Geschichte: Noch bevor der Multikulturalismus seine heutige Bedeutung erlangte, hatten jedoch einige Philosophen bereits Berichte über Gruppenrechte vorgelegt. Joseph Raz (1986(5): 207-8) zum Beispiel lässt in seiner einflussreichen Darstellung der Rechte Raum für kollektive Rechte. Larry May (1987(6): 180) blieb zwar vorsichtig in Bezug auf das Ausmaß, in dem Gruppen als Rechteinhaber anerkannt werden sollten, argumentierte aber, dass Moraltheoretiker die Handlungen und Interessen sozialer Gruppen als mögliche Träger von Rechten und Pflichten genauer untersuchen müssten. Und Frances Svensson (1979)(7) hatte zuvor vorgeschlagen, dass Gruppenrechte notwendig seien, um den Ansprüchen der Ureinwohner gerecht zu werden. VsMultikulturalismus: Dennoch meinten die Theoretiker (oder Kritiker) des Multikulturalismus nicht immer dasselbe, wenn sie sich auf Gruppenrechte oder "kulturelle" Rechte beriefen. Levy: Die hilfreichste Erläuterung der verschiedenen Arten von Rechtsansprüchen, die im Namen kultureller Gruppen geltend gemacht wurden, bot Jacob Levy (1997(8): 24-5), der acht Kategorien von Rechten unterschied. >Kulturelle Rechte/Levy. Gruppenrechte: Es besteht Konsens darüber, dass es durchaus möglich ist, dass Gruppen Rechte haben oder dass Rechte sowohl Gruppen als auch Einzelpersonen auf der Grundlage ihrer Identität gewährt werden. Eine Gruppe kann ein Recht als unabhängig anerkannte Einheit besitzen; und Einzelpersonen können bestimmte Rechte besitzen, weil sie Mitglieder bestimmter Kollektive sind. Probleme: Nichtsdestotrotz ist diese Frage wegen der Auswirkungen der Gewährung von Rechten auf der Grundlage der Gruppenzugehörigkeit umstritten geblieben. >Gruppenrechte. Freiheit/Unterdrückung: Wie Peter Jones es ausdrückte: "Gruppenrechte werden oft als Forderungen nach Gruppenfreiheit artikuliert, aber sie werden auch als Vehikel für Gruppenunterdrückung gefürchtet" (1999(9): 354). VsRaz: So wurde Raz' Sicht der Gruppenrechte, obwohl sie weithin akzeptiert wird (Brett, 1991(10); Freeman, 1995(11); Margalit und Halbertal, 1994(12)), kritisiert, weil sie zu umfassend ist, da sie Gruppen nur als Kollektive von Einzelpersonen identifiziert, die nichts Beständigeres als ein Interesse an einer Sache teilen (Réaume, 1988(13); 1994(14); Jones, 1999(9): 359). Inhalt/Bildung/Probleme: Die Forderungen einiger Gruppen nach Rechten in Form von Ausnahmeregelungen zum Beispiel haben eine substantielle Debatte über die Auswirkungen solcher Sonderrechte ausgelöst. Diese Debatte wird jedoch besonders heftig, wenn bestimmte Themen in den Vordergrund treten: Religion, Bildung und Kinder. Kinder/Religion: Während die meisten liberalen Verfechter des Multikulturalismus bereit waren, kulturellen Minderheiten das Recht zu gewähren, nach ihren eigenen Überzeugungen zu leben, haben Kinder und Bildung besondere Probleme aufgeworfen. Für viele sind die Grenzen des Multikulturalismus durch die Notwendigkeit gesetzt, die Interessen der Kinder zu schützen, die sogar das Recht der Eltern oder Gemeinschaften, ihre eigenen religiösen Überzeugungen zu verbreiten, außer Kraft setzen. >Religion, >Religiöser Glaube, >Multikulturalismus. 1. Kymlicka, Will (1995a) Multicultural Citizenship: A Liberal Theory of Minority Rights. Oxford: Oxford University Press. 2. Narveson, Jan (1991) 'Collective rights?' Canadian Journal of Law and Jurisprudence, 4: 329—45. 3. Hartney, Michael (1991) 'Some confusions concerning collective rights'. Canadian Journal of Law and Jurisprudence, 4: 293-314. 4. Graf, James A. (1994) 'Human rights, peoples, and the right to self-determination'. In Judith Baker, ed., Gmup Rights. Toronto: Umversity of Toronto Press, 186—214. 5. Raz, Joseph (1986) The Morality of Freedom. Oxford: Clarendon. 6. May, Larry (1987) The Morality of Gmups: Collective Responsibility, Group-Based Harm, and Corporate Rights. Notre Dame, In: University of Notre Dame Press. 7. Svensson, Frances (1979) 'Liberal democracy and group rights: the legacy of individualism and its impact on American Indian tribes'. Political Studies, 23 (3): 421-39. 8. Levy, Jacob (1997) 'Classifying cultural rights'. In Will Kymlicka and Ian Shapiro, eds, Ethnicity and Group Rights: NOMOS xxwx New York: New York University Press, 22—66. 9. Jones, Peter (1999) 'Group rights and group oppression'. Journal ofP01itica1 Philosophy, 7 (4): 353-77. 10. Brett, Nathan (1991) 'Language laws and collective rights'. Canadian Journal of Law and Jurisprudence, 4: 347_60. 11. Freeman, Michael (1995) 'Are there collective human rights?' Political Studies, Special Issue, 43: 25—40. 12. Margalit, Avishai and Moshe Halbertal (1994) 'Liberalism and the right to culture'. Social Research, 61: 491-510. 13. Réaume, Denise G. (1988) 'Individuals, groups, and rights to public goods'. University of Toronto Law Journal, 38: 1-27. 14.Réaume, Denise G. (1994) 'The group right to linguistic security: Whose right? What duties?' In Judith Baker ed., Gmup Rights. Toronto: University of Toronto Press, 118-41. Kukathas, Chandran 2004. „Nationalism and Multiculturalism“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications |
Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Minimalistischer Liberalismus | Przeworski | Gaus I 150 Minimalistischer Liberalismus/Demokratie/Przeworski/Dryzek: Das Demokratiemodell, das bei vergleichenden Politikwissenschaftlern am beliebtesten ist, insbesondere im aufstrebenden Bereich des demokratischen Übergangs und der Konsolidierung, erwartet weit weniger von der Demokratie als die deliberativen Demokraten. Dieses Modell ist im Wesentlichen das, das vor langer Zeit von Schumpeter (1942)(1) vorgeschlagen wurde: Demokratie ist nicht mehr als ein Wettbewerb der Eliten um die Zustimmung des Volkes, die das Recht auf Herrschaft verleiht. In den 1950er Jahren wurde diese Idee zur Grundlage für "empirische" Demokratietheorien, die mit der allgemein apathischen Rolle der ignoranten und potenziell autoritären Massen zufrieden waren (Berelson, 1952(2); Sartori, 1962(3)). >Minimalistischer Liberalismus/Dryzek. Przeworski/Dryzek: Eine seltene normative Verteidigung des minimalistischen Modells liefert Przeworski (1999)(4), der argumentiert, dass das Modell zumindest der groß angelegten politischen Gewalt ein Ende setzt, sobald die Besiegten akzeptieren, dass sie eine realistische Chance haben, zurückzukehren und einen weiteren Tag zu gewinnen. LijphartVsPrezworski: Befürworter der Konsensdemokratie wie Lijphart (1999)(5) könnten antworten, dass Machtteilung statt Mehrheitsregierung die beste Verteidigung gegen Gewalt in einer gespaltenen Gesellschaft ist. Dryzek: Angesichts der Tatsache, dass die Struktur der Interessen in einer komplexen Gesellschaft bedeutet, dass konkurrierende Interessen niemals miteinander in Einklang gebracht werden können, ist ihre vorläufige Lösung im Wahlkampf das Beste, was wir je tun können. 1. Schumpeter, Joseph A. (1942) Capitalism, Socialism, and Democracy. New York: Harper. 2. Berelson, Bernard (1952) 'Democratic theory and public opinion'. Public Opinion Quarterly, 16: 313—30. 3. Sartori, Giovanni (1962) Democratic Theory. Detroit: Wayne State Umversity Press. 4. Przeworski, Adam (1999) 'Minimalist conception of democracy: a defense'. In Ian Shapiro and Casiano Hacker-Cordön, eds, Democracy's Value. Cambridge: Cambridge University Press, 23—55. 5. Lijphart, Arend (1999) Patterns of Democracy: Governmental Forms and Performance in Thirty-Six Countries. New Haven, CT: Yale University Press. Dryzek, John S. 2004. „Democratic Political Theory“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications |
Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Normen | Durkheim | Habermas IV 75 Normen/Durkheim/Habermas: für Durkheim ist der verpflichtende Charakter gesellschaftlicher Normen erklärungsdürftig. Lösung/Durkheim/Habermas: Durkheim unterscheidet technische von moralischen Regeln. Habermas IV 76 Technische Regeln bestimmen das konsensuelle Handeln von Interaktionsteilnehmern. (Siehe Regeln/Durkheim). |
Durkheim I E. Durkheim Die Regeln der soziologischen Methode Frankfurt/M. 1984 Ha I J. Habermas Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988 Ha III Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I Frankfurt/M. 1981 Ha IV Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. II Frankfurt/M. 1981 |
Nudging | Sunstein | Morozov I 198 Nudging/Verhalten/Regulation/Sunstein/Morozov: Was Cass Sunstein und Richard Thaler als "Nudges" bezeichnen, sind clevere Manipulationen von Standardeinstellungen - was die Autoren als "Choice Architecture" bezeichnen - um Sie dazu zu bringen, gesunde Lebensmittel zu essen oder Geld für den Ruhestand zu sparen.(1) Nudging ist für die Manipulation das, was Öffentlichkeitsarbeit für die Werbung ist: Sie bringt die Dinge zum Laufen, während sie den ganzen Hintergrund, der implizit und unsichtbar wirkt, zum Verschwinden bringt. Die effektivsten Nudges geben den Handelnden den Anschein von Selbständigkeit, ohne ihnen eine große Auswahl zu bieten. Roger BrownswordVsSunstein/BrownswordVsThaler/Morozov: Diese Art von Regulierung appelliert an unser Eigeninteresse, aber in einer demokratischen Gesellschaft sollten solche Einstellungen öffentlich diskutiert werden. Bsp Es ist nicht unproblematisch anzunehmen, der „richtige Grund, ein energieeffizientes Auto zu fahren sei der, Geld sparen zu wollen. Es könnte auch sein, dass man das Klima schonen will.(2) >Demokratie, >Gesellschaft, >Handlungen, >Verhalten, >Autonomie, >Subjekte. Morozov I 199 MorozovVsSunstein/MorozovVsThaler/Morozov: Etwas durch ein bloßes technokratisches Gebot in einen Anschubser (Nudge) zu verwandeln, setzt einen gesellschaftlichen Konsens voraus - über beides, Ziele und Mittel - wo dieser Konsens vielleicht noch nicht existiert. Während sich die Nudges vermehren, könnten abweichende Ansichten darüber, was getan werden muss (und wie), tatsächlich verfliegen, aber dies sollte nicht als Hinweis darauf verstanden werden, dass der fragliche Nudge funktioniert hat. Seine mutmaßliche Wirksamkeit dürfte eher das Ergebnis eines erzwungenen Konsenses als das Ergebnis echter Beratungen sein. Morozov: Außerdem zählt als Nudge nur das, was tatsächlich das Ergebnis hat, das der Regulator wünschte. Brownsword: Damit werden Gesetze und Normen, wenn sie in (Nudging-) Technologie eingewoben sind, schwerer in Frage zu stellen und zu ändern.(2) 1. Richard H. Thaler and Cass R. Sunstein, Nudge: Improving Decisions about Health, Wealth, and Happiness, updated ed. (New York: Penguin Books, 2009). 2. Roger Brownsword, “Whither the Law and the Law Books? From Prescription to Possibility,” Journal of Law and Society 39, no. 2 (2012): 296– 308; Brownsword, “Lost in Translation: Legality, Regulatory Margins, and Technological Management,” Berkeley Technology Law Journal 26 (2011): 1321– 1366; and Brownsword, Rights, Regulation and the Technological Revolution (New York: Oxford University Press, 2008). |
Sunstein I Cass R. Sunstein Infotopia: How Many Minds Produce Knowledge Oxford 2008 Sunstein II Cass R. Sunstein #Republic: Divided Democracy in the Age of Social Media Princeton 2017 Morozov I Evgeny Morozov To Save Everything, Click Here: The Folly of Technological Solutionism New York 2014 |
Nudging | Thaler | Morozov I 198 Nudging/Verhalten/Regulation/Thaler/Morozov: Was Cass Sunstein und Richard Thaler als "Nudges" bezeichnen, sind clevere Manipulationen von Standardeinstellungen - was die Autoren als "Choice Architecture" bezeichnen - um Sie dazu zu bringen, gesunde Lebensmittel zu essen oder Geld für den Ruhestand zu sparen. (1) Nudging ist für die Manipulation das, was Öffentlichkeitsarbeit für die Werbung ist: Sie bringt die Dinge zum Laufen, während sie den ganzen Hintergrund, der implizit und unsichtbar wirkt, zum Verschwinden bringt. Die effektivsten Nudges geben den Handelnden den Anschein von Selbständigkeit, ohne ihnen eine große Auswahl zu bieten. Roger BrownswordVsSunstein/BrownswordVsThaler/Morozov: diese Art von Regulierung appelliert an unser Eigeninteresse, aber in einer demokratischen Gesellschaft sollten solche Einstellungen öffentlich diskutiert werden. Bsp Es ist nicht unproblematisch anzunehmen, der „richtige Grund, ein energieeffizientes Auto zu fahren sei der, Geld sparen zu wollen. Es könnte auch sein, dass man das Klima schonen will. (2) Morozov I 199 MorozovVsSunstein/MorozovVsThaler/Morozov: Etwas durch ein bloßes technokratisches Gebot in einen Anschubser (Nudge) zu verwandeln, setzt einen gesellschaftlichen Konsens voraus - über beides, Ziele und Mittel - wo dieser Konsens vielleicht noch nicht existiert. Während sich die Nudges vermehren, könnten abweichende Ansichten darüber, was getan werden muss (und wie), tatsächlich verfliegen, aber dies sollte nicht als Hinweis darauf verstanden werden, dass der fragliche Nudge funktioniert hat. Seine mutmaßliche Wirksamkeit dürfte eher das Ergebnis eines erzwungenen Konsenses als das Ergebnis echter Beratungen sein. Morozov: außerdem zählt als Nudge nur das, was tatsächlich das Ergebnis hat, das der Regulator wünschte. Brownsword: damit werden Gesetze und Normen, wenn sie in (Nudging-) Technologie eingewoben sind, schwerer in Frage zu stellen und zu ändern. (2) Mause I 178f Nudging/Thaler: Ein Nudge muss zugleich leicht und ohne großen Aufwand zu umgehen sein. Er ist nur ein Anstoß, keine Anordnung. Bsp Das Obst in der Kantine auf Augenhöhe zu drapieren zählt als Nudge. Junkfood aus dem Angebot zu nehmen hingegen nicht. (3) Bsp Rauchen wegen seiner Gesundheitsschädlichkeit zu verbieten oder zu besteuern, wäre demnach ganz traditioneller Zwang; das Anbringen von Warnhinweisen („ Rauchen tötet“) hingegen oder den Tabak in die hinterste Ecke des Ladenlokals zu verbannen, wäre ein Nudge. Kosten/SchnellenbachVsNudging: die Gegenfinanzierung der Kosten des Nudging würde wohl kaum anders möglich sein als durch das traditionelle Zwangsinstrument der Besteuerung völlig unbeteiligter Dritter. 1. Richard H. Thaler and Cass R. Sunstein, Nudge: Improving Decisions about Health, Wealth, and Happiness, updated ed. (New York: Penguin Books, 2009). 2. Roger Brownsword, “Whither the Law and the Law Books? From Prescription to Possibility,” Journal of Law and Society 39, no. 2 (2012): 296– 308; Brownsword, “Lost in Translation: Legality, Regulatory Margins, and Technological Management,” Berkeley Technology Law Journal 26 (2011): 1321– 1366; and Brownsword, Rights, Regulation and the Technological Revolution (New York: Oxford University Press, 2008). 3. Thaler, Richard H., und Cass R. Sunstein, Nudge: Wie man kluge Entscheidungen anstößt. Berlin 2009, S. 15. |
EconThaler I Richard Thaler Misbehaving: The Making of Behavioral Economics New York 2016 Morozov I Evgeny Morozov To Save Everything, Click Here: The Folly of Technological Solutionism New York 2014 Mause I Karsten Mause Christian Müller Klaus Schubert, Politik und Wirtschaft: Ein integratives Kompendium Wiesbaden 2018 |
Objektivität | Wright | I 139 Subjektiv/objektiv/Wright: Warum drücken wir nicht einfach alle unsere Meinungen über das Komische mit "ich finde.." aus? Antwort: Es ist nützlich, die objektivierte Form der Gemeinschaft zu haben, denn oft können wir durchaus zu Recht eine gemeinschaftliche Reaktion auf das Komische annehmen. >Sprachgemeinschaft, >Sprachverhalten, >Sprachgebrauch, >Bedeutung, >Referenz. I 139/40 Es gibt Begriffe, die zu einfach sind, um darüber zu streiten : Bsp der Gehalt arithmetischer Behauptungen wie "57 + 65 = 122" sagt nichts über Konsens und hat dafür keine logischen Folgen. >Arithmetik/Wittgenstein. Es gäbe dafür aber auch keinen Maßstab der Korrektheit zu erfüllen, wenn nicht auf jener basalen Ebene Konsens vorausgesetzt werden könnte. >Korrektheit/Wright. I 216 Repräsentation/Wright: Im Gegensatz dazu hat der Repräsentationscharakter von Urteilen etwa Bsp über die Formen eines Kinderpuzzles genau damit zu tun: wie verschieden auch immer wir biologisch konstituiert sein mögen, oder welche Naturgesetze wirksam wären, die Unterschiedlichkeit der Urteile müsste als Symptom für kognitive Fehlfunktion aufgefasst werden. >Kognitive Nötigung, >Urteile, >Wissen, >Kompetenz, >Naturgesetze. |
WrightCr I Crispin Wright Wahrheit und Objektivität Frankfurt 2001 WrightCr II Crispin Wright "Language-Mastery and Sorites Paradox" In Truth and Meaning, G. Evans/J. McDowell Oxford 1976 WrightGH I Georg Henrik von Wright Erklären und Verstehen Hamburg 2008 |
Objektpermanenz | Baillargeon | Slater I 86 Objektpermanenz/Baillargeon: These: Piaget (1954)(1) Objektpermanenz - ein Bewusstsein, dass ein Objekt weiter existiert, wenn es nicht für die Sinne verfügbar ist (wörtlich "aus den Augen, aus dem Sinn") - wurde erst vollständig erworben, als das zweite Lebensjahr das Denken über die frühe kindliche Wahrnehmung dominiert hatte. BaillargeonVsPiaget: Baillargeon, Spelke und Wasserman (1985)(2) zeigten, dass Säuglinge im Alter von 5 Monaten und später im Alter von 3,5 Monaten (Baillargeon 1987(3)), sich an den Fortbestand von versteckten Objekten zu erinnern schienen und sich bewusst waren, dass sie einige ihrer physikalischen Eigenschaften beibehalten haben. Der Schlüssel war, sich von Piagets Kriterien des aktiven Abrufs (z.B. Greifen) nach einem versteckten Objekt als Maß für Wissen zu entfernen. Lösung/Baillargeon: Sie benutzte das so genannte Paradigma der Verletzung der Erwartung (VoE): Es basiert auf der Idee, dass sich Säuglinge mehr an neuen oder überraschenden Ereignissen orientieren als an bekannten oder erwarteten (siehe Charlesworth, 1969)(4). Slater I 87 Insbesondere stellte [Baillargeon] fest, dass Säuglinge im Alter zwischen 3,5 und 12 Monaten empfindlich auf die Höhe reagierten (Baillargeon, 1987(3); Baillargeon & Graber 1987(5)), und auf den Standort (Baillargeon & Graber, 1988)(6) und die Solidität von versteckten Objekten (Baillargeon, Graber, DeVos, & Black, 1990)(7). Baillargeon und Kollegen haben auch das Verständnis der physikalischen Unterstützungsbeziehungen, die zwischen nebeneinander oder übereinander platzierten Objekten bestehen können, allmählich zusammengeführt (Baillargeon, 2004(8); Needham & Baillargeon, 1993(9), 2000(10)). Experiment/Zugbrücken-Studie/HaithVsBaillargeon: (Haith 1998)(11) Die Schlussfolgerung der Zugbrückenstudie ist ein Produkt der "reichen Interpretation" (Haith 1998) seitens der Forscher und nicht der reichen konzeptionellen Fähigkeiten junger Säuglinge. Slater I 88 Haith: Es gab immer eine sparsamere Wahrnehmungserklärung für die Reaktionen der Säuglinge. >Objektpermanenz/Haith. Zugbrückenstudie/VsBaillargeon: Rivera, Wakeley und Langer (1999)(12) These: Junge Säuglinge haben einfach eine allgemeine Präferenz, die 180-Grad-Rotation aus kognitiv uninteressanten Gründen (z.B. länger anhaltende Bewegung) zu betrachten. Wie Haith: Die Ergebnisse von Baillargeon lassen sich ohne jede Zuschreibung auf die Fähigkeit, über ein unsichtbares Objekt nachzudenken, erklären. VsBaillargeon: Bogartz, Shinskey und Schilling (2000)(13): Die relativ hohen Blickzeiten auf das 180-Grad unmögliche Ereignis in den ursprünglichen Zugbrückenstudien spiegelten eher eine einfache Vertrautheitsvorliebe als eine mentale Darstellung eines versteckten Objekts wider. Slater I 89 Nach fast zwei Jahrzehnten des Streites in der Literatur und zwei mit Spannung erwarteten Debatten zu diesem Thema auf großen Konferenzen (Haith vs. Spelke in der Society for Research in Child Development (SRCD), 1997; Baillargeon vs. Smith auf der International Conference for Infant Studies (ICIS), 1998) wurde deutlich, dass Verhaltensmethoden allein keinen wissenschaftlichen Konsens erzeugen würden. Zwei Schlüsselfragen, die sich aus diesen Debatten ergeben haben, sind (1) Was ist eigentlich der Nachweis der Objektpermanenz (d.h. genügt eine passive Überraschung oder ist ein aktives Engagement erforderlich?) und (2) Wo und wie entsteht diese Kompetenz? >Objektpermanenz/Neurowissenschaften, >Objektpermanenz/Konnektionismus. 1. Piaget, J. (1954). The construction of reality in the child. New York: Basic Books. 2. Baillargeon, R., Spelke, E. S., & Wasserman, S. (1985). Object permanence in five-month-old infants. Cognition, 20, 191–208. 3. Baillargeon, R. (1987). Object permanence in 3 1/2-and 4 1/2-month-old infants. Developmental Psychology, 23, 655–664. 4. Charlesworth, W. R. (1969). The role of surprise in cognitive development. In D. Elkind & J. Flavell (Eds), Studies in cognitive development. Essays in honor of Jean Piaget (pp. 257–314). Oxford: Oxford University Press. 5. Baillargeon, R., & Graber, M. (1987). Where’s the rabbit? 5.5-month-old infants’ representation of the height of a hidden object. Cognitive Development, 2, 375–392. 6. Baillargeon, R., & Graber, M. (1988). Evidence of location memory in 8-month-old infants in a nonsearch AB task. Developmental Psychology, 24, 502–511. 7. Baillargeon, R., Graber, M., DeVos, J., & Black, J. (1990). Why do young infants fail to search for hidden objects? Cognition, 36, 255–284. 8. Baillargeon, R., (2004). Infants’ reasoning about hidden objects. Evidence for event-general and event-specific expectations. Developmental Science, 7, 391-414. 9. Needham, A., & Baillargeon, R. (1993). Intuitions about support in 4.5-month-old infants. Cognition, 47, 121–48. 10. Needham, A., & Baillargeon, R. (2000). Infants’ use of featural and experiential information in segregating and individuating objects: A reply to Xu, Carey and Welch (2000). Cognition, 74, 255–284. 11. Haith, M. M. (1998). Who put the cog in infant cognition? Is rich interpretation too costly? Infant Behavior and Development, 21, 167–179. 12. Rivera, S. M., Wakeley, A., & Langer, J. (1999). The drawbridge phenomenon: Representational reasoning or perceptual preference? Developmental Psychology, 35, 427–435. 13. Bogartz, R. S., Shinskey, J. L., & Schilling, T. H. (2000). Object permanence in five-and-a-half-month-old infants? Infancy, 1, 403–428. Denis Mareschal and Jordy Kaufman, „Object permanence in Infancy. Revisiting Baillargeon’s Drawbridge Experiment“ in: Alan M. Slater & Paul C. Quinn (eds.) 2012. Developmental Psychology. Revisiting the Classic Studies. London: Sage Publications |
Slater I Alan M. Slater Paul C. Quinn Developmental Psychology. Revisiting the Classic Studies London 2012 |
Öffentliche Meinung | Luhmann | Habermas IV 508 Öffentliche Meinung/Luhmann/Habermas: die beiden gleichzeitig vorhandenen Imperative des Vertrauens privater Investoren und des Vertrauens der Massen in das politische System stoßen vor allem in der politischen Öffentlichkeit aufeinander. Luhmann: Die „öffentliche Meinung“, die sich in der politischen Öffentlichkeit artikuliert, bedeutet aus der Perspektive der Lebenswelt etwas anderes als aus der Systemperspektive des Staatsapparates. (1) Habermas IV 509 Habermas: so gilt einerseits die demoskopisch erfasste öffentliche Meinung oder der Wille von Wählern, Parteien und Verbänden als pluralistischer Ausdruck eines Allgemeininteresses, wobei der gesellschaftliche Konsens als erstes Glied in der Kette der politischen Willensbildung und als Grundlage der Legitimation betrachtet wird. Auf der anderen Seite gilt derselbe Konsens als Ergebnis der Legitimationsbeschaffung – er wird als das letzte Glied in der Kette der Produktion von Massenloyalität betrachtet, mit der sich das politische System ausstatte, uim sich von lebensweltlichen Restriktionen unabhängig zu machen. Diese beiden Linien der Interpretation werden einander fälschlich als normative und als empirische Ansätze gegenübergestellt; tatsächlich erfassen aber beide Auffassungen jeweils nur einen Aspekt der Massendemokratie. Die über Parteienkonkurrenz hergestellt Willensbildung ist nämlich Resultante aus beidem: dem Druck von kommunikativen Wert- und Normbildungsprozessen einerseits, und dem Stoß von Organisationsleistungen des politischen Systems andererseits. 1.N.Luhmann, Öffentliche Meinung, in: ders. Politische Planung, Opladen 1971, S. 9ff. |
AU I N. Luhmann Einführung in die Systemtheorie Heidelberg 1992 Lu I N. Luhmann Die Kunst der Gesellschaft Frankfurt 1997 Ha I J. Habermas Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988 Ha III Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I Frankfurt/M. 1981 Ha IV Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. II Frankfurt/M. 1981 |
Ordnung | Parsons | Habermas IV 306 Ordnung/Parsons/Talcott ParsonsVsHobbes/Habermas: Die Frage, wie soziale Ordnung möglich ist, lässt sich unter empiristischen Voraussetzungen nicht lösen. (Das Hobbessche Problem). Problem: rationalistische und empiristische Handlungsbegriffe können die Autonomie des Handelns ebenso wenig erfassen wie materialistische und idealistische Ordnungsbegriffe die Legitimität eines Handlungszusammenhangs, der sich auf Interessen stützt. Lösung/Parsons: Parsons entwickelt einen voluntaristische Handlungsbegriff und einen normativistischen Ordnungsbegriff. Habermas IV 310 Ordnung/Parsons: kann nicht allein über Interessenlagen stabilisiert werden. These: Ordnungen, die ihrer normativen Kraft beraubt sind, führen zu anomischen Zuständen.(1) Habermas IV 315 Für das Hobbessche Problem siehe Ordnung/Hobbes. Wenn man vom Konzept zweckrationalen Handelns ausgeht, sind die Handlungen anderer mögliche Mittel für die eigenen Zwecke. Dann folgt aus dem Postulat der Rationalität, dass alle versuchen sollten, übereinander zu herrschen. Dann wird Macht zum zentralen Begriff der Analyse von Ordnung. Eine rein utilitaristische Gesellschaft wäre dann chaotisch und instabil. (2) Lösung/Hobbes: ein Herrschaftsvertrag mit unbedingter Unterwerfung aller unter die absolute Gewalt eines einzigen. Das setzt allerdings eine Situation voraus, in der die zweckrational handelnden Subjekte schon bereit sind, die für einen Vertragsabschluss notwendigen Bedingungen zu erfüllen. (3) ParsonsVsHobbes: A. Das Modell zweckrationalen Handelns kann nicht erklären, wie Aktoren eine Vereinbarung treffen können, die vernünftig ist, Habermas IV 316 d.h. die Interessen aller berücksichtigt. Lösung/Parsons: Der Begriff der Zweckrationalität muss erweitert werden. Das führt zu einer Unterscheidung zwischen technischem und praktischem Rationalitätsbegriff. >Ordnung/Locke). Fazit: Verpflichtungen müssen sich auf einen normativen Konsens stützen, Habermas IV 317 Der aus zweckrationalen Erwägungen allein nicht resultieren kann. B. Parsons These: (wie Weber und Durkheim): Hobbes‘ künstlich Zwangsordnung kann nicht auf Dauer gestellt werden und eignet sich daher nicht als Modell für eine Erklärung, wie soziale Ordnung möglich ist. Habermas IV 318 Problem: Es fehlt eine Normierung und Wertorientierung. Parsons/Habermas: Parsons konstruiert eine symmetrische Beziehung zwischen zwei konträren, aber gleichermaßen falschen Positionen: 1. Der soziologische Materialismus reduziert Normen auf äußerlich auferlegte Regelungen und verkennt den Umstand, dass die Institutionalisierung von Verhaltenserwartungen an den Orientierung des Handelnden ansetzt und diese normativ und nicht bloß faktisch bindet. Habermas IV 319 2. Der soziologische Idealismus unterschätzt den Zwang, der von den nichtnormativen Bestandteilen der Handlungssituation, überhaupt vom materiellen Substrat der Lebenswelt ausgeht. >Idealismus, >Materialismus. Lösung/Parsons/Habermas: Parsons entwickelt einen Begriff der Institution, der dem neukantianischen Modell der Werteverwirklichung, d.h. dem, Weberschen Konzept einer Werte und Interessenlagen integrierenden Ordnung folgt.(3) >Institutionen. 1.Talcott Parsons, The Structure of Social Action, NY, 1949, S. 404. 2.Ebenda, S. 93f 3. Ebenda S 732. |
ParCh I Ch. Parsons Philosophy of Mathematics in the Twentieth Century: Selected Essays Cambridge 2014 ParTa I T. Parsons The Structure of Social Action, Vol. 1 1967 ParTe I Ter. Parsons Indeterminate Identity: Metaphysics and Semantics 2000 Ha I J. Habermas Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988 Ha III Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I Frankfurt/M. 1981 Ha IV Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. II Frankfurt/M. 1981 |
Organisation | Habermas | IV 455 Organisation/Habermas: Autonomie gewinnen Organisationen durch eine neutralisierende Abgrenzung gegen die symbolischen Strukturen der Lebenswelt. Damit werden sie gegen Kultur, Gesellschaft und Persönlichkeit eigentümlich indifferent. Diese Effekte beschreibt Luhmann als „Dehumanisierung der Gesellschaft“. Die soziale Realität scheint insgesamt auf eine versachlichte, von normativen Bindungen freigesetzt Organisationsrealität zusammenzuschrumpfen. >Organisation/Luhmann, >Institutionen, >Objektivität, >Kultur, >Gesellschaft, >Persönlichkeit, >N. Luhmann. IV 455/456 Dehumanisierung/HabermasVsLuhmann: Dehumanisierung bedeutet aber nur eine Abspaltung von Handlungsbereichen von der Lebenswelt, keine Depersonalisierung im Sinne der Trennung organisierter Handlungssysteme von Persönlichkeitsstrukturen. >Systeme/Luhmann, >Systemtheorie. Indifferenz/Habermas: Im Gegensatz zum traditionellen Familienbetrieb zeigt der kapitalistische Betrieb eine Indifferenz gegenüber den privaten Lebensverhältnissen aller Beschäftigten. Diese sind für ihn zur Umwelt geworden. >Kapitalismus/Habermas. IV 457 Ebenso verhalten sich andere Organisationen unabhängig von legitimierenden Weltbildern, überhaupt von kulturellen Überlieferungen. Mitglieder werden als Personen ihrer Persönlichkeitsstruktur entkleidet und zu Leistungsträgern neutralisiert. >Legitimität/Habermas. Kulturelle Überlieferungen werden als Ideologien ihrer verpflichteten Kraft beraubt und in Rohstoffe für (…) eine administrative Bearbeitung von Sinnzusammenhängen verwandelt. >Kulturelle Überlieferung/Habermas. Organisationen/Habermas: Organisationen müssen ihren Legitimationsbedarf selber decken können. Lebenswelt: Organisationen machen sich auch von lebensweltlichen Kontexten unabhängig, indem sie den normativen Hintergrund informell eingewöhnter, sittlich regulierter Handlungszusammenhänge neutralisieren. >Lebenswelt/Habermas. IV 460 Kommunikation/Organisation/Habermas: Zwar sind nicht alle Verständigungsprozesse aus dem Inneren von Organisationen verbannt, weil der Interaktionsbereich von rechtsförmigen Organisationen jedoch sittlich neutralisiert ist, verliert kommunikatives Handeln im Binnenraum von Organisationen seine Geltungsgrundlage. Mitglieder handeln kommunikativ unter Vorbehalt. Sie sind nicht genötigt, mit kommunikativen Mitteln Konsens zu erzielen. >Kommunikatives Handeln/Habermas, >Kommunikationstheorie/Habermas, >Kommunikation/Habermas, >Kommunikative Praxis/Habermas, >Kommunikative Rationalität/Habermas, >Geltungsansprüche. |
Ha I J. Habermas Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988 Ha III Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I Frankfurt/M. 1981 Ha IV Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. II Frankfurt/M. 1981 |
Parlamentarismus | Kelsen | Brocker I 132 Parlamentarismus/Kelsen: Versteht man das Parlament als Stellvertretung des Volkes, wird Letzteres als vorgegeben angesehen, wo es doch gerade erst durch die Arbeit des Parlaments und der Parteien zur handlungsfähigen Einheit organisiert wird. Ideologisch machte die Idee der Repräsentation im Kampf gegen die Autokratie Sinn und kehrt sich nun gegen die Demokratie, wenn aus dieser Idee beispielsweise das Modell der berufsständischen Vertretung abgeleitet wird (…). >Demokratie/Kelsen. Kelsens Annahme, dass das Volk vor der parlamentarischen Einigung politisch nicht existiert (Vgl. >Volk/Kelsen), stützt sich auch auf die schlichte Beobachtung, dass es praktisch niemals Konsensentscheidungen gegeben hat, die Bevölkerung sich vielmehr in ihren Meinungen immer nach Mehrheit und Minderheit (bzw. Minderheiten) differenziert und daher die Einigung immer nur in Gestalt des Kompromisses gefunden werden kann.(1) Brocker I 135 KelsenVsSchmitt/KelsenVsSmend/Llanque: Kelsen wird hauptsächlich als derjenige Autor gesehen, der inmitten der Mehrzahl der demokratiekritischen Staatslehrer der Weimarer Republik klar zu den Anhängern der parlamentarischen Demokratie gerechnet werden kann (Groh 2010)(2). Er hat scharfe Kritiken an Gegnern in dieser Debatte veröffentlicht, darunter Rudolf Smend und Carl Schmitt. Einigen gilt Kelsen auch als deutlichste Gegenposition zu Schmitt (Diner/Stolleis 1999(3); Dreier 1999(4)). KelsenVsRousseau: anders als Rousseau, der den Parlamentarismus ablehnt (RosseauVsParlamentarismus), erklärt Kelsen den Parlamentarismus als Form der Arbeitsteilung. 1. Hans Kelsen, »Vom Wesen und Wert der Demokratie«, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 47, 1920/1921, 50-85 (Separatdruck: Tübingen 1920). Erweiterte Fassung: Hans Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, Tübingen 1929 (seitenidentischer Nachdruck:Aalen 1981), S. 57 2. Kathrin Groh, Demokratische Staatsrechtslehrer in der Weimarer Republik. Von der konstitutionellen Staatslehre zur Theorie des modernen demokratischen Verfassungsstaates, Tübingen 2010 3. Dan Diner & Michael (Hg.) Hans Kelsen and Carl Schmitt. A Juxtaposition, Gerlingen 1999 4. Horst Dreier »The Essence of Democracy: Hans Kelsen and Carl Schmitt Juxtaposed«, in: Dan Diner/Michael Stolleis (Hg.), Hans Kelsen and Carl Schmitt. A Juxtaposition, Gerlingen 1999, 71-79 Marcus Llanque, „Hans Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie“, in: Manfred Brocker (Hg.) Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert. Frankfurt/M. 2018 |
Brocker I Manfred Brocker Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert Frankfurt/M. 2018 |
Politische Repräsentation | Barber | Brocker I 682 Politische Repräsentation/Barber: Barber These: das Konzept der Repräsentation des Liberalismus zerstöre Partizipation und Bürgerschaft. (1) Das liege daran, dass der Liberalismus Demokratie als „Politik der Raubtierhaltung“ missverstehe. Siehe auch Demokratie/Barber. Brocker I 686 In den verschiedenen Formen der “autoritären”, “juridischen” und “pluralistischen” Demokratie sieht Barber prinzipielle Schwächen der Repräsentation. (Siehe Terminologie/Barber). Problem: die „Wiedereinführung unabhängiger Gründe“ (2): weder Eliten noch Philosophen oder Richter oder Verbandsführer können die Umstrittenheit politischer Leitideen aufheben. Gerade die Annahme, es gebe Akteure mit besonderem Zugang zu „guten Gründen“ oder auch ein freies Spiel der Kräfte, das das Gemeinwohl quasi automatisch hervorbringe, führt zu willkürlicher Herrschaft. BarberVsDirekte Demokratie: die direkte Demokratie nennt Barber „Einheitsdemokratie“: Brocker I 687 Diese lehne Repräsentation in Gänze ab und setze an deren Stelle den Konsens aller Bürger. Spätestens in größeren Verbänden nimmt sie nach Barber „bösartige“ Züge an. (3) Der Grund dafür sei, dass Gemeinschaft hier möglicherweise nicht mehr auf freiwilliger Identifikation und geteilten Normen, sondern nur auf Repression und Manipulation basiert. Lösung/Barber: „Starke Demokratie“ (siehe Demokratie/Barber): hier werden Konflikte einem „endlosen Prozess der Beratung, Entscheidung und des Handelns unterworfen“. (4) 1. Benjamin Barber, Strong Democary, Participatory Politics for a New Age, Berkeley CA, 1984, Dt. Benjamin Barber, Starke Demokratie. Über die Teilhabe am Politischen, Hamburg 1994, S. 13. 2. Ebenda S. 138 3. Ebenda S. 144 4. Ebenda S. 147. Michael Haus, „Benjamin Barber, Starke Demokratie“ in: Manfred Brocker (Hg.) Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert. Frankfurt/M. 2018 |
PolBarb I Benjamin Barber The Truth of Power. Intellectual Affairs in the Clinton White House New York 2001 Brocker I Manfred Brocker Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert Frankfurt/M. 2018 |
Positive Political Theory | Forbes | Gaus I 57 Def Positive Political Theory/Forbes: Positive Political Theory, eng verstanden, bedeutet rationale Entscheidungstheorie, angewandt auf das Studium der Politik. Im weiteren Sinne (...) kann sie sich auf eine viel breitere Palette von analytischen Ansätzen und Endzielen beziehen. Ihre Grenzen werden durch zwei bekannte Gegensätze gesetzt: dem Positiven oder dem, was ist, wird Normatives oder das, was sein sollte, gegenübergestellt; und der Theorie im Sinne von Abstraktion und Erklärung werden detaillierte Beschreibungen von Einzelfällen gegenübergestellt. Es werden drei Hauptarten des positiven Theoretisierens unterschieden, die man mangels besserer Begriffe als bedingt, rational und intentional bezeichnet. Analyse: Die Analyse politischer Sachverhalte geschieht häufig im Hinblick auf die Beziehungen zwischen unabhängigen und abhängigen Variablen (...). Kausalität: Sind einige dieser Korrelationen mehr als nur Korrelationen - d.h. Beweise für kausale Zusammenhänge? Welches sind die notwendigen und/oder hinreichenden Bedingungen für die interessanten Ergebnisse?(1) ((s) Für die philosophische Diskussion von Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Kausalitätskonzept siehe >Kausalität/Philosophische Theorien). Normative Analyse: Z.B.: Warum wählen einige Bürger Detroits die Demokraten und andere die Republikaner? Umfragen könnten darauf hindeuten, dass Katholiken deutlich häufiger für die Demokraten stimmen als Protestanten oder Juden. Diese Korrelation zwischen Religion und Stimmabgabe könnte eine klare statistische Tatsache sein, die durch strenge Argumentation aus einigen elementareren (oder "brachialen") Fakten über die Art und Weise, wie eine Stichprobe von Einwohnern Detroits Fragen über ihre Rasse, Religion, Beruf, Bildung usw. beantwortet hat, abgeleitet wurde. Kurz gesagt, es kann Teil einer "kausalen" Theorie des Wählens sein, in Detroit oder anderswo, und die Theorie kann wahr oder falsch sein, unabhängig davon, was man "normativ" über das Wählen einer bestimmten Partei denkt. Gaus I 58 Kausalität: Beispielsweise haben liberale Demokratien selten oder nie Krieg gegeneinander geführt. Aber kann man sagen, dass die Demokratie eine Ursache oder eine hinreichende Bedingung für den Frieden ist? Die Hypothese kann eine tiefe Verwurzelung in der modernen politischen Theorie beanspruchen (Doyle, 1983(2); Cavallar, 2001(3); Franceschet, 2001(4)). Statistik: Die frühesten statistischen Studien (Babst, 1972(5); Small und Singer, 1976(6)) litten unter einigen offensichtlichen Mängeln, aber neuere Studien waren Modelle sorgfältiger Konzeptualisierung, gewissenhafter Datenerhebung und ausgefeilter multivariater Datenanalyse. Um dies statistisch zu erreichen, muss man zusätzliche Variablen einführen und komplexere Modelle testen. Leider sind die empirischen Grundlagen der statistischen Modelle umso prekärer, je ausgefeilter sie sind. Krieg ist ein seltenes Ereignis, (...) da sich die meisten seiner Kausalbedingungen nur langsam ändern (...). Probleme: (...) Da es nur so wenige relevante Fälle gibt, kann die Kodierung von ein oder zwei problematischen Fällen (Spaniens Status als Demokratie im Jahr 1898, Finnlands Status als Feind der alliierten Mächte von 1941 bis 1944) einen erheblichen Einfluss auf die Ergebnisse jeder statistischen Analyse haben. "Empirische Gesetze": Trotz dieser Schwierigkeiten besteht heute ein Konsens darüber, dass die empirische Forschung im Allgemeinen die Hypothese unterstützt: Die gemeinsame Demokratie scheint eine hinreichende Bedingung für friedliche Beziehungen zwischen Staaten zu sein (zur Literaturübersicht siehe Chan, 1997(7); Ray, 1995(8); 1998(9); Russett, 1993(10); Russett und Oneal, 2001(11)). Dieses inzwischen weithin akzeptierte "empirische Gesetz" über "demokratische Dyaden" ist ein herausragendes Beispiel für statistisch begründete Kausaltheorie in der Politikwissenschaft. 1. King, Gary, Robert O. Keohane and Sidney Verba (1994) Designing Social Inquiry: Scientific Inference in Qualitative Research. Princeton, NJ: Princeton University Press. 2. Doyle, Michael (1983) ‘Kant, liberal legacies, and foreign affairs’, Parts I and II. Philosophy and Public Affairs, 12: 205–35, 323–53. 3. Cavallar, Georg (2001) ‘Kantian perspectives on democratic peace: alternatives to Doyle’. Review of International Studies, 27: 229–48. 4. Franceschet, Antonio (2001) ‘Sovereignty and freedom: Immanuel Kant’s liberal internationalist “legacy”’. Review of International Studies, 27: 209–28. 5. Babst, Dean (1972) ‘A force for peace’. Industrial Research, 4 (4): 55–8. 6. Small, Melvin and J. David Singer (1976) ‘The warproneness of democratic regimes’. Jerusalem Journal of International Relations, 1: 50–69. 7. Chan, Steve (1997) ‘In search of democratic peace: problems and promise’. Mershon International Studies Review, 41: 59–91. 8. Ray, James Lee (1995) Democracy and International Conflict: An Evaluation of the Democratic Peace Proposition. Columbia, SC: University of South Carolina Press. 9. Ray, James Lee (1998) ‘Does democracy cause peace?’ Annual Review of Political Science, 1: 27–46. 10. Russett, Bruce (1993) Grasping the Democratic Peace: Principles for a Post-Cold War World. Princeton: Princeton University Press. 11. Russett, Bruce and John R. Oneal (2001) Triangulating Peace: Democracy, Interdependence, and International Organizations. New York: Norton. Forbes, H. Donald 2004. „Positive Political Theory“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications. |
Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Pubertät | Psychologische Theorien | Upton I 126 Pubertät/Psychologische Theorien/Upton: Traditionell wird die Adoleszenz als eine turbulente Periode dargestellt, die voller Chaos und Verwirrung steckt, verursacht durch die "rasenden Hormone", die durch die Pubertät hervorgerufen werden (Hall, 1904)(1). In der Tat (...) beinhaltet die Adoleszenz große physische Veränderungen, zu denen Wachstumsschübe, sexuelle Reifung, hormonelle Veränderungen und neurologische Entwicklung, insbesondere in den Frontallappen, einem Bereich des Gehirns, der mit der Impulskontrolle verbunden ist, zählen,. Es wurde auch argumentiert, dass es für Jugendliche in den westlichen Kulturen eine Disjunktion zwischen Biologie und Gesellschaft gibt, die das Potenzial hat, eine schwierige Übergangszeit zu schaffen: Selbst wenn Jugendliche körperlich reif genug sind, um erwachsene Funktionen wie Arbeit und Kinderbetreuung zu erfüllen, fehlt es ihnen nicht nur an der psychologischen Reife, sondern auch an dem sozialen Status und den finanziellen Ressourcen, um diese Funktionen verantwortungsvoll zu erfüllen. Dies liegt an der erhöhten Abhängigkeit, die durch soziale Konventionen wie das Schulabschlussalter verursacht wird. >Pubertät/Anna Freud, >Pubertät/Margaret Mead. Die Debatte über Sturm und Drang bei Jugendlichen wird in der Literatur häufig erwähnt (z.B. Arnett, 1999)(2); es scheint jedoch, dass nur noch sehr wenige Entwicklungspsychologen diese Ansicht unterstützen. Der Konsens ist, dass die meisten von uns die Pubertät mit wenigen ernsthaften persönlichen oder sozialen Problemen überstehen. Coleman (1978)(3) schlug eine Schwerpunkttheorie der Adoleszenz vor, die darauf hindeutet, dass jede der vielen persönlichen und sozialen Fragen, die in der Pubertät gelöst werden müssen, zu verschiedenen Zeiten die Aufmerksamkeit des Teenagers erhält. Es ist jedoch wichtig zu erkennen, dass diejenigen Kinder, die eine emotionale Zeit in der Pubertät haben, in der Regel ein bereits bestehendes Upton I 127 emotionales Problem haben(Graham und Rutter, 1985(4); Weiß et al.... 1990)(5). Ebenso dürften straffällige Teenager als Kinder Verhaltensprobleme gehabt haben (Bates. 2003)(6). All das deutet vielleicht darauf hin, dass die Adoleszenz bestehende Prädispositionen intensiviert und keine neuen schafft. 1. Hall, GS (1904) Adolescence: Its psychology and its relations to physiology, anthropology, sociology, sex, crime, religion and education. New York: Appleton. 2. Arnett. JJ (1999) Adolescent storm and stress reconsidered. American Psychologist, 54: 317-26. 3. Coleman. IC (1978) Current contradictions in adolescent theory. Journal of Youth and Adolescence,7: 1-11. 4. Graham, P and Rutter, M(1985) Adolescent disorders, in Rutter, M and Hersov, L (eds) Child And Adolescent Psychiatry: Modern approaches (4th edu). Oxford: Blackwell Scientific. 5. White, J, Moffit, T, Earls, F. Robins. L and Silva, P (1990) How early can we tell? Predictors of childhood conduct disorder and adolescent delinquency. Criminology, 28:507-27. 6. Bates. JE (2003) Temperamental unadaptabiity and later internalizing problems as moderated by mothers’ restrictive control. Paper presented at the meeting for the Society for Research in Child Development, Tampa, FL. Further reading: For traditional ways of adolescence: Arnett, J (1999) Adolescent storm and stress, reconsidered. American Psychologist, 54: 317-26. Available online at http://uncenglishmat.weeb1y.com/uploads/1/4/3/4/1434319/arnett.pdf. (Access date 7/17/2019). For links between neurological structures, brain function and cognitive skills: Casey, BJ, Giedd, JN and Thomas, KM (2000) Structural and functional brain development and its relation to cognitive development. Biological Psychology, 54,241—57. Available online at www.medinfo.hacettepe.edu.tr/tebad/umut_docs/interests/fmr/aging/ MAIN_structural_fonctional.pdf. (Access date 7/17/2019). |
Upton I Penney Upton Developmental Psychology 2011 |
Rationalität | Habermas | III 25 Rationalität/Habermas: hat weniger mit dem Erwerb als der Verwendung von Wissen zu tun. Wissen kann als unzuverlässig kritisiert werden. III 26 Hier kommt die Begründungsfähigkeit ins Spiel. Z. B. sind Handlungen, die der Handelnde selbst für aussichtslos hält, nicht zu begründen. >Begründung, >Gründe, >Widersprüche, >Wissen. III 30 Rationalität/Realismus/Phänomenologie/Habermas: in der Art der Verwendung propositionalen Wissens unterscheiden sich zwei Ansätze: a) Die „realistische“ Position geht von der ontologischen Voraussetzung der Welt als Inbegriff dessen, was der Fall ist aus, um auf dieser Grundlage die Bedingungen rationalen Verhaltens zu klären. Der Realist kann sich auf die Bedingungen für Zielsetzungen und deren Realisierung beschränken. b) Die „phänomenologische“ Position reflektiert auf den Umstand, dass die rational Handelnden selber eine objektive Welt voraussetzen müssen. >Propositionales Wissen. III 31 Sie macht die ontologischen Voraussetzungen zum Problem und fragt nach den Bedingungen, unter denen sich die Einheit einer objektiven Welt für die Angehörigen einer Kommunikationsgemeinschaft konstituiert. Sie muss für die Subjekte als ein und dieselbe Welt gelten, um Objektivität zu gewinnen. >Lebenswelt. III 33 Dem umfassenderen phänomenologischen Rationalitätsbegriff lässt sich der aus dem realistischen Ansatz gewonnene Begriff kognitiv-instrumenteller Rationalität einfügen. Es gibt nämlich Beziehungen zwischen der Fähigkeit der dezentrierten Wahrnehmung und Manipulation von Dingen und Ereignissen einerseits und der Fähigkeit intersubjektiver Verständigung andererseits. >Kooperation/Piaget, >Kooperation. III 36 Handlung/Rationalität/Habermas: Aktoren verhalten sich rational, solange sie Prädikate so verwenden, dass andere Angehörige ihrer Lebenswelt unter diesen Beschreibungen ihre eigenen Reaktionen auf ähnliche Situationen wiedererkennen würden. >Beschreibungen, >Prädikation, >Zuschreibung, vgl. >Kontoführung. III 44 Irrational verhält sich, wer seine eigenen symbolischen Ausdrucksmittel dogmatisch verwendet. Vgl. >Sprachgebrauch. IV 132 Rationalität/Habermas: wir können die Bedingungen der Rationalität auf Bedingungen für einen kommunikativ erzielten, begründeten Konsens zurückführen. Sprachliche Kommunikation, die auf Verständigung angelegt ist und nicht lediglich wechselseitiger Beeinflussung dient, erfüllt die Voraussetzungen für rationale Äußerungen bzw. für die Rationalität sprach- und handlungsfähiger Subjekte. Das Rationalisierungspotential (…) kann in dem Maße entbunden werden, (…) wie die Sprache Funktionen der Verständigung (und) der Handlungskoordinierung (…) erfüllt und dadurch zu einem Medium wird, über das sich kulturelle Reproduktion, soziale Integration und Sozialisation vollziehen. >Sprache/Habermas. Rorty I 92 RortyVsHabermas: Habermas' eigener Versuch die kommunikative Vernunft an die Stelle der »subjektzentrierten Vernunft« zu setzen, ist selbst ein Schritt hin zur Ersetzung des »was« durch ein »wie«. >Kommunikatives Handeln/Habermas, >Kommunikationstheorie/Habermas, >Kommunikation/Habermas, >Kommunikative Praxis/Habermas, >Kommunikative Rationalität/Habermas, >RortyVsHabermas. |
Ha I J. Habermas Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988 Ha III Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I Frankfurt/M. 1981 Ha IV Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. II Frankfurt/M. 1981 Rorty I Richard Rorty Der Spiegel der Natur Frankfurt 1997 Rorty II Richard Rorty Philosophie & die Zukunft Frankfurt 2000 Rorty II (b) Richard Rorty "Habermas, Derrida and the Functions of Philosophy", in: R. Rorty, Truth and Progress. Philosophical Papers III, Cambridge/MA 1998 In Philosophie & die Zukunft, Frankfurt/M. 2000 Rorty II (c) Richard Rorty Analytic and Conversational Philosophy Conference fee "Philosophy and the other hgumanities", Stanford Humanities Center 1998 In Philosophie & die Zukunft, Frankfurt/M. 2000 Rorty II (d) Richard Rorty Justice as a Larger Loyalty, in: Ronald Bontekoe/Marietta Stepanians (eds.) Justice and Democracy. Cross-cultural Perspectives, University of Hawaii 1997 In Philosophie & die Zukunft, Frankfurt/M. 2000 Rorty II (e) Richard Rorty Spinoza, Pragmatismus und die Liebe zur Weisheit, Revised Spinoza Lecture April 1997, University of Amsterdam In Philosophie & die Zukunft, Frankfurt/M. 2000 Rorty II (f) Richard Rorty "Sein, das verstanden werden kann, ist Sprache", keynote lecture for Gadamer’ s 100th birthday, University of Heidelberg In Philosophie & die Zukunft, Frankfurt/M. 2000 Rorty II (g) Richard Rorty "Wild Orchids and Trotzky", in: Wild Orchids and Trotzky: Messages form American Universities ed. Mark Edmundson, New York 1993 In Philosophie & die Zukunft, Frankfurt/M. 2000 Rorty III Richard Rorty Kontingenz, Ironie und Solidarität Frankfurt 1992 Rorty IV (a) Richard Rorty "is Philosophy a Natural Kind?", in: R. Rorty, Objectivity, Relativism, and Truth. Philosophical Papers Vol. I, Cambridge/Ma 1991, pp. 46-62 In Eine Kultur ohne Zentrum, Stuttgart 1993 Rorty IV (b) Richard Rorty "Non-Reductive Physicalism" in: R. Rorty, Objectivity, Relativism, and Truth. Philosophical Papers Vol. I, Cambridge/Ma 1991, pp. 113-125 In Eine Kultur ohne Zentrum, Stuttgart 1993 Rorty IV (c) Richard Rorty "Heidegger, Kundera and Dickens" in: R. Rorty, Essays on Heidegger and Others. Philosophical Papers Vol. 2, Cambridge/MA 1991, pp. 66-82 In Eine Kultur ohne Zentrum, Stuttgart 1993 Rorty IV (d) Richard Rorty "Deconstruction and Circumvention" in: R. Rorty, Essays on Heidegger and Others. Philosophical Papers Vol. 2, Cambridge/MA 1991, pp. 85-106 In Eine Kultur ohne Zentrum, Stuttgart 1993 Rorty V (a) R. Rorty "Solidarity of Objectivity", Howison Lecture, University of California, Berkeley, January 1983 In Solidarität oder Objektivität?, Stuttgart 1998 Rorty V (b) Richard Rorty "Freud and Moral Reflection", Edith Weigert Lecture, Forum on Psychiatry and the Humanities, Washington School of Psychiatry, Oct. 19th 1984 In Solidarität oder Objektivität?, Stuttgart 1988 Rorty V (c) Richard Rorty The Priority of Democracy to Philosophy, in: John P. Reeder & Gene Outka (eds.), Prospects for a Common Morality. Princeton University Press. pp. 254-278 (1992) In Solidarität oder Objektivität?, Stuttgart 1988 Rorty VI Richard Rorty Wahrheit und Fortschritt Frankfurt 2000 |
Realistic Accuracy Model | Funder | Corr II 213 Realistic Accuracy Model/RAM/Funder/Biesanz: (...) Das "Realistic Accuracy Model" (RAM, dt: "realistisches Genauigkeitsmodell") geht von der Prämisse aus, dass eine vollständige Genauigkeit nicht erreicht werden kann. Die Beurteilung der Persönlichkeit eines Menschen ohne Fehler ist weder konzeptionell möglich noch empirisch durchführbar. II 214 Realistische Genauigkeit vergleicht Persönlichkeitsbeurteilungen mit einer Zusammenstellung, die eine möglichst breite Palette von Kriterien enthält (z.B. Selbstberichte, Informantenberichte, Verhaltensmessungen). Diese Kriterien stellen idealerweise eine realistische Einschätzung der Persönlichkeit einer Person über Kontexte, Zeit und Perspektiven hinweg dar. Die empirische Bewertung der Genauigkeit von Eindrücken und Bewertungen der Persönlichkeit ist dann einfach die beobachtete Übereinstimmung zwischen diesen Eindrücken und Bewertungen und den vielfältigen und breiten realistischen Kriterien der Persönlichkeit - was die Person getan hat. (...) vier notwendige Bedingungen müssen erfüllt sein, damit ein genaues Bild einer Persönlichkeit gezeichnet werden kann. Erstens muss die Zielperson Verhaltensweisen an den Tag legen, die für ihre Persönlichkeit relevant sind. Diese Verhaltensweisen müssen wiederum dem Beobachtenden zur Verfügung gestellt werden, der sie dann erkennt und bei der Einschätzung der Persönlichkeit angemessen einsetzt. II 215 (...) Die Änderung eines dieser Pfade verändert die Genauigkeit der Eindrücke. Aus der Betrachtung des RAM ergeben sich vier primäre potenzielle Moderatoren. 1. Gutes Ziel: Wenn einige Personen relevantere Hinweise geben oder den Beobachtenden mehr Informationen zur Verfügung stellen, dann würde die Genauigkeit für diese Personen verbessert. 2. Guter Beurteiler: Wenn einige Personen besser in der Lage sind, die von den Zielpersonen gelieferten Informationen zu erkennen und zu nutzen, dann sollten ihre Eindrücke von anderen Personen genauer sein. 3. Guter Charakterzug: Die Genauigkeit kann bei einigen Charakterzügen größer sein. 4. Gute Informationen: Qualität und Quantität der Informationen sollten sich eindeutig auf den Grad der Genauigkeit von Persönlichkeitsbeurteilungen auswirken. Diese Basismoderatoren können auch miteinander interagieren. Funder (1995)(1) argumentierte, dass Persönlichkeitsforscher diese potentiellen Moderatoren und Interaktionen untersuchen müssen, um die Forschung über Fehler und Voreingenommenheit parallel zu betreiben. II 218 VsFunder/VsRealistisches Accurcay Modell: Die Kritik von Allik und Kollegen bezieht sich nicht auf die Forderung, die Genauigkeit zu untersuchen, oder auf das theoretische Modell von RAM (...), sondern vor allem auf den Fokus und die Aufmerksamkeit, die der Untersuchung von Moderatoren der Genauigkeit gewidmet werden. [Z.B.] argumentiert Allik (2017)(2), dass nach ~20 Minuten die empirische Evidenz darauf hindeutet, dass weitere Beobachtung die Genauigkeit nicht erhöht. Dies stimmt mit den Querschnittsdaten von Biesanz, West und Millevoi (2007)(3) überein, die zeigen, dass die Selbst- und Konsensuskorrelationen nach diesem rasch zunehmenden Anfangsfenster um ~.01 pro Bekanntschaftsjahr zunehmen. II 219 Was die Persönlichkeit betrifft, so ist die Genauigkeit der Eindrücke in allen Bereichen der breiten Persönlichkeitsdimensionen vorhanden und Allik und Kollegen argumentieren, dass die Auswirkungen der Moderatoren der Genauigkeit bescheiden sind, verglichen mit der Existenz des Gesamtumfangs der Genauigkeitsgrade bei der Wahrnehmung breiter Dispositionen. >Genauigkeit/Funder 1. Funder, D. C. (1995). On the accuracy of personality judgment: A realistic approach. Psychological Review, 102, 652–670. 2. Allik, J. (2017). The almost unbearable lightness of personality. Journal of Personality, 86, 109–123. 3. Biesanz, J. C., West, S. G., & Millevoi, A. (2007). What do you learn about someone over time? The relationship between length of acquaintance and consensus and self–other agreement in judgments of personality. Journal of Personality and Social Psychology, 92, 119–135. Biesanz, Jeremy C.: “Realistic Ratings of Personality Revisiting Funder (1995)”, In: Philip J. Corr (Ed.) 2018. Personality and Individual Differences. Revisiting the classical studies. Singapore, Washington DC, Melbourne: Sage, pp. 209-223. |
Corr I Philip J. Corr Gerald Matthews The Cambridge Handbook of Personality Psychology New York 2009 Corr II Philip J. Corr (Ed.) Personality and Individual Differences - Revisiting the classical studies Singapore, Washington DC, Melbourne 2018 |
Realität | Maturana | I 11/12 Realität/Maturana: Es gibt keine unabhängig von der Erfahrung gegebene Realität. >Objektivität/Maturana. I 133 Realität/Gegenstand/Maturana: Jeder Gegenstand ist ein Gegenstand mit den Eigenschaften, die die Unterscheidungen bestimmen, in einem Raum, der durch diese Eigenschaften gebildet wird. >Eigenschaften/Maturana. Realität: Ein Bereich, der durch die Operation des Beobachters bestimmt wird. >Beobachtung, >Operation/Maturana. I 134 Realität/"Wie-ist-es-möglich?"-Fragen/Maturana: 1. Wie ist's möglich, dass Menschen als geschlossene autopoietische Systeme über Gegenstände sprechen? - Weil wir sie überhaupt erst erzeugen. 2. Wenn Sprache Verhalten in einem konsensuellen Bereich ist, wie ist's möglich, dass individuell erlebte Ereignisse vorhergesagt werden können? - In jedem Fall werden Vorhersagen als tatsächliche Erfahrungen verwirklicht, d.h. als konkrete Zustände des Organismus. >Vorhersagen. I 202 Realität/Objekte/Gegenstände/Maturana: Außerhalb der Sprache gibt es keine Objekte. >Objekte, >Gegenstände, >Welt/Denken, >Ontologie, >Objektivität/Maturana. Objektivität entsteht in Sprache als Umgehen mit Objekten. Objekt/Matturana: operationale Relation im Prozess des Sprachhandelns. Sprachhandeln: Operationen im Bereich der strukturellen Koppelung - der Körper verändert sich. >Sprachverhalten, >Strukturelle Koppelung. I 224 Bsp Urknall: Auch er ist eine Erklärung der Lebenspraxis des Beobachters. - Sie ist mit der Ontologie des Betrachtens verknüpft - darin allein besteht seine Realität. |
Maturana I Umberto Maturana Biologie der Realität Frankfurt 2000 |
Recht | Hobbes | Habermas IV 122 Recht/Hobbes/Habermas: Frage: Wie kann ein Vertrag die Parteien binden, wenn die sakrale Grundlage des Rechts entfallen ist? Lösung/Hobbes/Weber/Habermas: Die Standardantwort ist seit Hobbes und bis zu Max Weber, dass das moderne Recht eben Zwangsrecht ist. Der Verinnerlichung der Moral entspricht eine komplementäre Verwandlung des Rechts in eine äußerlich auferlegte, staatlich autorisierte und auf den staatlichen Sanktionsapparat gestützte Gewalt. Die gleichsam automatische Erzwingbarkeit der Erfüllung von Rechtsansprüchen Habermas IV 123 soll den Gehorsam garantieren. >Zwang, >Gehorsam. DurkheimVsHobbes/DurkheimVsWeber/Habermas: Damit gibt sich Durkheim nicht zufrieden. Auch der Gehorsam muss einen moralischen Kern haben. Das Rechtssystem ist nämlich Teil einer politischen Ordnung, mit der es verfallen würde, wenn diese nicht Legitimität beanspruchen könnte. >Ordnung, >Legitimität. Höffe I 222 Geltung/Recht/Gesetze/Hobbes/Höffe: Wegen der Autorisierung, einer Ermächtigung, stammt die Höffe I 223 Entscheidungsbefugnis nicht «aus eigenen Gnaden». Wegen des Gesellschaftsvertrages erfolgt sie bei Hobbes auch nicht «aus Gottes Gnaden», sondern letztlich «kraft Zustimmung aller Betroffenen», aller Rechtsgenossen. Damit tritt zum Moment der Legalität eine Befugnis zweiter Stufe, die Legitimität, hinzu. Die lapidare Formel «Geltung kraft Autorität» lautet jedenfalls vollständig entfaltet: «Geltung kraft einer von jedem Betroffenen autorisierten Macht», kürzer: «Geltung kraft frei an- erkannter Befugnis» oder «Geltung durch Konsens». >Rechtspositivismus/Hobbes. Bei den Geltungstheorien werden häufig zwei Grundformen einander entgegengesetzt, die Machttheorien und die Zustimmungs- oder Anerkennungstheorien. Obwohl man wegen der «Geltung kraft Autorität» Hobbes den Machtheoretikern zuzuordnen pflegt, ist er in Wahrheit, wegen der Basisanerkennung der Betroffenen, beiden Theoriegruppen zuzurechnen. Und weil die Autorität über die Basisanerkennung autorisiert ist, gehört seine Rechtstheorie zusätzlich zu einer dritten Theoriegruppe, den Ermächtigungstheorien. |
Hobbes I Thomas Hobbes Leviathan: With selected variants from the Latin edition of 1668 Cambridge 1994 Ha I J. Habermas Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988 Ha III Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I Frankfurt/M. 1981 Ha IV Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. II Frankfurt/M. 1981 |
Recht | Rousseau | Höffe I 271 Recht/Rousseau/Höffe: Nach Rousseau (...) gibt es (...) kein natürliches Recht, kein Naturgesetz, das dem (staats-)bürgerlichen Zustand vorausgeht. Das Recht entstehe erst in der politischen Gesellschaft und mit ihr.(1) >Staat/Rousseau. >Naturzustand/Rousseau. Höffe I 275 Ursprung/Rechtfertigung: Weil der Staat seinen Ursprung in einem Freiheitsakt nimmt, verfügt er über Legitimität, die allerdings ausschließlich auf diesem Weg, einer freien Zustimmung, eben dem >Gesellschaftsvertrag, zustande kommt. Keine auch noch so überlegene Macht kann irgendein Recht erzeugen. Nur ein allseitiger Konsens, eine Vereinbarung, die von keinem der Betroffenen Widerspruch erfährt, ermächtigt zu einer rechtmäßigen Herrschaft(2). >Rechtfertigung/Rousseau, >Staat/Rousseau, >Gesellschaftsvertrag/Rousseau. 1. Rousseau, Discours sur l'inégalité parmi les hommes, 1755 2. Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag oder Grundsätze des Staatsrechts (Du contrat social ou Principes du droit politique, 1762 |
Rousseau I J. J. Rousseau The Confessions 1953 |
Rechtfertigung | Ackerman | Gaus I 93 Rechtfertigung/Ackerman/Waldron: Bruce Ackerman (1980)(1) entwickelte eine Theorie der Gerechtigkeit in Form eines vertraglichen Dialogs, für den als Grundregel festgelegt wurde, dass kein Grund (der im Gespräch zur Rechtfertigung einer bestimmten Machtverteilung angeführt wird) "ein guter Grund ist, wenn er vom Machthaber verlangt, ... zu behaupten, dass seine Auffassung des Guten besser ist als die eines seiner Mitbürger" (1980(1): 11). >Neutralität/Waldron. Waldron: Nun, warum sollte dies die Grundregel sein? Ackerman sagte, es gebe mehrere Möglichkeiten, das Neutralitätsprinzip zu rechtfertigen: Es könne mit dem Hinweis auf den epistemischen Wert ethischer Experimente gerechtfertigt werden, oder mit der intrinsischen Bedeutung der Autonomie, oder mit Skepsis gegenüber der Ethik, oder gegenüber der Fähigkeit der Machthaber, genaue Schlussfolgerungen über das Gute zu ziehen (1980(1): 11-12). Der liberale Staat braucht sich nicht auf eine dieser Rechtfertigungen im Besonderen zu stellen. Er braucht nur die Zusicherung, dass jeder die Neutralität auf mindestens einem dieser Wege erreichen kann. WaldronVsAckerman: Könnte diese Strategie funktionieren? Sie könnte, aber nur, wenn wir sicher wären, dass die verschiedenen Wege zur Neutralität keinen Unterschied für die Bedeutung oder den Charakter des Ziels machen würden. Aber das scheint unwahrscheinlich zu sein. Moralische Grundsätze hängen bei ihrer Auslegung charakteristischerweise von einem gewissen Verständnis des Punktes oder Zwecks ab, für den sie auferlegt werden. Ändert man den Zweck, so liefert man eine andere Grundlage für die Interpretation des Prinzips. Was die Neutralität anbelangt, so betrifft eine der Hauptschwierigkeiten bei der Auslegung die Frage der Absicht: Verbietet die Neutralität nur politische Handlungen, die durch eine nicht neutrale Absicht motiviert sind, oder verbietet sie auch Handlungen, wie motiviert sie auch sein mögen, die in ihren Auswirkungen nicht neutral sind? Es stellt sich heraus, dass einige von Ackermans Wegen zur Neutralität die intentionalistische Interpretation begünstigen, während zumindest einer die folgerichtige Interpretation begünstigt: Skepsis gegenüber den ethischen Fähigkeiten eines Machthabers sollte nur seine bewussten Versuche hemmen, eine Auffassung des Guten zu begünstigen. Der Wert der ethischen Vielfalt hingegen sollte uns immer dann zum Innehalten veranlassen, wenn staatliches Handeln tatsächlich nachteilige Auswirkungen auf bestimmte Vorstellungen vom Guten hat, unabhängig davon, ob dies beabsichtigt ist oder nicht. Ackermans sich "überschneidender Konsens" ist in Wirklichkeit ein Rezept für eine ungeordnete Gesellschaft, da die Bürger ihren unterschiedlichen Wegen zu einem Deutungsstreit folgen und keine gemeinsame Grundlage für dessen Lösung finden (siehe Waldron, 1993(2): 151-3). 1. Ackerman, Bruce (1980) Social Justice in the Liberal State. New Haven, CT: Yale University Press. 2. Waldron, Jeremy (1993) Liberal Rights: Collected Papers 1981–1991. Cambridge: Cambridge University Press. Waldron, Jeremy 2004. „Liberalism, Political and Comprehensive“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications. |
Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Rechtfertigung | Esfeld | I 146ff Rechtfertigung/Grund/McDowell/Esfeld: These: Der Raum der Gründe (Rechtfertigungen) ist weiter als der des Begrifflichen. >Raum der Gründe, >Begriffe, >Begriffliche Rolle, >Sprachabhängigkeit. I 161ff Ich-Du-Beziehungen/Brandom/Esfeld: Ich-Du-Beziehungen zeigen im Gegensatz zu relativistischen Ich-Wir-Beziehungen, dass die Gemeinschaft als ganze irren kann. >Ich-Du-Beziehung. Ich-Wir: Ich-Wir ist der Mythos des Gegebenen. Ich-Du: Ich-Du ersetzt Repräsentationalismus durch Inferentialismus. Dies ist keine Durchsetzung von Konsens; die Gemeinschaft hat keinen privilegierten Status. >Mythos de Gegebenen. I 191ff Rechtfertigung/Überzeugung/Esfeld: Rechtfertigung geschieht nur durch andere Überzeugungen, weil nur diese Aussagenform haben. Die Umstände reichen aber nicht, wir brauchen inferentielle Praktiken und letztlich die Kohärenztheorie. Sozialer Holismus: Überzeugungen sind von der Welt getrennt, und nur sie und nichts anderes in der Welt ist begrifflich (VsMcDowell). >Überzeugungen/McDowell, >Holismus, >Überzeugungen. Aber Überzeugungen sind an die Welt gebunden, indem sie nicht epistemisch selbstgenügsam sind. (Epistemisch selbstgenügsam: Inhalt von Glaubenszuständen ist nicht ontologisch von physikalischer Beschaffenheit abhängig.) >Glaubenszustand, >Inhalt, >Gehalt. |
Es I M. Esfeld Holismus Frankfurt/M 2002 |
Rechtfertigung | Lamont | Gaus I 230 Theorien/Grundsätze/Begründung/Lamont: (...) Theorien [zur Verteilungsgerechtigkeit] sind vor allem nach dem Inhalt ihrer Annäherung an die moralischen Anforderungen von Wohlfahrt (oder Glück) und Verantwortung charakterisiert worden. Es ist wichtig, hier auf einige der Komplikationen dieser Charakterisierungen hinzuweisen und Gaus I 231 auch auf andere Arten der Konzeptualisierung der Literatur über Verteilungsgerechtigkeit. Die meisten Theoretiker sind genau beschrieben durch eine Reihe von nicht äquivalenten Bezeichnungen. Die hier verwendeten Klassifikationen sind in der zeitgenössischen Literatur weit verbreitet, aber es gibt dennoch subtile Unterschiede in der Art und Weise, wie verschiedene Autoren diese Bezeichnungen verwenden. Inhalt/Prinzip/Begründung: Eine wichtige Unterscheidung besteht zwischen dem Inhalt eines Verteilungsprinzips und seiner Begründung. Inhalt: "Inhalt" bezieht sich auf die Verteilung, die idealerweise durch ein Prinzip empfohlen wird, während "Rechtfertigung" sich auf die Gründe bezieht, die zur Unterstützung des Prinzips angeführt werden. Theoretiker können nach dem Inhalt ihrer Theorie oder nach der von ihnen angegebenen Begründung unterschieden und etikettiert werden. Probleme: 1) (...) die hier verwendeten gemeinsamen Bezeichnungen beziehen sich zum Teil auf den Inhalt und zum Teil auf die Begründungen für verschiedene Positionen. 2) (...) die meisten Gruppen von Theorien haben Begründungen aus verschiedenen Quellen, und einzelne Autoren verwenden manchmal sogar mehr als eine Begründungsquelle für ihre Theorie. Die meisten Kombinationen von Inhalt und Rechtfertigung sind in der Tat versucht worden. Beispielsweise verwenden verschiedene Libertarianer natürliche Rechte, Verdienste, Utilitarismus oder Kontraktualismus zur Rechtfertigung ihrer Theorien; verschiedene Verdiensttheoretiker verwenden natürliche Rechte, Kontraktualismus und sogar Utilitarismus (Mill 1877(1); Sidgwick, 1890(2)). Teilweise kommt dies daher, dass es verschiedene Versionen von Begründungen gibt, die jedoch aufgrund einer gewissen Ähnlichkeit das gleiche breite Etikett teilen. Vertragstheorie: Beispielsweise ist der Kontraktualismus in den Begründungen vieler Theorien enthalten und umfasst sowohl Hobbes'sche als auch Kant'sche Kontraktualisten nach Thomas Hobbes und Immanuel Kant (Hampton, 1991(3)). A) Hobbes'sche Kontraktualisten wie David Gauthier versuchen, die Moral mit den eigennützigen Gründen zu rechtfertigen, die Individuen haben, um bestimmten Bedingungen der sozialen Zusammenarbeit zuzustimmen. B) Kant'sche Kontraktualisten wie John Rawls berufen sich auf moralische Gründe, um die Bedingungen sozialer Kooperation zu rechtfertigen, die einer Zustimmung würdig wären, und argumentieren gewöhnlich für Verteilungen am egalitären Ende des Spektrums. Ein Hobbes'scher Kontraktualist, wie Sie vielleicht vermuten, plädiert eher für libertär orientierte Systeme (Buchanan, 1982(4); Gauthier, 1987(5); Levin, 1982(6)). Es gibt jedoch auch Anhänger von Hobbes, die darauf bestehen, dass sein Kontraktualismus besser gelesen wird, um einige wichtige Aspekte des Wohlfahrtsstaates zu rechtfertigen, als eine bloß minimalistische Regierung (Kavka, 1986(7); Morris, 1998(8): Kap. 9; Vallentyne, 1991(9)). Daher können Theoretiker, die das Etikett "vertragsorientiert" teilen, auch durch eine libertäre Ablehnung der Umverteilung oder ein egalitäres Beharren auf einer breiten Verteilung gekennzeichnet sein (...). Gleichheit/Egalitarismus: Die häufigsten Alternativen zur Charakterisierung von Theorien der Verteilungsgerechtigkeit entlang der Dimensionen Wohlfahrt und Verantwortung waren dazu da, sie entweder entlang der damit verbundenen Dimension der Gleichheit oder nach dem Grad der Gleichheit zu charakterisieren, den die Theorien vorgeben. So könnte jede der hier bereits untersuchten Theorien alternativ nach ihrer Behandlung oder ihrem Ansatz der Gleichheit kategorisiert werden (Joseph und Sumption, 1979(10); Rakowski, 1991)(11). >Gleichheit/Sen. Sen: in seinem einflussreichen Vortrag 'Equality of what?" (1980)(12) befasst sich Amartya Sen mit der Frage, nach welchem Maßstab Gleichmacher den Grad bestimmen sollten, in dem eine Gesellschaft das Ideal der Gleichheit verwirklicht. Inzwischen wurde eine Reihe alternativer Variablen für das, was ausgeglichen werden sollte, eingeführt (Daniels, 1990(13)) und verfeinert, einschließlich der oben diskutierten Ressourcengleichmacher (Dworkin, 2000)(14), der Chancengleichheit für Wohlfahrt (Arneson, 1989(15); 1990(16); 1991(17)), des gleichen Zugangs zu Vorteilen (Cohen, 1989)(18) und des gleichen politischen Status (Anderson, 1999)(19). Gaus I 232 Konzepte/Inhalte/Theorien: Eine weitere Komplikation (...) ergibt sich aus den Unterschieden in der Konzeption des Themas der Verteilungsgerechtigkeit selbst, wobei einige Theoretiker eher den Prozess als den Inhalt oder die Rechtfertigung betonen. Die Prinzipien: [viele Theorien] befassen sich mit der Frage der Verteilungsgerechtigkeit, indem sie Prinzipien empfehlen, die als normative Ideale für Institutionen gedacht sind, die ihrerseits die Verteilung der Ressourcen maßgeblich bestimmen werden. Diese Theorien spiegeln den Fortschritt und einen wachsenden Konsens während des größten Teils des zwanzigsten Jahrhunderts darüber wider, was nicht akzeptabel ist. Beispielsweise lehnen alle angebotenen Theorien die Ungleichheiten ab, die für feudale, aristokratische und Sklavengesellschaften charakteristisch sind, sowie die Ungleichheiten, die Systemen innewohnen, die den Zugang zu Gütern, Dienstleistungen, Arbeitsplätzen oder Positionen auf der Grundlage von Rasse, Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit oder Religion einschränken. Entscheidungsprozesse: Andererseits sind einige Theoretiker der Ansicht, dass die fortdauernde Existenz vernünftiger Meinungsverschiedenheiten ein wichtiges Spiegelbild des Wesens der Verteilungsgerechtigkeit selbst ist. Sie argumentieren über zusätzliche Fragen, im Bereich der vernünftigen Uneinigkeit darüber, welches die besten Verteilungsideale sind. Hauptsächlich wird diskutiert, ob das Verfahren zur Entscheidung von Verteilungsfragen gerecht ist. So argumentieren einige, dass bestimmte Fragen der Verteilungsgerechtigkeit auf der verfassungsrechtlichen Ebene behandelt und unterschiedlich beschrieben werden sollten, während andere Fragen auf der gesetzgeberischen Ebene ordnungsgemäß entschieden werden. Gerechte Prozesse: eine Untergruppe dieser Theoretiker vertritt auch die Ansicht, dass einige Entscheidungen über Fragen der Verteilungsgerechtigkeit teilweise oder vollständig gerechtfertigt sein können, weil sie das Ergebnis eines gerechten Prozesses sind (Christiano, 1996(20); Gaus, 1996(21)). Rationale Argumente allein können vielleicht einige Systeme als ungerecht ausschließen, aber andere werden nicht nur aufgrund ihres Inhalts gerechtfertigt sein, sondern auch durch den Prozess, durch den sie erreicht wurden. >Liberalismus/Lamont. 1. Mill, John S. (1877) Utilitarianism, 6th Ed. London: Longmans, Green. 2. Sidgwick, Henry (1890) The Methods of Ethics, 4th Ed. London: Macmillan. 3. Hampton, Jean (1991) 'Two faces of contractarian thought'. In Peter Vallentyne, ed., Contractarianism and Rational Choice: Essays on David Gauthier 's Morals by Agreement. New York: Oxford University Press, 31—55. 4. Buchanan, Allen (1982) 'A critical introduction to Rawls' theory of justice'. In H. Gene Blocker and Elizabeth H. Smith, eds, John Rawls' Theory of Social Justice: An Introduction. Athens, OH: Ohio University Press. 5. Gauthier, David Peter (1987) Morals by Agreement. Oxford: Clarendon. 6. Levin, Michael (1982) 'A Hobbesian minimal state'. Philosophy and Public Affairs, 11 (4): 338-53. 7. Kavka, Gregory S. (1986) Hobbesian Moral and Political Theory. Princeton, NJ: Princeton University Press. 8. Morris, Christopher (1998) An Essay on the Modern State. Cambridge: Cambridge University Press. 9. Vallentyne, Peter (1991) Contractarianism and Rational Choice: Essays on David Gauthier's Morals by Agreement. New York: Cambridge University Press. 10. Joseph, Keith and Jonathan Sumption (1979) Equality. London: Murray. 11. Rakowski, Eric (1991) Equal Justice. Oxford: Clarendon. 12. Sen, Amartya (1980) 'Equality of what?' In Sterling M. McMurrin, Ed., Tanner Lectures on Human Values, Bd. I. Cambridge: Cambridge University Press, 195-220. 13. Daniels, Norman (1990) 'Equality of what: welfare, resources, or capabilities?' Philosophy and Phenomenological Research, 50 (Fall): 273-96. 14. Dworkin, Ronald (2000) Soveæign Virtue: The Theory and Practice of Equality. Cambridge, MA: Harvard University Press. 15. Arneson, Richard (1989) 'Equality and equal opportunity for welfare, Philosophical Studies, 56: 77-93. 16. Arneson, Richard (1990) 'Liberalism, Distributive Subjectivism and equal opportunity for welfare', Philosophy and Public Affairs, 19: 159-94. 17. Arneson, Richard (1991) 'Lockean self-ownership: towards a demolition', Political Studies, 39 (l): 36-54. 18. Cohen, G. A. (1989) 'On the currency of egalitarian justice'. Ethics, 99 906_44. 19. Anderson, Elizabeth (1999) 'What is the point of equality?' Ethics, 109 (2): 287-337. 20. Christiano, Thomas (1996) The Rule of the Many: Fundamental Issues in Democratic Theory. Boulder, CO: Westview. 21. Gaus, Gerald (1996) Justificatory Liberalism. New York: Oxford University Press. Lamont, Julian 2004. „Distributive Justice“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications |
Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Rechtfertigung | Morris | Gaus I 203 Rechtfertigung/Staat/Legitimität/Morris: Eine rationale Rechtfertigung eines Staates ist dann gegeben, wenn die Betroffenen Gründe haben, seine Gesetze zu respektieren und ihn auf verschiedene Weise unterstützen. Allgemeiner gesagt, sie können Gründe haben, ihren Teil zur Unterstützung und Erhaltung des Staates beizutragen.(1) >Gerechtigkeit/Morris, >Staat/Morris, >Legitimität/Morris. Man könnte einen solchen Staat für minimal legitim halten. Nun ist es sehr unwahrscheinlich, dass viele Staaten so beschaffen sind, dass sie (praktisch) allen Untertanen Gründe liefern, (praktisch) alle Gesetze zu befolgen, selbst wenn wir Sanktionen ergreifen, um Gründe der entsprechenden Art zu liefern. Es kann auch sein, dass viele Staaten, die den meisten Untertanen Gründe liefern, tyrannisch oder fähig sind, verschiedene Übel zu begehen. Es ist daher zweifelhaft, ob eine rationale Rechtfertigung die Art ist, die wir anstreben sollten. Es scheint, dass einige Arten der moralischen Rechtfertigung das sind, was wir brauchen.* Gaus I 204 Zustimmung: Die Zustimmung kann eine notwendige Bedingung für die Legitimität oder lediglich eine hinreichende Bedingung (oder beides) sein. Wenn man davon ausgeht, dass die Zustimmung ausreichen könnte, um nur (einigermaßen) gerechte Regierungen oder Staaten zu legitimieren, sollten wir uns die Konsenstheorie so vorstellen, dass sie sowohl die Notwendigkeit als auch die Hinlänglichkeit der Zustimmung zur Legitimität bestätigt. Die Behauptung, dass die Zustimmung ausreichend ist, ist die weniger umstrittene der beiden Theorien (siehe Simmons, 1979(2): 57; 1993(3): 197-8; Green, 1988(4): 161-2; Beran, 1987(5)). * Eine Reihe zeitgenössischer Theoretiker haben die Demokratie als eine verfahrenstechnisch faire Art und Weise verteidigt, Entscheidungen angesichts ernsthafter Meinungsverschiedenheiten über Gerechtigkeit zu treffen. Diese Denker argumentieren, dass demokratische Institutionen für die Legitimation von Staaten unerlässlich sind (siehe Christiano, 1996(6)). Siehe auch A. Buchanan (2002)(7) für eine ähnliche Behauptung über die demokratische Legitimität und für eine Legitimitätskonzeption ähnlich wie Morris (1998)(1). 1. Morris, Christopher W. (1998) An Essay on the Modern State. Cambridge: Cambridge University Press. (2): 114—15, 122—7, 134—6, 160—1) 2. Simmons, A. John (1979) Moral Principles and Political Obligations. Princeton, NJ: Princeton Umversity Press. 3. Simmons, A. John (1993) On the Edge of Anarchy: Locke, Consent, and the Limits of Society. Princeton, NJ: Princeton Umversity Press. 4. Green 1988 5. Beran, Harry (1987) The Consent Theory of Political Obligation. Beckenham: Croom Helm. 6. Christiano, Thomas (1996) The Rule of Many: Fundamental Issues in Democratic Theory. Boulder, CO: Westview. 7. Buchanan, Allen (2002) 'Political legitimacy and democracy'. Ethics, 112 (July): 689-719. Morris, Christopher W. 2004. „The Modern State“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications |
Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Rechtsprechung | Public Choice-Theorie | Parisi I 195 Rechtsprechung/Public Choice-Theorie/Farber: Gerichte sind wichtige Akteure in Demokratien. Eine Frage ist, warum es ihnen erlaubt ist, unabhängig zu arbeiten, anstatt von der Exekutive oder der Legislative kontrolliert zu werden. Es gibt klare gesellschaftliche Vorteile der richterlichen Unabhängigkeit, da die Rechtsstaatlichkeit durch die Aufrechterhaltung von Eigentumsrechten, der Durchsetzbarkeit von Verträgen und der persönlichen Freiheit Vorteile bietet. Aus einem engeren Blickwinkel betrachtet, macht die richterliche Unabhängigkeit gesetzgeberische Abmachungen dauerhafter (Landes und Posner, 1975)(4). Nichtsdestotrotz gibt es auch einen eindeutigen kurzfristigen Vorteil für Politiker, wenn sie in ausstehende Fälle eingreifen können, entweder in Verfolgung ihrer eigenen politischen Ziele oder im Namen von Wählern. Restriktionen: Die Frage ist, wie (...) Restriktionen umgesetzt und aufrechterhalten werden können, wenn man bedenkt, dass die Gesetzgeber zu jedem Zeitpunkt davon profitieren könnten, wenn sie Einfluss auf die Richter ausüben könnten. Eine Möglichkeit ist der verfassungsrechtliche Schutz von Richtern, wie etwa der Schutz vor Abberufung. Die Konstitutionalisierung dieser Beschränkungen erhöht die Kosten für die Überwindung der richterlichen Unabhängigkeit, da dies entweder die Überwindung der Hürden für eine Verfassungsänderung oder die Ablehnung der Bindungskraft der Verfassung und damit die Gefährdung von Vorteilen aus anderen Regeln erfordert. Unabhängigkeit/Fragestellung: (...) was treibt die Entscheidungen von Richtern an, in dem Maße, in dem sie frei von äußeren Einflüssen sind? Dies ist offensichtlich eine Frage, die für die öffentliche Entscheidung von Bedeutung ist, da die Umsetzung von Gesetzen oft Richter betrifft. Wenn andere Akteure nicht antizipieren können, wie Richter entscheiden werden, haben sie keine Möglichkeit Parisi I 196 die Auswirkungen von Gesetzen oder Verordnungen letztlich zu kennen, und können somit auch nicht feststellen, ob Gesetze oder Verordnungen ihre eigenen Ziele fördern werden. Richter/Entscheidungen/Shepsle: "Richter sind rätselhafte Akteure im politischen Leben" (Shepsle, 2010(1), S. 486). Die Wirtschaftswissenschaften gehen üblicherweise von der Theorie aus, dass Anreize das Verhalten steuern, aber in dem Maße, in dem Richter Unabhängigkeit genießen, sind die üblichen ökonomischen Anreize nicht vorhanden oder zumindest erheblich geschwächt (Shepsle, 2010(1), S. 47 3). Wie die Wähler in der Privatsphäre der Wahlkabine sind die Richter also frei, die Ziele ihrer Wahl zu verfolgen. Politische Orientierung: Empirische Studien bestätigen, dass ein großer Teil des richterlichen Verhaltens mit der politischen Partei des ernannten Präsidenten korreliert. Da Public Choice im Allgemeinen davon ausgeht, dass andere Akteure ausschließlich von Präferenzen über eine Reihe von Politiken angetrieben werden, ist es verlockend, dieselbe Schlussfolgerung für Richter zu ziehen. Bei der Beurteilung dieser Befunde ist es wichtig, im Auge zu behalten, dass sich Ideologien nicht nur in ihren Werteschemata unterscheiden (d.h. in ihren Präferenzen über verschiedene Zustände). Von besonderer Relevanz für Richter sind Ideologien nicht nur in Bezug auf Werte und faktische Überzeugungen, sondern auch in Bezug auf verfassungsrechtliche Fragen wie die angemessene Rolle von Richtern, Exekutive und Gesetzgebern. Die Feststellung einer Korrelation mit der Ideologie deutet also nicht unbedingt darauf hin, dass die Entscheidungen einfach durch unterschiedliche Wertvorstellungen der Richter bestimmt werden. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass das richterliche Verhalten komplexer ist. Viele Berufungsentscheidungen sind einstimmig, und richterliche Parisi I 197 Entscheidungen lassen sich nicht immer sauber auf einer ideologischen Skala einordnen. Es gibt auch Belege dafür, dass Richter (zumindest an Bundesberufungsgerichten) von den Ansichten anderer Richter beeinflusst werden: Gremien mit einer gemischten Besetzung aus Republikanern und Demokraten neigen dazu, gemäßigtere Entscheidungen zu treffen, während Richter, die in einem Gremium eine politische Minderheit darstellen, ihre Ansichten eher in Richtung der Mehrheit bewegen. So gehen die Richter offenbar entweder Kompromisse im Interesse des Konsenses ein oder lassen sich von den Argumenten der anderen überzeugen (Stephenson, 2010(2), S. 307-308). (...) es gibt Hinweise darauf, dass Richter von Präzedenzfällen beeinflusst werden, sowohl von höheren Gerichten als auch von ihren eigenen Gerichten. Vermutlich werden sie auch von Gesetzes- und Verordnungstexten beeinflusst, da es sonst schwer zu verstehen wäre, warum sich Gesetzgeber und Verwaltung die Mühe machen, sie zu erlassen. Rein "juristische" Überlegungen spielen also durchaus eine Rolle bei richterlichen Entscheidungen (Stephenson, 2010(2), S. 308-310). Interessen/Gleichgewicht: Vielleicht kümmern sich Richter tatsächlich um rechtliche Regeln um ihrer selbst willen, oder vielleicht legen sie Wert auf ihren beruflichen Ruf. Oder, was am interessantesten ist, vielleicht ist die Einhaltung rechtlicher Regeln ein Gleichgewicht, das dem längerfristigen Interesse der einzelnen Richter dient, eine politische Wirkung zu erzielen. Es scheint also, dass Ideologie, der Wunsch nach Übereinstimmung und rechtliche Regeln alle richterliche Abstimmungen beeinflussen (Jacobi, 2010)(3). 1. Shepsle, K. A. (2010). Analyzing Politics: Rationality, Behavior, and Institutions. 2nd edition. New York: W.W. Norton & co. 2. Stephenson, M. C. (2010). "Statutory Interpretation by Agencies," in D. A. Farber and A. J. O'Connell, Hrsg., Research Handbook on Public Choice and Public Law, 19—48. Northampton, MA: Edward Elgar. 3. Jacobi, T. (2010). "The Judiciary," in D. A. Farber and A. J. O'Connell, Hrsg., Research Handbook on Public Choice and Public Law, 234—259. Northampton, MA: Edward Elgar. 4. Landes, W. M. and R. A. Posner (1975). "The Independent Judiciary in an Interest-Group Perspective." Journal of Law and Economics 18(3): 875—901. Farber, Daniel A. “Public Choice Theory and Legal Institutions”. In: Parisi, Francesco (Hrsg.) (2017). The Oxford Handbook of Law and Economics. Bd. 1: Methodology and Concepts. NY: Oxford University Press |
Parisi I Francesco Parisi (Ed) The Oxford Handbook of Law and Economics: Volume 1: Methodology and Concepts New York 2017 |
Regelfolgen | Habermas | III 143 Regelfolgen/Kommunikatives Handeln/Habermas: Der Begriff des kommunikativen Handelns verdankt den auf Wittgenstein zurückgehenden sprachphilosophischen Untersuchungen viel, das Konzept der Regelbefolgung greift jedoch zu kurz. >Kommunikatives Handeln/Habermas, >Kommunikationstheorie/Habermas, >Kommunikation/Habermas, >Kommunikative Praxis/Habermas, >Kommunikative Rationalität/Habermas, >Regelfolgen/Wittgenstein, >Regelfolgen/Kripke. III 144 Bei einer Konzentration darauf ginge der Aspekt des dreifachen Weltbezugs (zu einer objektiven, einer sozialen Welt und einer subjektiven Welt als der Gesamtheit der privilegiert zugänglichen Erlebnisse des Sprechers) verloren. >Objektive Welt, >Soziale Welt, >Subjektive Welt. IV 33 Regelfolgen/Wittgenstein/Habermas: Die Pointe von Wittgensteins Argument ist, dass A nicht sicher sein kann, ob er überhaupt einer Regel folgt, wenn nicht eine Situation besteht, in der er sein Verhalten einer grundsätzlich konsensfähigen Kritik durch B aussetzt. Identität und Geltung von Regel hängen für Wittgenstein systematisch zusammen. Einer Regel folgen bedeutet in jedem einzelnen Fall derselben Regel zu folgen. Habermas: Diese Identität der Regel beruht aber nicht auf beobachtbaren Invarianzen, sondern auf der Intersubjektivität ihrer Geltung. >Intersubjektivität, >Geltung/Habermas, >Regeln. Da Regeln kontrafaktisch gelten, besteht die Möglichkeit, (…) Verhalten zu kritisieren bzw. als fehlerhaft zu bewerten. Dabei werden also zwei Rollen für die Interaktionsteilnehmer angenommen: IV 34 Die Kompetenz der Regelbefolgung und die Kompetenz zur Beurteilung des Verhaltens (was Regelkompetenz seinerseits voraussetzt). >Kontrafaktisches. Pointe: Diese Rollen bzw. Kompetenzen müssen austauschbar sein: jeder Interaktionsteilnehmer muss sie ausüben können, andererseits wäre die Identität der Regeln nicht gesichert. Frage: Wie werden Regeln zunächst überhaupt etabliert? Regeln/Habermas. |
Ha I J. Habermas Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988 Ha III Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I Frankfurt/M. 1981 Ha IV Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. II Frankfurt/M. 1981 |
Relativismus | Nagel | I 9 ff Relativismus/Subjektivismus/Nagel: Der Relativismus ist erstens selbstwidersprüchlich, weil in Anspruch genommen wird, gar nichts sei der Fall, zweitens inhaltslos, weil alles beliebige der Fall sei, was wir sagen oder glauben. I 31 ff Bsp Rorty (Subjektivist): Wir können keinen Haken ausfindig machen, der uns aus der bloßen Kohärenz heraus zu so etwas wie der Entsprechung mit der "an sich seienden Realität" hinzieht. >Kohärenz, >Korrespondenz, >Realität. NagelVsRorty et.al.: Das ist auf den ersten Blick überzeugend, aber: wenn man diese Autoren ernst nimmt, stehen sie gerade im Widerspruch zu jenem Konsens, auf dem ihnen zufolge die Objektivität "fußt": Menschen, die wissenschaftliche oder mathematische Überzeugungen entwickeln, sind sich darüber einig, dass diese Dinge schlechthin wahr sind, und zwar unabhängig davon, ob wir uns über sie einig sind. >Realismus/Nagel. I 136 Relativismus/NagelVsRelativismus/Nagel: Der Versuch, das geordnete Weltbild als Projektion unseres Geistes umzudeuten, scheitert an der Notwendigkeit, in der so geordneten Welt einen Platz für uns selbst ausfindig zu machen. Vgl. >Zentrierte Welten. I 134 Wenn wir die Phänomene immer als bloß "für uns" herabstufen, müssen wir zeigen, dass sie in keinem systematischen Zusammenhang mit beobachteten Regelmäßigkeiten stehen. |
NagE I E. Nagel The Structure of Science: Problems in the Logic of Scientific Explanation Cambridge, MA 1979 Nagel I Th. Nagel Das letzte Wort Stuttgart 1999 Nagel II Thomas Nagel Was bedeutet das alles? Stuttgart 1990 Nagel III Thomas Nagel Die Grenzen der Objektivität Stuttgart 1991 NagelEr I Ernest Nagel Teleology Revisited and Other Essays in the Philosophy and History of Science New York 1982 |
Relativismus | Walzer | Gaus I 234 Relativismus/Walzer/Lamont: Konzepte/Bedeutung/Kultur/Gesellschaft/Relativismus: Verschiedene Gesellschaften haben unterschiedliche Bedeutungen, Verständnisse und Werte, die mit diesen Gütern verbunden sind. >Werte, >Bedeutung >Gesellschaft, >Kulturelle Überlieferung. Die besonderen Bedeutungen der Güter bestimmen darüber hinaus ihre richtige Verteilung. So ergeben sich aus den sozialen Bedeutungen der Güter Verteilungsprinzipien, die nur in einer bestimmten Gesellschaft innerhalb der Sphäre dieser Güter gelten. Ungerechtigkeit liegt vor, wenn die Verteilungskriterien für ein Gut in die Sphäre eines anderen Gutes eingreifen dürfen. (Walzer, 1983)(1). >Ungerechtigkeit, >Verteilungsgerechtigkeit. Wenn zum Beispiel eine bestimmte Gesellschaft die Gesundheitsversorgung so interpretiert, dass sie bedarfsgerecht verteilt werden soll, dann entsteht Ungerechtigkeit, wenn die Gesundheitsversorgung für bedürftige Kranke unzugänglich wird und nur denjenigen zur Verfügung steht, die Geld, Talent oder Ruhm haben. >Gesundheitspolitik. Ähnlich verhält es sich, wenn eine bestimmte Gesellschaft Bildung dahingehend interpretiert, dass sie gleichmäßig oder nach Verdiensten verteilt werden sollte, dann entsteht Ungerechtigkeit, wenn sie tatsächlich nach Reichtum oder sozialen Beziehungen verteilt wird (Gutmann, 1980)(2). Diskurs/Konsens/Übereinstimmung: Walzer erkennt die Realität von Meinungsverschiedenheiten in Gemeinschaften an, besteht aber darauf, dass die Lösung von Meinungsverschiedenheiten innerhalb des spezifischen historischen und gemeinsamen kulturellen Kontextes stattfinden muss. Die Konsequenz daraus ist, so argumentiert er, dass es keinen Bezug auf hypothetische oder objektive abstrakte Ideale, unabhängig von den Standards der jeweiligen Gemeinschaft, bei der Lösung der Meinungsverschiedenheiten oder bei der Festlegung der institutionellen Methoden und Verfahren zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten geben kann (...). >Abstraktheit, >Idealisierung, >Gemeinschaft, >Konflikte, >Diskurs. 1. Walzer, Michael (1983) Spheres of Justice. Oxford: Martin Robertson. 2. Gutmann, Amy (1980) Liberal Equality. London: Cambridge University Press. Lamont, Julian 2004. „Distributive Justice“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications |
Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Repräsentation | Maturana | I 48 Repräsentation/Maturana: Das Nervensystem kann mit den Repräsentationen seiner Interaktionen in unendlicher Weise rekursiv interagieren. Repräsentationen drücken Übereinstimmung aus, die der Beobachter zwischen Relationen und verschiedenen Aktivitätszuständen des Nervensystems beobachtet. - Sie liegen als solche im kognitiven Bereich. >Nervensystem. I 125 Repräsentation/Bedeutung/Beschreibung/Semantik/Maturana: Das sind Begriffe, die ausschließlich zum Operieren in einem konsensuellen Bereich gehören. - Sie haben keinerlei Erklärungswert hinsichtlich des tatsächlichen Operierens. >Operation/Maturana, >Bereiche/Maturana. I 209/10 Repräsentation/Maturana: Ein Beobachter kann einen Aktivitätszustand aufgrund einer Interaktion des Nervensystems immer als eine Repräsentation der Interaktion auffassen. |
Maturana I Umberto Maturana Biologie der Realität Frankfurt 2000 |
Repräsentation | Wright | I 139/40 Es gibt Begriffe, die zu einfach sind, um darüber zu streiten : Bsp der Gehalt arithmetischer Behauptungen wie "57 + 65 = 122" sagt nichts über Konsens und hat dafür keine logischen Folgen. >Arithmetik/Wittgenstein. Es gäbe dafür aber auch keinen Maßstab der Korrektheit zu erfüllen, wenn nicht auf jener basalen Ebene Konsens vorausgesetzt werden könnte. I 216 Repräsentation/Wright: ...im Gegensatz dazu hat der Repräsentationscharakter von Urteilen etwa Bsp über die Formen eines Kinderpuzzles genau damit zu tun: wie verschieden auch immer wir biologisch konstitutiert sein mögen, oder welche Naturgesetze wirksam wären, die Unterschiedlichkeit der Urteile müsste als Symptom für kognitive Fehlfunktion aufgefasst werden. >Kognitive Nötigung, >Korrektheit/Wright. I 284 Verstehen/Repräsentation/Wittgenstein: Verstehen ist eher durch einen "Sinn für" etwas (Wright: z.B. Humor) zu erklären als durch Repräsentation von etwas, bzw. durch Wahrnehmung. >Verstehen. Wright: Verschwindet dieses vielleicht Subkognitive nicht, wenn wir es metasprachlich formulieren? >Metasprache. Rorty VI 41 ff Repräsentation/Wright: nicht bloß zulässige Formulierung, sondern philosophisch korrekte, zweistellige Betrachtungsweise des Wahrheitsprädikats. >Wahrheitsprädikat. (DavidsonVsSchema/Inhalt (3. Dogma): "wahr" darf nicht zweistellig sein!) >Schema/InhaltDavidson. |
WrightCr I Crispin Wright Wahrheit und Objektivität Frankfurt 2001 WrightCr II Crispin Wright "Language-Mastery and Sorites Paradox" In Truth and Meaning, G. Evans/J. McDowell Oxford 1976 WrightGH I Georg Henrik von Wright Erklären und Verstehen Hamburg 2008 Rorty I Richard Rorty Der Spiegel der Natur Frankfurt 1997 Rorty II Richard Rorty Philosophie & die Zukunft Frankfurt 2000 Rorty II (b) Richard Rorty "Habermas, Derrida and the Functions of Philosophy", in: R. Rorty, Truth and Progress. Philosophical Papers III, Cambridge/MA 1998 In Philosophie & die Zukunft, Frankfurt/M. 2000 Rorty II (c) Richard Rorty Analytic and Conversational Philosophy Conference fee "Philosophy and the other hgumanities", Stanford Humanities Center 1998 In Philosophie & die Zukunft, Frankfurt/M. 2000 Rorty II (d) Richard Rorty Justice as a Larger Loyalty, in: Ronald Bontekoe/Marietta Stepanians (eds.) Justice and Democracy. Cross-cultural Perspectives, University of Hawaii 1997 In Philosophie & die Zukunft, Frankfurt/M. 2000 Rorty II (e) Richard Rorty Spinoza, Pragmatismus und die Liebe zur Weisheit, Revised Spinoza Lecture April 1997, University of Amsterdam In Philosophie & die Zukunft, Frankfurt/M. 2000 Rorty II (f) Richard Rorty "Sein, das verstanden werden kann, ist Sprache", keynote lecture for Gadamer’ s 100th birthday, University of Heidelberg In Philosophie & die Zukunft, Frankfurt/M. 2000 Rorty II (g) Richard Rorty "Wild Orchids and Trotzky", in: Wild Orchids and Trotzky: Messages form American Universities ed. Mark Edmundson, New York 1993 In Philosophie & die Zukunft, Frankfurt/M. 2000 Rorty III Richard Rorty Kontingenz, Ironie und Solidarität Frankfurt 1992 Rorty IV (a) Richard Rorty "is Philosophy a Natural Kind?", in: R. Rorty, Objectivity, Relativism, and Truth. Philosophical Papers Vol. I, Cambridge/Ma 1991, pp. 46-62 In Eine Kultur ohne Zentrum, Stuttgart 1993 Rorty IV (b) Richard Rorty "Non-Reductive Physicalism" in: R. Rorty, Objectivity, Relativism, and Truth. Philosophical Papers Vol. I, Cambridge/Ma 1991, pp. 113-125 In Eine Kultur ohne Zentrum, Stuttgart 1993 Rorty IV (c) Richard Rorty "Heidegger, Kundera and Dickens" in: R. Rorty, Essays on Heidegger and Others. Philosophical Papers Vol. 2, Cambridge/MA 1991, pp. 66-82 In Eine Kultur ohne Zentrum, Stuttgart 1993 Rorty IV (d) Richard Rorty "Deconstruction and Circumvention" in: R. Rorty, Essays on Heidegger and Others. Philosophical Papers Vol. 2, Cambridge/MA 1991, pp. 85-106 In Eine Kultur ohne Zentrum, Stuttgart 1993 Rorty V (a) R. Rorty "Solidarity of Objectivity", Howison Lecture, University of California, Berkeley, January 1983 In Solidarität oder Objektivität?, Stuttgart 1998 Rorty V (b) Richard Rorty "Freud and Moral Reflection", Edith Weigert Lecture, Forum on Psychiatry and the Humanities, Washington School of Psychiatry, Oct. 19th 1984 In Solidarität oder Objektivität?, Stuttgart 1988 Rorty V (c) Richard Rorty The Priority of Democracy to Philosophy, in: John P. Reeder & Gene Outka (eds.), Prospects for a Common Morality. Princeton University Press. pp. 254-278 (1992) In Solidarität oder Objektivität?, Stuttgart 1988 Rorty VI Richard Rorty Wahrheit und Fortschritt Frankfurt 2000 |
Riten | Durkheim | Habermas IV 84 Ritus/Sakrales/Heiligkeit/Gesellschaft/Durkheim/Habermas: an den rituellen Handlungen lässt sich ablesen, dass das Sakrale Ausdruck eines normativen Konsenses ist, der regelmäßig aktualisiert wird: „Es gibt keine Gesellschaft, die nicht das Bedürfnis fühlte, die Kollektivgefühle und die Kollektivideen in regelmäßigen Abständen zum Leben zu erwecken und zu festigen. Diese moralische Wiederbelegung kann nur mit Hilfe von Vereinigungen, Versammlungen und Kongregationen erreicht werden, in denen die Individuen (…) gemeinsam ihre gemeinsamen Gefühle verstärken. (1) Habermas IV 85 Zeremonien/Durkheim/Habermas: Mit Zeremonien dieser Art wird nichts dargestellt; sie sind vielmehr der exemplarisch wiederholte Vollzug eines damit zugleich erneuerten Konsenses, dessen Inhalte eigentümlich selbstbezüglich sind. Es handelt sich um Variationen ein und desselben Themas, eben der Anwesenheit des Heiligen; und dieses wiederum ist nur die Form, unter der das Kollektiv „seine Einheit und Persönlichkeit“ erfährt. Die Tatsache des gelingenden Konsenses ist zugleich dessen wesentlicher Inhalt. 1.E. Durkheim, Les formes élementaires de la vie religieuse, Paris, 1968, German: Frankfurt 1981 S. S. 571. |
Durkheim I E. Durkheim Die Regeln der soziologischen Methode Frankfurt/M. 1984 Ha I J. Habermas Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988 Ha III Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I Frankfurt/M. 1981 Ha IV Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. II Frankfurt/M. 1981 |
Selbstbestimmung | Politische Theorien | Gaus I 259 Selbstbestimmung/Politische Philosophie/Kukathas: Im neunzehnten Jahrhundert war der Nationalismus mit Gaus I 260 dem Liberalismus verbündet als das Prinzip der Nationalität zum Freiheitsprinzip berufen wurde - und dies auch gegen die Fremdherrschaft. >Nationalismus, >Liberalismus. Mazzini: Der Liberalismus von Mazzini befürwortete zum Beispiel die Vereinigung Italiens als nationale Republik, aus der die französische, österreichische und päpstliche Macht vertrieben wurde. Mill: und John Stuart Mill sah eine gemeinsame Nationalität als Voraussetzung für eine (liberale) repräsentative Regierung. >J. St. Mill. Kukathas: Dies hat dazu geführt, dass die Ansprüche auf die Staatsangehörigkeit in zweierlei Hinsicht neu überdacht wurden. Liberalismus/Nicht-Liberalismus: In diesem Licht mag nationale Selbstbestimmung unproblematisch erscheinen, als Ideal könnten dies Liberale und Nichtliberale gleichermaßen bereitwillig akzeptieren: Liberale, weil sie die Selbstbestimmung bevorzugen, und Nichtliberale, weil sie die nationale Gemeinschaft bevorzugen. Doch die Dinge sind nicht so einfach. Zunächst einmal ist die Frage, wer das "Selbst" ist, das ein Recht auf Selbstbestimmung hat, immer und unausweichlich umstritten. Selbst wenn Menschen innerhalb einer Grenze das Recht haben, sich selbst zu regieren, wie soll die Grenze gezogen werden: Wer soll einbezogen und wer ausgeschlossen werden (Barry, 1991(1); 2001(2): 137)? Kultur/Gruppenzugehörigkeit: Theoretiker wie Raz und Margalit (1990)(3) versuchen, das Problem zu lösen, indem sie die Gruppenzugehörigkeit an die Kultur knüpfen und vorschlagen, dass "umschließende Gruppen" eine Reihe von Merkmalen aufweisen, die ihnen eine Einheit verleihen, die es ihnen ermöglicht, Ansprüche auf Selbständigkeit und damit Selbstbestimmung zu erheben. Zentral für solche Gruppen ist eine gemeinsame Kultur, aber nicht weniger wichtig ist die Tatsache, dass die Menschen in ihnen sich gegenseitig als Mitglieder anerkennen und ihre Mitgliedschaft als wichtig für ihre eigene Selbstidentifikation betrachten. Es ist jedoch auch wichtig, anzuerkennen, dass das Selbstbestimmungsrecht nur von einer Gruppe genossen werden kann, die in einem Gebiet die Mehrheit hat (1990(3): 441). VsIndividualismus: Was Raz und Margalit als unerwünschte Illusion ablehnen, ist das individualistische Prinzip der Zustimmung: "Es ist nicht wünschenswert, da die wichtigeren menschlichen Gruppierungen auf einer gemeinsamen Geschichte und auf den Kriterien einer nicht-freiwilligen (oder zumindest nicht völlig vertraglichen) Mitgliedschaft beruhen müssen, um den Wert zu haben, den sie haben" (1990(3): 456). >J. Raz. Konsens/KukathasVsRaz/KukathasVsMargalit: Es ist jedoch schwer vorstellbar, dass die Zustimmung in irgendeiner Form der Selbstbestimmung keine bedeutende Rolle spielen kann, wenn Selbstbestimmung etwas mehr bedeuten soll als die Bestimmung des Lebens der einen durch den Willen der anderen. Und viele andere Theorien der Selbstbestimmung geben der Zustimmung eine wesentliche Rolle als zentral für jede Darstellung der politischen Legitimität. >Konsens. Beran: Zu den nachhaltigsten Einwänden gegen die Bedeutung der Zustimmung gehört die in den Schriften von Harry Beran, insbesondere in seiner Verteidigung des Sezessionsrechts, das für die Legitimität des liberalen Staates von zentraler Bedeutung ist (Beran, 1984(4); 1987(5); siehe aber auch Green, 1988(6); und Simmons, 2001(7)) (...). >Politische Sezession. 1. Barry, Brian (1991) 'Self-government revisited'. Democracy and Power. Oxford: Clarendon, 156-86. 2. Barry, Brian (2001) Cultuæ and Equality: An Egalitarian Critique of Multiculturalism. Oxford: Polity. 3.Raz and Margalit 1990 4. Beran, Harry (1984) 'A liberal theory of secession'. Political Studies, 32:21-31. 5. Beran, Harry (1987) The Consent Theory of Political Obligation. London: Croom Helm. 6. Green, Leslie (1988) The Authority of the State. Oxford: Oxford University Press. 7. Simmons, A. John (2001) Justification and Legitimacy: Essays on Rights and Obligations. Cambridge: Cambridge University Press. Kukathas, Chandran 2004. „Nationalism and Multiculturalism“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications |
Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Situationen | Funder | Corr I 27 Situationen/Funder: Die Schlüsselfrage der Psychologie ist: Was bewirkt, dass sich Menschen so verhalten, wie sie es tun? Es stellt sich die Frage, ob das Verhalten hauptsächlich von der charakteristischen Persönlichkeit des Einzelnen oder seiner unmittelbaren Situation bestimmt wird (Mischel 1968(1); Kenrick und Funder 1988(2). Unter anderem schien die Debatte zwei große Teilbereiche der Psychologie gegeneinander auszuspielen: die Persönlichkeitspsychologie, die im Allgemeinen den Einfluss der Person betont, und die Sozialpsychologie, die die Situation betont (Funder and Ozer 1983(3); Ross and Nisbett 1991(4)). Starke Auswirkungen von Situationen und starke Auswirkungen von Personen können und werden oft in den gleichen Daten koexistieren, und das Ausmaß, in dem ein bestimmtes Verhalten von einer dieser Variablen beeinflusst wird, kann unabhängig davon sein, inwieweit es von der anderen beeinflusst wird. Corr I 28 FunderVsLewin/BanduraVsLewin: (Bandura 1978 (5)) Wir brauchen Eins ist P = f (S,B) (d.h. alles über eine Person zu wissen, bedeutet zu wissen, was sie in jeder Situation tun würde). Dieser Begriff ähnelt Mischels (1999)(6) 'wenn.... dann' Konzeption, in der die Persönlichkeit eines Individuums in Form seines charakteristischen Verhaltensmusters in Situationen dargestellt wird (siehe Shoda, Mischel und Wright 1994(7)). Die andere Formel ist S = f (P,B) (vollständiges Verständnis einer Situation bedeutet zu wissen, was jede Person in ihr tun würde), erinnert an Bem und Funder's (1978(8)) "Template Matching"-Konzeption, die Situationen in Bezug auf die Menschen beschreibt, die sich in ihnen auf bestimmte Weise verhalten würden. Corr I 29 Situationen/Asendorpf/Funder: sind schwer zu definieren: Frage: Ein Problem ist, wo die Grenzen gesetzt werden sollen. Zum Beispiel könnte man sehr einfach eine Situation in Bezug auf Ort oder Lokalität beschreiben,...((s) wo diese Lokalität ein Land oder ein Geschäft sein kann.) Zeitliche Dimension: eine Momentaufnahme der genauen und komplexen Anordnung aller physischen, psychologischen und sozialen Dinge zu einem bestimmten Zeitpunkt. Aber da jeder Moment immer anders ist als der nächste, macht es dieser Ansatz schwierig zu sagen, wo eine Situation endet und die nächste beginnt. Ein zweites Definitionsproblem ist die Perspektive. Siehe >Situationen/Murray. Corr I 31 Ebene 1: makro/physikalisch-biologisch/Umwelt: Auf dieser Ebene, der breitesten der drei, ist eine Situation einfach die rohe sensorische Information, die uns zur Verfügung steht, ungefiltert von der Wahrnehmung. Ebene 2: meso/kanonisch/konsensual: Diese Beschreibungsebene bezieht sich auf Eigenschaften der Situation, die sozial, kulturell und soziologisch konsensuell sind. Ebene 3: mikro/subjektiv/funktional: Die mikro/subjektive/funktionale Ebene beschreibt die psychologischen Nachfrage-Eigenschaften der Situation, wie sie sich auf den Einzelnen auswirkt. Vgl. >Situationen/Murray. 1. Mischel, W. 1968. Personality and assessment. New York, NY: Wiley 2. Kenrick, D. T. and Funder, D. C. 1988. Profiting from controversy: lessons from the person-situation debate, American Psychologist 43: 23–34 3. Funder, D. C. and Ozer, D. J. 1983. Behaviour as a function of the situation, Journal of Personality and Social Psychology 44: 107–12 4. Ross, L. and Nisbett, R. E. 1991. The person and the situation: perspectives of social psychology. New York: McGraw-Hill 5. Bandura, A. 1978. The self-system in reciprocal determinism, American Psychologist 33: 344–58 6. Mischel, W. 1999. Personality coherence and dispositions in a cognitive-affective personality system (CAPS) approach, in D. Cervone and Y. Shoda (eds.), The coherence of personality: social-cognitive bases of consistency, variability and organization, pp. 37–60. New York: Guilford Press 7. Shoda, Y., Mischel, W. and Wright, J. C. 1994. Intraindividual stability in the organization and patterning of behaviour: incorporating psychological situations into the idiographic analysis of personality, Journal Journal of Personality and Social Psychology 67: 674–87 8. Bem, D. J. and Funder, D. C. 1978. Predicting more of the people more of the time: assessing the personality of situations, Psychological Review 85: 485–501 Seth A Wagerman & David C. Funder, “Personality psychology of situations”, in: Corr, Ph. J. & Matthews, G. (eds.) 2009. The Cambridge Handbook of Personality Psychology. New York: Cambridge University Press. |
Corr I Philip J. Corr Gerald Matthews The Cambridge Handbook of Personality Psychology New York 2009 Corr II Philip J. Corr (Ed.) Personality and Individual Differences - Revisiting the classical studies Singapore, Washington DC, Melbourne 2018 |
Somatische Erkrankungen | Psychologische Theorien | Corr I 205 Somatische Erkrankungen/Psychologische Theorien/Elovainio/Kivimäki: Zu dieser Zeit, in den 1700er und 1800er Jahren, wurden psychologische Erklärungen, einschließlich der Persönlichkeit, hauptsächlich verwendet, wenn kein offensichtlicher physiologischer Mechanismus für eine somatische Krankheit gefunden wurde (für eine Rezension siehe Ravaja 1996)(1)). Heute deutet eine große Anzahl von Beweisen darauf hin, dass psychologische Faktoren eine Rolle bei vielen somatischen Gesundheitsproblemen spielen können, die entzündliche und kardiovaskuläre Krankheitsprozesse betreffen (Hemingway und Marmot 1999(2); Miller, Markides, Chiriboga und Ray 1996(3); Schneiderman 1987(4); Smith 1992(5)). Es wurde erwartet, dass die psychologischen Faktoren mit der somatischen Gesundheit ohne komplizierte Mechanismen zusammenhängen. Weiterhin wurde vorgeschlagen, dass die psychosomatischen Erkrankungen durch spezifische psychologische Probleme oder Konflikte verursacht werden, wie sie beispielsweise durch psychodynamische Theorien definiert sind (Lipowski 1984)(6). Spätere Untersuchungen deuten darauf hin, dass es sich hierbei eindeutig um eine zu vereinfachte Sichtweise handelt. [Das] Wachstum der wissenschaftlichen Aktivität hat jedoch zu einem immer fragmentierteren Bild des Feldes geführt. Probleme: Erstens, obwohl es einen wachsenden Konsens über die Struktur von Charakterzügen auf der höheren Ebene gibt, wie sie von den Big Five im Erwachsenenalter oder durch Temperamentstheorien (Buss, Plomin und Willerman 1973(7); Cloninger, Svrakic und Przybeck 1993(8)) in der Kindheit definiert werden, konzentriert sich ein Großteil der aktuellen Forschung zur Persönlichkeit und Gesundheit auf einzelne Merkmale niederer Ordnung (z.B. Feindseligkeit), ohne diese Charakterzüge in Bezug auf andere Charakterzüge zu untersuchen. Das zweite Problem in diesem Bereich betrifft das Fehlen eines konzeptionellen Modells des offensichtlich komplexen Interaktionsprozesses zwischen Persönlichkeit und Gesundheit. Corr I 206 Drittens haben Persönlichkeitsforscher mit einer Vielzahl von Messungen und Skalen individuelle Unterschiede zwischen Menschen auf vielfältige Weise beschrieben. Dies hat dazu beigetragen, dass sich kohärente wissenschaftliche Erkenntnisse im Vergleich zur Menge der wissenschaftlichen Aktivitäten auf diesem Gebiet nur sehr langsam summieren. Schließlich spiegelt das fragmentierte Bild der wissenschaftlichen Aktivitäten in der psychosomatischen Forschung auch seine Herkunft als eine Mischung aus zwei verschiedenen wissenschaftlichen Traditionen wider: Medizin und Verhaltenswissenschaften. Vgl. >Stress/Psychologische Theorien. Corr I 209 Ein wichtiger Satz von Theorien basiert auf der Idee, dass die Persönlichkeit als Teil der emotionalen Reaktion oder des Verhaltensmusters direkte biologische und physiologische Veränderungen oder Reaktionen mit potenziellen pathophysiologischen Konsequenzen induziert. A. Direkte Wirkungsmodelle: (Krantz und Manuck 1984(9); Schneiderman 1987)(10), (Besedovsky, del Rey, Klusman et al. 1991(11); Besedovsky, Herberman, Temoshok und Sendo 1996(12); Maier und Watkins 1998)(13); (z.B.........), Baum und Nesselhof 1988(14); Baum und Posluszny 1999(15); Cohen, Tyrrell und Smith 1991(16); Kiecolt-Glaser und Glaser 1999(17); Kiecolt-Glaser, Marucha, Malarkey et al. 1995)(18). Gemäß der Reaktivitätshypothese gibt es signifikante Unterschiede in der physiologischen Reaktivität, die mit Persönlichkeitsfaktoren zusammenhängen (Miller, Smith, Turner et al. 1996)(19). Hypothese der strukturellen Schwäche: Viele der persönlichkeitsbezogenen Merkmale, wie Schüchternheit und Feindseligkeit, teilen den gleichen genetischen oder biologischen Hintergrund mit einigen physiologischen Problemen, die mit somatischen Gesundheitsproblemen zusammenhängen oder diese sogar verursachen. (Cloninger, Svrakic und Przybeck 1993)(20) Temperamentstheorie oder die Theorie von Buss, Plomin und Willerman (1973)(21). Corr I 211 B. Direkte Effektmodelle: z.B. (Miller, Smith, Turner et al. 1996)(19). Gesundheit und Krankheit werden durch Verhaltensweisen beeinflusst, die Risiken vermitteln oder vor ihnen schützen. Weniger untersucht und kontroverser als die vorstehend beschriebenen ist die Selektionshypothese, die vorschlägt, dass psychologische Faktoren, wie z.B. die Persönlichkeit, mit der Auswahl von Personen für gesundheitsgefährdende Umgebungen oder Situationen in Verbindung gebracht werden können (Kivimäki, Virtanen, Elovainio und Vahtera 2006)(22). 1. Ravaja, N. 1996. Psychological antecedents of metabolic syndrome precursors in the young. Helsinki: Yliopistopaino 2. Hemingway, H. and Marmot, M. 1999. Evidence based cardiology: psychosocial factors in the aetiology and prognosis of coronary heart disease. Systematic review of prospective cohort studies, British Medical Journal 318: 1460–7 3. Miller, T. Q., Markides, K. S., Chiriboga, D. A. and Ray, L. A. 1995. A test of the psychosocial vulnerability and health behaviour models of hostility: results from an 11-year follow-up study of Mexican Americans, Psychosometric Medicine 57: 572–81 4. Schneiderman, M. A. 1987. Mortality experience of employees with occupational exposure to DBCP, Archives of Environmental Health 42: 245–7 5. Smith, T. W. (1992). Hostility and health: current status of a psychosomatic hypothesis, Health Psychology 11: 139–50 6. Lipowski, Z. J. 1984. What does the word ‘psychosomatic’ really mean? A historical and semantic inquiry, Psychosomatic Medicine 46: 153–71 7. Buss, A. H., Plomin, R. and Willerman, L. 1973. The inheritance of temperaments, Journal of Personality 41: 513–24 8. Cloninger, C. R., Svrakic, D. M. and Przybeck, T. R. 1993. A psychobiological model of temperament and character, Archives of General Psychiatry 50: 975–90 9. Krantz, D. S. and Manuck, S. B. 1984. Acute psychophysiologic reactivity and risk of cardiovascular disease: a review and methodologic critique, Psychological Bulletin 96: 435–64 10. Schneiderman, M. A. 1987. Mortality experience of employees with occupational exposure to DBCP, Archives of Environmental Health 42: 245–7 11. Besedovsky, H. O., del Rey, A., Klusman, I., Furukawa, H., Monge Arditi, G. and Kabiersch, A. 1991. Cytokines as modulators of the hypothalamus-pituitary-adrenal axis, Journal of Steroid Biochemistry and Molecular Biology 40: 613–18 12. Besedovsky, H. O., Herberman, R. B., Temoshok, L. R. and Sendo, F. 1996. Psychoneuroimmunology and cancer: fifteenth Sapporo Cancer Seminar, Cancer Research 56: 4278–81 13. Maier, S. F. and Watkins, L. R. 1998. Cytokines for psychologists: implications of bidirectional immune-to-brain communication for understanding behaviour, mood, and cognition, Psychological Review 105: 83–107 14. Baum, A. and Nesselhof, S. E. 1988. Psychological research and the prevention, etiology, and treatment of AIDS, American Psychologist 43: 900–6 15. Baum, A. and Posluszny, D. M. 1999. Health psychology: mapping biobehavioural contributions to health and illness, Annual Review of Psychology 50: 137–63 16. Cohen, S., Tyrrell, D. A. and Smith, A. P. 1991. Psychological stress and susceptibility to the common cold, New England Journal of Medicine 325: 606–12 17. Kiecolt-Glaser, J. K. and Glaser, R. 1999. Chronic stress and mortality among older adults, Jama 282: 2259–60 18. Kiecolt-Glaser, J. K., Marucha, P. T., Malarkey, W. B., Mercado, A. M. and Glaser, R. 1995. Slowing of wound healing by psychological stress, Lancet 346: 1194–6 19. Miller, T. Q., Smith, T. W., Turner, C. W., Guijarro, M. L. and Hallet, A. J. 1996. A meta-analytic review of research on hostility and physical health, Psychological Bulletin 119: 322–48 20. Cloninger, C. R., Svrakic, D. M. and Przybeck, T. R. 1993. A psychobiological model of temperament and character, Archives of General Psychiatry 50: 975–90 21. Buss, A. H., Plomin, R. and Willerman, L. 1973. The inheritance of temperaments, Journal of Personality 41: 513–24 22. Kivimäki, M., Virtanen, M., Elovainio, M. and Vahtera, J. 2006. Personality, work, career and health, in L. Pulkkinen, J. Kaprio and R. J. Rose (eds.), Socioemotional Development and Health from Adolescence to Adulthood, pp. 328–42. New York: Cambridge University Press Marko Elovainio and Mika Kivimäki, “Models of personality and health”, in: Corr, Ph. J. & Matthews, G. (eds.) 2009. The Cambridge Handbook of Personality Psychology. New York: Cambridge University Press |
Corr I Philip J. Corr Gerald Matthews The Cambridge Handbook of Personality Psychology New York 2009 Corr II Philip J. Corr (Ed.) Personality and Individual Differences - Revisiting the classical studies Singapore, Washington DC, Melbourne 2018 |
Soziale Bewegungen | Habermas | Gaus I 271 Soziale Bewegungen/Habermas/West: Die Expansion staatlicher und kapitalistischer Systeme organisiert das menschliche Leben zunehmend nach der instrumentellen Logik von Geld und Macht, überwältigt jede Möglichkeit eines kommunikativ erreichten Konsenses und reduziert die Lebenswelt auf eine leblose Hülle. Neue soziale Bewegungen [NSMs] werden in diesen Begriffen als ein embryonaler Gegenangriff der Lebenswelt gegen die kolonisierende Kraft der instrumentell rationalisierten Systeme verstanden (Habermas, 1981(1); 1987(2): 391—6). Lebenswelt: Die neuen Konflikte verlagern sich von den Wirtschafts- und Staatssystemen in die Lebenswelt oder genauer gesagt in die "Nahtstelle" zwischen System und Lebenswelt: "Die neuen Konflikte entstehen in Bereichen der kulturellen Reproduktion, der sozialen Integration und der Sozialisation und die neuen Konflikte werden nicht durch Verteilungsprobleme ausgelöst, sondern betreffen die Grammatik der Lebensformen". Die NSM reagieren auf die Störung und "Kolonisierung" der Lebenswelt entweder "defensiv" oder "offensiv", je nachdem, ob es darum geht, "wie gefährdete Lebensformen verteidigt oder wiederhergestellt werden können oder wie reformierte Lebensformen in die Praxis umgesetzt werden können" (1981(1): 32). Feminismus: Die Frauenbewegung ist jedoch "die einzige Bewegung, die in der Tradition der bürgerlich-sozialistischen Befreiungsbewegungen steht. Der Kampf gegen patriarchalische Unterdrückung und für die Verwirklichung eines Versprechens, das tief in den anerkannt universalistischen Grundlagen von Moral und Legalität verwurzelt ist, verleiht dem Feminismus den Impuls einer offensiven Bewegung, während alle anderen Bewegungen eher defensiven Charakter haben. (1981(1):34) Umwelt/Frieden: Umwelt- und Friedensbewegungen - übliche Paradigmen neuer sozialer Bewegungen - stellen eine "defensivere" Reaktion dar, wenn auch eine, "die bereits auf der Basis einer rationalisierten Lebenswelt operiert und neue Formen der Kooperation und Gemeinschaft erprobt" (1981(1): 35). Vgl. >Postindustrielle Gesellschaft/Touraine. 1. Habermas, Jürgen (1981) 'New social movements'. Telos, 49: 33_7. 2. Habermas, Jürgen (1987) The Theory of Communicative Action. Vol. Il, Lifeworld and System: A Critique of Functionalist Reason, trans. T. McCarthy. Cambridge: Polity. West, David 2004. „New Social Movements“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications |
Ha I J. Habermas Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988 Ha III Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I Frankfurt/M. 1981 Ha IV Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. II Frankfurt/M. 1981 Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Spam | Lessig | I 262 Spam/Lessig: Die Idee, dass Code allein das Problem von Spam beheben könnte, ist unsinnig - um Code kann immer herum kodiert werden, wenn die Umgeher nicht anderweitig motiviert sind. Das Gesetz ist ein Instrument zur Änderung der Anreize, und es sollte auch hier eingesetzt werden. Die meisten denken, dass das Gesetz hier keine Rolle spielen kann, weil sie denken, dass Spammer das Gesetz besser umgehen können, als Spamfilter zu umgehen. Aber dieser Gedanke ignoriert eine wichtige Tatsache über Spam: "Spam" ist kein Virus. Der einzige Zweck der Verordnung sollte darin bestehen, die nichtkonsensuale Kommunikation zu blockieren und eine einvernehmliche Kommunikation zu ermöglichen. I 263 Die zweite codebasierte Technik zum Blockieren von Spam konzentriert sich auf die E-Mail-Praktiken des Absenders - also nicht auf den Absender, sondern auf den "Server", der die Nachricht an den Empfänger weiterleitet. I 264 Warum ist es so schwer mit Spam umzugehen? Der einfache Grund ist, dass es nicht beschriftet ist. Es gibt keinen einfachen Weg zu wissen, dass die E-Mail, die Sie erhalten haben, Spam ist, ohne die E-Mail zu öffnen. I 265 Absender könnten damit beginnen, Empfänger für den Empfang von E-Mails zu bezahlen. Wie einige vorgeschlagen haben, könnte die E-Mail mit einem Anhang im Wert von einem Penny, oder etwas mehr kommen. Die Empfänger können alle ADVs mit Ausnahme derjenigen, die Bargeld mit sich führen, sperren. Der Schlüssel zu jedem dieser geänderten Ergebnisse ist, dass der Empfänger nun Werbemails freiwillig erhält und nicht durch einen Trick. Wenn das Ziel der Regelung in ihm für das Geld ist, dann können Sie sein Verhalten steuern, indem Sie seine Anreize ändern. Wenn das Ignorieren einer Vorschrift mehr kostet als das Befolgen, dann werden Spammer (per Saldo) sie befolgen. Es zu befolgen, könnte dazu führen, das Verhalten von Spammern zu ändern, oder auch einen anderen Job zu verfolgen. So oder so, ändern sich die wirtschaftlichen Anreize, welche wiederum das Spamming-Verhalten ändern. Wie können Sie also die Anreize von Spammern durch das Gesetz ändern? Wenn das von der Regierung angewandte Recht die Anreize für Spammer nicht ändern wird, sollten wir ein Gesetz finden, das in einer Weise angewendet wird, das Spammer fürchten. Eine solche Innovation wäre ein gut reguliertes Kopfgeld-System. I 337 Die Kosten für "Piraterie" sind deutlich geringer als die Kosten für Spam. In der Tat übersteigen die Gesamtkosten von Spam - wenn man die Verbraucher zu den Korporationen hinzufügt - die Gesamtjahreseinnahmen der Tonträgerindustrie.(1) Also wie gleicht sich dieser Unterschied im Schaden an, mit dem was der Kongreß getan hat, um auf jedes dieser zwei Probleme zu reagieren? 1. David Blackburn, “On-line Piracy and Recorded Music Sales” (Harvard University, Job Market Paper, 2004), available at link #119. |
Lessig I Lawrence Lessig Code: Version 2.0 New York 2006ff |
Sprache | Habermas | Rorty II 94 Sprache/Habermas/Rorty: Habermas unterscheidet zwischen einem strategischen und einem genuin kommunikativen Gebrauch von Sprache. es gibt eine Skala von Vertrauensgraden. >Kommunikatives Handeln/Habermas, >Kommunikationstheorie/Habermas, >Kommunikation/Habermas, >Kommunikative Praxis/Habermas, >Kommunikative Rationalität/Habermas. II 94/95 Rorty: Wenn wir aufhören, Vernunft als eine Autoritätsquelle zu deuten, löst sich die platonische und Kantische Dichotomie zwischen Vernunft und Gefühl auf. >Autorität, >Vernunft, >I. Kant, >Platon. II 96 RortyVsHabermas: Die Idee des »besseren Arguments« ist nur sinnvoll, wenn man eine natürliche, transkulturelle Relevanzbeziehung ausfindig machen kann. >Argumentation, >Letztbegründung. Habermas IV 41 Sprache/Habermas: Wir müssen zwischen a) Sprache als Medium der Verständigung und b) Sprache als Medium der Handlungskoordinierung und Vergesellschaftung von Individuen unterscheiden. IV 42 Die Bildung von Identitäten und die Entstehung von Institutionen kann man sich so vorstellen, dass der außersprachliche Kontext der Verhaltensdispositionen und der Verhaltensschemata gewissermaßen sprachlich durchdrungen d.h. symbolisch durchstrukturiert wird. >Identität/Henrich, >Institutionen. IV 43 Dabei fungiert Sprache als Medium nicht der Verständigung und der Überlieferung kulturellen Wissens, sondern der Sozialisation und der sozialen Integration. Diese Vorgänge sedimentieren sich nicht, wie Verständigungsvorgänge, in kulturellem Wissen, sondern in den symbolischen Strukturen des Selbst und der Gesellschaft, in Kompetenzen und Beziehungsmustern. >Kulturelle Überlieferung/Habermas, >Hintergrund/Habermas, >Kompetenz, >Fähigkeiten. Die Signalsprache entwickelt sich zur grammatischen Rede, indem sich das Medium der Verständigung gleichzeitig vom symbolisch strukturierten Selbst der Interaktionsteilnehmer wie von der zur normativen Realität verdichteten Gesellschaft ablöst. >Signalsprache. IV 100 Sprache/Medium/Vergesellschaftung/Habermas: Sprechhandlungen stellen nur dann ein geeignetes Medium der gesellschaftlichen Reproduktion dar, wenn sie die Funktionen der Überlieferung, der sozialen Integration und der Vergesellschaftung von Individuen gleichzeitig übernehmen können. >Sprechakte, >Illokutionäre Akte, >Perlokutionäre Akte. Das können sie nur, wenn der propositionale, der illokutionäre und der expressive Bestandteil in jeder einzelnen Sprechhandlung zu einer grammatischen Einheit so integriert sind, dass der semantische Gehalt nicht in Segmente zerfällt, sondern zwischen den Komponenten frei konvertiert werden kann. >Gehalt, >Inhalt, >Semantischer Gehalt. IV 135 Religion/Heiliges/Sprache/Habermas: In der grammatischen Rede sind die propositionalen Bestandteil mit den illokutionären und den expressiven so zusammengefügt, dass der semantische Gehalt zwischen ihnen fluktuieren kann. Alles, was sich sagen lässt, kann auch als Aussagesatz dargestellt werden. Daran kann man sich klarmachen, was ein Anschluss religiöser Weltbilder ans kommunikative Handeln bedeutet. >Religion/Habermas, >Heiliges/Durkheim. Das Hintergrundwissen geht in die Situationsdefinitionen (…) ein. Da die semantischen Gehalte sakraler und profaner Herkunft im Medium der Sprache frei fluktuieren, kommt es zu einer Fusion der Bedeutungen: die moralisch-praktischen und die expressiven Inhalte verbinden sich mit den kognitiv-instrumentellen in der Form kulturellen Wissens. Und zwar a) als kulturelles Wissen – b) als Basis für instrumentelles Handeln. Dieses letztere macht aus der Religion erst ein Totalität beanspruchendes Weltbild. >Hintergrund/Habermas. IV 273 Sprache/Medien/Steuerungsmedien/Kommunikationsmedien/Habermas: Die Umstellung von Sprache auf Steuerungsmedien (Geld, Macht (Einfluss, Reputation)) bedeutet eine Abkoppelung der Interaktion von lebensweltlichen Kontexten. >Lebenswelt/Habermas. Medien wie Geld und Macht setzen an den empirisch motivierten Bindungen an; sie codieren einen zweckrationalen Umgang mit kalkulierbaren Wertmengen und ermöglichen eine generalisierte strategische Einflussnahme auf die Entscheidungen anderer Interaktionsteilnehmer unter Umgehung sprachlicher Konsensbildungsprozesse. >Steuerungsmedien, >Kommunikationsmedien. |
Ha I J. Habermas Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988 Ha III Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I Frankfurt/M. 1981 Ha IV Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. II Frankfurt/M. 1981 Rorty I Richard Rorty Der Spiegel der Natur Frankfurt 1997 Rorty II Richard Rorty Philosophie & die Zukunft Frankfurt 2000 Rorty II (b) Richard Rorty "Habermas, Derrida and the Functions of Philosophy", in: R. Rorty, Truth and Progress. Philosophical Papers III, Cambridge/MA 1998 In Philosophie & die Zukunft, Frankfurt/M. 2000 Rorty II (c) Richard Rorty Analytic and Conversational Philosophy Conference fee "Philosophy and the other hgumanities", Stanford Humanities Center 1998 In Philosophie & die Zukunft, Frankfurt/M. 2000 Rorty II (d) Richard Rorty Justice as a Larger Loyalty, in: Ronald Bontekoe/Marietta Stepanians (eds.) Justice and Democracy. Cross-cultural Perspectives, University of Hawaii 1997 In Philosophie & die Zukunft, Frankfurt/M. 2000 Rorty II (e) Richard Rorty Spinoza, Pragmatismus und die Liebe zur Weisheit, Revised Spinoza Lecture April 1997, University of Amsterdam In Philosophie & die Zukunft, Frankfurt/M. 2000 Rorty II (f) Richard Rorty "Sein, das verstanden werden kann, ist Sprache", keynote lecture for Gadamer’ s 100th birthday, University of Heidelberg In Philosophie & die Zukunft, Frankfurt/M. 2000 Rorty II (g) Richard Rorty "Wild Orchids and Trotzky", in: Wild Orchids and Trotzky: Messages form American Universities ed. Mark Edmundson, New York 1993 In Philosophie & die Zukunft, Frankfurt/M. 2000 Rorty III Richard Rorty Kontingenz, Ironie und Solidarität Frankfurt 1992 Rorty IV (a) Richard Rorty "is Philosophy a Natural Kind?", in: R. Rorty, Objectivity, Relativism, and Truth. Philosophical Papers Vol. I, Cambridge/Ma 1991, pp. 46-62 In Eine Kultur ohne Zentrum, Stuttgart 1993 Rorty IV (b) Richard Rorty "Non-Reductive Physicalism" in: R. Rorty, Objectivity, Relativism, and Truth. Philosophical Papers Vol. I, Cambridge/Ma 1991, pp. 113-125 In Eine Kultur ohne Zentrum, Stuttgart 1993 Rorty IV (c) Richard Rorty "Heidegger, Kundera and Dickens" in: R. Rorty, Essays on Heidegger and Others. Philosophical Papers Vol. 2, Cambridge/MA 1991, pp. 66-82 In Eine Kultur ohne Zentrum, Stuttgart 1993 Rorty IV (d) Richard Rorty "Deconstruction and Circumvention" in: R. Rorty, Essays on Heidegger and Others. Philosophical Papers Vol. 2, Cambridge/MA 1991, pp. 85-106 In Eine Kultur ohne Zentrum, Stuttgart 1993 Rorty V (a) R. Rorty "Solidarity of Objectivity", Howison Lecture, University of California, Berkeley, January 1983 In Solidarität oder Objektivität?, Stuttgart 1998 Rorty V (b) Richard Rorty "Freud and Moral Reflection", Edith Weigert Lecture, Forum on Psychiatry and the Humanities, Washington School of Psychiatry, Oct. 19th 1984 In Solidarität oder Objektivität?, Stuttgart 1988 Rorty V (c) Richard Rorty The Priority of Democracy to Philosophy, in: John P. Reeder & Gene Outka (eds.), Prospects for a Common Morality. Princeton University Press. pp. 254-278 (1992) In Solidarität oder Objektivität?, Stuttgart 1988 Rorty VI Richard Rorty Wahrheit und Fortschritt Frankfurt 2000 |
Sprache | Maturana | I 56 Sprache/Maturana: Sprache ist Orientierungsverhalten. - Sie ist nicht denotativ! - Sonst ist seine Evolution nicht verständlich. - Sie würde sonst absurderweise Denotation voraussetzen. >Sprachevolution, >Denotation, >Verhalten. Sprache/Maturana: ist konnotativ: Orientierung im kognitiven Bereich. - Kein Verweis auf Entitäten. >Referenz, >Operation/Maturana. I 58 Sprache dient nicht der Übertragung von Information. - Es wird gar nichts von einem Organismus auf eine anderen übertragen. - Stattdessen: Beeinflussung einer Orientierung. >Information, >Kommunikation. I 91 Sprache dient der Herstellung eines Bezugsrahmens. >Bezugssysteme. (I 59 >"Botschaft"Maturana: Es bleibt immer noch dem Hörer überlassen, wie er sich orientiert. - Bei Orientierungsverhalten ist keine Unterscheidung Semantik/Syntax möglich.) I 126 Sprache/Maturana: Sprache muss als Ergebnis von irgendetwas anderem entstehen! Der fundamentale Prozess ist die ontogenetische Koppelung von Strukturen, die zur Entwicklung eines konsensuellen Bereichs führt. >Strukturelle Koppelung. I 198 Sprache/Überdeckung/Überdecken/Maturana: Mit Handlungen macht man Unterscheidungen. - Damit wird die Handlung zum konsensuellen Zeichen. - Die Unterscheidung wird damit überdeckt. >Operation/Maturana. Bsp Objekt/Gegenstand: Das Objekt entsteht als konsensuelle Koordination von Handlungen. - Es überdeckt die Handlung und macht sie unsichtbar. - Gegenstände überdecken Handlungen. - Gegenstände sind nicht vor der Sprache gegeben. >Gegenstände, >Ontologie. I 199 Sprache/Maturana: Sprache ist nicht Abstraktion sondern körperlich. Übertragung/Symbolisierung/Bedeutung/Denotation: diese sind immer sekundär, beim Beobachter. >Beobachtung, >Symbole, >Zeichen, >Bedeutung, >Denotation. I 255 Sprache/Maturana: Außerhalb der Sprache können wir nichts unterscheiden; auch nicht uns selbst. >Welt/Denken, vgl. >Denken ohne Sprache. Sprache setzt Neurophysiologie voraus, ist also selbst kein neurophysiologisches Phänomen - Wörter: = Unterscheidungen. >Wörter, >Wortbedeutung. I 261 Sprache operiert nicht mit Symbolen - (diese beziehen sich auf etwas Unabhängiges). Zeichen/Laute/Bewegungen: Zeichen bzw. Laute konstituieren von sich aus keine Wörter - und Folgen von Zeichen konstituieren kein Sprachhandeln. Sprache: Koordination von Handlungen. I 282 Objektivität in Klammern: betrachtet Sprache als biologisches Phänomen. - Änderungen der Strukturdynamik sind beobachtbar. >Objektivität/Maturana. |
Maturana I Umberto Maturana Biologie der Realität Frankfurt 2000 |
Sprache | Mbembe | Brocker I 917 Sprache/Mbembe/Herb: Mbembe sucht nach einem neuen »Vokabular« (Mbembe 2016(1), 66), das den afrikanischen Diskurs aus der Hegemonie westlicher Kategorien befreit und neue Denkformen für das afrikanische Subjekt entwirft. »Postkolonie« bildet dabei das Hauptwort des neuen Vokabulars. Hierzu gibt Mbembe eine erste Definition. Postkolonie erscheint hier als »Epoche«, »Eigenheit« oder »Zeitgeist«. »Als Epoche umfasst die Postkolonie in Wahrheit vielfältige Zeiträume, die aus überlappenden, ineinander verschachtelten und sich umschließenden Diskontinuitäten, Umstürzen, Trägheiten, Schwankungen bestehen« (66). Dass ein solches Unternehmen nicht mit den linearen Zeitbegriffen traditioneller Afrikaforschung und ethnologischen Feldstudien bewältigt werden kann, versteht sich für Mbembe von selbst. »Befehlsgewalt« (»Commandement«): [ist] das neue Grundwort kolonialer und postkolonialer Herrschaft. Koloniale Souveränität ist für Mbembe – im Anschluss an Derrida – in dreifacher Hinsicht bestimmbar: als gründende, sinnstiftende und ratifizierende Gewalt. (Mbembe 2016, 73-125). Brocker I 922 Postkolonialismus/Mbembe: Die koloniale Sprache ist alles andere als verständnis- und konsensorientiert. »Sie dient im Wesentlichen dazu, Befehle zu übertragen, Schweigen zu erzwingen, vorzuschreiben, zu zensurieren und einzuschüchtern« (2016, 257). Sprache entpuppt sich als Herrschaftsinstrument, sie wird zur »Guillotine« (260). Das koloniale Vokabular dient der Zurichtung und Präparation der Opfer der Kolonie. In der Praxis gehen dabei Gewalt und Sex Hand in Hand. Koloniale Herrschaft ist für Mbembe Phallokratie im Wortsinn. Hegel/Mbembe: Im Afrikabild in Hegels Die Vernunft in der Geschichte (Membe 2016(1), 252) entdeckt er die Archetypen der kolonialen Sprache. Afrika sieht Hegel als Kontinent der Triebe, seinen Bewohner, den Neger, als animalisches Triebwesen. In seinem Charakter sei »nichts an das Menschliche Anklingende« zu finden (253). Freilich ist Hegel mit seiner Vorwegnahme der verbalen Ökonomie aus der Sicht Mbembes Brocker I 923 nicht nur Komplize, sondern auch Kommentator des Kolonialismus. Hegel liefere mit seiner Theorie des Selbstbewusstseins gleichsam die Stichworte für die postkoloniale Debatte um Alterität (vgl. Fanon 1981(2); Spivak 2013(3)). 1. Achille Mbembe, De la postcolonie. Essai sur l’imagination politique dans l’Afrique contemporaine, Paris 2000. Dt.: Achille Mbembe, Postkolonie. Zur politischen Vorstellungskraft im Afrika der Gegenwart, Wien/Berlin 2016 2. Fanon, Frantz, Die Verdammten dieser Erde, Frankfurt/M. 1981. 3. Spivak, Gayatri Chakravorty, Kritik der postkolonialen Vernunft. Hin zu einer Geschichte der verrinnenden Gegenwart, Stuttgart 2013. Karlfriedrich Herb, „Achille Mbembe, Postkolonie (2000)“. in: Manfred Brocker (Hg.) Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert. Frankfurt/M. 2018 |
Brocker I Manfred Brocker Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert Frankfurt/M. 2018 |
Sprache | Parsons | Habermas IV 388 Sprache/Parsons/Systemtheorie/Habermas: Das Konzept der Sprache hatte Parsons zunächst in dem von der Kulturanthropologie verwendeten Sinn eines Mediums übernommen, das Intersubjektivität ermöglicht und den für normative Ordnungen relevanten Wertekonsens trägt. Damit erläuterte er, was es bedeutet, dass Aktoren Wertorientierungen teilen. Diese Teilhaben diente als Modell für den gemeinsamen Besitz kultureller Werte und für die kollektive Verpflichtung auf eine normative Ordnung.(1) Habermas IV 389 Problem: Wenn Geld und Macht als Steuerungsmedien eine Generalisierung von Sprache darstellen sollen, ist der kulturalistische Sprachbegriff ungenügend: 1. Es geht dann nicht mehr um die Art von Gemeinsamkeit, die die Intersubjektivität sprachlicher Verständigung darstellt, sondern eher um eine Struktur von Code und Message. 2. Ist die Frage der systematischen Lokalisierung sprachlicher Kommunikation nicht gelöst. >Steuerungsmedien, >Kommunikationsmedien. Sprache schien für Parsons zunächst zum kulturellen System zu gehören: als das Medium, durch das sich Traditionen fortpflanzen. Allerdings hatten die systemverschränkenden Mechanismen Institutionalisierung und Internalisierung schon die Frage nahegelegt, ob nicht Sprache für das Handlungssystem im allgemeinen zentral ist, und auf derselben Ebene wie der Begriff des Handelns analysiert werden muss. IV 390 Zwei Strategien sind möglich: A. Analyse der Sprache auf der Ebene des kommunikativen Handelns: Damit kann man an Linguistik und Sprachphilosophie anknüpfen. >Kommunikatives Handeln. Das geht jedoch nicht, wenn man die zweite Strategie verfolgt: B. Man unterläuft die Ebene sprach- und handlungstheoretischer Untersuchungen und analysiert den Mechanismus sprachlicher Verständigung nur unter dem funktionalistischen Gesichtspunkt der Systembildung. Dieser Strategie folgt Luhmann: man würde nicht aus einer Analytik des Handelns unter Anfügung allgemeiner systemtheoretische Gesichtspunkte … eine Theorie des Handlungssystems konstruieren; man würde allgemeine systemtheoretische Konstruktionsüberlegungen verwenden, um daraus abzuleiten, wie …Systeme Handlungen konstituieren.(2) >Handlungstheorie. 1. T. Parsons, Social Systems and the Evolution of Action Theory, NY 1977, S.168 2. N. Luhmann, Handlungstheorie und Systemtheorie, Ms Bielefeld 1977. |
ParCh I Ch. Parsons Philosophy of Mathematics in the Twentieth Century: Selected Essays Cambridge 2014 ParTa I T. Parsons The Structure of Social Action, Vol. 1 1967 ParTe I Ter. Parsons Indeterminate Identity: Metaphysics and Semantics 2000 Ha I J. Habermas Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988 Ha III Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I Frankfurt/M. 1981 Ha IV Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. II Frankfurt/M. 1981 |
Staat | Durkheim | Habermas IV 125 Staat/Durkheim/Habermas: in differenzierten Gesellschaften ist das Kollektivbewusstsein im Staat verkörpert. Dieser muss für die Legitimität der Gewalt, die er monopolisiert, selber sorgen: „der Staat ist ein spezielles Organ mit der Aufgabe, bestimmte Vorstellungen zu entwickeln, die für das Kollektiv gelten. Diese Vorstellungen unterscheiden sich von anderen kollektiven Vorstellungen durch ihre höheren Grad an Bewusstheit und Reflexion. (1) Habermas: moderne Staaten haben die sakralen Grundlagen ihrer Legitimation auf einen in der politischen Öffentlichkeit kommunikativ gebildeten, diskursiv geklärten Gemeinwillen umgestellt. Durkheim: Ein Volk ist umso demokratischer, als die Überlegung, die Reflexion, der kritische Geist im Gang der öffentlichen Angelegenheiten eine immer wichtigere Rolle spielen. (…) Weil es ständige Kommunikationen zwischen ihnen und dem Staat gibt, ist der Staat für die Individuen nicht mehr wie eine äußere Gewalt, die ihnen einen ganz mechanischen Antrieb aufzwingt. (2) Habermas IV 126 Habermas: in dem Maße, wie sich der religiöse Grundkonsens auflöst und die Staatsgewalt ihre sakrale Rückendeckung verliert, kann sich die Einheit des Kollektivs nur mehr als Einheit einer Kommunikationsgemeinschaft, nämlich über einen in der politischen Öffentlichkeit kommunikativ erzielten Konsens herstellen und erhalten. Habermas: wenn man diese Umstellung des Staates auf säkularisierte Grundlagen der Legitimation als Hintergrund berücksichtigt, legt die Entwicklung des Vertrages vom rituellen Formalismus zum wichtigsten Instrument des bürgerlichen Privatrechts die Idee einer Versprachlichung, einer kommunikativen Verflüssigung des religiösen Grundkonsenses nahe. 1. E. Durkheim, Lecons de sociologie, Physique des moeurs et du droit. Paris 1969, S. 87; (engl. London 1957). 2.Ebenda S. 123. |
Durkheim I E. Durkheim Die Regeln der soziologischen Methode Frankfurt/M. 1984 Ha I J. Habermas Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988 Ha III Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I Frankfurt/M. 1981 Ha IV Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. II Frankfurt/M. 1981 |
Staat | Rousseau | Höffe I 270 Staat/Rousseau/Höffe: (...) obwohl selbst ein vagabundierender Einzelgänger, verteidigt [Rousseau] die Gesellschaft in ihrer zwangsbewehrten Form, als Staatsordnung. Höffe I 272 Der Naturzustand qua Urzustand kennt keine Vorrechte, die einige Menschen zum Nachteil der anderen genießen; es gibt weder Privilegien noch Diskriminierungen. Die zwei Grundübel, die diesen idealen Zustand vernichten, bestehen im Privateigentum und in (dem es schützenden) Staat, «der bürgerlichen Gesellschaft». Im Französischen steht «société civile», nicht «société bourgoise». Rousseaus bürgerliche Gesellschaft ist hier wie bei anderen Autoren der Neuzeit keine wirtschaftsbürgerliche im Gegensatz zu einer staatsbürgerlichen Gesellschaft, sondern das zwangsbefugte Gemeinwesen, der Staat, selbst. Eigentum: Statt zur entscheidenden Leistung, einem Bei-sich-Sein zu verhelfen, bringen die beiden miteinander verwobenen Grundübel, Privateigentum und Staat, eine dreifache Ungleichheit unter den Menschen hervor und in ihrem Gefolge eine dreifache Entfremdung (aliénation): Sofern das Eigentum - jemand zäunt ein Stück Land ein und erklärt es zu dem seinigen - sich mit Gesetz und Recht umgibt, schafft es Reiche und Arme, sofern eine Obrigkeit hinzukommt, zusätzlich Herrschende und Beherrschte, und im Fall einer Willkür- und Gewaltherrschaft überdies Herren und Sklaven. >Zivilisation/Rousseau. Höffe I 273 Im Text [der zweiten Abhandlung(1)] erscheint (...) die Einrichtung eines Staates als Ursünde, womit Rousseau noch schärfer als Hobbes Aristoteles' politische Anthropologie, das «von Natur aus Politischsein» des Menschen, ablehnt. Der Staat gilt hier nicht bloß wie für Hobbes als künstlich, sondern sogar als widernatürlich. Paradoxerweise erweist er sich trotzdem am Ende als notwendig. Höffe I 275 Ursprung/Rechtfertigung: Weil der Staat seinen Ursprung in einem Freiheitsakt nimmt, verfügt er über Legitimität, die allerdings ausschließlich auf diesem Weg, einer freien Zustimmung, eben dem >Gesellschaftsvertrag, zustande kommt. Keine auch noch so überlegene Macht kann irgendein Recht erzeugen. Nur ein allseitiger Konsens, eine Vereinbarung, die von keinem der Betroffenen Widerspruch erfährt, ermächtigt zu einer rechtmäßigen Herrschaft. >Rechtfertigung. État civil: Mit dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages verlassen die Menschen den Naturzustand und treten in den (staats-)bürgerlichen Zustand (état civil) ein. Bei diesem Übergang machen sie eine Veränderung durch, die wegen ihrer Radikalität als eine Revolution, freilich als eine gewaltfreie, zu bezeichnen ist. Fortan wird ihr Verhalten nicht länger von einem körperlichen Trieb, dem Instinkt, bestimmt, sondern von einer «Stimme der Pflicht»(2), der Gerechtigkeit, bei der das Recht an die Stelle des Begehrens tritt. Höffe I 278 Gewaltenteilung: Ebenso radikal wie den Gedanken der Repräsentation verwirft Rousseau den der Gewaltenteilung. Allerdings hält er klugerweise die von ihm propagierte Demokratie für ein nie zu erreichendes Ideal. >Parlamentarismus/Rousseau: RousseauVsPolitische Repräsentation. 1. Rousseau, Discours sur l'inégalité parmi les hommes, 1755 2. Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag oder Grundsätze des Staatsrechts (Du contrat social ou Principes du droit politique, 1762, I, 8. |
Rousseau I J. J. Rousseau The Confessions 1953 |
Stereotype | McGarty | Haslam I 239 Stereotypen sind keine starren, vereinfachenden und negativen Verzerrungen der Realität, sondern tatsächlich Eindrücke von Gruppen, welche dazu neigen würden, so flexibel, komplex, positiv und genau zu sein, wie sie es sein müssten, um die Anforderung der Wahrnehmenden, welcher sie bildeten, um sich an die sie konfrontierende Umgebung anzupassen und mit ihr zu interagieren, widerzuspiegeln. Z.B. könnten wir während des Zweiten Weltkriegs erwarten, dass Juden eine starre, geradlinige und negative Sichtweise auf Mitglieder der SS haben (so wie die SS ähnliche Ansichten über Juden hatte), aber das bedeutet nicht, dass die Ansichten von Juden über die SS unzutreffend waren, nur weil es Stereotypen waren (siehe Oakes et al., 1994)(2). Insbesondere das Stereotyp der SS als homogen und konstant böse war für die Juden eine treffende und funktionelle Sichtweise auf die damaligen Mitglieder der SS. Kognitionen, Verhaltensweisen und Stereotype müssen sich aber auch ändern können, denn wenn sie es nicht können, könnten Menschen nie auf eine sich verändernde Welt reagieren und nie einen Konsens erreichen (McGarty, 1999)(3). Sozialverhalten: Ohne diese Dinge wäre ein sinnvolles Sozialverhalten unmöglich (weil es unter anderem die Möglichkeit der sozialen Zusammenarbeit und des sozialen Wandels ausschließt). 1. McGarty, C., Haslam, S.A., Turner, J.C. and Oakes, P.J. (1993) ‘Illusory correlation as accentuation of actual intercategory difference: Evidence for the effect with minimal stimulus information’, European Journal of Social Psychology, 23: 391–410. 2. Oakes, P.J., Haslam, S.A. and Turner, J.C. (1994) Stereotyping and Social Reality. Oxford: Blackwell. 3. McGarty, C. (1999) Categorization in Social Psychology. London: Sage. Craig McGarty, „Stereotype Formation. Revisiting Hamilton and Gifford’s illusory correlation studies“, in: Joanne R. Smith and S. Alexander Haslam (eds.) 2017. Social Psychology. Revisiting the Classic studies. London: Sage Publications |
Haslam I S. Alexander Haslam Joanne R. Smith Social Psychology. Revisiting the Classic Studies London 2017 |
Symbole | Habermas | IV 96 Symbole/Habermas: der religiöse Symbolismus stellt eine der drei vorsprachlichen Wurzeln des kommunikativen Handelns dar; aber allein durch kommunikatives Handeln hindurch können sich die am religiösen Symbolismus festgemachten Energien gesellschaftlicher Solidarität verzweigen und als moralische Autorität sei es den Institutionen oder den Personen mitteilen. Das Irritierende an dieser Wurzel ist der Umstand, dass sie von Haus aus symbolischer Natur ist. Der kognitive Umgang mit wahrnehmbaren und manipulierbaren Gegenständen steht ebenso... IV 97 ...wie die Expression von Erlebnissen (…) in Kontakt mit der äußeren bzw. inneren Natur; sie berühren sich mit einer nicht nur sprachtranszendenten, sondern auch von Symbolstrukturen freien Realität. >Kommunikatives Handeln/Habermas, >Kommunikationstheorie/Habermas, >Kommunikation/Habermas, >Kommunikative Praxis/Habermas, >Kommunikative Rationalität/Habermas. Demgegenüber hat das Normbewusstsein keine gleichermaßen triviale außersprachliche Referenz. >Normen. G. H. Mead/Habermas: Nach Mead sichert das Kollektivbewusstsein und die von einem paläosymbolisch gestützten Konsens getragene kollektive Identität (…) einen Kontakt mit einer, wenn auch nicht symbolfreien, so doch vorsprachlichen Realität – sie sind „älter“ als die sprachlich vermittelte Interaktion. >G.H. Mead. |
Ha I J. Habermas Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988 Ha III Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I Frankfurt/M. 1981 Ha IV Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. II Frankfurt/M. 1981 |
Theorien | Lamont | Gaus I 230 Theorien/Grundsätze/Begründung/Lamont: (...) Theorien [zur Verteilungsgerechtigkeit] sind vor allem nach dem Inhalt ihrer Annäherung an die moralischen Anforderungen von Wohlfahrt (oder Glück) und Verantwortung charakterisiert worden. Es ist wichtig, hier auf einige der Komplikationen dieser Charakterisierungen hinzuweisen und Gaus I 231 auch auf andere Arten der Konzeptualisierung der Literatur über Verteilungsgerechtigkeit. Die meisten Theoretiker sind genau beschrieben durch eine Reihe von nicht äquivalenten Bezeichnungen. Die hier verwendeten Klassifikationen sind in der zeitgenössischen Literatur weit verbreitet, aber es gibt dennoch subtile Unterschiede in der Art und Weise, wie verschiedene Autoren diese Bezeichnungen verwenden. Inhalt/Prinzip/Begründung: Eine wichtige Unterscheidung besteht zwischen dem Inhalt eines Verteilungsprinzips und seiner Begründung. Inhalt: "Inhalt" bezieht sich auf die Verteilung, die idealerweise durch ein Prinzip empfohlen wird, während "Rechtfertigung" sich auf die Gründe bezieht, die zur Unterstützung des Prinzips angeführt werden. Theoretiker können nach dem Inhalt ihrer Theorie oder nach der von ihnen angegebenen Begründung unterschieden und etikettiert werden. Probleme: 1) (...) die hier verwendeten gemeinsamen Bezeichnungen beziehen sich zum Teil auf den Inhalt und zum Teil auf die Begründungen für verschiedene Positionen. 2) (...) die meisten Gruppen von Theorien haben Begründungen aus verschiedenen Quellen, und einzelne Autoren verwenden manchmal sogar mehr als eine Begründungsquelle für ihre Theorie. Die meisten Kombinationen von Inhalt und Rechtfertigung sind in der Tat versucht worden. Beispielsweise verwenden verschiedene Libertarianer natürliche Rechte, Verdienste, Utilitarismus oder Kontraktualismus zur Rechtfertigung ihrer Theorien; verschiedene Verdiensttheoretiker verwenden natürliche Rechte, Kontraktualismus und sogar Utilitarismus (Mill 1877(1); Sidgwick, 1890(2)). Teilweise kommt dies daher, dass es verschiedene Versionen von Begründungen gibt, die jedoch aufgrund einer gewissen Ähnlichkeit das gleiche breite Etikett teilen. Vertragstheorie: Beispielsweise ist der Kontraktualismus in den Begründungen vieler Theorien enthalten und umfasst sowohl Hobbes'sche als auch Kant'sche Kontraktualisten nach Thomas Hobbes und Immanuel Kant (Hampton, 1991(3)). A) Hobbes'sche Kontraktualisten wie David Gauthier versuchen, die Moral mit den eigennützigen Gründen zu rechtfertigen, die Individuen haben, um bestimmten Bedingungen der sozialen Zusammenarbeit zuzustimmen. B) Kant'sche Kontraktualisten wie John Rawls berufen sich auf moralische Gründe, um die Bedingungen sozialer Kooperation zu rechtfertigen, die einer Zustimmung würdig wären, und argumentieren gewöhnlich für Verteilungen am egalitären Ende des Spektrums. Ein Hobbes'scher Kontraktualist, wie Sie vielleicht vermuten, plädiert eher für libertär orientierte Systeme (Buchanan, 1982(4); Gauthier, 1987(5); Levin, 1982(6)). Es gibt jedoch auch Anhänger von Hobbes, die darauf bestehen, dass sein Kontraktualismus besser gelesen wird, um einige wichtige Aspekte des Wohlfahrtsstaates zu rechtfertigen, als eine bloß minimalistische Regierung (Kavka, 1986(7); Morris, 1998(8): Kap. 9; Vallentyne, 1991(9)). Daher können Theoretiker, die das Etikett "vertragsorientiert" teilen, auch durch eine libertäre Ablehnung der Umverteilung oder ein egalitäres Beharren auf einer breiten Verteilung gekennzeichnet sein (...). Gleichheit/Egalitarismus: Die häufigsten Alternativen zur Charakterisierung von Theorien der Verteilungsgerechtigkeit entlang der Dimensionen Wohlfahrt und Verantwortung waren dazu da, sie entweder entlang der damit verbundenen Dimension der Gleichheit oder nach dem Grad der Gleichheit zu charakterisieren, den die Theorien vorgeben. So könnte jede der hier bereits untersuchten Theorien alternativ nach ihrer Behandlung oder ihrem Ansatz der Gleichheit kategorisiert werden (Joseph und Sumption, 1979(10); Rakowski, 1991). >Gleichheit/Sen. Sen: in seinem einflussreichen Vortrag 'Equality of what?" (1980)(12) befasst sich Amartya Sen mit der Frage, nach welchem Maßstab Gleichmacher den Grad bestimmen sollten, in dem eine Gesellschaft das Ideal der Gleichheit verwirklicht. Inzwischen wurde eine Reihe alternativer Variablen für das, was ausgeglichen werden sollte, eingeführt (Daniels, 1990(13)) und verfeinert, einschließlich der oben diskutierten Ressourcengleichmacher (Dworkin, 2000)(14), der Chancengleichheit für Wohlfahrt (Arneson, 1989(15); 1990(16); 1991(17)), des gleichen Zugangs zu Vorteilen (Cohen, 1989)(18) und des gleichen politischen Status (Anderson, 1999)(19). Gaus I 232 Konzepte/Inhalte/Theorien: Eine weitere Komplikation (...) ergibt sich aus den Unterschieden in der Konzeption des Themas der Verteilungsgerechtigkeit selbst, wobei einige Theoretiker eher den Prozess als den Inhalt oder die Rechtfertigung betonen. Die Prinzipien: [viele Theorien] befassen sich mit der Frage der Verteilungsgerechtigkeit, indem sie Prinzipien empfehlen, die als normative Ideale für Institutionen gedacht sind, die ihrerseits die Verteilung der Ressourcen maßgeblich bestimmen werden. Diese Theorien spiegeln den Fortschritt und einen wachsenden Konsens während des größten Teils des zwanzigsten Jahrhunderts darüber wider, was nicht akzeptabel ist. Beispielsweise lehnen alle angebotenen Theorien die Ungleichheiten ab, die für feudale, aristokratische und Sklavengesellschaften charakteristisch sind, sowie die Ungleichheiten, die Systemen innewohnen, die den Zugang zu Gütern, Dienstleistungen, Arbeitsplätzen oder Positionen auf der Grundlage von Rasse, Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit oder Religion einschränken. Entscheidungsprozesse: Andererseits sind einige Theoretiker der Ansicht, dass die fortdauernde Existenz vernünftiger Meinungsverschiedenheiten ein wichtiges Spiegelbild des Wesens der Verteilungsgerechtigkeit selbst ist. Sie argumentieren über zusätzliche Fragen, im Bereich der vernünftigen Uneinigkeit darüber, welches die besten Verteilungsideale sind. Hauptsächlich wird diskutiert, ob das Verfahren zur Entscheidung von Verteilungsfragen gerecht ist. So argumentieren einige, dass bestimmte Fragen der Verteilungsgerechtigkeit auf der verfassungsrechtlichen Ebene behandelt und unterschiedlich beschrieben werden sollten, während andere Fragen auf der gesetzgeberischen Ebene ordnungsgemäß entschieden werden. Gerechte Prozesse: eine Untergruppe dieser Theoretiker vertritt auch die Ansicht, dass einige Entscheidungen über Fragen der Verteilungsgerechtigkeit teilweise oder vollständig gerechtfertigt sein können, weil sie das Ergebnis eines gerechten Prozesses sind (Christiano, 1996(20); Gaus, 1996(21)). Rationale Argumente allein können vielleicht einige Systeme als ungerecht ausschließen, aber andere werden nicht nur aufgrund ihres Inhalts gerechtfertigt sein, sondern auch durch den Prozess, durch den sie erreicht wurden. >Liberalismus/Lamont. 1. Mill, John S. (1877) Utilitarianism, 6th Ed. London: Longmans, Green. 2. Sidgwick, Henry (1890) The Methods of Ethics, 4th Ed. London: Macmillan. 3. Hampton, Jean (1991) 'Two faces of contractarian thought'. In Peter Vallentyne, ed., Contractarianism and Rational Choice: Essays on David Gauthier 's Morals by Agreement. New York: Oxford University Press, 31—55. 4. Buchanan, Allen (1982) 'A critical introduction to Rawls' theory of justice'. In H. Gene Blocker and Elizabeth H. Smith, eds, John Rawls' Theory of Social Justice: An Introduction. Athens, OH: Ohio University Press. 5. Gauthier, David Peter (1987) Morals by Agreement. Oxford: Clarendon. 6. Levin, Michael (1982) 'A Hobbesian minimal state'. Philosophy and Public Affairs, 11 (4): 338-53. 7. Kavka, Gregory S. (1986) Hobbesian Moral and Political Theory. Princeton, NJ: Princeton University Press. 8. Morris, Christopher (1998) An Essay on the Modern State. Cambridge: Cambridge University Press. 9. Vallentyne, Peter (1991) Contractarianism and Rational Choice: Essays on David Gauthier's Morals by Agreement. New York: Cambridge University Press. 10. Joseph, Keith and Jonathan Sumption (1979) Equality. London: Murray. 11. Rakowskl, Eric (1991) Equal Justice. Oxford: Clarendon. 12. Sen, Amartya (1980) 'Equality of what?' In Sterling M. McMurrin, Ed., Tanner Lectures on Human Values, Bd. I. Cambridge: Cambridge University Press, 195-220. 13. Daniels, Norman (1990) 'Equality of what: welfare, resources, or capabilities?' Philosophy and Phenomenological Research, 50 (Fall): 273-96. 14. Dworkin, Ronald (2000) Soveæign Virtue: The Theory and Practice of Equality. Cambridge, MA: Harvard University Press. 15. Arneson, Richard (1989) 'Equality and equal opportunity for welfare, Philosophical Studies, 56: 77-93. 16. Arneson, Richard (1990) 'Liberalism, Distributive Subjectivism and equal opportunity for welfare', Philosophy and Public Affairs, 19: 159-94. 17. Arneson, Richard (1991) 'Lockean self-ownership: towards a demolition', Political Studies, 39 (l): 36-54. 18. Cohen, G. A. (1989) 'On the currency of egalitarian justice'. Ethics, 99 906_44. 19. Anderson, Elizabeth (1999) 'What is the point of equality?' Ethics, 109 (2): 287-337. 20. Christiano, Thomas (1996) The Rule of the Many: Fundamental Issues in Democratic Theory. Boulder, CO: Westview. 21. Gaus, Gerald (1996) Justificatory Liberalism. New York: Oxford University Press. Lamont, Julian 2004. „Distributive Justice“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications |
Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Treibhaus-Effekt | Politische Theorien | Mause I 439 Treibhaus-Effekt/Politische Theorien: Während der Zusammenhang zwischen Kraftwerksemissionen und Waldsterben unter Experten und Expertinnen ((s) in den 1980er Jahren) noch umstritten war, galt dies nicht im Hinblick auf die Ursachen des sogenannten Treibhaus-Effekts (Weidner und Mez 2008(1), S. 362 ; Siebert 1986(2), S. 7 (2)). Es gab einen breiten gesellschaftlichen Konsens, dass Klimawandel erstens eine der großen gesellschaftlichen Herausforderungen darstellt, dass zweitens in erster Linie CO2-Emissionen aus Kraftwerken ursächlich für den Klimawandel sind, und dass drittens vor allem die Industrienationen für dessen Bekämpfung verantwortlich sind (Weidner und Mez 2008(3), S. 362 f. ). Vgl. >CO2-Steuer/Fankhauser. >Emissionsrechte, >Emissionsminderung, >Emissionsziele, >Emissionen, >Emissionsrechtehandel, >Klimawandel, >Klimaschäden, >Energiepolitik, >Klimadaten, >Klimageschichte, >Klimagerechtigkeit, >Klimaperioden, >Klimaschutz, >Klimaziele, >Klimafolgenforschung, >CO2-Preis, >CO2-Preis-Koordinierung, >CO2-Preis-Strategien, >CO2-Steuer, >CO2-Steuer-Strategien. 1. Weidner, Helmut, und Lutz Mez. 2008. German climate change policy: A success story with some flaws. The Journal of Environment & Development 17( 4): 356– 378. 2. Siebert, Horst. 1986. Bedingungen der deutschen Energieversorgung, Diskussionsbeiträge: Serie II, Sonderforschungsbereich 178 „Internationalisierung der Wirtschaft“, Universität Konstanz, No. 13. 3. Weidner & Metz 2008, S. 362f |
Mause I Karsten Mause Christian Müller Klaus Schubert, Politik und Wirtschaft: Ein integratives Kompendium Wiesbaden 2018 |
Überlappender Konsens | Rawls | Gaus I 93 Überlappender Konsens/Vielfalt/Individualismus/Rawls/Waldron: Was eine Auffassung von Gerechtigkeit rechtfertigt, ist nicht, dass sie einer Ordnung entspricht, die uns vorausgegangen ist und die uns gegeben wurde, sondern dass sie mit unserem tieferen Verständnis von uns selbst und unseren Bestrebungen übereinstimmt und mit unserer Erkenntnis, dass sie angesichts unserer Geschichte und der Traditionen, die in unser öffentliches Leben eingebettet sind, für uns die vernünftigste Doktrin ist. (Rawls 1980(1): 518-19). >Gerechtigkeit/Rawls, >Prinzipien/Rawls. Gaus I 94 Ethische und religiöse Heterogenität sollte nicht länger als ein Merkmal betrachtet werden, das Gesellschaften, die durch Gerechtigkeit regiert werden, haben oder nicht haben können oder in einer Zeitperiode haben können und in einer anderen aber nicht. Sie ist vielmehr als ein dauerhaftes Merkmal der Gesellschaften zu betrachten, von dem man nicht erwarten konnte, dass es bald vergeht. >Gesellschaft/Walzer. RawlsVsRawls: Anfang der 1990er Jahre war Rawls zu der Überzeugung gelangt, dass sein Ansatz in "A Theory of Justice"(2) aus diesem Grund generell disqualifiziert wurde. >Individualismus/Rawls. Diversität/Inhomogenität/Gesellschaft/Rawls: "[W]ie ist es möglich", fragte Rawls, "dass es im Laufe der Zeit eine gerechte und stabile Gesellschaft freier und gleicher Bürger gibt, die durch vernünftige religiöse, philosophische und moralische Doktrinen zutiefst gespalten bleiben?" (1993(3): 4). In der Einführung zum Politischen Liberalismus argumentierte er, dass dies nicht mehr erreicht werden könne, indem man jeden von den ethischen und philosophischen Prämissen überzeugt, auf denen eine umfassende liberale Theorie der Gerechtigkeit beruhen könnte. Stattdessen müsse die Rawls'sche Gerechtigkeit nun als etwas dargestellt werden, das aus verschiedenen ethischen Perspektiven Unterstützung finden könne. Frage: Wie viele der wesentlichen Prinzipien und Doktrinen einer Theorie der Gerechtigkeit würden diesen neuen Ansatz überleben? Rawls beschrieb (...) die Vielfalt als eine soziale Tatsache - ein fester Bestandteil der modernen Gesellschaft. Das menschliche Leben ist mit einer Vielzahl von Werten verbunden, und es ist natürlich, dass sich die Menschen nicht darüber einig sind, wie diese Werte auszugleichen oder Prioritäten zu setzen sind. Gaus I 95 Waldron: Der Schlüssel (...) ist, darauf zu bestehen, dass eine akzeptable Gerechtigkeitstheorie, T, so beschaffen sein muss, dass unter den Gründen für die Ablehnung von T oder die Nicht-Übereinstimmung von T, keiner sich gegen die Verpflichtung von T auf eine bestimmte Wertvorstellung oder eine andere umfassende philosophische Konzeption wendet. >Individualismus/Rawls, >Rawls/Waldron. Probleme: (...) es gibt weitere Fragen, wie [ein] Schwellenwerttest zu verstehen ist. Eine Möglichkeit ist, dass T einen akzeptablen modus vivendi für die Anhänger der verschiedenen umfassenden Konzeptionen darstellt {C1, C2, ..., Cn }. Wie ein Vertrag, der den Konflikt zwischen ehemals verfeindeten Mächten beendet, kann T als das Beste dargestellt werden, was C1 im Sinne einer Gerechtigkeitstheorie erhoffen kann, da es mit C2 , ..., Cn koexistieren muss, und das Beste, was C2 erhoffen kann, da es mit C1 , C3 ,..., Cn und so weiter koexistieren muss. Rawls hält dies jedoch als Grundlage für ein Gerechtigkeitsverständnis für unbefriedigend. Es macht T verwundbar gegenüber demographischen Veränderungen oder anderen Veränderungen des Kräfteverhältnisses zwischen rivalisierenden Gesamtkonzepten - eine Verwundbarkeit, die ganz im Gegensatz zu der unerschütterlichen moralischen Kraft steht, die wir gewöhnlich mit Gerechtigkeit assoziieren (1993(3): 148). Lösung/Rawls: Stattdessen entwickelt Rawls die Idee, dass T einen überlappenden moralischen Konsens zwischen {C1 , C2 , ... , Cn } darstellen sollte. Damit meint er, dass T für die Anhänger von C1 aus moralischen Gründen akzeptabel und für die Anhänger von C2 aus moralischen Gründen akzeptabel gemacht werden könnte, und so weiter. Vielfalt/Toleranz/Locke/Kant/Rawls/Waldron: So kann zum Beispiel die Behauptung, dass religiöse Toleranz als eine Frage der Gerechtigkeit erforderlich ist, von Christen aus Locke'schen-Gründen, die mit der individualisierten Verantwortung eines jeden Menschen gegenüber Gott für seine eigenen religiösen Überzeugungen zu tun haben, von säkularen Locke-Anhängern aus Gründen der Unabänderlichkeit des Glaubens gegenüber Zwang, von Kantianern aus Gründen der hohen ethischen Gaus I 96 Bedeutung, die der Autonomie beigemessen wird, von Anhängern von John Stuart Mill auf der Grundlage der Bedeutung der Individualität und des freien Zusammenspiels von Ideen usw. bestätigt werden. >Toleranz/Locke. Waldron: Ob dies tatsächlich funktioniert, ist eine Frage, die wir in Betracht zogen, als wir Ackermans Ansatz zur Neutralität diskutiert haben. >Neutralität/Waldron. Überlappender Konsens/WaldronVsRawls: Die Idee des überlappenden Konsenses geht davon aus, dass es viele Wege zum gleichen Ziel geben kann. Geografisch ist die Metapher plausibel genug, aber wenn das Ziel eine Reihe moralischer Prinzipien ist und "Routen" als Gründe für die Akzeptanz dieser Prinzipien gelesen werden, dann ist die Sache weniger klar. Anders als gesetzliche Regeln sind moralische Aussagen nicht nur Formeln. Ein Grundsatz lässt sich vielleicht am besten als normativer Satz zusammen mit den Gründen verstehen, die zu seiner Unterstützung ordnungsgemäß angeführt werden. In beiden Fällen unterscheidet sich das Prinzip der Duldung auf christlichem Weg von dem Prinzip der Duldung basierend auf Mill. Und dies ist ein Unterschied, der von Bedeutung sein kann, denn eine Theorie der Gerechtigkeit soll nicht nur eine Reihe von Slogans für eine Gesellschaft liefern, sondern sie soll auch die Mitglieder dieser Gesellschaft durch die Streitigkeiten führen, die sich darüber entzünden können, wie diese Slogans zu verstehen und anzuwenden sind. >Gerechtigkeit/Liberalismus, >Liberalismus/Waldron. WaldronVsRawls: Soziale Gerechtigkeit wirft schließlich Bedenken auf, die mit der Strategie der Vagheit oder Ausflucht, die mit einem sich überlappenden Konsens einhergeht, kaum zu bewältigen sind - indem man eine Reihe von Anodyne-Formeln aufstellt, die für alle Menschen alles bedeuten können. Vgl. >Abtreibung/Rawls. 1. Rawls, John (1980) ‘Kantian constructivism in moral theory’. Journal of Philosophy, 77 (9): 515–72. 2. Rawls, John (1971) A Theory of Justice. Cambridge, MA: Harvard University Press. 3. Rawls, John (1993) Political Liberalism. New York: Columbia University Press. Waldron, Jeremy 2004. „Liberalism, Political and Comprehensive“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications. |
Rawl I J. Rawls A Theory of Justice: Original Edition Oxford 2005 Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Überlappender Konsens | Waldron | Gaus I 96 Überlappender Konsens/WaldronVsRawls/Waldron: Soziale Gerechtigkeit wirft schließlich Bedenken auf, die mit der Strategie der Vagheit oder Ausflucht, die mit einem überlappenden Konsens einhergeht, kaum zu bewältigen sind - indem man eine Reihe von Anodyne-Formeln aufstellt, die für alle Menschen alles bedeuten können. >Überlappender Konsens/Rawls, >Gerechtigkeit/Rawls, >Liberalismus/Waldron. WaldronVsÜberlappender Konsens: Die tatsächlichen Beispiele für überlappenden Konsens für eine pluralistische Gesellschaft, die der Politische Liberalismus liefert, sind im Vergleich dazu lächerlich einfach. Sowohl Kantianer als auch Nicht-Kantianer könnten die Demokratie befürworten, sagt Rawls, und sowohl Christen als auch Säkularisten könnten sich durchaus gegen Sklaverei aussprechen (1993(1): 122-5). Der schwierige Teil kommt, wenn wir versuchen, einen sich überlappenden Konsens zwischen (sagen wir) christlichen Fundamentalisten, Hindus, säkularen Humanisten, wissenschaftlichen Deterministen und Mitgliedern der Dot-Com-Generation über die Definition von "Chancengleichheit", den Einsatz wirtschaftlicher Anreize und die Unterscheidung zwischen Freiheit und dem Wert der Freiheit herzustellen. (...) es war nicht schwer zu erkennen, dass das Beharren auf einer starken Wüstentheorie bedeuten könnte, dass sich eine Theorie der Gerechtigkeit in soziale und religiöse Kontroversen über Tugend einmischen müsste. Aber es war viel schwieriger zu wissen, was man mit diesem Punkt anfangen sollte, oder was ein fairer oder neutraler Weg wäre, um von diesem Punkt wegzukommen. Können wir uns einen sich überlappenden Konsens bei Problemen wie dem zwischen (sagen wir) der protestantischen Arbeitsethik, dem Begriff der apostolischen Armut und den Vorstellungen von der grundlegenden Solidarität der Gemeinschaft vorstellen? Man kann leicht verzweifeln, wenn man auf Fragen wie diese unter den Bedingungen, die Rawls' späteres Werk betont hat, antwortet. Gaus I 97 Gerechtigkeit/Waldron: Eine Theorie der Gerechtigkeit (...) ist nicht nur ein Satz esoterischer Formeln; sie soll etwas Öffentliches sein, etwas, das von den Bürgern als gemeinsamer Bezugspunkt für ihre Debatten über die Verteilung von Rechten und Pflichten geteilt wird. Vgl. >Abtreibung/Rawls. 1. Rawls, John (1993) Political Liberalism. New York: Columbia University Press. Waldron, Jeremy 2004. „Liberalism, Political and Comprehensive“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications. |
Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Unparteilichkeit | Toulmin | Habermas III 60 Unparteilichkeit/Toulmin/Habermas: Toulmin möchte für die Vermeidung apriorischer Vernunftmaßstäbe nicht den Preis des Relativismus zahlen. Es darf nicht allein das zählen, was die Beteiligten jeweils für „rational“ halten. >Rationalität, >Relativismus, >Objektivität. Allerdings will Toulmin – wie der Hegel der „Phänomenologie“ – nicht willkürlich voraussetzen, sondern aus der begreifenden Aneignung des kollektiven Vernunftunternehmens der Menschengattung gewinnen. HabermasVsToulmin: solange er aber nicht die allgemeinen kommunikativen Voraussetzungen und Verfahren kooperativer Wahrheitssuche... Habermas III 61 ...klärt, kann er auch nicht formal-pragmatisch angeben, was es heißt, als Argumentationsteilnehmer einen unparteiischen Standpunkt einzunehmen. Diese „Unparteilichkeit“ lässt sich am Aufbau der verwendeten Argumente nicht ablesen, sondern nur anhand der Bedingungen der diskursiven Einlösung von Geltungsansprüchen klären. Toulmin legt nicht die richtigen Schnitte zwischen die zufälligen institutionellen Ausprägungen der Argumentation einerseits und die durch innere Strukturen bestimmten Argumentationsformen andererseits. >Geltungsansprüche, >Diskurs, >Diskurstheorie. Zwar trennt Toulmin Konflikt- und Konsensmodelle, diese stehen aber anders als er annimmt, nicht gleichberechtigt nebeneinander. Das Einlösen von Kompromissen dient überhaupt nicht einer streng diskursiven Einlösung von Geltungsansprüchen, sondern der Abstimmung nicht verallgemeinerungsfähiger Interessen auf der Grundlage gleichgewichtiger Machtpositionen. |
Toulmin I St. Toulmin The Uses of Argument Cambridge 2003 Ha I J. Habermas Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988 Ha III Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I Frankfurt/M. 1981 Ha IV Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. II Frankfurt/M. 1981 |
Verallgemeinerung | Habermas | IV 268 Verallgemeinerung/Wertgeneralisierung/Habermas: Der Trend zur Wertgeneralisierung löst auf der Ebene der Interaktion zwei gegenläufige Tendenzen aus. >Verallgemeinerung/Parsons. A. Je weiter Motiv- und Wertgeneralisierung fortschreiben, umso mehr löst sich das kommunikative Handeln von konkreten und überlieferten normativen Verhaltensmustern. >Motivation, >Werte, Kommunikatives Handeln/Habermas, >Kommunikationstheorie/Habermas, >Kommunikation/Habermas, >Kommunikative Praxis/Habermas, >Kommunikative Rationalität/Habermas. Mit dieser Entkoppelung geht die Bürde sozialer Integration immer stärker von einem religiös verankerten Konsens auf die sprachlichen Konsensbildungsprozesse über. Das lässt die allgemeinen Strukturen verständigungsorientierten Handelns IV 269 immer stärker hervortreten. >Religion/Habermas, >Kulturelle Überlieferung. So ist Wertgeneralisierung eine notwendige Bedingung für die Freisetzung des im kommunikativen Handeln angelegten Rationalitätspotentials. >Rationalität/Habermas. B. Die Freisetzung kommunikativen Handelns von partikularen Wertorientierungen bedeutet zugleich die Trennung von erfolgs- und verständigungsorientiertem Handeln. >Erfolg, >Verständigung. Es entsteht der Spielraum für Subsysteme zweckrationalen Handelns. Das entmoralisierte Zwangsrecht erzwingt einen Legitimationsaufschub, der die Steuerung sozialen Handelns über Medien ermöglicht. >Kommunikationsmedien/Habermas. |
Ha I J. Habermas Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988 Ha III Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I Frankfurt/M. 1981 Ha IV Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. II Frankfurt/M. 1981 |
Verallgemeinerung | Parsons | Habermas IV 267 Verallgemeinerung/Generalisierung/Talcott Parsons/Habermas: Def Wertgeneralisierung/Parsons: So nennt Parsons die Tendenz, dass die Wertorientierungen, die den Handelnden institutionell nahegelegt werden, im Lauf der Entwicklung immer allgemeiner und formaler Werden. >Werte, Dieser Trend ergibt sich mit struktureller Notwendigkeit aus einer Rechts- und Moralentwicklung, die eine für den Konfliktfall vorgesehene Konsenssicherung auf immer abstraktere Ebenen verschiebt. Auch die einfachsten Interaktionssysteme funktionieren nicht ohne ein gewisses Maß an generalisierten Handlungsorientierungen. >Handlung/Parsons, >Recht, >Moral. Das Grundproblem ist: Wie bringt Ego es fertig, dass Alter eine Interaktion in erwünschter Weise fortsetzt – wie vermeidet er einen Konflikt, der die Handlungssequenz unterbricht? Habermas: Wir stoßen auf triviale Elemente, die an keine speziellen Voraussetzungen gebunden sind: auf das Ansehen, das Ego genießt und den Einfluss, den er ausübt. Wenn eine angesehene Person Initiative ergreift, kann sie mit einem Vertrauensvorschuss rechnen, der sich (…) in einer, einzelne Situationen übergreifenden Konsens- und Folgebereitschaft auszahlt. Dem Prestige, über das einige Personen verfügen, entsprechen die generalisierten Handlungsorientierungen der anderen Interaktionsteilnehmer. Verallgemeinerung/Habermas, >Anerkennung. |
ParCh I Ch. Parsons Philosophy of Mathematics in the Twentieth Century: Selected Essays Cambridge 2014 ParTa I T. Parsons The Structure of Social Action, Vol. 1 1967 ParTe I Ter. Parsons Indeterminate Identity: Metaphysics and Semantics 2000 Ha I J. Habermas Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988 Ha III Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I Frankfurt/M. 1981 Ha IV Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. II Frankfurt/M. 1981 |
Verfassung | Konstitutionelle Ökonomie | Parisi I 202 Verfassung/Konstitutionelle Ökonomie/Voigt: Verfassungen befassen sich mit Mechanismen zur Produktion öffentlicher Güter. Indem Gesellschaften Verfassungen schreiben und verabschieden, entscheiden sie nicht in einem sinnvollen Detail, welche Art von öffentlichen Gütern sie bereitstellen wollen; vielmehr enthalten die Verfassungen Bestimmungen, die dazu dienen sollen, diese Entscheidungen zu treffen. Wenn man daran interessiert ist, die Verfassungswahl einer Gesellschaft zu analysieren, ist man in Wirklichkeit daran interessiert, eine Meta-Wahl zu analysieren, nämlich wie eine Gesellschaft (auf der Verfassungsebene) wählt, nach welchem Verfahren sie später (auf der postkonstitutionellen Ebene) wählt. Oder, mit den Worten von Peter Ordeshook (1993(1), S. 23f.): "Eine Verfassung ist kein Gesetz; sie ist der Mechanismus, den die Menschen benutzen, um die Formulierung von Gesetzgebung und Recht zu steuern." Von jedem Staat, der ein Mindestmaß an öffentlichen Gütern produziert, kann also gesagt werden, dass er de facto eine Verfassung hat. Dies ist jedoch nicht dasselbe wie eine Verfassung im Sinne des Konstitutionalismus (...). >Konsens/Konstitutionelle Ökonomie, >Staatliche Strukturen/Konstitutionelle Ökonomie, >Justizwesen/Konstitutionelle Ökonomie, >Föderalismus/Konstitutionelle Ökonomie, >Direkte Demokratie/Konstitutionelle Ökonomie. 1. Ordeshook, P. (1993). "Some Rules of Constitutional Design," in P. E. Frankel, F. Miller, and J. Paul, Hrsg., Liberalism and the Economic Order, 198—232. Cambridge: Cambridge University Press. Voigt, Stefan. “Constitutional Economics and the Law”. In: Parisi, Francesco (ed) (2017). The Oxford Handbook of Law and Economics. Vol 1: Methodology and Concepts. NY: Oxford University |
Parisi I Francesco Parisi (Ed) The Oxford Handbook of Law and Economics: Volume 1: Methodology and Concepts New York 2017 |
Verständigung | Habermas | III 386 Verständigung/Konsens/agreement/Habermas: Im Rahmen einer Handlungstheorie kann Verständigung nicht mit Hilfe psychologischer Begriffe charakterisiert werden. >Handlungstheorie. Es geht auch nicht um empirisch charakterisierte Verhaltensdispositionen sondern um die Erfassung allgemeiner Strukturen von Verständigungsprozessen, aus denen sich Teilnahmebedingungen ableiten lassen. Dabei geht es nicht um die Prädikate, die ein Beobachter verwendet, wenn er Verständigungsprozesse schreibt, sondern um das vortheoretisch Wissen kompetenter Sprecher, die selber intuitiv unterscheiden können, wann sie auf andere einwirken und wann sie sich mit ihnen verständigen. Die Sprecher wissen zudem, wann Verständigungsversuche fehlschlagen. Es geht darum, Standards für diese Unterscheidungen zu finden. Zwar gilt Verständigung als auf sprachlichem Wege zustande gekommen, die Beteiligten können sich aber auch in einer Weise eins fühlen, die es schwer macht, einen propositionalen Gehalt zuzuschreiben. Eine solche kollektive Gleichgestimmtheit erfüllt nicht die Bedingungen eines auf kommunikativem Wege erzielten Einverständnisses. Das Verständnis kann dank seiner sprachlichen Struktur nicht allein durch Einwirkung von außen induziert sein, es muss von den Beteiligten als gültig akzeptiert werden. Darin unterscheidet sich Verständigung von bloß faktisch bestehender Übereinstimmung. III 387 Ein kommunikativ erzieltes Einverständnis hat eine rationale Grundlage. Es kann nämlich nicht durch erfolgskalkulierte Einflussnahme auferlegt werden. Wohl kann ein Einverständnis objektiv erzwungen sein, aber was ersichtlich durch äußere Einwirkung oder Gewalt zustande kommt, kann subjektiv nicht als Einverständnis zählen. Einverständnis beruht auf gemeinsamen Überzeugungen. Alle Beteiligten stützen ihre Entscheidungen auf potentielle Gründe. Ohne auf Sprache bzw. das Modell der Rede Bezug zu nehmen, kann Verständigung nicht analysiert werden. Allerdings verhalten Sprache und Verständigung sich nicht wie Mittel und Zwecke zueinander. Aber den Begriff der Verständigung können wir nur erklären, wenn wir angeben was es heißt, Sätze in kommunikativer Absicht zu verwenden. >Sprache/Habermas, >Sprachgebrauch, >Absicht, >Intentionen, >Intentionalität. III 394 Da Sprechhandlungen nicht immer teleologisch angelegt sind, müssen die Strukturen der sprachlichen Kommunikation auch ohne Bezugnahme auf Strukturen der Zwecktätigkeit geklärt werden können. >Zwecke, >Teleologie. Was wir mit Verständigung meinen, muss allein anhand illokutionärer Akte - Akte, mit denen gehandelt wird, nicht immer aber etwas bewirkt wird - geklärt werden. >Sprechakte, >Illokutionäre Akte, >Perlokutionäre Akte. ((s) Das ermöglicht es überhaupt, von Versuchen der Verständigung zu sprechen, auch wenn sie fehlschlagen.) III 412 Verständigung/Kommunikatives Handeln/Habermas: Wenn der Hörer ein Sprechaktangebot akzeptiert, kommt zwischen sprach- und handlungsfähigen Subjekt ein Einverständnis zustande. Dieses beruht aber nicht nur auf der intersubjektiven Anerkennung eines einzigen... III 413 ...thematisch hervorgehobenen Geltungsanspruchs. >Intersubjektivität. Vielmehr wird das Einverständnis gleichzeitig auf drei Ebenen erzielt: über a) eine im normativen Kontext richtige Sprechhandlung, b) eine wahre Aussage, c) eine wahrhaftig geäußerte Meinung, Absicht, Gefühl oder Überzeugung. >Normen, >Wahrhaftigkeit. |
Ha I J. Habermas Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988 Ha III Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I Frankfurt/M. 1981 Ha IV Jürgen Habermas Theorie des kommunikativen Handelns Bd. II Frankfurt/M. 1981 |
Volk | Kelsen | Brocker I 131 Volk/Kelsen: Von dem Willen »eines« Volkes ist bei Kelsen keine Rede, er lehnt ferner substantialistische Interpretationen vehement ab. Einheit kann es aus seiner Sicht nur als Einheit der Rechtsordnung geben, als »Einheit der das Verhalten der normunterworfenen Menschen regelnden staatlichen Rechtsordnung« (1). An Stelle des ideologisch missbrauchten »Idealbegriffs des Volkes« hebt Kelsen den »Realbegriff« hervor und unterscheidet bezüglich letzterem vier Schichten (2): 1. Alle der Herrschaft Unterworfenen (einschließlich der in einem Territorium Anwesenden, also auch der »Ausländer« 2. Der Kreis der politisch Berechtigten 3. Die Zahl derjenigen, die ihre politischen rechtstatsächlich ausüben 4. Die „Wenigen“, die im Unterschied zur „urteilslose(n) Menge“ in die Politik eingreifen durch „selbständige Willensentscheidung.(3) Ausdruck der eigentlichen politischen Aktivität des Volkes sind die politischen Parteien. >Politische Parteien/Kelsen. Das Volk wird nur durch seine Integration in Parteien zur »politische[n] Potenz«.(4) Brocker I 132 Kein Entscheidungsverfahren kommt dem Konsens so nahe wie die Mehrheitsfindung. Dieser Beobachtung liegt die Annahme zugrunde, dass ein Volkswille nicht vorhanden ist und einfach nur erkannt werden muss, sondern dass die politische Einheit immer wieder aufs Neue zu organisieren ist.(5) Brocker I 140 Volk/Rousseau/Kelsen: Rousseaus Annahmen bezüglich der Homogenität der Bevölkerung in sozialer und ökonomischer Hinsicht treffen auf die moderne Gesellschaft nicht mehr zu, an ihrer Stelle spricht Kelsen vom Gleichgewicht der Kräfte als Charakteristikum der zeitgenössischen Situation in der Zwischenkriegszeit.(6) 1. Hans Kelsen, »Vom Wesen und Wert der Demokratie«, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 47, 1920/1921, 50-85 (Separatdruck: Tübingen 1920). Erweiterte Fassung: Hans Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, Tübingen 1929 (seitenidentischer Nachdruck:Aalen 1981), S. 15 2. Ebenda S. 18f 3. Ebenda S. 19 4. Ebenda S. 23 5. Ebenda S. 62 6. Ebenda S. 97 Marcus Llanque, „Hans Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie“, in: Manfred Brocker (Hg.) Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert. Frankfurt/M. 2018 |
Brocker I Manfred Brocker Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert Frankfurt/M. 2018 |
Wahrnehmung | Meltzoff | Slater I 76 Gesichtswahrnehmung/Meltzoff/Slater: Es ist seit langem bekannt, dass menschliche Neugeborene es vorziehen, sich auf Gesichter zu konzentrieren und somit eine Vorstellung von Gesichtern haben. Es besteht jedoch kein Konsens darüber, wie umfangreich diese Vorstellung sein kann. Da Neugeborene keine Gesichtsgesten nachahmen konnten, ohne sich auf die inneren Merkmale (Augen, Mund, etc.) des Gesichts zu konzentrieren, waren Meltzoff und Moores Ergebnisse der erste klare Beweis dafür, dass Neugeborene sich auf die inneren Gesichtszüge stützen. Slater: Weitere Belege für diesen Vorschlag lieferten die Ergebnisse, dass Neugeborene es vorziehen, das attraktivere von zwei Gesichtern zu betrachten, wenn diese Seite an Seite gezeigt werden, und dass sie Informationen über innere Gesichtszüge nutzen, um Präferenzen basierend auf der Attraktivität zu treffen (Slater et al. 2000)(1). >Erklärung/Meltzoff. Für neuere Erklärungen siehe: >Spiegelneuronen/Psychologische Theorien. 1. Slater, A., Bremner, J. G. Johnson, S. P., Sherwood, P. Hayes, R. & Brown, E. (2000), Newborn infant’s preference for attractive faces: The role of internal and external facial features. Infancy, 1, 265-274 Alan M. Slater, “Imitation in Infancy. Revisiting Meltzoff and Moore’s (1977) Study”, in: Alan M. Slater and Paul C. Quinn (eds.) 2012. Developmental Psychology. Revisiting the Classic Studies. London: Sage Publications |
Slater I Alan M. Slater Paul C. Quinn Developmental Psychology. Revisiting the Classic Studies London 2012 |
Wahrnehmung | Slater | Slater I 76 Gesichtswahrnehmung/Meltzoff/Slater: Es ist seit langem akzeptiert, dass menschliche Neugeborene es vorziehen, sich auf Gesichter zu konzentrieren und somit auf Repräsentationen von Gesichtern. Es besteht jedoch kein Konsens darüber, wie umfangreich diese Darstellung sein kann. Da Neugeborene keine Mimiken nachahmen konnten, ohne sich auf die inneren Merkmale (Augen, Mund, etc.) des Gesichts zu konzentrieren, waren Meltzoff und Moores Ergebnisse der erste klare Beweis dafür, dass Neugeborene sich auf diese inneren Merkmale konzentrieren. Slater: Weitere Belege für diesen Vorschlag lieferten die Ergebnisse, dass Neugeborene es vorziehen, das attraktivere von zwei Gesichtern zu betrachten, wenn diese nebeneinander dargestellt werden, und dass sie Informationen über innere Gesichtszüge nutzen, um Präferenzen basierend auf Attraktivität zu treffen (Slater et al. 2000)(1). >Erklärung/Meltzoff. Für neuere Erklärungen: >Spiegelneuronen/Psychologische Theorien. 1. Slater, A., Bremner, J. G. Johnson, S. P., Sherwood, P. Hayes, R. & Brown, E. (2000), Newborn infant’s preference for attractive faces: The role of internal and external facial features. Infancy, 1, 265-274 Alan M. Slater, “Imitation in Infancy. Revisiting Meltzoff and Moore’s (1977) Study”, in: Alan M. Slater and Paul C. Quinn (eds.) 2012. Developmental Psychology. Revisiting the Classic Studies. London: Sage Publications |
Slater I Alan M. Slater Paul C. Quinn Developmental Psychology. Revisiting the Classic Studies London 2012 |
Werte | Relativismus | Gaus I 134 Werte/Relativismus/Kekes: Relativisten betrachten die Vielfalt der Werte als real: Es gibt viele Werte und es gibt viele Möglichkeiten, sie zu kombinieren und einzuordnen. Es gibt keinen universellen und objektiven Standard, an den man sich bei der Lösung von Meinungsverschiedenheiten über die Identität und die vergleichende Bedeutung von Werten wenden könnte. Eine gute Gesellschaft erfordert jedoch einen gewissen Konsens darüber, was als Möglichkeit akzeptiert wird und was über die Grenzen hinausgeht. Die politischen Regelungen einer guten Gesellschaft spiegeln diesen Konsens wider, und die Regelungen ändern sich mit dem Konsens. Was als Wert zählt und wie wichtig er ist, hängt dann, so die Relativisten, vom Konsens einer Gesellschaft ab. Ein Wert ist das, was in einem bestimmten Kontext bewertet wird; alle Werte sind daher kontextabhängig. Ultimative Rechtfertigung: Der ultimative Reiz der Relativisten besteht darin, auf ihre Arrangements hinzuweisen und zu sagen: Das ist es, was wir hier tun. Fideismus: So wie der Absolutismus natürlich mit einer rationalistischen Orientierung verbunden ist, so wird der Relativismus gerne mit dem Fideismus kombiniert. Wenn es in der Realität keine erkennbare moralische Ordnung gibt, dann ist der Glaube, der sich in einer Gesellschaft durchgesetzt hat, die beste Richtschnur für ein gutes Leben und für die politischen Arrangements, die es fördern. Aber der Glaube einer Gesellschaft unterscheidet sich vom Glauben einer anderen. Es ist daher nur zu erwarten, dass sich das gute Leben und die politischen Arrangements entsprechend unterscheiden. VsRelativismus: Der Relativismus scheint die Gefahren des Dogmatismus und der Unterdrückung zu vermeiden, die den Absolutismus so oft verschlingen, aber er tut es nicht. Der Relativismus ist nicht weniger anfällig für Dogmatismus und Unterdrückung als der Absolutismus. Aus der Tatsache, dass die politischen Arrangements der relativistischen Gesellschaft nach außen hin nicht als bindend angesehen werden, folgt nichts über die Art und Weise, in der sie nach innen gehalten werden. Vgl. >Absolutismus/Kekes, >Konservatismus/Kekes, >Werte/Konservatismus. Kekes, John 2004. „Conservtive Theories“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications |
Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
Werturteile | Psychologische Theorien | Corr I 394 Werturteile/Psychologische Theorien/Persönlichkeit/Allport/Saucier: Allport und Odbert (1936)(1) argumentierten, dass die Wissenschaft der Persönlichkeit gut daran täte, hochgradig bewertende Konzepte zu ignorieren. Dennoch können sie ein wichtiger Teil des Funktionierens der Mentalität sein. SaucierVsAllport: Hoch bewertete Attributkonzepte (z.B. gut, heilig, beeindruckend, böse) beziehen sich auf die wahrgenommene Kompetenz in Bezug auf konsensuale Standards für richtiges Verhalten. Wir neigen dazu, diejenigen zu verachten, die uns enttäuschen, indem sie Defizite in dieser Kompetenz aufweisen, die den Standards der öffentlichen Kultur zuwiderlaufen. Corr I 395 Z.B. können die zwei großen Dimensionen Dynamik und Moral/Soziale Angemessenheit aus der relativen Unabhängigkeit von Tendenzen resultieren, die andere als lohnend (diejenigen, denen Sie sich nähern würden) oder bedrohlich (diejenigen, die Sie vermeiden würden) betrachten. Und der einzige Bewertungsfaktor kann eine einfache Kombination aus diesen beiden sein: Attribute von Menschen, denen man sich nähern würde, im Gegensatz zu Attributen von Menschen, die man vermeiden würde. 1.Allport, G. W. and Odbert, H. S. 1936. Trait names: a psycho-lexical study, Psychological Monographs 47: Whole No. 211 Gerard Saucier, „Semantic and linguistic aspects of personality“, in: Corr, Ph. J. & Matthews, G. (eds.) 2009. The Cambridge handbook of Personality Psychology. New York: Cambridge University Press |
Corr I Philip J. Corr Gerald Matthews The Cambridge Handbook of Personality Psychology New York 2009 Corr II Philip J. Corr (Ed.) Personality and Individual Differences - Revisiting the classical studies Singapore, Washington DC, Melbourne 2018 |
Willensfreiheit | Maturana | I 143 Freiheit/Maturana: Freiheit herrscht, wenn ein Organismus in einem Bereich existiert, der nicht alle seine Interaktionen determiniert und er somit Interaktionen mit anderen Systemen durchlaufen kann. - Der Organismus ist frei, obwohl sein Operieren deterministisch ist, wenn er konsensuelle Bereiche zweiter Ordnung generieren kann. >Operation/Maturana, >Systeme/Maturana, >Beobachtung/Maturana. |
Maturana I Umberto Maturana Biologie der Realität Frankfurt 2000 |
Wissen | Barber | Brocker I 687 Wissen/Politisches Wissen/Politik/Erkenntnistheorie/Barber: These: Politisches Wissen sei autonom gegenüber philosophischem Wissen. Die entscheidende Frage sei: entspring es dem schöpferischen Konsens autonomer Bürgerwillen? (1) Barber versteht Politik “als Erkenntnistheorie”. (2) Barber: politisches Wissen sei nicht den vermeintlich absoluten Wahrheitsbedingungen der Philosophie unterworfen und auch nicht den grundlegenden Regeln wie der der Vermeidung des naturalistischen Fehlschlusses (des Schlusses vom Sein auf das Sollen). Siehe Naturalistischer Fehlschluss. Skeptizismus/Barber: dieser sei selbst nur die andere Seite eines fehlgeleiteten Wahrheitsanspruchs. Wissen/Zukunft/Barber: These: aufgrund seines Bezugs auf eine mögliche Zukunft könne politisches Wissen eine Art von Geltung erlangen, die weder auf Prinzipien noch auf Konventionen reduziert werden kann. Politisches Wissen schlage sich dabei in „funktionierenden Faustregeln“ nieder. (3) Urteil/Wahrheit/Sprache/Barber: In der Politik geht es immer um die Frage „Was sollen wir tun?“. Individuelle Ziele würden dabei durch ihre öffentliche Thematisierung in Richtung einer „auf Gegenseitigkeit beruhenden Sprache der öffentlichen Güter“ reformuliert. (4) ((s)VsBarber: nicht jedes Problem kann in einer „Sprache der öffentlichen Güter“ reformuliert werden. Es sollte auch nicht das Ziel einer Gesellschaftsform sein, darauf abzuzielen. Siehe Psychotherapie, Selbstfindung etc.). 1. Benjamin Barber, Strong Democary, Participatory Politics for a New Age, Berkeley CA, 1984, Dt. Benjamin Barber, Starke Demokratie. Über die Teilhabe am Politischen, Hamburg 1994, S. 161f. 2. Ebenda chap 5 (engl). (Kap 2 dt.) 3. Ebenda S. 164. 4. Ebenda S. 165 Michael Haus, „Benjamin Barber, Starke Demokratie“ in: Manfred Brocker (Hg.) Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert. Frankfurt/M. 2018 |
PolBarb I Benjamin Barber The Truth of Power. Intellectual Affairs in the Clinton White House New York 2001 Brocker I Manfred Brocker Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert Frankfurt/M. 2018 |
Wünsche | Nussbaum | Brocker I 905 Wünsche/Nussbaum: Wünsche spielen (...) eine doppelte Rolle: zum einen für die Herstellung des Überlegungsgleichgewichts, also der Abwägung zwischen am substantiell Guten ausgerichteten und präferenz-basierten Ansätzen, zum anderen als informierte Wünsche (»informed desires«), über die substantielle und prozedurale Argumente zusammengeführt werden. Auf dem Wege des Austauschs über Werte, beruhend auf nichthierarchischer, Brocker I 906 informierter Deliberation, soll ein stabiler Konsens möglich werden, in dem Optionen bestehen bleiben und Wünsche aus Respekt für die einzelne Person ernstgenommen werden.(1) >Deliberation, >Deliberative Demokratie. 1. Martha C. Nussbaum, Women and Human Development. The Capabilities Approach, Cambridge 2000, p. 151f Sandra Seubert, „Martha C. Nussbaum, Women and Human Development (2000)“, in:Manfred Brocker (Hg.) Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert. Frankfurt/M. 2018 |
Brocker I Manfred Brocker Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert Frankfurt/M. 2018 |
Ziele | Gruppenpsychologie | Haslam i 191 Ziele/Enden/Gruppenverhalten/Pratkanis/Turner/Gruppenpsychologie: (...) Individuen versuchen, ein positives Bild ihrer Gruppe zu bewahren und reagieren eher auf potenzielle Bedrohungen dieses Bildes. Imagegefährdende Ereignisse, die komplexe und Folgeaufgaben beinhalten können (insbesondere wenn sie einer öffentlichen Prüfung unterliegen), verschieben die Ziele der Gruppenmitglieder in Richtung Imagepflege und weg von anderen Zielen (z.B. deliberative, systematische Entscheidungsfindung). In dem Maße, in dem die Imagepflege durch Gruppendenken-Symptome unterstützt wird (z.B. Glaube an die inhärente Moral, kollektive Rationalisierung, Stereotypisierung von Outgroups), neigt die Entscheidungsqualität der Gruppe dazu, sich zu verschlechtern. (Turner und Pratkanis (1998a)(1)). Haslam I 194 Turner und Pratkanis (1998a)(1) und McCauley (1998)(2) weisen darauf hin, dass das Ziel, einen Konsens zu erreichen, verschiedenen Funktionen dienen kann - zum Beispiel dem Schutz einer sozialen Identität oder der Wiederherstellung eines Gefühls der Sicherheit. In einigen Fällen (z.B. unter kollektiver Bedrohung) kann das Ziel, einen Konsens zu erreichen, mit einem bestimmten Inhalt verbunden sein: Das heißt, Gruppenmitglieder können einen Konsens über eine bestimmte Schlussfolgerung (z.B. ein positives Gruppenbild) erzielen wollen. In anderen Fällen (z.B. unter großer Unsicherheit) könnte jeder Konsens überhaupt akzeptabel sein, so dass Gruppen bereit sind, negative Selbstwahrnehmungen zu akzeptieren, solange sie konvergent sind (z.B. siehe Jost und Banaji, 1994)(3): >System Justification Theory. Haslam I 195 Packer/Ungson: andere mögliche Ziele könnten sein: - der Wunsch, dass die Gruppe wirksame gemeinsame Aktionen durchführt (für die der Konsens vielleicht ein Mittel zum Zweck ist); - der Wunsch, dass die Gruppe schnell eine Entscheidung trifft (vielleicht verstärkt in Krisensituationen, und erinnernd an Geschwindigkeits- und Genauigkeitskompromisse, die endemisch für die menschliche Wahrnehmung sind; z.B. Tversky und Kahneman, 1974)(4); - der Wunsch, dass die Gruppe mit wenig Aufwand eine Entscheidung trifft (erhöht, wenn die Gruppe mit vielen komplexen Themen überlastet ist); - eine individuellere Reihe von Wünschen, positiv betrachtet zu werden und die eigene Position in der Gruppe zu behalten (gemäß McCauleys (1998)(2) Hypothese des sozialen Unbehagens). >Gruppendenken/Psychologische Theorien. Identifikation/Ziele: Die Verfolgung gruppenbezogener Ziele - was auch immer sie sind - ist insofern stärker, als sich die Mitglieder mit ihren Gruppen identifizieren (Abrams and Hogg, 1988)(5). Stark identifizierte Gruppenmitglieder versuchen, als loyal angesehen zu werden und Entscheidungen zu treffen, die den Interessen der Gruppe dienen. Normen/Genauigkeit/Packer/Ungson: Jedes der Ziele, die mit Genauigkeit und Überlegung in Konflikt stehen, könnte Symptome von Gruppendenken hervorrufen, obwohl, wie von McCauley (1998)(2) hervorgehoben, die zugrunde liegenden Mechanismen und präzisen Erscheinungsformen in Abhängigkeit vom jeweiligen Ziel unterschiedlich sein können (z.B. einige, die Internalisierung bewirken, einige Konformität). 1. Turner, M.E. and Pratkanis, A.R. (1998a) ‘A social identity maintenance model of groupthink’, Organizational Behavior and Human Decision Processes, 73: 210–35. 2. McCauley, C. (1998) ‘Group dynamics in Janis’ theory of groupthink: Backward and forward’, Organizational Behavior and Human Decision Processes, 73: 146–62. 3. Jost, J.T. and Banaji, M.R. (1994) ‘The role of stereotyping in system-justification and the production of false consciousness’, British Journal of Social Psychology, 33: 1–27. 4. Tversky, A. and Kahneman, D. (1974) ‘Judgment under uncertainty: Heuristics and biases’, Science, 185: 1124–3. Dominic J. Packer and Nick D. Ungson, „Group Decision-Making. Revisiting Janis’ groupthink studies“, in: Joanne R. Smith and S. Alexander Haslam (eds.) 2017. Social Psychology. Revisiting the Classic studies. London: Sage Publications |
Haslam I S. Alexander Haslam Joanne R. Smith Social Psychology. Revisiting the Classic Studies London 2017 |
Ziele | Pratkanis | Haslam I 191 Ziele/Enden/Gruppenverhalten/Pratkanis/Turner/Gruppenpsychologie: (...) Individuen versuchen, ein positives Bild ihrer Gruppe zu bewahren und reagieren eher auf potenzielle Bedrohungen dieses Bildes. Imagegefährdende Ereignisse, die komplexe und Folgeaufgaben beinhalten können (insbesondere wenn sie einer öffentlichen Prüfung unterliegen), verschieben die Ziele der Gruppenmitglieder in Richtung Imagepflege und weg von anderen Zielen (z.B. deliberative, systematische Entscheidungsfindung). In dem Maße, in dem die Imagepflege durch Gruppendenken-Symptome unterstützt wird (z.B. Glaube an die inhärente Moral, kollektive Rationalisierung, Stereotypisierung von Outgroups), neigt die Entscheidungsqualität der Gruppe dazu, sich zu verschlechtern. (Turner und Pratkanis (1998a)(1)). Haslam I 194 Turner und Pratkanis (1998a)(1) und McCauley (1998)(2) weisen darauf hin, dass das Ziel, einen Konsens zu erreichen, verschiedenen Funktionen dienen kann - zum Beispiel dem Schutz einer sozialen Identität oder der Wiederherstellung eines Gefühls der Sicherheit. In einigen Fällen (z.B. unter kollektiver Bedrohung) kann das Ziel, einen Konsens zu erreichen, mit einem bestimmten Inhalt verbunden sein: Das heißt, Gruppenmitglieder können einen Konsens über eine bestimmte Schlussfolgerung (z.B. ein positives Gruppenbild) erzielen wollen. In anderen Fällen (z.B. unter großer Unsicherheit) könnte jeder Konsens überhaupt akzeptabel sein, so dass Gruppen bereit sind, negative Selbstwahrnehmungen zu akzeptieren, solange sie konvergent sind (z.B. siehe System Justification Theory; Jost und Banaji, 1994)(3). >System Justification Theory. Haslam I 195 Packer/Ungson: andere mögliche Ziele könnten sein: - der Wunsch, dass die Gruppe wirksame gemeinsame Aktionen durchführt (für die der Konsens vielleicht ein Mittel zum Zweck ist); - der Wunsch, dass die Gruppe schnell eine Entscheidung trifft (vielleicht verstärkt in Krisensituationen, und erinnernd an Geschwindigkeits- und Genauigkeitskompromisse, die endemisch für die menschliche Wahrnehmung sind; z.B. Tversky und Kahneman, 1974)(4); - der Wunsch, dass die Gruppe mit wenig Aufwand eine Entscheidung trifft (erhöht, wenn die Gruppe mit vielen komplexen Themen überlastet ist); - eine individuellere Reihe von Wünschen, positiv betrachtet zu werden und die eigene Position in der Gruppe zu behalten (gemäß McCauleys (1998)(2) Hypothese des sozialen Unbehagens). >Gruppendenken/Psychologische Theorien. Identifikation/Ziele: Die Verfolgung gruppenbezogener Ziele - was auch immer sie sind - ist insofern stärker, als sich die Mitglieder mit ihren Gruppen identifizieren (Abrams and Hogg, 1988)(5). Stark identifizierte Gruppenmitglieder versuchen, als loyal angesehen zu werden und Entscheidungen zu treffen, die den Interessen der Gruppe dienen. Normen/Genauigkeit/Packer/Ungson: Jedes der Ziele, die mit Genauigkeit und Überlegung in Konflikt stehen, könnte gruppendenkende Symptome hervorrufen, obwohl, wie von McCauley (1998)(2) hervorgehoben, die zugrunde liegenden Mechanismen und präzisen Erscheinungsformen in Abhängigkeit vom jeweiligen Ziel unterschiedlich sein können (z.B. einige, die Internalisierung bewirken, einige Konformität). 1. Turner, M.E. and Pratkanis, A.R. (1998a) ‘A social identity maintenance model of groupthink’, Organizational Behavior and Human Decision Processes, 73: 210–35. 2. McCauley, C. (1998) ‘Group dynamics in Janis’ theory of groupthink: Backward and forward’, Organizational Behavior and Human Decision Processes, 73: 146–62. 3. Jost, J.T. and Banaji, M.R. (1994) ‘The role of stereotyping in system-justification and the production of false consciousness’, British Journal of Social Psychology, 33: 1–27. 4. Tversky, A. and Kahneman, D. (1974) ‘Judgment under uncertainty: Heuristics and biases’, Science, 185: 1124–3. Dominic J. Packer and Nick D. Ungson, „Group Decision-Making. Revisiting Janis’ groupthink studies“, in: Joanne R. Smith and S. Alexander Haslam (eds.) 2017. Social Psychology. Revisiting the Classic studies. London: Sage Publications |
Haslam I S. Alexander Haslam Joanne R. Smith Social Psychology. Revisiting the Classic Studies London 2017 |
Ziele | Turner | Haslam I 191 Ziele/Enden/Gruppenverhalten/Pratkanis/Turner/Gruppenpsychologie: (...) Individuen versuchen, ein positives Bild ihrer Gruppe zu bewahren und reagieren eher auf potenzielle Bedrohungen dieses Bildes. Imagegefährdende Ereignisse, die komplexe und Folgeaufgaben beinhalten können (insbesondere wenn sie einer öffentlichen Prüfung unterliegen), verschieben die Ziele der Gruppenmitglieder in Richtung Imagepflege und weg von anderen Zielen (z.B. deliberative, systematische Entscheidungsfindung). In dem Maße, in dem die Imagepflege durch Gruppendenken-Symptome unterstützt wird (z.B. Glaube an die inhärente Moral, kollektive Rationalisierung, Stereotypisierung von Outgroups), neigt die Entscheidungsqualität der Gruppe dazu, sich zu verschlechtern. (Turner und Pratkanis (1998a)(1)). Haslam I 194 Turner und Pratkanis (1998a)(1) und McCauley (1998)(2) weisen darauf hin, dass das Ziel, einen Konsens zu erreichen, verschiedenen Funktionen dienen kann - zum Beispiel dem Schutz einer sozialen Identität oder der Wiederherstellung eines Gefühls der Sicherheit. In einigen Fällen (z.B. unter kollektiver Bedrohung) kann das Ziel, einen Konsens zu erreichen, mit einem bestimmten Inhalt verbunden sein: Das heißt, Gruppenmitglieder können einen Konsens über eine bestimmte Schlussfolgerung (z.B. ein positives Gruppenbild) erzielen wollen. In anderen Fällen (z.B. unter großer Unsicherheit) könnte jeder Konsens überhaupt akzeptabel sein, so dass Gruppen bereit sind, negative Selbstwahrnehmungen zu akzeptieren, solange sie konvergent sind (z.B. siehe System Justification Theory; Jost und Banaji, 1994)(3). >System Justification Theory. Haslam I 195 Packer/Ungson: andere mögliche Ziele könnten sein: - der Wunsch, dass die Gruppe wirksame gemeinsame Aktionen durchführt (für die der Konsens vielleicht ein Mittel zum Zweck ist); - der Wunsch, dass die Gruppe schnell eine Entscheidung trifft (vielleicht verstärkt in Krisensituationen, und erinnernd an Geschwindigkeits- und Genauigkeitskompromisse, die endemisch für die menschliche Wahrnehmung sind; z.B. Tversky und Kahneman, 1974)(4); - der Wunsch, dass die Gruppe mit wenig Aufwand eine Entscheidung trifft (erhöht, wenn die Gruppe mit vielen komplexen Themen überlastet ist); - eine individuellere Reihe von Wünschen, positiv betrachtet zu werden und die eigene Position in der Gruppe zu behalten (gemäß McCauleys (1998)(2) Hypothese des sozialen Unbehagens). >Gruppendenken/Psychologische Theorien. Identifikation/Ziele: Die Verfolgung gruppenbezogener Ziele - was auch immer sie sind - ist insofern stärker, als sich die Mitglieder mit ihren Gruppen identifizieren (Abrams and Hogg, 1988)(5). Stark identifizierte Gruppenmitglieder versuchen, als loyal angesehen zu werden und Entscheidungen zu treffen, die den Interessen der Gruppe dienen. Normen/Genauigkeit/Packer/Ungson: Jedes der Ziele, die mit Genauigkeit und Überlegung in Konflikt stehen, könnte Symptome von Gruppendenken hervorrufen, obwohl, wie von McCauley (1998)(2) hervorgehoben, die zugrunde liegenden Mechanismen und präzisen Erscheinungsformen in Abhängigkeit vom jeweiligen Ziel unterschiedlich sein können (z.B. einige, die Internalisierung bewirken, einige Konformität). 1. Turner, M.E. and Pratkanis, A.R. (1998a) ‘A social identity maintenance model of groupthink’, Organizational Behavior and Human Decision Processes, 73: 210–35. 2. McCauley, C. (1998) ‘Group dynamics in Janis’ theory of groupthink: Backward and forward’, Organizational Behavior and Human Decision Processes, 73: 146–62. 3. Jost, J.T. and Banaji, M.R. (1994) ‘The role of stereotyping in system-justification and the production of false consciousness’, British Journal of Social Psychology, 33: 1–27. 4. Tversky, A. and Kahneman, D. (1974) ‘Judgment under uncertainty: Heuristics and biases’, Science, 185: 1124–3. Dominic J. Packer and Nick D. Ungson, „Group Decision-Making. Revisiting Janis’ groupthink studies“, in: Joanne R. Smith and S. Alexander Haslam (eds.) 2017. Social Psychology. Revisiting the Classic studies. London: Sage Publications |
Haslam I S. Alexander Haslam Joanne R. Smith Social Psychology. Revisiting the Classic Studies London 2017 |
Zustimmung | Morris | Gaus I 204 Zustimmung/Konsens/Rechtmäßigkeit/Staat/Rechtfertigung/Morris: Die Zustimmung kann eine notwendige Bedingung für die Legitimität oder lediglich eine hinreichende Bedingung (oder beides) sein. Wenn man davon ausgeht, dass die Zustimmung ausreichen könnte, um nur (einigermaßen) gerechte Regierungen oder Staaten zu legitimieren, sollten wir uns die Konsenstheorie so vorstellen, dass sie sowohl die Notwendigkeit als auch die Hinlänglichkeit der Zustimmung zur Legitimität bestätigt. Die Behauptung, dass die Zustimmung ausreichend ist, ist die weniger umstrittene der beiden (siehe Simmons, 1979(1): 57; 1993(2): 197-8; Green, 1988(3): 161-2; Beran, 1987(4)). Theorie der Zustimmung: Die Konsenstheorie ist eine normative Darstellung, und es ist möglich, dass alle tatsächlichen Staaten ihre Legitimationsbedingungen nicht erfüllen. Das ist es, was viele zeitgenössische Konsenstheoretiker tatsächlich behaupten. Konsens/Morris: Zustimmung ist zu unterscheiden von Konsens oder allgemeiner Zustimmung. Die meisten Formen der politischen Organisation hängen bis zu einem gewissen Grad von Konsens oder Zustimmung ab. Letztere haben jedoch weitgehend mit gemeinsamen Überzeugungen (oder Werten) zu tun. Manchmal werden Begriffe wie diese verwendet, um mehr anzudeuten, aber sie beziehen sich im Wesentlichen auf Übereinstimmung in Überzeugungen oder Gedanken (oder Werten).* ((s) Vgl. >Verständigung/Habermas.) Zustimmung/Morris: Im Gegensatz dazu beinhaltet die Zustimmung das Eingehen eines Willens oder einer Verpflichtung. Etwas gilt nur dann als Zustimmung, wenn es sich um eine bewusste Verpflichtung handelt. Im Idealfall handelt es sich um eine Handlung der Zustimmung, wenn es sich um die bewusste und wirksame Kommunikation einer Absicht handelt, eine Veränderung der eigenen normativen Situation (d.h. der eigenen Rechte oder Pflichten) herbeizuführen. Sie muss freiwillig und bis zu einem gewissen Grad informiert sein. Die Zustimmung kann ausdrücklich (direkt), stillschweigend oder implizit (indirekt) erfolgen. Beides sind Formen der tatsächlichen Zustimmung. Im Gegensatz dazu ist eine (nicht-aktuelle) "hypothetische Einwilligung" keine Einwilligung. Die Konsenstheorie sollte als eine ausgeprägte philosophische Position betrachtet werden, die in Opposition zu anderen Traditionen steht, die das Gemeinwesen oder die politische Herrschaft als natürlich empfinden oder Regierung und Recht durch ihre Vorteile gerechtfertigt sehen würden. Der gegenseitige Vorteil, die paretische Tradition und verschiedene Arten von Folgerichtigkeit versuchen, die volle Legitimität in dem, was das Gemeinwesen für seine Untertanen und andere tut, zu begründen (zu ersterem siehe J. Buchanan, 1975(5); Gauthier, 1986(6)). Andere, eher "partizipatorische" Traditionen könnten für ihre Legitimität eine aktive Beteiligung der Bürger erfordern. Der politische Konsentialismus sollte nicht mit diesen anderen Traditionen verschmolzen werden, so eng sie historisch auch miteinander verbunden sein mögen (...) und er sollte sicherlich nicht Gaus I 205 mit anderen angeblich "konsensualen" Theorien, die die Legitimität auf Konsens oder Zustimmung gründen, verwechselt werden. >Konsens. Morris: Die Schlussfolgerung der zeitgenössischen Konsenstheoretiker scheint zu sein, dass praktisch keine Staaten die Bedingungen des Berichts für eine volle Legitimität erfüllen. Es ist einfach so, dass nur wenige Menschen, von "natürlichen" Bürgern und Beamten einmal abgesehen, ihrem Staat explizit oder stillschweigend zugestimmt haben. Es ist unplausibel, die Stimmabgabe bei demokratischen Wahlen so zu interpretieren, dass sie die erforderliche Zustimmung ausdrückt, und bloßer Wohnsitz und dergleichen scheinen nicht die Art von Verpflichtungen des Willens zu sein, die von den Zustimmungstheoretikern für eine Verpflichtung verlangt werden. Folglich haben die meisten Menschen möglicherweise nicht die allgemeine Pflicht, die Gesetze ihres Staates zu befolgen, die man gemeinhin für sie annimmt. VsKonsens-Theorien: Die Beurteilung der Infragestellung der staatlichen Legitimität durch den Konsentialismus ist eine komplizierte Angelegenheit (...). Minimale Legitimität: Geht man davon aus, dass einigermaßen gerechte und effiziente Staaten gerechtfertigt und damit minimal legitimiert sind, so scheint für die volle Legitimität und die Verpflichtung zur Rechtsbefolgung etwas mehr erforderlich zu sein. Die Literatur zu dieser Frage ist umfangreich (siehe Edmundson, 1999(7)), (...) >Legitimität/Morris, >Staatsbürgerschaft/Morris. * Eine Zustimmung in diesem Sinne sollte auch von der "Billigungszustimmung" in Hampton (1997(8): 94-7) unterschieden werden. 1. Simmons, A. John (1979) Moral Principles and Political Obligations. Princeton, NJ: Princeton Umversity Press. 2. Simmons, A. John (1993) On the Edge of Anarchy: Locke, Consent, and the Limits of Society. Princeton, NJ: Princeton Umversity Press. 4. Green 1988 3. Green, Leslie (1988) The Authority of the State. Oxford: Clarendon. 4. Beran, Harry (1987) The Consent Theory of Political Obligation. Beckenham: Croom Helm. 5. Buchanan, James (1975) The Limits of Liberty: Between Anarchy and Leviathan. Chicago: University of Chicago Press. 6. Gauthier, David (1986) Morals by Agreement. Oxford: Clarendon. 7. Edmundson, William A., ed. (1999) The Duty to Obey the Law: Selected Philosophical Readings. Lanham, MD: Rowman and Littlefield. 8. Hampton, Jean (1997) Political Philosophy. Boulder, CO: Westview. Morris, Christopher W. 2004. „The Modern State“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications |
Gaus I Gerald F. Gaus Chandran Kukathas Handbook of Political Theory London 2004 |
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Wissenschaft | Medawar, P. | Anne-Kathrin Reulecke (Hg) Fälschungen Frankfurt 2006 S. 37 Wissenschaft/Theorie/Medawar: These: Das Genre des Wissenschaftsartikels ist per se verfälschend, weil induktiv und funktional-argumentativ. Stattdessen: "Chronologisch-autobiographischer Erzählstil". Di TrocchioVsKonstruktivismus (i. d. Wissenschaft): auch er kann die wissenschaftliche Fälschung nicht fassen: weil er von einem konsensuell hergestellten Wahrheitsbegriff ausgeht. Dann stellen Fälschungen keinen besonders konturierten Sonderfall dar. |
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